Bundespatentgericht:
Urteil vom 1. März 2011
Aktenzeichen: 3 Ni 53/08
(BPatG: Urteil v. 01.03.2011, Az.: 3 Ni 53/08)
Tenor
I. Das europäische Patent 1 169 059 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 5 Millionen Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Patentanmeldung 128564 P vom 9. April 1999 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 169 059 (Streitpatent), das vom Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 600 23 476 geführt wird. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent betrifft eine "Kombination von Docetaxel und rhuMAb HER2 zur Krebsbehandlung". Es umfasst 11 Patentansprüche, die in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut haben:
1.
Therapeutische pharmazeutische Kombination umfassend Docetaxel und rhuMAk HER2.
2.
Produkt umfassend Docetaxel und rhuMAk HER2 als Kombinationspräparat für die gleichzeitige, getrennte oder über eine Zeitspanne verteilte Verabreichung an einen Patienten zur Behandlung von Krebs.
3.
Produkt nach Anspruch 2, wobei das Docetaxel und rhuMAk HER2 für die gleichzeitige oder getrennte Verabreichung bestimmt sind.
4.
Produkt nach Anspruch 2 oder 3, wobei der Krebs metastasierender Brustkrebs ist.
5.
Produkt nach Anspruch 2, 3 oder 4, wobei in dem Brustkrebs ein HER2/Protoonkogen überexprimiert ist.
6.
Produkt nach einem der Ansprüche 2 bis 5, wobei das Docetaxel und rhuMAb HER2 zur intravenösen Verabreichung bestimmt sind.
7.
Produkt nach einem der Ansprüche 2 bis 6, wobei Docetaxel über eine Zeitspanne von 30 Minuten bis 1 Stunde verabreicht wird.
8.
Produkt nach einem der Ansprüche 2 bis 7, wobei Docetaxel in einer Dosis von etwa 75 mg/m2 verabreicht wird.
9.
Produkt nach einem der Ansprüche 2 bis 8, wobei Docetaxel in einer Dosis von etwa 35 mg/m2 verabreicht wird.
10.
Produkt nach einem der Ansprüche 2 bis 9, das des Weiteren das Verabreichen von G-CSF (Granulozyten-Kolonien stimulierender Faktor) umfasst.
11.
Verwendung von Docetaxel und rhuMAk HER2 zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von Krebs.
Die Klägerin stützt ihre Klage darauf, dass der Gegenstand des Streitpatents wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 hat sie zusätzlich geltend gemacht, das Streitpatent verstoße auch gegen das Patentierungsverbot des Art. 53 lit. c EPÜ, da sich der Anspruch 1 auf eine Wirkstoffkombination richte, wie sie üblicherweise für Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers eingesetzt werde.
Zur Begründung ihres Vorbringens stützt sich die Klägerin u. a. auf folgende Dokumente (bezeichnet nach der von der Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2011 eingereichten Konkordanzliste):
KK1 EP1169059B1 KK1a US 60/128, 564 KK2 DE 600 23 476 T2 KK3 WO 89/06692 A1 KK4 Gianni, L. et al., Recent Results in Cancer Research 1998, 152, S. 314 bis 322 KK5 Bissett, D. et al., Cancer Research 1993, 53, S. 523 bis KK6 EP0616812B1 KK7 Slamon, D. et al., Proceedings of ASCO 1998, 17, S. 98a, Abstract 377 KK8 Yu, D. et al., Oncogene 1998, 16, S. 2087 bis 2094 KK9 Raefsky, E. et al., Proceedings of ASCO 1999, 18, S. 137a, Abstract 523 KK10 WO 99/31140 A1 KK11 Baselga, J. et al., Oncology 1997, 11, Supplement No. 2, S. 43 bis 48 KK12 Baselga, J. et al., Cancer Research 1998, 58, S. 2825 bis 2831 KK13 Hancock, M. C. et al., Cancer Research 1991, 51, S. 4575 bis 4580 KK14 Fumoleau, P. et al., Annals of Oncology 1996, 7, S. 165 bis 171 KK15 Rowinsky, E. et al., Oncology 1997, 11, Supplement No. 6, S. 33 bis 35 KK16 Kouroussis, Ch. et al., Journal of Clinical Oncology 1999, 17, S. 862 bis 869 KK17 Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Ch.
Manegold vom 28. April 2010 mit Annex A bis Annex H, darunter Annex D: Perez, E. A., The Oncologist 1998, 3. S. 373 bis 389 Annex E: Manegold, Ch., Medizinische Klinik 1998, 93 -
Suppl. III, S. 16 bis 21 KK18 Vogel, Ch. L und Nabholtz, J.-M., The Oncologist 1999, 4, S. 17 bis 33 KK19 Produktinformation zu HERCEPTIN¨ (Trastuzumab), September 1998 KK20 Rote Liste¨ 1998 - Einträge: Zytostatika u.
Metastasenhemmer" (86.114 bis 86.121)
KK21 Hortobagyi, G.: "An Expanding Role for Docetaxel", Seminars in Oncology, 1998, 25, Suppl. 13, S. 1 bis 3 KK22 Von Hoff, D. D., Seminars in Oncology 1997, 24, Suppl.
13, S. 13-3 bis 13-10 KK23 The Merck Index, 12. Aufl., 1996, S. 575, Stichwort:
"Docetaxel"
KK24 The Merck Index, 12. Aufl., 1996, S. 1200, Stichwort:
"Paclitaxel"
KK25 Zustimmung der Patentinhaberin zur Nichtigerklärungdes Patents im Vereinigten Königreich KK26 Barasoain et al., Proceedings of the American Association for Cancer Research 1991, 32, S. 329 KK27 US 4 814 470 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 1 169 059 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung, hilfsweise mit den Hilfsanträgen A2 bis A5, jeweils überreicht mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 sowie mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen A1, A6 und A7. Wegen des Wortlauts der Hilfsanträge wird auf diesen Schriftsatz und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Hilfsanträge A1 bis A7 erhält.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Soweit die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits den Nichtigkeitsgrund des Art. 53 lit. c EPÜ geltend gemacht habe, sei darin eine unzulässige Klageänderung zu sehen, der die Beklagte nicht zustimme.
Zur Begründung ihres Vorbringens stützt sich die Beklagte auf folgende Dokumente:
BB1 Schreiben des British Library Research Service, unterzeichnet von M. Lampert, vom 24. November 2009 BB1a Deckblatt American Society of Clinical Oncology, 5th Annual Meeting, 1999 BB2 Email an Octavie Cantelberg vom 25. November 2009 BB3 Chabner, B. A. und Longo, D. L. (Hrsg) "Cancer Chemotherapy and Biotherapy: Principles and Practice" 2nd Ed., 1996, Lippincott -
Raven Publishers Philadelphia, S. 12 BB4 DeVita, V. T. Jr., Hellmann, S., Rosenberg, S. A. (Hrsg) "Cancer:
Principles and Practice of Oncology", 5th ed., Vol. 1, 1997, Lippincott -Raven Publishers, S. 749 bis 751, 883 bis 885 BB5 DeVita, V. T. Jr., Hellmann, S., Rosenberg, S. A. (Hrsg) "Cancer:
Principles and Practice of Oncology", 5th ed., Vol. 2, 1997, Lippincott -Raven Publishers, S. 1604, 1605, 1776 BB6 Sharp. F., Blackett, T., Berek, J., Bast, R. (Hrsg) "Ovarian Cancer 5", 1998, ISIS Medical Media, Oxford, S. 363 BB7 Rowinsky, E. K. und Donehower, R. C., Journal of the National Cancer Institute 1991, 83, S. 1778 bis 1781 BB8 SCRIP ALERT Daily News, 1999, Ref: 48504 (Seiten 3 und 4)
BB9 Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Aufl., 1998, Walter de Gruyter Berlin, S. 1346, Sticheort: "Taxol"
BB10 Gianni, L. et al., Recent Results in Cancer Research 1998, 152, S. 314 bis 322 BB11 WO 00/61185 A1 BB12 Pegram, M.D., The Oncologist 2001, 6, S. 22 bis 25 BB13 Bullock, K. Blackwell, K., The Oncologist 2008, 13, S. 515 bis 525 BB14 Pegram, M.D. et al., Journal of the National Cancer Institute 2004, 96, S. 739 bis 749 BB15 Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. W. Eiermann vom 18. Februar 2011 mit Anlagen A bis E BB16 Johnson, K. R. et al., Clin. Cancer Res. 1997, 3, S. 1739 bis 1745 BB17 Shortle, W. C., Minocha, R. in "Biotechnology and Plant Protection in Forestry Science", (Hrsg: S.P, Raychaudhuri, K. Maramorosch), 1999, Science Publishers, S. 1 bis 11 BB18 Eintrag "Paclitaxel" in wikipedia.org BB19 Schreiben von Herrn Rupert Lee von "The British Library" Research Service an Frau Octavie Cantelberg von Bird & Bird bezüglich des Veröffentlichungsdatums des Dokuments BB21 BB20 Schreiben von Herrn Rupert Lee von "The British Library" Research Service an Frau Octavie Cantelberg von Bird & Bird bezüglich des Veröffentlichungsdatums von KK18 BB21 Goldenberg, M. M., Clinical Therapeutics 1999, 21, S. 309 bis 318
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 263 ZPO zu beurteilende Einführung des weiteren Nichtigkeitsgrundes nach Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 53 lit. c EPÜ im Laufe des Rechtsstreits stellt eine Klageänderung dar, die der Senat als sachdienlich ansieht, weil sie die umfassende Beurteilung des Rechtsstreits in einem einzigen Verfahren ermöglicht. Letztlich führt allerdings der ursprünglich geltend gemachte Nichtigkeitsgrund gemäß Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 56 EPÜ zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, da sich der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung gemäß Hauptantrag sowie den hilfsweise verteidigten Fassungen A2 und A4 mangels Neuheit und in den hilfsweise verteidigten Fassungen A1, A2 und A5 bis A7 mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erweist.
I.
1. Das Streitpatent betrifft eine therapeutische Kombination enthaltend Docetaxel und den rekombinanten, humanisierten Anti-HER2-Antikörper, rhuMAk HER2, ein Produkt enthaltend diese Wirkstoffe als kombinierte Zubereitung und Verwendung dieser Wirkstoffe zur Behandlung von Krebs (vgl. Streitpatent KK1 Sp. 1 [0001] und [0002] sowie Patentansprüche 1, 2 und 11). Zur Benennung des rekombinanten, humanisierten Anti-HER2-Antikörpers wird im folgenden statt der Bezeichnung "rhu MAb HER2" -wie sie in der in der Verfahrenssprache Englisch erteilten Fassung des Streitpatentes KK1a angegeben ist -gemäß den im Verfahren vorgelegten Patentansprüchen die Bezeichnung "rhu MAk HER2" verwendet.
Der Beschreibung des Streitpatentes folgend, haben sich im Rahmen von vor dem Prioritätstag durchgeführten Forschungsarbeiten Docetaxel (= Taxotere¨) und dessen Derivat Paclitaxel (= Taxol¨) zur Behandlung maligner Neoplasmen, wie solider Tumoren und anderer bösartiger Erkrankungen, als geeignet erwiesen. Dabei haben zahlreiche klinische Untersuchungen die Wirkung von Docetaxel insbesondere bei der Behandlung von Brustkrebs bestätigt. Die Wirkung dieses Wirkstoffes, die sowohl in der First-Line Therapie als auch in der Second-Line Therapie zu beobachten ist, wird auf eine Hemmung der Depolymerisation der Mikrotubuli zurückgeführt. Verabreicht wird Docetaxel im allgemeinen -abhängig von den zu behandelnden Personen -in Dosen, die sich in einem Bereich von 60 und 400 mg/m2 bewegen. Üblicherweise aber wird dieser Wirkstoff in Mengen von 60 und 100 mg/m2 über 1 Stunde alle drei Wochen intravenös gegeben. Auch der humanisierte, rekombinante, monoklonale Antikörper rhuMAk HER2 (= Trastuzumab, HERCEPTIN¨) inhibiert -wie in der Streitpatentschrift im weiteren dargelegt wird -das Wachstum von Zellen des Brustgewebes, und zwar jener, die den humanen epidermalen Wachstumsfaktor Rezeptor 2, einen als p185HER2 bezeichneten 185 kD Transmembran-Glycoproteinrezeptor (= HER2 bzw. HER2/neu), überexprimieren. Die Überexpression betrifft etwa 30 % der humanen Brusttumore und ist mit einer schlechten Prognose verbunden. Der monoklonale Antikörper rhuMAk HER2 hat hier jedoch in der Monotherapie eine gewisse klinische Wirksamkeit gezeigt. Im Zusammenhang mit diesem Antikörper ist zudem bekannt, dass er die Antitumorwirkung chemotherapeutischer Mittel, die gegen HER2 wirken, verstärkt. In Verbindung mit der Verabreichung von Docetaxel und rhuMAk HER2 im Rahmen von Monotherapien waren aber auch unerwünschte Nebenwirkungen beschrieben worden. So können Behandlungen mit Taxanen, einschließlich Docetaxel, zu schweren und störenden toxischen Symptomen führen wie u. a. Myelosupression, Neutropenie, Hypersensibilität, peripherer Neutropathie und Fluidretention. Während derartige Nebenwirkungen mit dem monoklonalen Antikörper rhuMAK HER2 seltener in Erscheinung treten, ist eine Behandlung mit diesem wiederum mit dem Auftreten von kardialen Dysfunktionen verbunden. Das Auftreten solcher Nebenwirkungen jedoch erfordert eine Reduzierung der Wirkstoff-Dosen, eine Maßnahme, die zu einer Verringerung des Behandlungserfolges führt. Allerdings sah die Fachwelt mit den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannten neuen Mitteln -den Ausführungen in der Streitpatentschrift weiter folgend -auch nutzbringende Therapieoptionen eröffnet, weil sie sich für Kombinationen untereinander und mit anderen Wirkstoffen eignen, worin die Eröffnung neuer Möglichkeiten für eine wirksame Behandlung metastierender Erkrankungen gesehen wurde (vgl. KK1 Sp. 1/2 Abs. [0003] bis [0011]).
2.
Vor diesem Hintergrund nennt das Streitpatent als zu lösende Aufgabe, die Bereitstellung einer Zusammensetzung zur Behandlung von Krebserkrankungen, die die Wirksamkeit von Docetaxel und rhuMAk HER2 ohne Erhöhung der Wirkstoff-Dosen und der unerwünschten Nebenwirkungen verstärken (vgl. Streitpatentschrift KK1 Sp. 2 Abs. [0012]).
3.
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1, durch eine 1.
therapeutische pharmazeutische Kombination umfassend 2.
Docetaxel und 3.
rhuMAk HER2.
Gelöst wird diese Aufgabe im weiteren gemäß Patentanspruch 2 durch Produkte, die diese Kombination umfassen, zur gleichzeitigen, getrennten oder über eine Zeitspanne verteilten Verabreichung zur Behandlung von Krebs.
Die Aufgabe wird ferner nach Patentanspruch 11 durch die Verwendung dieser Kombination zur Behandlung von Krebs gelöst.
4. Bei dem zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team, dem jedenfalls ein auf dem Gebiet der Onkologie und Tumorbiologie forschender Mediziner und ein Pharmakologe angehören, die jeweils mit der Verwendung von Anti-TumorMedikamenten/-Inhibitoren der Tumorproliferation vertraut sind und über eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Krebstherapie bzw. in der Entwicklung von onkologischen Arzneimitteln verfügen (vgl. BGH GRUR 2010, 607, 611, Tz. 70 -Fettsäurezusammensetzung; GRUR 2010, 123, 125, Tz. 27 -Escitalopram; BGH GRUR 2007, 404, 406, Tz. 26 -Carvedilol II).
II.
Das Streitpatent in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag erweist sich als nicht bestandsfähig.
1.
Die im vorliegenden Verfahren in Abrede gestellt Berechtigung zur Inanspruchnahme der Priorität steht außer Zweifel.
Die Offenbarung der mit den erteilten Patentansprüchen 1 bis 11 beanspruchten Gegenstände ergibt sich aus dem Prioritätsdokument KK1a Patentansprüche 1 bis 14 i. V. m. Beschreibung S. 2 Z. 21 bis 22, S. 3 Z. 10 bis Z. 26 sowie S. 8, Z. 19 bis 22.
2.
Inwiefern die Einwände zutreffen, bei den im Patentanspruch 2 angegebenen Verabreichungsschemata handle es sich um eine rein gedankliche, nicht dem Patentschutz zugängliche Tätigkeit bzw. die beanspruchte Kombination gemäß Patentanspruch 1 bzw. das Produkt gemäß erteiltem Patentanspruch 2 sei aufgrund der nicht weiter definierten Indikation nicht ausführbar offenbart, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 11 fallen bereits deshalb der Nichtigkeit anheim, weil die Neuheit gegenüber der internationalen Patentanmeldung KK10 nicht gegeben ist.
Die gegenüber dem Streitpatent nachveröffentlichte internationale Patentanmeldung (Offenlegung: 24. Juni 1999) WO 99/31140 (KK10), mit Deutschland als Bestimmungsland und älterem Zeitrang (Prioritätstag: 12. Dezember 1997) betrifft die Behandlung von den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor ErbB2 überexprimierenden Krebserkrankungen mit einer Kombination eines anti-ErbB2-Antikörpers und einem Chemotherapeutikum (vgl. Patentanspruch 1). Dabei ist die Bezeichnung "ErbB2" synonym zu dem streitpatentgemäß verwendeten Terminus "HER2" für das transmembrane Glycoprotein p185HER2 (vgl. S. 1 Abs. 2). Bei dem einzigen in diesem Zusammenhang konkret benannten Antikörper handelt es sich nach dem mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 9 um einen humanisierten 4D5 anti-ErbB2-Antikörper, der -wie in der Beschreibung dieses Dokumentes ausgeführt wird -auch als rhuMAk HER2 oder Herceptin¨ bezeichnet wird (vgl. S. 3 Z. 14 bis 17). Dieser Antikörpers ist es sodann, der in den Beispielen der Druckschrift KK10 zum Nachweis der Wirksamkeit von anti-ErbB2-Antikörpern im Rahmen der Behandlung von HER2 überexprimierenden metastierendem Brustkrebs eingesetzt wird (vgl. S. 27 Z. 26/27, S. 28 Z. 37 bis 39, S. 29 Z. 3 bis 4 und 10 bis 11 sowie S. 30 Z. 7 bis 21 und 29/30). Als für eine Kombination mit diesem Antikörper geeignete Chemotherapeutika werden gemäß den Patentansprüchen ferner ausschließlich die Taxane Paclitaxel und Docetaxel definiert (vgl. Patentanspruch 11). Übereinstimmend mit dieser Fokussierung auf lediglich zwei unter die allgemeine Bezeichnung "Chemotherapeutika" zu subsumierende Wirkstoffe in den Patentansprüchen, werden diese beiden Arzneistoffe auch im Beschreibungsteil der internationalen Patentanmeldung KK10 als die in erster Linie in Betracht zu ziehenden Chemotherapeutika benannt. Denn als bevorzugte Kombinationspartner werden dort ebenfalls nur Taxol (= Paclitaxel) oder ein Taxol-Derivat angegeben (vgl. S. 4 Z. 6/7), wobei es sich bei diesem Derivat ausschließlich um Docetaxel handelt (vgl. S. 11 Z. 3 bis 5). Nachdem in der Druckschrift KK10 somit in den Patentansprüchen als Kombinationspartner ausschließlich der humanisierte 4D5 anti-ErbB2-Antikörper, bei dem es sich -der Beschreibung dieses Dokumentes folgend -um den auch streitpatentgemäß genannten Antikörper rhuMAk HER2 bzw. Herceptin¨ handelt (vgl. KK1 Sp. 1 Abs. [0003] und [0006]), sowie die beiden Taxane Paclitaxel und Docetaxel expressis verbis als bevorzugt in Betracht zu ziehende Wirkstoffe benannt werden, diese Angaben zudem von der Beschreibung gestützt werden, offenbart diese Schrift unmittelbar und eindeutig die im strittigen Patentanspruch 1 angegebene Wirkstoffkombination von Docetaxel mit rhuMAk HER2 (vgl. BGH GRUR 2009 382 Ls. 1., 384 Tz. [25] und [29] -Olanzapin).
Die Beklagte bestreitet die Neuheitsschädlichkeit des Dokumentes KK10, weil die in Rede stehende Kombination dort weder eindeutig offenbart werde, noch diesbezügliche Hinweise enthalten seien, insbesondere aber auch jegliche Angaben hinsichtlich des Wirkstoffes Docetaxel fehlten. Der Fachmann hätte in diesem Fall vielmehr unter einer Vielzahl in Frage kommender, unter die jeweils dort genannten allgemeinen Begriffe Antikörper und Chemotherapeutika fallender Wirkstoffe, eine Auswahl treffen müssen, um zum Gegenstand des Streitpatentes zu kommen. Dieser Argumentation kann sich der Senat nicht anschließen. Wie vorstehend dargelegt, erfolgt mit den Patentansprüchen 9 und 11 der internationalen Patentanmeldung eine Beschränkung der im Patentanspruch 1 genannten allgemeinen Bezeichnungen anti-ErbB2-Antikörper und Chemotherapeutikum alleine auf den humanisierten 4D5 anti-ErbB2-Antikörper, entsprechend rhuMAk HER2, und die beiden Taxane Paclitaxel und Docetaxel, weshalb bereits damit die streitpatentgemäße Kombination umfassend Docetaxel und rhuMAk HER2 wortwörtlich angegeben wird. Die streitpatentgemäße Wirkstoffkombination erschließt sich dem Fachmann aber darüber hinaus auch ohne weiteres und eindeutig aus dem Gesamtinhalt der Druckschrift KK10. Auch wenn auf S. 11, Z. 1 bis 37 dieses Dokumentes eine große Anzahl gleichfalls in Betracht kommender Chemotherapeutika aufgezählt wird, erhält der Leser bereits mit dem die Erfindung zusammenfassenden und die wesentlichen Merkmale angebenden Abschnitt "Summary of the Invention" die Information, dass es sich bei den Chemotherapeutika bevorzugt nur um die Taxane Paclitaxel oder ein Derivat davon, wobei in diesem Zusammenhang alleine Docetaxel genannt wird, handelt (vgl. S. 4 Z. 6/7 i. V. m. S. 11 Z. 3 bis 5). Nicht anders stellt sich die Situation im Falle des humanisierten 4D5 antiErbB2-Antikörper, entsprechend rhuMAk HER2, dar. Hier enthält die Beschreibung zwar über mehrere Seiten allgemeine Ausführungen dahingehend, welche Ausführungsformen von Antikörpern in der im Dokument KK10 beschriebenen Kombination eingesetzt werden können (vgl. S. 13 Z. 18 bis S. 19 Z. 17). Alleine explizit benannt -und dies zudem als höchst bevorzugt -ist in diesem Fall jedoch lediglich der humanisierte 4D5 anti-ErbB2-Antikörper, entsprechend rhuMAk HER2 oder Herceptin¨ (vgl. S. 4 Z. 11/12 i. V. m. S. 3 Z. 14 bis 17). Weiter berücksichtigend, dass die Wirksamkeit der beschriebenen Kombination nur anhand dieses Antikörpers in den Beispielen aufgezeigt worden ist, offenbart die Druckschrift KK10 einzig den humanisierten 4D5 anti-ErbB2-Antikörper, entsprechend rhuMAk HER2 oder Herceptin¨, als konkrete Ausführungsform des als Komponente der dort beschriebenen Kombination genannten anti-ErbB2-Antikörpers.
Der Patentanspruch 1 ist daher wegen mangelnder Neuheit nicht rechtsbeständig.
3. Die nebengeordneten Patentansprüche 2 und 11 betreffen ein Produkt umfassend die im erteilten Patentanspruch 1 genannten Wirkstoffe als Kombinationspräparat zur gleichzeitigen, getrennten oder über eine Zeitspanne verteilten Verabreichung zur Behandlung von Krebs bzw. die Verwendung der in Rede stehenden Wirkstoffe zur Herstellung eines Medikamentes zur Behandlung von Krebs. Verabreichungsschemata für die kombinierte Anwendung von anti-ErbB2 Antikörper und Chemotherapeutikum, wie sie im Patentanspruch 1 genannt werden, werden in der internationalen Patentanmeldung KK10 ebenfalls offenbart (vgl. S. 25 Z. 34 bis S. 26 Z. 3). Arzneistoffe, die verabreicht werden, werden üblicherweise -wie auch aus dem vorstehenden Zitat zu ersehen ist -zur Herstellung von Medikamenten bzw. Formulierungen verwendet und liegen damit in Form von Produkten vor. Nachdem die im Dokument beschriebenen Kombinationen keinen anderen Verwendungszweck haben, als zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt zu werden (vgl. S. 1 Z. 3 bis 6), ergibt sich kein anderer Sachverhalt, als er mit dem erteilten Patentanspruch 1 vorliegt, weshalb die zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründe hier ebenfalls vollumfänglich gelten.
Die Patentansprüche 2 und 11 sind daher ebenfalls mangels Neuheit nicht rechtsbeständig.
4. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der nachgeordneten Patentansprüche 3 bis 10 zu erkennen. Die Beklagte hati. V. m. diesen gemäß Hauptantrag verteidigten Patentansprüchen in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Patentansprüche, deren selbständiger patentfähiger Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
III. Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen A1 bis A7 erweisen sich ebenfalls als nicht patentfähig.
1. Die Gegenstände gemäß den Hilfsanträgen A2 und A4 fallen der Nichtigkeit anheim, weil auch sie wegen mangelnder Neuheit nicht bestandsfähig sind.
1.1. Die Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag A2 unterscheiden sich von den erteilten Patentansprüchen gemäß Hauptantrag insofern, als der Patentanspruch 1 nunmehr eine Kombination von Docetaxel und rhuMAk HER2 zur Behandlung von Krebs anstelle einer therapeutisch pharmazeutischen Kombination betrifft und sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 auf eine diese Substanzen umfassende Kombination gemäß Patentanspruch 1 beziehen. Wogegen die im Wortlaut entsprechenden Patentansprüche 3 bis 8 und 10 nach Hauptantrag auf ein die in Rede stehenden Wirkstoffe als Kombinationspräparat umfassendes Produkt bezogen sind (vgl. auch Patentschrift KK1 Sp. 2 Abs. [0014], Sp. 3 [0019] und Sp. 5 Abs. [0027], [0029]). Damit aber liegt kein anderer Sachverhalt als mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vor, weshalb hier die zu den Patentansprüchen gemäß Hauptantrag dargelegten Nichtigkeitsgründe entsprechend gelten.
1.2.Die Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag A4 unterscheiden sich von den Patentansprüchen 1 bis 8 nach Hilfsantrag A2 darin, dass sie nur noch die Verwendung der beiden in Rede stehenden Wirkstoffe zur Behandlung von Krebs betreffen. Mit dieser Formulierung mag zwar eine weitere Beschränkung des beanspruchten Gegenstandes erfolgt sein, es wurde damit jedoch kein sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag unterscheidender Sachverhalt geschaffen. Daher treffen die im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag genannten Nichtigkeitsgründe hier ebenso voll umfänglich zu.
2. Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen A1, A3 und A5 bis A7 fallen ebenfalls der Nichtigkeit anheim, denn ihre Gegenstände beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.1.Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 11 nach Hilfsantrag A1 unterscheiden sich von den entsprechenden erteilten Patentansprüchen gemäß Hauptantrag dadurch, dass die Wirkstoffe der mit diesen beanspruchten therapeutischen pharmazeutischen Kombination bzw. das diese als Kombinationspräparat umfassende Produkt oder deren Verwendung zur Behandlung von Krebs in Histidin, Trehalose und Polysorbat 20 formuliert sind. Die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen A3 und A5 betreffen im Unterschied zu den Patentansprüchen nach Hilfsantrag A1 nur noch eine Kombination der in Rede stehenden Wirkstoffe zur Behandlung von Krebs bzw. deren Verwendung zur Behandlung von Krebs. Die Patentansprüche 1 der Hilfsanträge A6 und A7 wiederum sind jeweils auf die Verwendung der im erteilten Patentanspruch 1 nach Hauptantrag genannten therapeutischen pharmazeutischen Kombination gerichtet, wobei Docetaxel zur Verabreichung in einer Dosis von 20 mg/m2 bis 100 mg/m2 (Hilfsantrag A6) bzw. 100mg/m2 (Hilfsantrag A7) hergerichtet ist.
Die Patentansprüche 1 bis 11 nach Hilfsantrag A1 basieren auf den erteilten Patentansprüchen 1 bis 11 i. V. m. Streitpatentschrift KK1 Sp. 6 Abs. [0032]. Die Patentansprüche 1 bis 8 der Hilfsanträge A3 und A5 leiten sich von den erteilten Patentansprüchen 1, 2 bis 7 und 10 ab. Die Patentansprüche 1 bis 8 der Hilfsanträge A6 und A7 finden ihre Offenbarung in den erteilten Patentansprüchen 1, 3 bis 8 und 10 i. V. m. Streitpatentschrift KK1 Sp. 5 Abs. [0027]. Das Patentbegehren gemäß dieser Hilfsanträge hält sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatentes sind hierdurch erweitert worden; die Beschränkungen bzw. Umformulierungen sind somit zulässig.
2.2.1. Es ist nicht entscheidungserheblich, inwiefern damit die Neuheit gegeben ist, denn die Bereitstellung der therapeutischen pharmazeutischen Kombination gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag A1 beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatentes stand der Fachwelt zur Behandlung von den Wachstumsrezeptor HER2 überexprimierenden Tumoren in Gestalt des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab (= rhuMAk HER2 bzw. HERCEPTIN¨ -vgl. KK1 Sp. 1 Abs. [0003]) ein Wirkstoff zur Verfügung, der sehr spezifisch an diesen Rezeptor bindet. Mit diesem monoklonalen Antikörper ist -wie in dem den Wirkstoff betreffenden Übersichtsartikel BB21 des Autors M. M. Goldenberg ausgeführt wird -die Möglichkeit eröffnet worden, Krebserkrankungen, die mit einer HER2-Überexpression verbunden sind und eine sehr schlechte Prognose aufweisen, zu behandeln. Im Blickfeld standen zum maßgeblichen Zeitpunkt in diesem Zusammenhang insbesondere entsprechende Formen des metastierenden Brustkrebses (vgl. BB21 S. 311 li. Sp. Abs. 2 bis 4 sowie S. 316 li. Sp. Abs. 3 und re. Sp.
Abs. 3). Ferner hatte es sich erwiesen, dass die Wirksamkeit einer Behandlung mit diesem Antikörper weiter gesteigert werden kann, wenn er kombiniert mit Chemotherapeutika zur Anwendung kommt. Die im Verhältnis zu dem in der Monotherapie verabreichten Chemotherapeutikum dabei beobachtete größte Wirkungssteigerung war mit einer Kombination von Trastuzumab (= rhuMAk HER2) mit dem Taxan Paclitaxel erzielt worden. Darüber hinaus war die Verabreichung dieser Zusammensetzung -den in dem Artikel BB21 und in der das Handelsprodukt HERCEPTIN¨ betreffenden Produktinformation KK19 beschriebenen Studien zur Folge -zudem weniger häufig mit dem Auftreten unerwünschter kardialer Dysfunktionen verbunden. Im Einklang damit, hat die Zulassungsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika, die US Food and Drug Administration, im Rahmen der Zulassung von Trastuzumab unter dem Handelsnamen HERCEPTIN¨ auch diese Wirkstoffkombination als einzige von den in Frage kommenden Kombinationsmöglichkeiten expressis verbis zur Behandlung von HER2 überexprimierendem metastierendem Brustkrebs als indiziert angesehen (vgl. BB21 S. 309 re. Sp.
3. Satz bis S. 310 li. Sp. Abs. 1, S. 315 li. Sp. Abs. 2 bis re. Sp. Abs. 1 sowie S. 316 li. Sp. Abs. 3 bis re. Sp. Abs. 2 i. V. m. KK19 "Clinical Studies" Abs. 1 bis 3 und Tab. 1 sowie "Indications and Usage"). Nichtsdestoweniger hat die Fachwelt die Verabreichung der Kombination Trastuzumab/Paclitaxel wegen des Auftretens kardialer Dysfunktionen -wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat und auch im von der Beklagten eingereichten Gutachten BB15 ausgeführt wird -als problematisch erachtet.
Unter Berücksichtigung des vorstehend dargelegten Sachstandes und des mit der Erfindung tatsächlich Geleisteten, d. h. des Ergebnisses der Erfindung, das -auch dem Vortrag der Beklagten folgend -insbesondere in einer Verminderung der klinisch signifikanten Kardiotoxizität zu sehen ist (vgl. dazu KK1 Sp. 9 Abs. [0052] und [0057]), liegt dem Streitpatent die objektive Aufgabe zugrunde, eine Zusammensetzung zur Behandlung von mit einer Überexprimierung von HER2 verbundenen Krebserkrankungen bereitzustellen, die eine verbesserte Wirkung aufweist, deren Verabreichung insbesondere aber auch mit einer geringeren Gefahr des Auftretens kardialer Dysfunktionen verbunden ist (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. § 1 Rdn. 62, 63 und 65).
Zu der mit dem Patentanspruch 1 verteidigten Lösung dieser Aufgabe konnte der Fachmann ohne erfinderisches Zutun gelangen, denn die Anregung, in der zwar empfohlenen, trotzdem aber mit schwerwiegenden Nachteilen behafteten Kombination Trastuzumab/Paclitaxel das Chemotherapeutikum gegen das der selben Wirkstoffgruppe der Taxane angehörende Docetaxel auszutauschen, erhält der Fachmann mit der Publikation KK22 des Autors D. D. Von Hoff. In diesem Übersichtsartikel, der die Wirkstoffgruppe der Taxane zum Thema hat, werden die zwei zum Prioritätstag einzigen zugelassenen und als besonders wirksam erkannten Mitglieder dieser Substanzgruppe, die Wirkstoffe Paclitaxel und Docetaxel, jeweils hinsichtlich ihrer Eigenschaften beschrieben und im Weiteren diesbezüglich miteinander verglichen. Demnach bestehen zwischen diesen beiden Verbindungen, die chemisch denselben Ursprung haben und den gleichen Wirkmechanismus aufweisen, trotz alle dem kleine, jedoch wichtige Unterschiede nicht nur hinsichtlich ihrer biochemischen Reaktivität oder biologischen Wirksamkeit. Diese beiden Verbindungen besitzen auch ein unterschiedliches Toxizitätsprofil (vgl. S. S13-3 li. Sp. Abstract). Als insbesondere hervorhebenswert in diesem Zusammenhang wird in der Veröffentlichung KK22 -wie anhand der Tabelle I auf S. S13-4 zu ersehen ist -die in vitro festgestellte geringere Toxizität von Docetaxel gegenüber Herzzellen erachtet. Dabei handelt es sich neben anderen um einen der Gründe, die zu der Entscheidung beitrugen, mit Docetaxel in klinische Versuche zu gehen (vgl.
S. S13-4 li./re. Sp. übergreifender Absatz). Somit vermittelt das Dokument KK22 dem Fachmann nicht nur den Hinweis, dass das zur gleichen Wirkstoffklasse wie das Paclitaxel gehörende Docetaxel gerade im Bereich der sich auf die Herzzellen auswirkenden Toxizität in vitro zu besseren Ergebnissen führte als Paclitaxel, es wird ihm dort zudem die Information gegeben, dass diese Ergebnisse, wenn gleich bis dahin nur in vitro realisiert, von der Fachwelt dennoch als so wesentlich -und damit augenscheinlich auch mit einer großen Wahrscheinlichkeit sich ebenso in vivo zeigend -beurteilt worden sind, dass diese neben anderen Aspekten dazu beitrugen, Docetaxel für die weitere Erprobung bzw. für die Weiterentwicklung zum Arzneimittel auszuwählen.
Docetaxel sodann auch für eine kombinierte Gabe mit dem monoklonalen Antikörper rhuMAk HER2 in Betracht zu ziehen, wenn der Fachmann vor der Aufgabe stand, eine mit einer geringeren Gefahr des Auftretens kardialer Dysfunktionen verbundenen Wirkstoffkombination mit dem in Rede stehenden Antikörper bereitzustellen, bedurfte angesichts dieses Sachstandes keiner Überlegungen erfinderischer Art. Wie vorstehend dargelegt erachtete die Fachwelt zum maßgeblichen Zeitpunkt die Kombination des Antikörpers mit Paclitaxel gegenüber Kombinationen mit Chemotherapeutika aus anderen Wirkstoffklassen als bevorzugungswert. Dieses auch deshalb, weil -wie aus der Produktinformation zu dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab/HERCEPTIN¨ (= KK19) hervorgeht -die Verwendung der insbesondere in diesem Zusammenhang ebenfalls in Betracht gezogenen und in der Praxis bewährten Anthracycline und des Cyclophosphamids zu besonders schweren Fällen von kardialer Dysfunktion führen können, weshalb diese Information sogar eine Warnung vor deren Einsatz enthält (vgl. "WARNING" sowie "WARNINGS -Cardiotoxicity"). Damit wird mit den Dokumenten BB21/KK19 der Hinweis vermittelt, dass die Fachwelt einen Wirkstoff aus der Substanzgruppe der Taxane auf Grund seiner Eigenschaften für eine Kombination mit Trastuzumab im Vergleich zu Wirkstoffen anderer Substanzklassen als besonders geeignet ansah. Nachdem dem Fachmann zudem Docetaxel neben Paclitaxel als einziger weiterer -insbesondere im Zusammenhang mit metastierendem Brustkrebs -sehr effektiv erprobter Wirkstoff der Substanzklasse der Taxane bekannt war, und er insbesondere um dessen geringere Toxizität gegenüber Herzzellen wusste, war es naheliegend, sich zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe zunächst diesem Wirkstoff zuzuwenden und diesen alternativ zu Paclitaxel für eine Kombination mit dem in Rede stehenden Antikörper in Betracht zu ziehen. Dieses trifft um so mehr zu, als Docetaxel im Vergleich zu Paclitaxel nicht nur eine geringere Toxizität gegenüber Herzzellen aufweist und mit diesem Wirkstoff zu einem geringeren Grad Kreuzresistenzen mit anderen Chemotherapeutika -insbesondere keine vollständige Kreuzresistenz mit Paclitaxel -beobachtet werden. Dieses trifft auch zu, weil Docetaxel zudem eine höhere Wirksamkeit als Paclitaxel gegenüber insbesondere Brusttumoren und dieses bei geringeren Dosierungen besitzt (vgl. KK22 S. S13-4 Tabell 1 sowie S. S13-6 Tabelle 4). Daher konnte der Fachmann mit der alternativen Verwendung von Docetaxel statt des Paclitaxels in einer Kombination mit Trastuzumab nicht nur davon ausgehen, dass er mit dem Ergreifen dieser Maßnahme das Risiko für das Auftreten kardialer Dysfunktionen senkt, sondern auch, dass er auf diese Weise zugleich auch eine bessere Wirksamkeit erzielt. Inwiefern sich diese Erwartungen sodann tatsächlich realisieren, konnte er anhand von Studien überprüfen, deren Anlegung und Durchführung eine Routinetätigkeit auf dem Fachgebiet der Wirkstoffentwicklung darstellen und somit dem fachmännischen Können zuzurechnen sind.
Einen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit kann auch nicht die im Patentanspruch 1 angegebene Maßnahme leisten, den monoklonalen Antikörper rhuMAk HER2 in Histidin, Trehalose und Polysorbat 20 zu formulieren. Hierbei handelt es sich nämlich um die gleichen Hilfsstoffe, die bereits in der Produktinformation KK19 zu diesem Antikörper i. V. m. dessen Formulierung genannt werden (vgl. "DESCRIPTION" Abs. 3).
Zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage können die Ausführungen im von der Beklagten vorgelegten Gutachten BB15 führen. Eine ablehnende Haltung des Fachmannes einer Kombinationstherapie von rhuMak HER2 mit Docetaxel gegenüber wird dort insbesondere mit dem deutlich häufigeren Auftreten von schwerwiegender Kardiotoxizität und Herzfunktionsstörungen i. V. m. der Gabe von Kombinationen des monoklonalen Antikörpers mit Anthracyclin plus Cyclophosphamid begründet (vgl. III. 2 Tz. 21. und III.3 Tz. 23.). Vor der Verwendung dieser Wirkstoffe in einer Kombination mit dem in Rede stehenden Antikörper wird aber -wie vorstehend dargelegt -auch in der Produktinformation KK19 zu HERCEPTIN¨ gewarnt, die Gabe einer Kombination des Antikörpers mit dem Taxan Paclitaxel dagegen als indiziert beschrieben. Somit wird in dieser Produktinformation ein direkter Hinweis auf eine vertretbare Anwendbarkeit dieser Kombination gegeben, die gleichwohl ebenfalls -wenn auch in geringerem Maße als mit Anthracyclin/Cyclophosphamid (vgl. BB15 III.3 Tz. 22 sowie KK19 Table 3) -zu kardialen Dysfunktionen führt. Für eine weitere Verbesserung bot sich aber -wiei. V. m. dem Dokument BB21 gleichfalls ausgeführt -Docetaxel als Alternative zu dem von der Fachwelt bereits als bevorzugenswert beurteilten Paclitaxel an, da sich dieses als weniger toxisch gegenüber Herzzellen erwiesen hatte als dieser Wirkstoff. Die Ausführungen im Gutachten BB15, der Fachmann sei bereits alleine wegen der mit Paclitaxel in Kombination mit Herceptin¨ beobachteten Nebenreaktionen nicht motiviert gewesen, eine Kombinationstherapie von Docetaxel mit dem monoklonalen Antikörper in Betracht zu ziehen und diese näher zu untersuchen, können den Senat daher nicht überzeugen. Dies trifft auch deshalb zu, weil die Kardiotoxizität der Kombination Paclitaxel/Trastuzumab auf Grund von einander abweichender Studienergebnisse von der Fachwelt unterschiedlich bewertet worden ist (vgl. KK17 Annex D S. 381/382 re./li. Sp. übergreifender Absatz, insbesondere le. Satz sowie S. 382 li. Sp. Abs. 2 und 3).
Auch dem Argument der Beklagten unter Hinweis auf den wissenschaftlichen Beitrag KK8 der Autoren Yu, D. et al., wonach der Fachmann aufgrund der aus der Tabelle 1 i. V. m. der Figur 1 ersichtlichen im Vergleich zu Paclitaxel höheren Resistenz von Docetaxel gegenüber HER2 überexprimierenden Brustkrebszelle davon abgehalten gewesen sei, auch Docetaxel für eine Kombination mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab in Erwägung zu ziehen, kann der Senat nicht beitreten. Die dort angegebenen, mit dem jeweiligen Taxan-Derivat ermittelten Werte lassen nämlich keine Rückschlüsse auf die Reaktionsfähigkeit dieser Wirkstoffe zu, wenn sie in Kombination mit dem gegen die auf diesen Zellen überexprimierten Transmembran-Glycoproteinrezeptor HER2 gerichteten monoklonalen Antikörper verabreicht werden. Dies trifft um so mehr zu, als in diesem Dokument auch ausgeführt wird, dass eine signifikante Sensibilisierung dieser Zellen gegenüber Taxol (= Paclitaxel) durch eine Herabregulation der Rezeptoren mit dem Antikörper erfolgt und in diesen Fällen daher eine kombinierte Gabe von Chemotherapeutika und Antikörper eine aussichtsreiche Behandlungsmöglichkeit für jene Brustkrebs-Patienten eröffnen könnte, deren Tumorzellen diesen Rezeptor überexprimieren (vgl. S. 2088 Fig. 1 i. V. m. S. 2089 Tabelle 1 sowie S. 2087 li.
Sp. Zusammenfassung, S. 2091 re. Sp. Abs. 2 Satz 1 bis 4 und S. 2093 li. Sp. Abs. 4).
Nachdem somit bereits die Kombination der Wirkstoffe für den Fachmann naheliegend war, kann -wie in den BGH-Entscheidungen "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" und "Fettsäurezusammensetzung" (vgl. BGH GRUR 2003, 317 Ls. sowie BGH GRUR 2010, 607, 612 Abs. [80]) ausgeführt -auch der von der Beklagten geltend gemachte synergistische Effekt nichts zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit beitragen.
Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrages A1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig.
2.2.2. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in dem nebengeordneten, ein Produkt der in Rede stehenden Wirkstoffe als Kombinationspräparat mit dem dort genannten Verabreichungsschema bzw. der Verwendung gemäß Patentanspruch 11 zu erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Diese Patentansprüche fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
2.3.Die mit den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge A3 und A5 erfolgte Beschränkung der streitpatentgemäß genannten therapeutischen pharmazeutischen Kombination auf eine Kombination der in Rede stehenden Wirkstoffe bzw. deren Verwendung zur Behandlung von Krebs, somit auf eine expressis verbis genannte Indikation, kann den Gegenständen dieser Patentansprüche ebenfalls nicht zur erforderlichen erfinderischen Tätigkeit verhelfen. Sie führt nämlich zu keinem anderen Sachverhalt, als er bereits i. V. m. dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrages A1 dargelegt worden ist. Daher treffen die im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag genannten Nichtigkeitsgründe hier ebenso voll umfänglich zu.
2.4.Die Maßgabe gemäß den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträgen A6 und A7 im Zusammenhang mit der für Docetaxel genannten Dosis, in der dieser Wirkstoff jeweils hergerichtet ist, kann ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führen, weshalb auch den Gegenständen dieser Patentansprüche die erfinderische Tätigkeit fehlt.
2.4.1. Bei der zur Verwendung bestimmten Kombination umfassend Docetaxel und rhuMAk HER2 gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag A6 ist der Wirkstoff Docetaxel zur Verabreichung in einer Dosis von 20 mg/m2 bis 100 mg/m2 hergerichtet.
Ausweislich des Dokumentes KK22 sind vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatentes vielfältige Dosisfindungsstudien zu Docetaxel in einem Bereich von 5 bis 115 mg/m2 durchgeführt worden. In der Folge führten diese zu Dosisempfehlungen für Studien der Phase II, die sich in einem Bereich von 14 mg/m2 über 5 Tage bis zu 100 mg/m2 bewegten, wobei insbesondere in Nordamerika sowie Europa die Dosis von 100 mg/m2 empfohlen wurde, verabreicht alle drei Wochen als Infusion in einer Zeitspanne von einer Stunde. Als maximal tolerierbare Dosis hatte sich im Zuge dieser Studien ferner eine Dosis im Bereich von 80 bis 115 mg/m2 erwiesen, womit dem Fachmann die oberste Grenze der verabreichbaren Dosis für Docetaxel vorgegeben wird (vgl. S. S. 134/S13-5 li./re. Sp. übergreifender Absatz und S. S13-5 Tabelle 3 sowie S. 13-6 Tabelle 4). Zur Ermittlung jenes Dosisbereiches für Docetaxel, innerhalb dessen in Kombination mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab eine Antitumorwirkung erzielt werden kann, konnte der Fachmann auf diese Daten zurückgreifen und ausgehend davon über eigene Dosisfindungsstudien die Dosierungen ermitteln, mit denen er die angestrebte Wirkung erreicht. Ein erfinderisches Zutun war angesichts der bereits vorliegenden Daten nicht erforderlich. Auch die Anlegung von Dosisfindungsstudien erfordert keine Überlegungen erfinderischer Art, vielmehr ist ihre Durchführung der Routinetätigkeit des Fachmannes zuzurechnen, stellen sie doch eine der grundlegenden Voraussetzungen für jede Arzneimittelentwicklung dar.
2.4.2. Die gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag A7 beanspruchte Verwendung der Docetaxel und rhuMAk HER2 umfassenden Kombination unterscheidet sich von der mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag A6 verteidigten Fassung dadurch, dass der Wirkstoff Docetaxel nur noch in einer Dosis von 100 mg/m2 zur Verabreichung hergerichtet ist. Wie vorstehend dargelegt war dem Fachmann -wie anhand der Veröffentlichung KK22 zu ersehen ist -der Dosisbereich bekannt, den die Fachwelt für Docetaxel für eine Verabreichung in der Monotherapie in Betracht zog und daher in einer Vielzahl von Studien eingehender untersucht hatte. Sich sodann an diesen anhand von Dosisfindungsstudien ermittelten Werten orientierend, in eigenen Dosisfindungsstudien jene Dosis zu ermitteln, mit der die bestmögliche Antitumorwirkung in Kombination mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab erzielt werden kann, bedarf aus den bereits im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag A6 dargelegten Gründen kein erfinderisches Zutun. Die zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag A6 dargelegten Nichtigkeitsgründe treffen daher hier ebenso zu.
Dem Argument der Beklagten, für den Fachmann sei es überraschend gewesen, dass Docetaxel in diesen hohen Dosen in Kombination mit dem Antikörper Trastuzumab eingesetzt werden könne, nachdem in der Regel -wie aus der Publikation KK15 zu ersehen sei -von der Notwendigkeit einer Dosisreduzierung der Einzelstoffe im Zusammenhang mit Wirkstoff-Kombinationen ausgegangen werde, um eine Steigerung der Nebenwirkungen zu vermeiden, kann sich der Senat nicht anschließen. Ziel jeder chemotherapeutischen Tumorbehandlung ist es bekanntlich, die größtmögliche Wirkung pro Behandlungszyklus zu erreichen. Dem Fachmann war die maximal tolerierbare Dosis für Docetaxel gemäß der Veröffentlichung KK22 bereits bekannt. Vor diesem Hintergrund sodann über Dosisfindungsstudien auch die maximale Dosis auszuloten, die in einer Kombination mit Trastuzumab eingesetzt werden kann, um eine höchstmögliche cytotoxische Wirkung ohne gegenüber den Einzelsubstanzen weitere Steigerung der Nebenwirkungen zu erzielen, gehört zum normalen Können des Fachmannes und kann keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Dies trifft auch unter Berücksichtigung des Dokumentes KK15 zu. Die Höhe der von jedem Wirkstoff einer mehrere Wirkstoffe umfassenden Zusammensetzung maximal tolerierten Dosis ist eine Größe, die sich abhängig von den Wirkstoffen dieser Zusammensetzung ergibt. Bei den gemäß Dokument KK15 kombinierten Wirkstoffen handelt es sich um zwei Chemotherapeutika, Docetaxel und 5-Fluorouracil, d. h. um Arzneistoffe, die beide zytotoxisch wirken (vgl. S. 33 Abstract). Vorliegend dagegen werden mit einem Chemotherapeutikum und einem monoklonalen Antikörper Wirkstoffe mit gänzlich unterschiedlichem Wirkprinzip kombiniert. Während das Chemotherapeutikum cytotoxisch wirkt, beruht die Aktivität des Antikörpers auf einer Regulation biochemischer Abläufe, nämlich der Hinunterregulierung von überexprimierten Rezeptoren, über die das Wachstum von Zellen gesteuert wird. Diese Hinunterregulierung wiederum aber führt in der Folge zu einer Sensibilisierung der Tumorzellen gegenüber dem cytotoxisch agierenden Chemotherapeutikum (vgl. KK8 S. 2093 li. Sp. Abs. 4). Aufgrund dieses zu den Chemotherapeutika unterschiedlichen Wirkmechanismus von Trastuzumab können aus den mit dem Dokument KK15 veröffentlichten Daten daher keine Rückschlüsse auf die maximal tolerierte Dosis von Docetaxel in einer Kombination mit diesem Antikörper, wie sie streitpatentgemäß angegeben wird, gezogen werden.
2.4.3. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 8 zu erkennen.
Die im Patentanspruch 2 genannten Verabreichungsschemata entsprechen der üblichen Vorgehensweise des behandelnden Arztes, der die Abfolge der Verabreichung der einzelnen Wirkstoffe der Kombination je nach den individuellen Gegebenheiten wählen wird (vgl. auch KK21 S. 2 li. Sp. Abs. 4).
Auch die Verwendung der streitpatentgemäßen Wirkstoff-Kombination zur Behandlung von metastierendem Brustkrebs gemäß Patentanspruch 3 kann ebenso wenig einen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten, wie deren Verwendung bei ein HER2/Protoonkogen überexprimierendem Brustkrebs gemäß Patentanspruch 4. Denn die Wirksamkeit sowohl von Docetaxel als auch des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab hatte sich insbesondere bei der Diagnose des metastierenden Brustkrebses erwiesen, wobei Trastuzumab nur bei solchen Tumoren eingesetzt werden sollte, die das HER2-Protein und damit ein HER2/Protoonkogen überexprimieren, so dass die Verwendung der Kombination dieser Wirkstoffe für diese Indikationen nahe liegend ist (vgl. KK22 S. S. 13-5 re. Sp. Abs. 3 und KK19 "CLINICAL PHARMACOLOY -General", "INDICATIONS AND USAGE").
Die streitpatentgemäße Kombination sodann intravenös zu verabreichen, wie es im Patentanspruch 5 angegeben wird, entspricht gängiger Praxis, denn nur die Verabreichung dieser galenischen Zubereitung ist für beide Wirkstoffe von den zuständigen Behörden zugelassen (vgl. KK20 -86 117 sowie KK19 "DESCRIPTION" Abs. 3).
Die Herrichtung der gemäß Patentanspruch 1 zur Verwendung vorgesehenen Kombination zur Verabreichung von Docetaxel über die im Patentanspruch 6 angegebene Zeitspanne ist ebenso wenig geeignet, eine erfinderische Leistung zu begründen. Gemäß der Roten Liste KK20 -86 117 ist die intravenöse Verabreichung von Docetaxel in der Praxis in einer Dosierung von 100 mg/m2 in einem Zeitraum von einer Stunde vorgesehen. Damit aber war es bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatentes bekannt, diesen Wirkstoff innerhalb der im Patentanspruch 6 genannten Zeitspanne in der im Patentanspruch 1 angegebenen Konzentration zu applizieren. Diese Dosierung und Applikations-Zeitspanne hatte sich ebenso bei den im Schrifttum beschriebenen Studien, als die zu empfehlende erwiesen (vgl. KK22 S. S13-5 li. Sp. Abs. 1 le. Satz sowie S. 13-6 Tabelle 4). Der Fachmann wird daher -auch für den Fall, er wollte beide Wirkstoffe gleichzeitig verabreichen -zunächst von der in der Praxis bereits erprobten und bewährten Vorgehensweisen ausgehen, bevor er gegebenenfalls aufgrund der im Zusammenhang damit gewonnenen Erfahrung Veränderungen in der Verabreichung in Betracht zieht. Dem Einwand der Beklagten, es sei ungewöhnlich und daher auch die Erfindung begründend, dass Docetaxel mit der im Patentanspruch 1 angegebenen ungewöhnlich hohen Konzentration innerhalb einer ungewöhnlich schnellen Zeit appliziert werden könne, kann daher von Seiten des Senates nicht gefolgt werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Folge nahegelegten Handelns.
Nichts beizutragen zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit vermag auch die im Patentanspruch 7 genannte Maßgabe, dass die gemäß Patentanspruch 1 zur Verwendung vorgesehene Kombination des weiteren einen Granulozyten-Kolonien stimulierenden Faktor (C-GSF) umfasst. Hierbei handelt es sich um eine Maßnahme, die der Fachmann insbesondere im Rahmen einer hochdosierten Chemotherapie ergreift und -wie aus der Veröffentlichung KK21 zu ersehen ist auch eine im Zusammenhang mit dem Wirkstoff Docetaxel in der Praxis übliche Vorgehensweise darstellt (vgl. KK21 S. 2 li. Sp. Abs. 4 sowie KK 17 Annex E S. 17 li. Sp. Abs. 2).
Der nebengeordnete Patentanspruch 8, in der sogenannten Schweizer Anspruchsfassung formuliert, unterscheidet sich hinsichtlich seines Gegenstandes nicht vom Patentanspruch 1. Die in dessen Zusammenhang genannten Nichtigkeitsgründe treffen daher auch in diesem Fall umfänglich zu.
III.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Schramm Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Schell Dr. Münzbergprö
BPatG:
Urteil v. 01.03.2011
Az: 3 Ni 53/08
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