Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juni 2009
Aktenzeichen: 12 W (pat) 345/05

(BPatG: Beschluss v. 25.06.2009, Az.: 12 W (pat) 345/05)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 21, Beschreibung Seiten 2 bis 7, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2009, Zeichnung, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Gegen das am 8. August 1998 angemeldete und am 2. Juni 2005 veröffentlichte Patent 198 35 989 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Online-Kalandrierung von Papier" hat die Einsprechende am 30. August 2005 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents sei durch den aufgezeigten Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen, er beruhe zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Begründung stützt sie sich auf folgende Druckschriften:

D1: WO 00/03086 A1 D1a: FI 981594 (entspricht dem Prioritätsdokument zu D1)

D1b: Englische Übersetzung der D1a D2: DE3545123C2 D3: A. Granberg, T. Nylund and M. Rigdahl "Calendering of a moistened woodfree uncoated paper", Nordic PuIp and Paper Research Journal no. 3/1996, S. 132 bis 136 und 140 D4: Keith Cutshall, "Cross Direction Control gives Major lmprovement in Paper Uniformity", 1989 Wet End Operations, TAPPI Seminar Notes, S. 383 bis 389 D5: DAS PAPIER, 44. Jahrgang 1990, S. S12 und S18 Im Prüfungsverfahren wurden noch folgende Druckschriften berücksichtigt:

DE 4301023C2 DE 3819762C2 DE 3735438C1 ROTHFUSS, Ulrich: In-Lineund Off-Line-Satinage von holzhaltigen, tiefdruckfähigen Naturpapieren, In: Wochenblatt für Papierfabrikation Nr. 11/12, 1993, S. 457 bis 460 und S. 462 bis 464 sowie S. 466; ROBERTSON, Rex, KUOSA, Harry, GENISOT, Tony, DÜRAUER, Rainer: Neue Generation Multinip-Kalander für mehr Veredlungspotential, In: Wochenblatt für Papierfabrikation, Nr. 23/24, 1997, S. 1174 bis 1181.

Die Einsprechende beantragte, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat widersprochen und beantragte, das Patent mit den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie führte im Wesentlichen aus, dass die Gegenstände der verteidigten Patentansprüche 1 und 14 durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt seien.

Die Einsprechende hält auch die Gegenstände der verteidigten Ansprüche 1 und 14 nicht für neu, zumindest sei eine erfinderische Tätigkeit für die verteidigten Ansprüche 1 und 14 zu verneinen.

Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 21 lauten:

1. Verfahren zur Online-Kalandrierung von Papier mit hoher Glätte, wobei die aus der Papiermaschine kommende Papierbahn

(3) online einem Superkalander (Multinip-Softkalander) (11) zugeführt wird, in dem sie zur Erzielung der gewünschten Glätteeigenschaften eine Vielzahl von Walzenspalten (121 -129) durchläuft, wobei die Papierbahn (3) vor dem Durchlaufen des ersten Walzenspaltes (121) befeuchtet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Befeuchtung mit Sprühnebel erfolgt, dass der Sprühnebel nach der Trockenpartie (2) der Papiermaschine und etwa 0,6 bis 1,2 s bevor die Papierbahn (3) den ersten Walzenspalt (121) durchläuft auf die Papierbahn (3) aufgebracht wird und dass die Papierbahn (3) unmittelbar vor dem ersten Walzenspalt (12) des Superkalanders (11) mit Dampf befeuchtet wird.

2.

Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprühnebel etwa 0,8 bis 1 s bevor die Papierbahn (3) den ersten Walzenspalt (121) durchläuft auf die Papierbahn (3) aufgebracht wird.

3.

Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprühnebel als feiner gleichmäßiger Nebel mit einer durchschnittlichen Tropfengröße < 50 µm, vorzugsweise <= 20 µm, aufgebracht wird.

4.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Feuchtigkeitsgehalt der Papierbahn (3) durch die Sprühnebelbefeuchtung um ca. 5 bis 7 Gewichtsprozent erhöht wird.

5.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Feuchtegehalt der Papierbahn (3) nach der Sprühnebelbefeuchtung etwa 7 bis 11 Gewichtsprozent beträgt.

6.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprühnebel mit Wasser mit verringerter Oberflächenspannung erzeugt wird.

7.

Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprühnebel mit warmem Wasser erzeugt wird.

8.

Verfahren nach Anspruch 6 oder 7, dadurch gekennzeichnet, dass dem Sprühnebelwasser Tenside oder dergleichenzugesetzt werden.

9.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprühnebel mit Luft versprüht wird.

10.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Feuchte der Papierbahn (3) vor und/oder hinter der Sprühnebelbefeuchtung ermittelt wird und dass die Sprühnebelbefeuchtung in Abhängigkeit von den ermittelten Feuchte-Istwerten und vorgegebenen Sollwerten geregelt wird.

11.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass eventuelle Glanzund/oder Glätteunterschiede über die Breite der Papierbahn (3) ermittelt werden und dass die Nebelaufbringung in Querrichtung der Papierbahn (3) hierauf abgestimmt wird.

12.

Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberund Unterseite (3a, b) der Papierbahn (3) mit Sprühnebel befeuchtet wird.

13 Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Papierbahn durch den erste Walzenspalt (121) geführt wird, bevor die durch die Dampfbeaufschlagung entstandene erhöhte Feuchte der Oberfläche unter einen vorbestimmten Wert im Bereich von 12% bis 25% abgesunken ist.

14.

Vorrichtung zur Online-Kalandrierung von Papier mit einer Papiermaschine mit einer Trockenpartie (2) und einem hinter der Trockenpartie (2) online angeordneten Superkalander (Multinip Softkalander (11) mit einer Vielzahl von Walzenspalten (121 -129), die von der Papierbahn (3) durchlaufen werden, wobei im Anschluss an die Trockenpartie (2) der Papiermaschine eine Befeuchtungseinrichtung (7) mit wenigstens einem Düsenfeuchter (8, 9) zur Aufbringung eines Sprühnebels auf die Papierbahn (3) vorgesehen ist, wobei die Befeuchtungseinrichtung (7) derart von dem Superkalander (11) beabstandet ist, dass die Papierbahn (3) den ersten Walzenspalt (121) etwa 0,6 bis 1,2 s nach der Befeuchtung durchläuft, und wobei an dem Düsenfeuchter (8, 9) eine Absaugung (24) vorgesehen ist.

15.

Vorrichtung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die Befeuchtungseinrichtung (7) je wenigstens einen der Oberund der Unterseite (3a, b) der Papierbahn (3) zugeordneten Düsenfeuchter (8, 9) aufweist.

16.

Vorrichtung nach Anspruch 14 oder 15, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Düsenfeuchter (8, 9) eine Vielzahl von Sprühköpfen (21) nebeneinander angeordnet ist.

17.

Vorrichtung nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Sprühköpfe (21) einzeln oder in Gruppen ansteuerbar sind.

18.

Vorrichtung nach Anspruch 16 oder 17, dadurch gekennzeichnet, dass insbesondere die Sprühköpfe (21) zur Befeuchtung der Oberseite (3a) der Papierbahn (3) horizontal angeordnet sind.

19.

Vorrichtung nach einem der Ansprüche 14 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass unmittelbar vor dem ersten Walzenspalt

(121)

des Superkalanders (11) eine Dampfabgabeeinrichtung (16, 16') vorgesehen ist, so dass die durch die Dampfbeaufschlagung bewirkte Temperaturund Feuchteerhöhung der Papierbahn (3) nicht ausgeglichen ist, wenn die Papierbahn (3) den Walzenspalt

(121)

durchläuft.

20.

Vorrichtung nach Anspruch 19, dadurch gekennzeichnet, dass je eine Dampfabgabeeinrichtung (16, 16') auf beiden Seiten der Papierbahn (3) vor dem ersten Walzenspalt (121) des Superkalanders (11) angeordnet ist.

21.

Vorrichtung nach einem der Ansprüche 14 bis 20, dadurch gekennzeichnet, dass vor und/oder hinter der Befeuchtungseinrichtung (7) ein Messrahmen (6, 10) vorgesehen ist, mit dem die Feuchtigkeit der Papierbahn (3) erfassbar ist, wobei die ermittelten Messwerte zur Steuerung der Befeuchtungseinrichtung

(7) und/oder der Dampfabgabeeinrichtung (16, 16') herangezogen werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1.

Der zulässige Einspruch führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

2.

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Online-Kalandrierung von Papier mit hoher Glätte nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie eine Vorrichtung zur Online-Kalandrierung von Papier nach dem Oberbegriff des Anspruchs 14.

Grundsätzlich gibt es im Wesentlichen zwei Arten von Glättwerken. Superkalander weisen eine Vielzahl übereinander angeordneter Walzen und dazwischen vorgesehener Walzenspalte auf, die von der Papierbahn durchlaufen werden. Durch die vielen Walzenspalte ergeben sich ein hoher Überdeckungsgrad und eine gute Verteilung der Satinagearbeit zwischen Druck und Temperatur. Superkalander sind üblicherweise offline vorgesehen, d. h., dass die aus der Papiermaschine kommende Papierbahn zunächst auf einen Tambour aufgewickelt und mit diesem zum Superkalander überführt wird, den sie dann mit einer erheblich geringeren Geschwindigkeit als der Papiermaschinengeschwindigkeit durchläuft (Patentschrift Abs. [0004]).

Zum Zweiten gibt es Maschinenoder Softkalander, die online an eine Papiermaschine angeschlossen sein können und daher mit Papiermaschinengeschwindigkeit durchlaufen werden. Maschinenkalander weisen aber nur wenige Walzenspalte auf, so dass mit höherem Druck und Temperatur gearbeitet und die Papierbahn entsprechend stärker beansprucht wird (Abs. [0005]).

Aufgabe der Erfindung ist es, die Papierqualität bei der Online-Kalandrierung zu verbessern (Abs. ([0009]).

Diese Aufgabe wird mit der Erfindung durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen gelöst (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung unterstrichen):

1.1 Verfahren zur Online-Kalandrierung von Papier mit hoher Glätte, wobei 1.2 die aus der Papiermaschine kommende Papierbahn (3) online einem Superkalander (Multinip-Softkalander) (11) zugeführt wird, 1.3 in dem sie zur Erzielung der gewünschten Glätteeigenschaften eine Vielzahl von Walzenspalten (121 -129) durchläuft, 1.4 wobei die Papierbahn (3) vor dem Durchlaufen des ersten Walzenspalts

(121) befeuchtet wird, dadurch gekennzeichnet, dass a) die Befeuchtung der Papierbahn mit Sprühnebel erfolgt, dassb) der Sprühnebel nach der Trockenpartie (2) der Papiermaschine und etwa 0,6 bis 1,2 s bevor die Papierbahn (3) den ersten Walzenspalt (121)

durchläuft auf die Papierbahn (3) aufgebracht wird, und dass c) die Papierbahn (3) unmittelbar vor dem ersten Walzenspalt (12) des Superkalanders mit Dampf befeuchtet wird.

Gelöst wird die Aufgabe ferner mit einer Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

14.1 Vorrichtung zur Online-Kalandrierung von Papier 14.2 mit einer Papiermaschine mit einer Trockenpartie (2) und 14.3 einem hinter der Trockenpartie (2) online angeordneten Superkalander (Multinip-Softkalander) (11) mit einer Vielzahl von Walzenspalten (121 129), die von der Papierbahn (3) durchlaufen werden, wobei 14.4 im Anschluss an die Trockenpartie (2) der Papiermaschine eine Befeuchtungseinrichtung (7) mit wenigstens einem Düsenfeuchter (8, 9) zur Aufbringung eines Sprühnebels auf die Papierbahn (3) vorgesehen ist, wobei 14.5 die Befeuchtungseinrichtung (7) derart von dem Superkalander (11) beabstandet ist, dass die Papierbahn (3) den ersten Walzenspalt (121) etwa 0,6 bis 1'2 s nach der Befeuchtung durchläuft, und wobei 14.6 an dem Düsenfeuchter (8, 9) eine Absaugung (24) vorgesehen ist.

3. Formal bestehen gegen die verteidigten Patentansprüche keine Bedenken.

Der verteidigte Anspruch 1 beinhaltet die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 und das Merkmal c, das der Beschreibung (Abs. [0026] und [0036]) zu entnehmen ist. Die Aufbringung des Sprühnebel nach der Trockenpartie der Papiermaschine ergibt sich beispielsweise aus Abs. [0034]. Der verteidigte Anspruch 1 ist daher zulässig. Anspruch 14 beinhaltet die Merkmale der erteilten Ansprüche 14 und 16 und ist damit ebenfalls zulässig. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 13 sowie 15 bis 21 lassen sich auf die erteilten Ansprüche 2 bis 13, 15 sowie 17 bis 22 zurückführen. Auch die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben.

4. Zum Verständnis der verteidigten Ansprüche 1 und 14.

Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion und dem Betrieb von Papiermaschinen.

Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Online-Kalandrierung von Papier mit hoher Glätte. Die aus der Papiermaschine kommende Papierbahn wird online einem Superkalander zugeführt. Superkalander haben 8 bis 12 Walzen und damit eine Vielzahl von Walzenspalten (Multinip-Softkalander). Die Papierbahn wird außerhalb der Trockenpartie und vor dem ersten Walzenspalt mit einem Sprühnebel befeuchtet. Nebel ist ein Aerosol von kleinen flüssigen Tröpfchen in einem Gas, meistens Luft, welcher durch die Größe der Tröpfchen charakterisiert wird. In der Beschreibung und im Unteranspruch 3 ist hierzu Nebel mit einem Tröpfchendurchmesser unter 50 Mikrometer angegeben. Die Befeuchtungseinrichtung ist derart von dem Superkalander beabstandet, dass die Papierbahn den ersten Walzenspalt etwa 0,6 bis 1'2 Sekunden nach der Befeuchtung durchläuft. In der Beschreibung ist in Abs. [0011] als übliche Papiermaschinengeschwindigkeit ein Wert von 1400 m/min angegeben, womit auch der räumliche Abstand für den Fachmann hinreichend offenbart ist. Mit der Erfindung wurde erkannt, dass die Wahl eines entsprechenden Abstandes zwischen der Sprühnebelbefeuchtung und dem ersten Walzenspalt des Superkalanders auch bei der Online-Installation und mit Papiermaschinengeschwindigkeit geförderter Papierbahn eine gleichmäßig und für die folgende Kalandrierung auch hinsichtlich der Eindringung ausreichend befeuchtete Papierbahn erreichbar ist (Abs. [0011]). Unmittelbar vor dem ersten Walzenspalt des Superkalanders wird die Papierbahn außerdem mit Dampf befeuchtet. Hierdurch wird die Beeinflussung der Papierbahn durch den Walzenspalt im Wesentlichen auf die Oberflächenbereiche der Papierbahn beschränkt und eine schonendere Behandlung der Papierbahn im Superkalander ermöglicht (Abs. [0019]).

5. Zum Anspruch 1 5.1 Das Verfahren nach dem verteidigten Patentanspruch 1 ist unbestritten gewerblich anwendbar und auch neu.

Die D1, eine Patentanmeldung mit älterem Zeitrang (Prioritätstag 10. Juli 1998), ist am 20. Januar 2000 veröffentlicht worden, mithin nach dem Anmeldetag

(8. August 1998) des angegriffenen Patents. In der D1 ist das Europäische Patentamt als Bestimmungsamt genannt. Die europäische Anmeldung (veröffentlicht als EP 1 097 268 B1) mit der Benennung DE ist wirksam geworden, das Patent wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 699 15 629.7 geführt. Die D1 ist damit in ihrer finnischen Fassung (D1a) als Stand der Technik nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PatG anzusehen. Die Einsprechende hat eine englische Übersetzung (D1b) der (D1a) eingereicht, deren Richtigkeit die Patentinhaberin nicht bestritten hat und die mit der D1 übereinstimmt. Nachfolgend wird auf die D1 Bezug genommen.

Die D1 offenbart weitgehend ein Verfahren mit den Merkmalen 1.1 bis 1.4 (vgl. Fig. 1 und zugehörige Beschreibung). Auch Merkmal b ist soweit verwirklicht, dass der Wasserauftrag nach der Trockenpartie der Papiermaschine (vgl. Seite 8, Zeile 20 bis 25) und etwa 0,2 bis 2 Sekunden bevor die Papierbahn den ersten Walzenspalt durchläuft auf die Papierbahn aufgebracht wird (vgl. Anspruch 3 und 4). Ob dort ein Sprühnebel im Sinne des Merkmals a aufgebracht wird, kann dahin gestellt bleiben, denn zumindest offenbart die D1 nicht, unterschiedliche Befeuchtungseinrichtungen (Sprühnebel gemäß Merkmal a, Dampfbefeuchtung gemäß Merkmal c) hintereinander zu verwenden. Die D1 beschreibt lediglich gleichartige Möglichkeiten (dort wetting devices 2), eine Papierbahn zu befeuchten, z. B. Sprühbefeuchten oder Bedampfen (Seite 4, Zeile 32 bis Seite 5, Zeile 4). Es können zwar auch mehrere Befeuchtungseinrichtungen gleicher Bauart vorgesehen sein (Seite 5, Zeile 17 bis 19), diese sind aber nicht unmittelbar vor dem ersten Walzenspalte angeordnet, was sich zweifelsfrei aus Anspruch 2 der D1 ergibt, der eine Befeuchtung mindestens 0,2 Sekunden vor der Oberflächenbehandlung fordert. Auch die von der Einsprechenden noch genannten Absätze 1 und 4 auf Seite 14 geben allenfalls diesen Offenbarungsgehalt wieder.

Auf Seite 1, Zeile 31 bis 35 der D1 wird der Stand der Technik nach der EP 617 165 beschrieben, die eine Bedampfung einer Bahn vor einem Kalander vorsieht. Von diesem Vorgehen geht die D1 gerade ab, indem sie die Befeuchtungseinrichtungen entfernt von der Behandlungsstufe anordnet und auf eine Dampfbehandlung der Papierbahn unmittelbar vor einem Superkalander verzichtet. Soweit die Einsprechende auf das Fachwissen des Fachmannes abstellt, ist dieses im Rahmen der Neuheitsprüfung nicht zulässig.

Die von der Einsprechenden erstmals in der mündlichen Verhandlung zur fehlenden Neuheit herangezogene D4 weist eine Befeuchtungseinrichtung innerhalb der Trockenpartie der Papiermaschine auf, schon Merkmal b ist daher nicht verwirklicht.

5.2 Das Verfahren gemäß dem verteidigten Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die D1 ist als Stand der Technik im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 PatG bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen.

Nächstkommender Stand der Technik ist die D2, die ein Verfahren zum Kalandrieren und einen Kalander zeigt und beschreibt. Die Merkmale 1.1 bis 1.4 sind weitgehend verwirklicht, ob das in der D2 beschriebene Verfahren auch zum Online-Kalandrieren in einem Superkalander geeignet wäre, kann dahin gestellt bleiben, denn zumindest die Merkmale a bis c sind nicht verwirklicht. Es werden Wasserstrahlen auf die Bahn aufgebracht, um einen Feuchtegradienten in Richtung der Bahndicke zu erzielen (Seite 4, letzter Abs.), dieses entspricht nicht einem Sprühnebel im Sinne des Patents. Über den Zeitpunkt des Aufbringens sagt die D2 nichts aus, gemäß Ausführungsbeispiel ist die Befeuchtungseinrichtung zwar außerhalb der Trockenpartie, aber direkt an der Ständerkonstruktion des Kalanders angeordnet. Die D2 sieht zur Glättung der Papierbahn unterschiedliche Temperaturen der einen Nip bildenden Walzen vor, daher kann diese Druckschrift allein keine Anregung zur patentgemäßen Ausbildung geben.

Die D5 zeigt auf Seite S18 eine Dampf-Befeuchtungsanlage 4 (= Merkmal c) vor einem Doppelglättwerk. Eine Übertragung auf die D2 mag zwar naheliegend sein, da dem Fachmann bekannt ist, dass durch eine Bedampfung vor dem Kalandrieren die Glätte des Papiers beeinflusst werden kann. Sie führt jedoch nicht zur patentgemäßen Ausführung mit den Merkmalen 1.4 a) und b). Gleiches gilt für die Dampf-Befeuchtungsanlage, wie sie die D4 beschreibt (Seite 387, linke Spalte). Die D4 beschreibt zwar auch eine Wassersprühanlage, die aber in der Trockenpartie einer Papiermaschine angeordnet ist (Seite 384, linke Spalte, Abs. 3 und Fig. 3). Einen Sprühnebel im patentgemäßen Sinn offenbart diese Druckschrift aber nicht. Die Argumentation der Einsprechenden, die Verwendung eines Sprühnebels anstelle von Wasserstrahlen sei handwerkliches Können, beruht auf einer rückschauenden Betrachtung. Der Stand der Technik verwendet Wasserstrahlen, um eine ausreichende Befeuchtung der Papierbahn zu erreichen, einen Sprühnebel wird der Fachmann danach allenfalls in Betracht ziehen, um die obere Schicht einer Papierbahn zu befeuchten (vgl. D2, Seite 2, Zeile 50 bis 54). Hinweise oder Anregungen, eine Papierbahn mit einem Sprühnebel in dem patentgemäß beanspruchten bestimmten Abstand vor dem Superkalander zu befeuchten, gibt somit dieser Stand der Technik nicht.

Gleiches gilt für die D3, dort erfolgt die Befeuchtung mittels eines Flüssigkeitsauftragseinrichtung (liquid application system) in Form eines Wasserfilms (Seite 133, linke Spalte "moisture application").

Auch der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik kommt dem Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 nicht näher und wurde daher zu Recht von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung zum verteidigten Anspruch 1 nicht mehr aufgegriffen. Eine nähere Diskussion dieser Entgegenhaltungen erübrigt sich daher.

Da das Verfahren nach dem verteidigten Patentanspruch 1 durch den zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht nahe gelegt wird, ist dieser Anspruch gewährbar.

6. Zum Anspruch 14 6.1 Neuheit Die Vorrichtung nach dem verteidigten Patentanspruch 14 ist unbestritten gewerblich anwendbar und auch neu, da Merkmal 14.6 keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften zu entnehmen ist.

6.2 Die Vorrichtung gemäß dem verteidigten Patentanspruch 14 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Patentanspruch 14 hat in der Sache nichts anderes als die Formulierung der in Patentanspruch 1 als Verfahrensanspruch niedergelegten Lehre in Form eines Sachanspruchs zum Gegenstand. Die Gesichtspunkte, die der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Patentanspruch 1 zugrunde liegen, gelten daher zu Patentanspruch 14 gleichermaßen.

7.

Die Unteransprüche 2 bis 13 sowie 15 bis 20 werden von den verteidigten Patentansprüchen 1 und 14 mitgetragen.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Sandkämper Dr. Baumgart Me






BPatG:
Beschluss v. 25.06.2009
Az: 12 W (pat) 345/05


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