Verwaltungsgericht Aachen:
Beschluss vom 13. Januar 2016
Aktenzeichen: 5 L 295/15.A

(VG Aachen: Beschluss v. 13.01.2016, Az.: 5 L 295/15.A)

Tenor

Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 6. Juli 2015 aufgehoben.

Der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen auf Festsetzung der von der Antragsgegnerin an die Antragstellerinnen zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Abänderungsverfahren in Höhe von 492,54 € wird abgelehnt.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Die gemäß §§ 165, 151 der Verwaltungsgerichtsordnung € VwGO - statthafte Beschwerde,

vgl. hierzu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 16. Oktober 2014 € 11 B 789/14.A -, juris.

ist auch sonst zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der 2€Wochenfrist des § 151 Satz 1 VwGO gestellt worden. Da die Antragsgegnerin den Kostenfestsetzungsbeschluss ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 7. Juli 2015 erhalten hat, ist die Kostenerinnerung vom 20. Juli 2015 fristgemäß bei Gericht eingegangen.

Die Kostenerinnerung ist auch begründet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen auf deren Antrag zu Unrecht auf 492,54 € festgesetzt. Diese geltend gemachten Gebühren und Auslagen des für die Antragstellerinnen im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO tätigen Prozessbevollmächtigten sind nicht erstattungsfähig.

Nach § 164 VwGO setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts (Rechtsanwaltsvergütung) sind zwar stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das setzt jedoch voraus, dass sie auch gerade in dem Verfahren entstanden sind, für das die Kostenfestsetzung begehrt wird. Das trifft auf die von den Antragstellerinnen im Abänderungsverfahren geltend gemachten Kosten nicht zu.

Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Gebühren entgelten, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 RVG). In "derselben Angelegenheit" kann der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). Dieser Regelung liegt ein pauschalierender vergütungsrechtlicher Ansatz zugrunde. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts wird in einzelne "Angelegenheiten" unterteilt, die den jeweiligen Gebührentatbeständen zugeordnet und pauschal vergütet werden. §§ 16 bis 18 RVG bestimmen ergänzend, welche Verfahren oder Verfahrensabschnitte noch als "dieselbe Angelegenheit" (§ 16 RVG), "verschiedene Angelegenheiten" (§ 17 RVG) oder "besondere Angelegenheiten" (§ 18 RVG) gelten.

Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden€Württemberg (VGH Bad.-Württ.), Beschluss vom 8. November 2011 € 8 S 1247/11 -, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 26. Januar 2012 € 9 C 11.3040 -, juris.

Danach sind zwar das Verfahren in der Hauptsache auf der einen Seite sowie ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO und ein Abänderungsantrag auf der anderen Seite "verschiedene Angelegenheiten", § 17 Nr. 4 Buchst c) und d) RVG. Das gilt aber nicht für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verhältnis zum Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Denn die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren beauftragten Rechtsanwalts betrifft nach § 16 Nr. 5 RVG "dieselbe Angelegenheit" i.S. des § 15 Abs. 2 RVG. Ist der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug daher bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht € nochmals - erstattungsfähig.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 23. Juli 2003 € 7 KSt 6.03, 7 VR 1.02 € zu dem früheren § 40 Abs. 2 BRAGO, der inhaltlich § 16 Nr. 5 RVG entspricht, juris; vgl. auch: VGH Bad.€Württ., Beschluss vom 8. November 2011 € 8 S 1247/11 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. März 2015 € 8 E 124/15 -, juris, und vom 14. Mai 2014 € 19 E 524/14.A -, n.v.

Dabei spielt keine Rolle, ob dem Abänderungsantrag eine stattgebende oder ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorausgegangen ist. Hintergrund der Regelung des § 16 Nr. 5 RVG ist, dass der Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, in einem Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne Weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann, mithin der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts bereits im früheren Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten ist. Unter dem Blickwinkel der Abgeltung des Arbeitsaufwandes für einen Abänderungsantrag durch den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wäre es jedoch sinnwidrig, das Entstehen einer Gebühr vom Erfolg des ursprünglichen Antrages abhängig zu machen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 € 7 KSt 6.03, 7 VR 1.02 -, a.a.O.

Die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit im Abänderungsverfahren wird daher vergütungsrechtlich nicht honoriert. Dies führt auch nicht deshalb zu einem "ungerechten" Ergebnis, weil ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren noch nicht anwaltlich vertreten war. Hierin liegt keine mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbare Ungleichbehandlung. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund vielmehr in dem § 162 VwGO zugrunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden € und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklichen € Ansatz des § 15 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 16 Nr. 5 RVG.

Vgl. VGH Bad.€Württ., Beschluss vom 8. November 2011 € 8 S 1247/11 -, a.a.O.

Aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, folgt nichts Abweichendes; die Vorschrift rechtfertigt insbesondere nicht den Schluss, dass jeder Beteiligte aus der ihm günstigen Kostenentscheidung die ihm erwachsenen Kosten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einmalvergütung des § 15 Abs. 2 RVG erstattet verlangen kann.

So im Ergebnis aber (noch): OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2002 € 2 E 219/02 -, juris; so im Ergebnis auch: Verwaltungsgericht (VG) München, Beschluss vom 12. August 2013 € M 17 M 13.30186 -, juris; VG Stuttgart, Beschluss vom 29. April 2014 € A 7 K 226/14 -, juris; VG Magdeburg, Beschluss vom 4. November 2014 € 9 B 207/14 €; VG Aachen, Beschluss vom 15. Januar 2015 € 1 L 686/14.A €.

Die erst im Abänderungsverfahren zugunsten der Antragstellerinnen erfolgte Kostengrundentscheidung ersetzt nämlich nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, trifft also nicht etwa eine einheitliche Entscheidung für die Verfahren nach § 80 Abs. 5 und 7 VwGO. Bei dem Abänderungsverfahren handelt es sich vielmehr um ein neues, selbständiges Verfahren, das nicht als Rechtsmittelverfahren zur Überprüfung der vorangegangenen Entscheidung verstanden werden darf, sondern vielmehr die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft betrifft.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 3. Juni 2009 € 6 C 07.565 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2014 € 11 B 789/14.A -, a.a.O.; VG Minden, Beschlüsse vom 3. März 2015 € 10 L 926/14.A € und vom 3. Juli 2015 € 6 L 862/14.A, beide juris.

Von der Kostengrundentscheidung des Änderungsverfahrens gemäß § 80 Abs. 7 VwGO können daher nur solche Kosten erfasst werden, die erstmals im Änderungsverfahren entstanden sind (z.B. Kosten einer Beweisaufnahme). Solche Kosten wurden vorliegend aber nicht geltend gemacht; die Antragstellerinnen begehren vielmehr die Erstattung von Gebühren und Auslagen (Verfahrensgebühr, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer), die bereits im ursprünglichen Eilverfahren ... angefallen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.






VG Aachen:
Beschluss v. 13.01.2016
Az: 5 L 295/15.A


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