Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 30. März 2009
Aktenzeichen: I-3 Wx 248/08
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 30.03.2009, Az.: I-3 Wx 248/08)
Art. 2 Abs. 3, 12, 16 Abs. 1, 35 (Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) - Abl. L 294 vom 10. November 2001, S. 1 - SE-VO; § 3 SE-Ausführungsgesetz- BGBl. 2004, I, 3675 - SEAG; § 18 Abs. 3 Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft - SEBG
1.
Erklären die maßgeblichen Beteiligten an der Gründung einer Societas Europaea - SE (hier eine deutsche GmbH und eine britische Ltd. und die künftige SE) weder Arbeitnehmer zu haben noch solche jemals beschäftigen zu wollen, so stellt der fehlende Nachweis der Arbeitnehmerbeteiligung ein Eintragungshindernis nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO nicht dar.
2.
Die unter 1. genannten Grundsätze gelten auch für die Gründung einer Tochter-SE als „Vorratsgesellschaft“.
3.
Zur Frage einer Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens bei Ausstattung der Vorrats-SE mit einem Arbeitnehmer beschäftigenden Unternehmen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. März 2009 - I-3 Wx 248/08
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Das Amtsgericht -Registergericht - wird angewiesen, die nachgesuchte Eintragung nicht mit der Begründung zu versagen, es fehle an der Eintra-gungsvoraussetzung einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeit-nehmer nach Art 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates der Europäischen Union vom 08. Oktober 2001 über das Statut der Euro-päischen Gesellschaft (SE-VO).
Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- Euro.
Gründe
Die Gründerinnen, eine GmbH mit Sitz in Bonn sowie eine Vermögensverwaltungs Ltd. mit Sitz in B.irmingham/Großbritannien, beabsichtigen, die Beteiligte als Europäische Aktiengesellschaft (S. E.- SE) zu gründen und erstreben ihre Eintragung in das Handelsregister.
Sämtliche Beteiligten versichern, weder Arbeitnehmer zu beschäftigen noch die Einstellung von Arbeitnehmern zu beabsichtigen.
Das Amtsgericht - Registergericht - hat den entsprechenden Eintragungsantrag vom 15. Februar 2008 (UR-R.-NR. 1932/2008 des Notars Dr. K.) mit Beschluss vom 28. Mai 2008 abgelehnt, weil die Eintragung einer SE ohne Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 SE-VO nicht möglich sei.
Hiergegen hat sich die Beteiligte beschwert.
Sie hat geltend gemacht, der Gesetzgeber gehe zwar davon aus, dass die SE im Regelfall auch Arbeitnehmer beschäftigen werde. Art. 12 Abs. 2 SE-VO, dessen Formulierung Arbeitnehmer voraussetze, müsse aber so verstanden werden, dass bei vorhandenen Arbeitnehmern die Eintragung erst erfolgen könne, wenn eine Vereinbarung über deren Beteiligung geschlossen worden sei. Beschäftigten - wie hier - weder die Gründerinnen noch die Gesellschaft selbst Arbeitnehmer, so bedürfe es indes eines Arbeitnehmerschutzes nicht. In einem solchen Fall dürfe die Eintragung einer SE nicht mit der Begründung des Fehlens einer Regelung über die Arbeitnehmerbeteiligung verweigert werden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, es fehle an der Eintragungsvoraussetzung einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach Art 12 Abs. 2 der SE-VO. Danach könne eine SE erst dann eingetragen werden, wenn die dort aufgeführten Voraussetzungen eingehalten worden seien, nämlich die Art und Weise der Arbeitnehmerbeteiligung mit der Entstehung der SE geklärt worden sei, was vorliegend unzweifelhaft, auch nach dem Vorbringen der Gesellschaft, nicht der Fall sei. Nach dem eindeutigen und klaren Wortlaut der Verordnung dürfe zuvor eine Eintragung der Gesellschaft nicht erfolgen.
Der Umstand, dass weder die "Vorrats-SE" noch deren Gründerinnen (derzeit) über Arbeitnehmer verfügten, rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Die EG-Verordnung sehe eine Ausnahmeregelung für arbeitnehmerlose Vorratsgesellschaften ausdrücklich nicht vor.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Regelung der Arbeitnehmerechte mit der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 08. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (Abl. L 294 vom 10. November 2001, S. 22 - SE-RL) ein Kernstück der EG-Verordnung darstelle, sodass nicht davon auszugehen sei, dass eine Lücke im Gesetz vorliegt. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass dieses Kernstück der Verordnung dadurch solle umgangen werden können, dass Gesellschaften ohne Arbeitnehmer zunächst eine arbeitnehmerlose SE gründen, um so die Regelung über die Arbeitnehmerrechte unterlaufen zu können. Gesellschaften, die eine SE gründen wollten, würden nicht unbillig belastet. Denn diesen stehe der Weg offen, entsprechend den Vorschriften der EG-Verordnung eine SE zu gründen, unterbunden sei nur der Weg, durch Erwerb einer arbeitnehmerlosen SE die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmerrechte zu umgehen.
Klarstellend werde darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall eine reine Vorratsgesellschaft betreffe, die grundsätzlich arbeitnehmerlos sei und deren Sinn und Zweck allein die alsbaldige Veräußerung an einen Dritten darstelle. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit werde von dieser nicht ausgeübt, sodass das Argument, eine Gesellschaft sei gezwungen, Personal einzustellen, um die Eintragung zu erhalten, fehl gehe. Ob eine andere Entscheidung gerechtfertigt sei, wenn tatsächlich arbeitnehmerlose Gründer eine arbeitnehmerlose SE gründen, die einer wirtschaftlichen unternehmerischen Tätigkeit nachgehen solle, brauche daher nicht entschieden zu werden.
Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 24. September 2008 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer weiteren Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet, denn die Entscheidung der Vorinstanzen beruhen auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 27 FGG.
1.
Das Landgericht hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Nichtabhilfebeschluss des AG bezogen. Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2.
a)
Zunächst ist festzuhalten, dass die SE, die ihre Rechtspersönlichkeit erst am Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister erwirbt (Art. 16 Abs. 1, 12 SE-VO; § 3 SEAG), gleichwohl bereits allein deshalb beschwerdeberechtigt ist, weil eine von ihr angeblich eingelegte Beschwerde zurückgewiesen wurde (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Auflage 2003 § 20 Rdz. 959).
b)
aa)
Maßgebliche Bestimmungen für die Gründung einer SE sind u. A. die SE-VO (Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) - Abl. L 294 vom 10. November 2001, S. 1), ferner das Gesetz zur Ausführung der SE-VO (SE-Ausführungsgesetz-SEAG -BGBl. 2004, I, 3675), schließlich die SE-RL, die durch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz-SEBG) umgesetzt wurde (BGBl. 2004 I, 3686).
Eine SE kann nicht einfach als Bar - oder Sachgründung durch eine natürliche Person gegründet werden. Sie entsteht vielmehr originär durch Verschmelzung, durch Gründung als Holding-Gesellschaft, durch Gründung einer gemeinsamen Tochter-Gesellschaft oder durch formwechselnde Umwandlung (numerus clausus der Gründungsformen (Spitzbart; RNotZ 2006, 369 ff., 370). Voraussetzung für die Gründung einer SE ist zudem ein sog. Mehrstaatenbezug, für den je nach Art der Gründung unterschiedliche Maßstäbe gelten. Neben den originären Gründungsformen kann eine SE gemäß Art 3 Abs. 2 SE-VO durch eine bereits bestehende SE als Tochtergesellschaft errichtet werden (sog. sekundäre Gründungsmöglichkeit). Anders als bei der Gründung einer gemeinsamen Tochter handelt es sich hierbei um die Gründung einer 100%igen Tochter der Gründungsgesellschaft; ein Mehrstaatenbezug wird für diesen Gründungsweg nicht verlangt (Spitzbart a.a.O. ).
bb)
(a)
Vorliegend soll die Gesellschaft als Tochter-SE (Art 2 Abs. 3, 35 SE-VO) gegründet werden. Bei dieser Gründungsform bleiben die Anteilsinhaber der die Gründung anstrebenden Gesellschaften Anteilsinhaber dieser Gesellschaften; sie werden nicht zu Aktionären der SE. Aktionäre der SE werden die die Gründung anstrebenden Gesellschaften bzw. juristischen Personen durch Übernahme der Aktien der SE (Spitzbart a.a.O. S. 412), hier die l. GmbH mit Sitz in Bonn sowie die A. V. Ltd. mit Sitz in Birmingham/Großbritannien.
(b)
(aa)
Zu Unrecht haben die Vorinstanzen in dem fehlenden Nachweis der Arbeitnehmerbeteiligung ein Eintragungshindernis gesehen.
Zwar ist Ziel der SE-RL auf der einen Seite die Sicherung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, auf der anderen Seite der Vorrang für Verhandlungslösungen und wird die Bedeutung der Wahrung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer dadurch unterstrichen, dass sie gesellschaftsrechtlich durch die Eintragungssperre des Art. 12 Abs. 2 SE-VO sicher gestellt wird (Spitzbart a.a.O. S. 374).
Wie Art. 12 Abs. 2 SE-VO zeigt, geht die SE-VO auch als selbstverständlich davon aus, dass die Gründungsgesellschaften und damit auch die SE über Arbeitnehmer verfügen, mit denen über eine Mitbestimmungsregelung verhandelt werden kann (MünchKommAktG/ Schäfer SE-VO 2006 Art 16 Rdz. 13).
(bb)
Dies zwingt indes nicht zu der Annahme, dass eine arbeitnehmerlose SE nicht Gründungsgegenstand sein kann.
In den Fällen der Gründung einer arbeitnehmerlosen Tochter-SE kann nämlich von der Durchführung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens abgesehen werden.
Nach AG Düsseldorf (ZIP 2006, 287) ist eine Durchführung des Verfahrens über die Beteiligung der Arbeitnehmer entbehrlich, wenn weder bei der zu gründenden SE noch bei den Gründungsgesellschaften Arbeitnehmer beschäftigt sind und dieser Tatbestand gegenüber dem Registergericht versichert wird.
Erklären die maßgeblichen Beteiligten - wie hier - für die Gründungsgesellschaften und die künftige SE, weder Arbeitnehmer zu haben noch solche jemals haben zu wollen, so erscheint dies zwar nicht unproblematisch, weil das Registergericht nicht in der Lage ist, die Wahrhaftigkeit und Beständigkeit der Erklärung zu überprüfen (LG Hamburg ZIP 2005, 2017). Hier gilt aber nichts anderes als in sonstigen Fällen, in denen das Registergericht- außerhalb konkreter Verdachtsmomente - auch nicht gehalten ist, die Angaben eines um Eintragung nachsuchenden Antragstellers zu überprüfen.
Weiter ist zu bedenken, dass die Arbeitnehmerbeteiligung nicht in erster Linie Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer der SE sichern, sondern verhindern soll, dass Arbeitnehmer der Gründungsgesellschaften durch die Einbringung in eine SE ihre erworbenen Beteiligungsrechte einbüßen. So bestimmt Ziffer (3) SE-RL:
"Um die Ziele der Gemeinschaft im sozialen Bereich zu fördern, müssen besondere Bestimmungen - insbesondere auf dem Gebiet der Beteiligung der Arbeitnehmer - festgelegt werden, mit denen gewährleistet werden soll, dass die Gründung einer SE nicht zur Beseitigung oder zur Einschränkung der Gepflogenheiten der Arbeitnehmerbeteiligung führt, die in den an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften herrschen. Dieses Ziel sollte durch die Einführung von Regeln in diesem Bereich verfolgt werden, mit denen die Bestimmungen der Verordnung ergänzt werden.
Ziffer (7)
"Sofern und soweit es in einer oder in mehreren der an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften Mitbestimmungsrechte gibt, sollten sie durch Übertragung an die SE nach deren Gründung erhalten bleiben, es sei denn, dass die Parteien etwas anderes beschließen.
Auffangregelung nach Artikel 7:
Teil 3 b) Satz 2:
"Bestanden in keiner der beteiligten Gesellschaften vor der Eintragung der SE Vorschriften über die Mitbestimmung, so ist die SE nicht verpflichtet, eine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer einzuführen."
Hieraus lässt sich die Tendenz ableiten, dass von vornherein nicht mitbestimmungspflichtige - weil arbeitnehmerlose - Gründungen nicht an fehlender Arbeitnehmerbeteiligung scheitern sollen.
Das Verbot einer arbeitnehmerlosen SE widerspräche überdies dem Zweck der SE-VO. Die Verordnung beruht auf der Ermächtigung in Art. 308 EG. Die Europäische Gemeinschaft verfolgt mit ihr das Ziel, den Binnenmarkt zu vollenden, indem sie eine gemeinschaftsrechtliche Aktiengesellschaft als Rechtsform zur Verfügung stellt. Unternehmerische Aktivitäten sind indes nicht stets mit der Beschäftigung von Arbeitnehmern verbunden. Es liefe daher dem auf größstmögliche Freiheit angelegten Verordnungszweck zuwider, wenn die Beschäftigung von Arbeitnehmern Voraussetzung für eine wirksame Gesellschaftsgründung wäre (Schubert ZESAR 2006, 340, 341).
cc)
Eine abweichende Beurteilung im Hinblick auf das Erfordernis eines Nachweises der Arbeitnehmerbeteiligung auch für die Eintragung arbeitnehmerloser Gesellschaften, ergibt sich auch nicht, wenn sie - wie hier - als Vorratsgesellschaft, also mit dem Ziel einer alsbaldigen Veräußerung an Dritte, im Rechtsverkehr platziert werden sollen.
(a)
Dass die SE auch als Vorratsgesellschaft gegründet werden kann, entspricht der ganz überwiegenden Meinung, der der Senat folgt (MünchKommAktG/Jacobs SEBG 2006 § 3 Rdz. 2; Spitzbart a.a.O., S. 414 mit Nachw.).
(b)
Gelangt eine Vorrats-SE zur Entstehung, so ist eine Gefährdung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zwar nicht von der Hand zu weisen. Die Eintragung einer Vorrats-SE kommt in diesem Fall naturgemäß nur unter Verzicht auf ein vorangegangenes Beteiligungsverfahren in Betracht, und nach dem Konzept der SE-RL bzw. SE-VO führt allein der spätere Anstieg der Arbeitnehmerzahlen grundsätzlich nicht zur erneuten (hier also erstmaligen) Aufnahme von Verhandlungen gemäß § 18 SEBG (MünchKommAktG/Schäfer a.a.O.; MünchKommAktG/Jacobs SEBG § 18 Rdz. 18).
(c)
Dieses Problem wird in der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Überprüfung der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 08. Oktober 2001 (KOM (2008) 591 endgültig) zur Ergänzung des Statuts der europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer ausdrücklich erwähnt. So heißt es unter Punkt 4 (Themen, die von den Mitgliedsstaaten und den Europäischen Sozialpartnern während der Anhörung angesprochen wurden) zum Unterpunkt 4.3 "Änderungen in der SE nach ihrer Gründung":
"Einige Mitgliedsstaaten haben darauf hingewiesen, dass die Richtlinie keine Bestimmungen für das Verfahren bei Änderungen in der SE nach ihrer Gründung enthält. Insbesondere wurde auf das Problem von eingetragenen SE ohne Arbeitnehmer oder Geschäftstätigkeit sowie die Frage der Arbeitnehmerbeteiligung bei der Aufnahme der Geschäftstätigkeit und Einstellung von Personal durch die SE aufmerksam gemacht."
In der dortigen Fußnote 9 wird unter Bezug auf das sogenannte SE-Factsheet (Stand Oktober 2008) darauf hingewiesen, dass über die Hälfte der SE, für die Daten vorliegen, zum Zeitpunkt der Eintragung nicht über Arbeitnehmer verfügten. In diesem Factsheet wird ausdrücklich eingeräumt, dass durch die Gründung von SE´s, die im Gründungszeitpunkt keine Arbeitnehmer beschäftigen, die durch die SE-RL beabsichtigte Einführung von Mechanismen zur Sicherung der Arbeitnehmer - Konsultation und Beteiligung umgangen werden können (www.workerparticipation.eu/european_company/ se_companies). Es sei noch unklar, wie in diesen SE´s die Arbeitnehmerbeteiligung garantiert werden könne. Auf die Entwicklung werde von den Europäischen Gewerkschaften warnend hingewiesen.
Die Kommission selbst hat in ihrer Mitteilung (KOM(2008/591) vom 30. September 2008 ihre Besorgnis darüber formuliert, dass in der SE-RL die Mitgliedsstaaten zwar verpflichtet werden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass eine SE mit dem Ziel gegründet wird, Arbeitnehmern Beteiligungsrechte, die sie bereits inne hatten, zu entziehen oder vorzuenthalten, dass aber andererseits einige Mitgliedsstaaten derartige Maßnahmen nicht getroffen haben (3.6 -Verfahrensmissbrauch).
(d)
Als Lösungsalternativen zur Vermeidung einer Umgehung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer bei der Gründung einer "Vorrats-SE" kommt in Betracht, entweder die SE-Vorratsgründung an dem fehlenden Beteiligungsverfahren überhaupt scheitern zu lassen (so AG und LG Hamburg ZIP 2005, 2017, 2018 für den Fall, dass die Gründungsgesellschaften über Arbeitnehmer verfügen), wobei die bloße Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs für sich genommen, einen hinreichenden Grund für die Versagung eines Rechts weder allgemein noch mit Blick auf die Vorratsgründung darzustellen vermag, oder das Beteiligungsverfahren nachzuholen, sobald die Vorrats-SE wirtschaftlich neu gegründet, namentlich mit einem Unternehmen ausgestattet wird und infolgedessen über Arbeitnehmer verfügt.
Als Grundlage für eine solche (nachträgliche) Verhandlungspflicht bietet sich eine Analogie zu §§ 1 Abs. 4, 18 Abs. 3 SEBG an. Denn diese Vorschriften übertragen die für die Gründung geltenden Grundsätze auf Strukturänderungen. Die Gesetzesbegründung selbst nennt als Beispiel für eine strukturelle Änderung im Sinne des § 18 SEBG die Aufnahme eines mitbestimmten Unternehmens durch eine nicht mitbestimmte SE (BT-Drucksache 15/3405, S.50 [zu § 18 Abs. 3 SEBG] MünchKommAktG/Schäfer a.a.O.).
Demnach ist die Vorratsgründung zulässig, das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren aber gemäß § 18 Abs. 3 SEBG nachzuholen, sobald die SE im beschriebenen Sinne zum Leben erweckt wird. (MünchKommAktG/Schäfer a.a.O.; Seibt ZIP 2005, 2248, 2251). Letzteres dürfte dem angestrebten Ziel der Verhinderung eines Missbrauch (vgl. Art. 11 SE-RL Rechnung tragen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Wertbemessung durch das Landgericht ist unbeanstandet geblieben.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 30.03.2009
Az: I-3 Wx 248/08
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