Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Mai 2007
Aktenzeichen: 17 W (pat) 36/04

(BPatG: Beschluss v. 24.05.2007, Az.: 17 W (pat) 36/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 11. Juni 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden unter der Bezeichnung:

" Gerätetastatur ".

Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der geltende Patentanspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert worden sei, da ein Merkmal des neu formulierten Anspruchs lediglich in der Zeichnung dargestellt und nicht als deutlich zu der Erfindung gehörend offenbart sei.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 - 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 1a und 1b vom 14. Mai 2007, Seite 2 vom Anmeldetagund Seite 3 sowie 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt sie aus, dass der Fachmann ausgehend von der objektiven Aufgabe, dass die Tastatur in sehr kleinen Gehäusen integrierbar sein soll, aus der Zeichnung ohne weiteres erkennen würde, dass die Stützwandungen sehr dünn seien, und zwar so fein ausgebildet, dass sie gegen seitliches Ausknicken gestützt werden müssten; genau dies bewirke aber die gezeichnete und nunmehr beanspruchte Zwischenebene. Zumindest für einen Fachmann sei daher deutlich, dass dieses Merkmal zur Erfindung gehöre.

Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer denkbaren Gliederung versehen, lautet:

" (A) Gerätetastatur mit einer Kontaktelemente-Ebene, dadurch gekennzeichnet, dass eine

(B) ein zumindest bezüglich eines Folien-Tastenfeldes (2) die Form eines Umlaufrahmens (10) aufweisendes Geräteoberteil eines betreffenden Gerätes

(C) umspannbar anordenbare Folie (1) vorgesehen ist,

(D) auf der das Folien-Tastenfeld (2) angeordnet ist,

(E) unterhalb dem an Tastenbetätigungsstellen (3) Kraft weiterleitende Aktuatoren (4) angeordnet sind, die Kontaktelementen (5) der Kontaktelemente-Ebene (6) für eine weiterleitende Kontakt-Betätigung infolge eines Druckes an einer entsprechenden Stelle auf dem Folien-Tastenfeld (2) zugeordnet sind,

(F) dass an verschiedenen Stellen unterhalb der Folie (1) Stützwandungen (7) für ein Abstützen der Folie (1) an Abstützstellen (8) vorgesehen sind,

(G) und dass zwischen der Folie (1) und der Kontaktelemente-Ebene (6) eine platinenflache Zwischenebene (9) als Führungsmittel für die Aktuatoren (4) und die Stützwandungen (7) vorgesehen ist. "

Ihm soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine Gerätetastatur anzugeben, die ein Eindringen von Flüssigkeiten und Staub in das Gerät bzw. ein Absetzen von Flüssigkeiten und Staub in Ritzen und Kanten des Gerätes verhindert, gleichzeitig leicht zu pflegen ist, weiter kompakt und sehr klein zu realisieren ist und trotzdem Design-Gesichtspunkten Rechnung tragen kann wie insbesondere Veränderungen in der relativen Dicke der Tastaturausführung (siehe Beschreibungsseite 1a eingegangen 14.5.2007 Absatz 3).

Bezüglich der Unteransprüche 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Gegenstand der vorliegenden Patentanmeldung wird zumindest durch ein Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1 unzulässig erweitert ( § 38 PatG).

1. Die Anmeldung betrifft eine Gerätetastatur, bei der auf einer geschlossenen Folie (1), die das Geräteoberteil umspannt, einzelne Felder als Tasten gekennzeichnet sind (Tastenbetätigungsstellen 3); unter ihnen ist jeweils ein Stößel (Aktuator 4) angeordnet, der eine Druckkraft auf ein darunter plaziertes Kontaktelement (elektrischer Schaltkontakt 5) überträgt. Die Folie (1) bewirkt, dass die Tastatur flüssigkeits- und staubdicht ist. Das Geräteoberteil soll nun die Form eines Umlaufrahmens (10) aufweisen, d. h. die Folie überspannt die Aussparung im Umlaufrahmen. Zum Abstützen der Folie sind Stützstege (Stützwandungen 7) vorgesehen. Die gewünschte kleine Bauform soll bedingen, dass diese Stützelemente nur sehr dünn ausgelegt sein könnten. Die Erfindung wird nun darin gesehen, dass zu deren Stabilisierung eine zusätzliche Zwischenebene (9) als "Führungsmittel" für Aktuatoren und Stützwandungen vorgesehen wird, die ein seitliches Ausknicken der Stützwandungen verhindern soll.

Als Fachmann für die o. g. Aufgabenstellung sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur (FH) für elektrische Tastenfelder und deren mechanischen Aufbau an.

2. Der geltende Patentanspruch 1 basiert auf dem ursprünglichen Hauptanspruch, ergänzt um die Merkmale des ursprünglichen Unteranspruchs 2. Jedoch werden folgende Merkmale an keiner Stelle der ursprünglichen Ansprüche oder Beschreibung aufgeführt:

dass das Geräteoberteil zumindest bezüglich eines Folien-Tastenfeldes (2) die Form eines Umlaufrahmens (10) aufweist (Merkmal (B) ), dass zwischen der Folie (1) und der Kontaktelemente-Ebene (6) eine platinenflache Zwischenebene (9) als Führungsmittel für die Aktuatoren (4) und die Stützwandungen (7) vorgesehen ist (Merkmal (G) ).

Insbesondere fehlen die Bezugszeichen (9) und (10) in der ursprünglichen Offenbarung völlig, d. h. auch in der (einzigen) Zeichnung.

3. Die Anmelderin hat vorgetragen, dass diese beiden Merkmale für den Fachmann - ihrer Auffassung nach ein Diplomingenieur (TU) der technischen Mechanik, dem das Lesen von Konstruktionszeichnungen vertraut ist - aus der Anmeldung, insbesondere aus der einzigen Zeichnung als erfindungswesentlich entnehmbar seien. Dass es sich um einen Umlaufrahmen handele, ergebe sich aus dem Zusammenhang und aus Merkmal (C), also dass die Folie das Geräteoberteil umspannt. Für den genannten Fachmann sei im Hinblick auf die Aufgabenstellung, die Tastatur sehr klein zu realisieren, aufgrund seines Fachwissens über Konstruktionsbauteile offensichtlich, dass die Stützwandungen gegen seitliches Ausknicken abgestützt werden müssten, und dass die Aktuatoren ein Führungsmittel benötigten. Beides werde durch die in der ursprünglichen Zeichnung vorgesehene und erkennbare Zwischenebene (nachträglich mit dem Bezugszeichen 9 versehen) gewährleistet, daher sei das Merkmal (G) dem Fachmann in der Zeichnung als wesentlich für die Erfindung offenbart.

4. Zunächst ist festzuhalten, dass nach geltendem Patentrecht die Zeichnung neben den Ansprüchen und der Beschreibung ein gleichwertiger Ort der Offenbarung ist (siehe z. B. Busse, PatG, 6. Auflage (2003), § 34 Rdn. 245 / 248 m. w. N.). "Zeichnungen sind die bevorzugte "Sprache" des Technikers und daher in besonderem Maße geeignet, einen technischen Sachverhalt zu vermitteln" (Schulte, PatG, 7. Auflage (2005), § 34 Rdn. 317 m. w. N.). Die Offenbarung eines Merkmals allein aus der Zeichnung kann daher nicht prinzipiell ausgeschlossen sein.

Entscheidend ist jedoch, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Durchschnittsfachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vorneherein von dem Schutzbegehren umfasst werden sollte (BGH Mitt. 96, 204 "Spielfahrbahn" m. w. N.). Darüber hinaus stellt sich noch die Frage nach der Deutlichkeit und Eindeutigkeit des (nur) gezeichneten Merkmals.

5. Im vorliegenden Fall vermochte der Vortrag der Anmelderin jedenfalls hinsichtlich des Merkmals (G) nicht zu überzeugen.

Die einzige Figur zeigt in der handschriftlichen Fassung vom Anmeldetag (11.06.2002) einen senkrechten Schnitt quer zur Längsachse der Gerätetastatur, in dem die Kontaktelemente-Ebene (6) mit den Kontaktelementen (5), das Geräteoberteil (am linken Rand fälschlich gleichfalls mit (5) bezeichnet), die umspannende Folie (1), die Tastenbetätigungsstellen (3), Aktuatoren (4) und Stützwandungen (7) mit ihren Abstützstellen (8) recht gut erkennbar sind. Zusätzlich ist noch ein langgestrecktes flaches schraffiertes Bauteil ohne Bezugszeichen zu sehen, das die linke und rechte Seite des Geräteoberteils (d. h. die Vorder- und Rückseite der Gerätetastatur) miteinander verbindet; es ist vertikal im oberen Drittel unterhalb der Folie (1) und oberhalb der Kontaktelemente-Ebene (6) angeordnet, wobei die Aktuatoren (4) und Stützwandungen (7) durch das Bauteil anscheinend nicht unterbrochen werden. In der Beschreibung findet sich nichts zu diesem Bauteil.

Es ist nicht erkennbar, welche Ausdehnung dieses Bauteil in Richtung zur Längsachse der Tastatur hat. Anstelle der behaupteten Zwischenebene könnte es sich genauso gut um eine oder mehrere dünne Streben zur Abstützung der Vorder- gegen die Rückseite handeln. Ferner ist der Zeichnung nicht entnehmbar, dass das Bauteil für die Aktuatoren und Stützwandungen ein "Führungsmittel" darstellen soll; bei einer hinter diesen angeordneten, sie nicht berührenden Seitenverbindungs-Strebe würde die Zeichnung genauso aussehen.

Selbst wenn zu Gunsten der Anmelderin unterstellt wird, dass ein Diplomingenieur (TU) der technischen Mechanik mit der Aufgabe betraut würde, eine staub- und flüssigkeitsdichte Gerätetastatur zu entwerfen, ändert das nichts an der fehlenden Deutlichkeit und Eindeutigkeit der Zeichnung bezüglich dieses Bauteils. Nachdem die Zeichnung unterschiedliche Interpretationen zulässt, kann nicht eine davon als "ursprünglich offenbart" angesehen werden, wenn die Beschreibung das nicht hergibt.

Außerdem ist gerade das Fehlen eines Bezugszeichens und jeglicher Erwähnung in der Beschreibung als Hinweis darauf zu werten, dass das Bauteil auch nicht als wesentlich für die beanspruchte Erfindung angesehen wurde.

6. Somit kann dahingestellt bleiben, ob gemäß Merkmal (B) das Geräteoberteil als Umlaufrahmen offenbart ist, und ob sich die umfangreiche Beschreibungsergänzung (neue Seite 3) überhaupt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung bewegt. Der geltende Patentanspruch 1 ist schon allein deshalb nicht zulässig, weil sein Merkmal (G) den Gegenstand der Anmeldung erweitert.

III.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 24.05.2007
Az: 17 W (pat) 36/04


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