Verwaltungsgericht Ansbach:
Urteil vom 24. Juni 2008
Aktenzeichen: AN 4 K 06.03836

(VG Ansbach: Urteil v. 24.06.2008, Az.: AN 4 K 06.03836)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, Geburtsjahrgang 1950, ledig und kinderlos, bestreitet ihre Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in der beklagten Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, dem berufsständischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte, Steuerberater und Patentanwälte mit Kanzleisitz in Bayern (im Folgenden auch: Versorgungswerk) bzw. sie macht einen Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in diesem Versorgungswerk geltend.

Die Klägerin gibt zu ihrem beruflichen Werdegang im Wesentlichen an: Sie habe im Jahr 1984 das Studium in den Fächern Soziologie, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie in Saarbrücken mit dem akademischen Grad €Magister Artium€ abgeschlossen. Ein erstes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe sie im Jahr 1980 begründet. Es sei ihr jedoch nicht gelungen, eine Dauerstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Nach dem Studium in Saarbrücken sei sie in mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen gestanden, zumeist ABM-Stellen. Auf Vermittlung des Arbeitsamtes in ... habe sie sodann eine 18-monatige Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel und Fremdsprachenkorrespondentin in Französisch mit IHK-Abschlüssen absolviert. Trotz ihrer Qualifikation habe sie keine dauerhafte Stelle gefunden und wieder verschiedene ABM-Stellen angenommen. Als die letzte befristete Stelle im Jahr 1996 ausgelaufen sei, habe sie unter Einsatz ihrer Ersparnisse das Jurastudium aufgenommen, das sie im Juni 2000 in ... mit der Ersten Juristischen Staatsprüfung abgeschlossen habe. Wegen der im Saarland bestehenden langen Wartezeit für eine Referendarstelle habe sie sich entschlossen, ihre juristische Ausbildung in Bayern fortzusetzen.

Im Jahr 2002, während ihrer juristischen Referendarausbildung in Bayern, habe sie beim beklagten Versorgungswerk Informationen über die Versorgung der bayerischen Rechtsanwälte eingeholt. Ihr sei damals, entsprechend der seinerzeit gültigen Fassung der Satzung der Beklagten, mitgeteilt worden, dass von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk ausgenommen sei, wer bei Beginn seiner Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer das 45. Lebensjahr bereits vollendet habe.

In der Folgezeit wurde vom Verwaltungsrat des beklagten Versorgungswerks die Satzung mit Wirkung zum 1. Januar 2006 dahin geändert, dass die bisherige Altersgrenze für die Pflichtmitgliedschaft (Vollendung des 45. Lebensjahres) durch die Altersgrenze für das so genannte obligatorische Altersruhegeld (Vollendung des 63. Lebensjahres) ersetzt und damit faktisch aufgehoben wurde (§ 1 Nr. 2, § 2 Abs. 2 der 5. Änderungssatzung des beklagten Versorgungswerks vom 1.12.2004, amtlich veröffentlicht im BayStAnz. Nr. 50/2004). Das beklagte Versorgungswerk verweist zur Begründung dieser Satzungsänderung auf EU-rechtliche Vorgaben zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa (vgl. etwa €Wichtiges Rundschreiben 2005€ vom Januar 2005, Nr. 5 a.E.), insbesondere auf die VO 1408/71/EWG.

Die Klägerin gibt weiter an, im Mai 2005 in Bayern das Zweite Juristische Staatsexamen abgelegt und anschließend den Eintritt in eine Rechtsanwalts-GmbH betrieben zu haben. Dieses Vorhaben sei jedoch aus finanziellen Gründen gescheitert.

Seit 27. Juli 2006 ist die Klägerin Mitglied der Rechtsanwaltskammer ... und seitdem als selbständige Rechtsanwältin tätig.

Mit Schreiben vom 7. August 2006 teilte das Versorgungswerk der Klägerin mit, dass diese als Rechtsanwältin mit Kanzleisitz in Bayern €grundsätzlich€ Pflichtmitglied im Versorgungswerk geworden sei und forderte sie auf, nähere Angaben zu ihren persönlichen und beruflichen Verhältnissen mittels eines in Anlage übersandten Erhebungsbogens zu machen.

Die Klägerin erklärte daraufhin telefonisch am 10. August 2006 und 31. August 2006 vorab gegenüber dem Versorgungswerk unter anderem, sie beziehe Sozialleistungen (€Hartz IV€) und könne sich den Beitrag zum Versorgungswerk nicht leisten. Im Übrigen sei ihr bei früheren von ihr eingeholten Erkundigungen vom Versorgungswerk mitgeteilt worden, dass sie auf Grund des Bestehens einer Altersgrenze von 45 Jahren im Hinblick auf ihr Lebensalter nicht Pflichtmitglied im Versorgungswerk werden könne. Daher habe sie bei ihrer Anwaltszulassung im Jahre 2006 in ... nicht mehr damit gerechnet, dass eine Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk entstehe. Von der Aufhebung der Altersgrenze durch Satzungsänderung mit Wirkung ab 1. Januar 2006 habe sie keine Kenntnis gehabt. Sie sei der Ansicht, dass sie mit der Aufhebung der Altersgrenze auch nicht habe rechnen müssen und mache insoweit Vertrauensschutz geltend. Das Versorgungswerk hätte sie besser beraten müssen, weswegen bei ihr nunmehr ein Härtefall angenommen werden und sie von der Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk befreit werden müsse. Sie habe ihre gesamte Rentenversorgung über die Deutsche Rentenversicherung (DRV) aufgebaut und würde durch eine auf § 6 Abs. 1 SGB VI gestützte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern eine solche trotz Bezuges von Arbeitslosengeld II überhaupt zu erlangen sei, ihre Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente verlieren.

Mit Schreiben vom 27. September 2006, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist, das jedoch in einem nachfolgenden Schreiben des Versorgungswerks vom 2. November 2006 ausdrücklich als €Mitgliedschaftsbescheid€ bezeichnet wird, teilte das Versorgungswerk der Klägerin mit, dass diese seit 27. Juli 2006 dort Pflichtmitglied sei.

Mit gesondertem Beitragsbescheid vom 27. September 2006, förmlich zugestellt an die Klägerin mit berichtigter Rechtsbehelfsbelehrung sowie mit einer Kopie des so genannten €Mitgliedschaftsbescheides€ vom 27. September 2006 am 3. November 2006, setzte das Versorgungswerk den von der Klägerin bis auf weiteres zu entrichtenden monatlichen Beitrag auf 204,70 EUR (Grundbeitrag) fest.

Unter dem 7. November 2006 beantragte die Klägerin beim Versorgungswerk ausdrücklich schriftlich die Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Zwar träfen die in der geltenden, am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Fassung der Satzung des Versorgungswerks vorgesehenen Befreiungstatbestände in ihrem Fall nicht zu, dennoch bleibe dem Versorgungswerk eine Einzelfallentscheidung €sicherlich nicht verwehrt€. Der vorliegende Fall solle dem Versorgungswerk und dessen Organen Anlass geben, die Rechtmäßigkeit der Satzung im Hinblick auf darin enthaltene unbeabsichtigte Lücken zu überdenken. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 der geltenden Satzung des Versorgungswerks sei der Verwaltungsrat befugt, Entscheidungen in Härtefällen zu treffen. Sie sei seit 1980 mit Unterbrechungen bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, pflichtversichert. Gemäß Renteninformation vom 2. November 2005 habe sie zu diesem Zeitpunkt eine Anwartschaft auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 448,64 EUR und auf eine Altersrente in Höhe von 349,53 EUR erworben. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hätte sie noch vor dem 1. Januar 2006 beantragt, wenn sie nicht auf die frühere Altersbegrenzung für die Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk (45. Lebensjahr), die ihr seinerzeit auf Anfrage mitgeteilt worden sei, vertraut hätte. Die Klägerin wende sich nicht gegen €die Zwangsmitgliedschaft als solche€, die Satzung des Versorgungswerks sei jedoch insoweit nichtig, als diese keine Regelung für Härtefälle vorsehe und insoweit keine Befreiungsmöglichkeiten enthalte. Die Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk sei für die Klägerin in mehrfacher Hinsicht wirtschaftlich wertlos. Wenn sie bis zum 63. Lebensjahr den Grundbetrag zum Versorgungswerk in Höhe von 204,70 EUR einbezahlen würde, würde sie nach ihrer Berechnung eine Altersrente in Höhe von 93,34 EUR erhalten. Dies bedeute, dass sie rund 17 Jahre lang die Altersrente vom Versorgungswerk beziehen müsse, um die eingezahlte Summe zurückzuerhalten. Bei dieser Berechnung sei die Verzinsung nicht berücksichtigt. Es komme noch hinzu, dass der Anspruch auf teilweise oder volle Erwerbsminderungsrente bei der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 240, 241 SGB VI voraussetze, dass innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren, gerechnet vom Eintrittsdatum der Berufsunfähigkeit, für die letzten 36 Monate Pflichtbeiträge entrichtet worden seien. Für sie, die Klägerin, bedeute diese Regelung, dass sie bis zur Vollendung ihres 58. Lebensjahres in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert bleiben müsse, sei es als Arbeitnehmerin, sei es als Selbständige, um den Anspruch aufrecht zu erhalten. Als Bezieherin von Arbeitslosengeld II werde sie von der ARGE pflichtversichert. Auf Antrag könne die ARGE den Betrag, den diese zur Zeit an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bezahle, an das Versorgungswerk abführen. Dies würde jedoch für die Klägerin zu verheerenden Folgen führen, nämlich zum Verlust ihres Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Gegenzug erhalte sie vom Versorgungswerk nahezu nichts. Wenn es ihr gelinge, eine selbständige Existenz aufzubauen, müsse sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung den Status einer €versicherungspflichtigen Selbständigen€ haben, damit ihr Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht verloren gehe. Eine doppelte Pflichtversicherung für Selbständige sei dem Wesen der gesetzlichen Rentenversicherung und der berufsständischen Versorgung jedoch fremd. Schließlich entfalle in ihrem Fall auf Grund ihres Familienstandes (ledig und kinderlos), sollte sie versterben, der Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Dies stelle ebenfalls einen Aspekt der wirtschaftlichen Wertlosigkeit ihrer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk dar. Ferner sei die Satzung des Versorgungswerks nichtig, weil eine echte Übergangsregelung zu § 15 der alten Fassung (Altersbegrenzung auf das 45. Lebensjahr) fehle und der Vertrauensschutz nicht berücksichtigt werde. Wenn eine Regelung jahrzehntelang Anwendung gefunden habe, müsse im Hinblick auf den Vertrauensschutz mindestens eine Stichtagsregelung für die Weitergeltung der alten Fassung nach dem Inkrafttreten der neuen Satzung getroffen werden. Auch das so genannte Regionalprinzip im Sinne des einschlägigen EU-Rechts, das als einer der Hauptgründe für die Satzungsänderung herangezogen worden sei, sei angesichts der unterschiedlichen Regelungen bezüglich der Altersbegrenzung für den Eintritt in das jeweilige Versorgungswerk unverständlich.

Das Versorgungswerk übermittelte der Klägerin unter dem 9. November 2006 auf deren Wunsch eine unverbindliche Hochrechnung, wonach das von der Klägerin ab dem 63. Lebensjahr zu erwartende monatliche Altersruhegeld, Beitragszahlungen angenommen bis 31. Dezember 2013, ca. 82 EUR betrage.

Mit Bescheid vom 24. November 2006 lehnte das Versorgungswerk den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft ab. Die Klägerin mache selbst nicht geltend, dass einer der satzungsmäßigen Ausnahmetatbestände für ein Befreiungsrecht vorliegen würde. Ein Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft ergebe sich aber auch nicht aus sonstigem, und zwar höherrangigem Recht, insbesondere Verfassungsrecht. Auf Unkenntnis der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Satzungsänderung könne sich die Klägerin nicht berufen, nachdem die Änderungssatzung (5. Änderungssatzung vom 1.12.2004) ordnungsgemäß und fristgerecht veröffentlicht worden sei (BayStAnz. Nr. 50/2004).

Die Klägerin beantragt mit ihrer am 1. Dezember 2006 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Klage der Sache nach,

den Bescheid des Versorgungswerks vom 27. September 2006 (Feststellung der Pflichtmitgliedschaft), den weiteren Bescheid des Versorgungswerks vom 27. September 2006 in der Fassung der Berichtigung vom 2. November 2006 (Festsetzung des Pflichtbeitrages) sowie den Bescheid des Versorgungswerks vom 24. November 2006 (Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft) aufzuheben und das beklagte Versorgungswerk zu verpflichten, die Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft zu befreien, erforderlichenfalls nach vorheriger entsprechender Änderung der Satzung.

In ihrem nachfolgenden schriftsätzlichen Vorbringen führte die Klägerin unter anderem aus: In ihrem Falle laufe die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk darauf hinaus, dass ein Zwang zu einer Doppelmitgliedschaft bestehe, nämlich im berufsständischen Versorgungswerk und in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine solche Doppelmitgliedschaft könne sie sich jedoch auf Grund ihres sehr geringen Einkommens nicht leisten. Sie habe die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung beibehalten und eine Befreiung hiervon nach § 6 Abs. 1b Nr. 1 SGB VI, die in ihrem Fall im Hinblick auf § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI wohl ohnehin nicht zu erreichen sei (Verweis auf Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 26.11.2007, Az. S 33 R 1675/06), glücklicherweise erst gar nicht beantragt, weil sie in der gesetzlichen Rentenversicherung immerhin bereits eine Anwartschaft auf Altersrente und auf eine Berufsunfähigkeitsrente erworben habe. Aus ihrer Pflichtmitgliedschaft im beklagten Versorgungswerk könne sie dagegen trotz Beitragszahlung kein nennenswertes Altersruhegeld und überhaupt kein Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit erwarten (Verweis auf § 33 Abs. 6 Satz 3 Satzung des beklagten Versorgungswerks). Gerade eine Absicherung gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit sei in ihrem Falle jedoch sehr wichtig, da sie in der Vergangenheit bereits - bis in die jüngste Zeit hinein - gesundheitliche Probleme gehabt habe. An einer Hinterbliebenenversorgung bestehe im Hinblick auf ihre persönlichen Verhältnisse kein Interesse. Die Satzung des beklagten Versorgungswerkes enthalte eine unbeabsichtigte Lücke, indem sie Fälle wie den des atypischen Lebenslaufs der Klägerin, die äußerst selten vorkämen, nicht berücksichtige. Es wäre jedoch rechtlich zwingend geboten, diese Fälle der so genannten älteren Neuzugänge satzungsmäßig ausdrücklich zu regeln. Nach ihr vorliegenden €Insider-Informationen€ habe der Verwaltungsrat des beklagten Versorgungswerks derartige Fälle schlicht übersehen.

Das beklagte Versorgungswerk beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt das Versorgungswerk in mehreren Schriftsätzen im Wesentlichen aus: Das Versorgungswerk sei an seine Satzung gebunden. Es sei der Verwaltung verwehrt, entgegen den strikten Regelungen der Satzung eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft als Einzelfallentscheidung zu erteilen. Eine Einzelfalllösung könne allenfalls in Gestalt einer Beitragsstundung bzw. Ratenzahlungsvereinbarung gefunden werden. Die atypische Versicherungsbiografie der Klägerin bestehe, wie im Verlauf des Verfahrens mehrfach ausgeführt, darin, dass diese trotz ihres Alters bislang noch keine ausreichende Alterssicherung aufgebaut habe, dass der Zugang der Klägerin zum Rechtsanwaltsberuf überhaupt erst relativ spät erfolgt sei und dass die Klägerin auch aus finanziellen Gründen offensichtlich nicht in der Lage sei, ausreichende Beiträge für ihre Alterssicherung aufzubringen. In dieser Situation gewähre das Versorgungswerk - nach Maßgabe von § 20 der Satzung - die Beitragsermäßigung auf den Grundbeitrag. Im Falle der Klägerin sei darüber hinaus eine Stundung vereinbart worden. In Anbetracht der persönlichen finanziellen Situation der Klägerin habe diese bisher noch keinen einzigen Beitrag an das Versorgungswerk entrichten müssen bzw. entrichtet. Das Versorgungswerk trete insbesondere bei den so genannten €älteren Neuzugängen€ nicht mit der Forderung an, für einige wenige Jahre (geringer) Beitragszahlung eine einen ausreichenden Lebensstandard sichernde Versorgung gewährleisten zu können. Dies könne kein Versorgungsträger leisten. Die Berufsstandsangehörigen seien jedoch gehalten, für den Zeitraum, für den sie dem Berufsstand angehörten, einen entsprechenden Versorgungsbaustein aufzubauen. Dieser Versorgungsbaustein bleibe dem Mitglied auch im Falle des Ausscheidens aus dem Beruf generell oder im Falle des Wechsels des Versorgungswerks bzw. der Versorgungseinrichtung erhalten, er werde darüber hinaus genauso dynamisiert wie die Anwartschaften der aktiven Mitglieder des Versorgungswerks. Soweit sich die Klägerin dagegen wende, dass sie, wenn sie versterbe, ohne Hinterbliebene zu hinterlassen, das Versorgungswerk bzw. die Mitgliedergemeinschaft subventioniere, wende sie sich gegen das der berufsständischen Versorgung zugrunde liegende Versicherungsprinzip. Das Versorgungswerk sei eben keine Lebensversicherung, die nach bestimmten Komponenten, die der Antragsteller zu benötigen glaubt, zusammen zu stellen sei. Das Versorgungswerk biete, wie die gesetzliche Rentenversicherung, ein Versorgungspaket an, das nicht individuell veränderbar sei. Auch ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter könne nicht geltend machen, er wolle einen geringeren Beitrag entrichten, da im Falle seines Versterbens eine Hinterbliebenenversorgung nicht anfallen werde. Die 5. Änderungssatzung sei im Übrigen zum großen Teil durch EU-rechtliche Vorgaben (VO 1408/71/EWG) bedingt gewesen; die berufsständischen Versorgungswerke unterlägen dieser EU-Vorschrift seit 1. Januar 2005.

In ihrem schriftsätzlichen Vorbringen nahmen die Parteien ausdrücklich unter anderem Bezug auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2005, Az. 9 ZB 04.2246, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. November 2007, Az. M 3 K 06.3985, die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. März 2008, Az. RN 5 K 08.261 und Az. RN 5 K 07.804 sowie auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Februar 2006, Az. Au 4 K 05.1077.

Im Übrigen wurden versicherungsaufsichtliche Stellungnahmen des seinerzeit zuständig gewesenen Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 29. März 2007, ergangen im Verfahren Az. M 3 K 06.3985 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München, und des nunmehr zuständigen Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 24. Januar 2008, ergangen im vorliegenden Verfahren, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Ferner stützte die Klägerin den von ihr geltend gemachten Rechtsanspruch zuletzt insbesondere auch auf die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 bzw. auf verschiedene EU-Richtlinien zum Verbot von Diskriminierungen unter anderem auch wegen des Alters.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (Blatt 1 - 483) sowie auf die vorgelegten Akten des Versorgungswerks (Blatt 1 - 36) verwiesen.

Gründe

Die - jedenfalls bei sachdienlicher Auslegung des Klagebegehrens - zulässige Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Parteien von der Kammer ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, ist unbegründet.

Gegenstand der Klage, wobei es sich insoweit eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alternative 1 VwGO handelt, ist zunächst der Beitragsbescheid des beklagten Versorgungswerks vom 27. September 2006 in der Fassung des die Rechtsbehelfsbelehrung berichtigenden Schreibens bzw. Bescheides vom 2. November 2006.

Der nach Aktenlage zwischenzeitlich ergangene weitere Beitragsbescheid vom 11. Januar 2008 (Erhöhung des monatlichen Pflichtbeitrags mit Wirkung ab 1. Januar 2008 von bisher 204,70 EUR auf nunmehr 210,90 EUR), ist dagegen, insbesondere auch nach der durch die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Juni 2008 erfolgten Klarstellung, nicht Verfahrensgegenstand, dieser weitere Beitragsbescheid wurde von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2008, neben anderen Unterlagen, lediglich zu Informationszwecken an das Verwaltungsgericht übermittelt.

Entsprechend dem ausdrücklichen, schriftsätzlich gestellten Klageantrag ist dagegen weiterer Verfahrensgegenstand der Anfechtungsklage der Klägerin das Schreiben des beklagten Versorgungswerks vom 27. September 2006, mit dem dieses der Klägerin mitgeteilt hat, sie sei seit 27. Juli 2006 Pflichtmitglied beim Versorgungswerk. Zwar mag dieses Schreiben auf den ersten Blick den Eindruck einer bloßen formlosen nachrichtlichen Mitteilung erwecken, zumal diesem Schreiben auch keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist. Das Versorgungswerk bezeichnet dieses Schreiben jedoch mit gesondertem Schreiben an die Klägerin vom 2. November 2006, dieser förmlich zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 3. November 2006, ausdrücklich auch selbst als Bescheid (€Mitgliedschaftsbescheid€), so dass die Möglichkeit der Anfechtungsklage hiergegen gegeben ist.

Ferner ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens der Bescheid des beklagten Versorgungswerks vom 24. November 2006, mit dem der Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk abgelehnt wird. Soweit die Klägerin insoweit geltend macht, das beklagte Versorgungswerk habe schon unter Zugrundelegung des derzeitigen Wortlauts der Satzung des Versorgungswerks bei entsprechender Auslegung, insbesondere unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte, die rechtliche Möglichkeit und darüber hinaus auch die rechtliche Verpflichtung, die Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk zu befreien, ist sachdienliche Klageart die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO in der Form der so genannten Versagungsgegenklage. Die Klägerin macht, wie schon ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren zeigt und die Klagebegründung ausdrücklich bestätigt, nicht etwa geltend, das beklagte Versorgungswerk sei von vorneherein rechtlich gehindert, die Mitgliedschaft im Versorgungswerk generell als grundsätzliche Pflichtmitgliedschaft auszugestalten, vielmehr beruft sich die Klägerin lediglich auf einen ihrer Meinung nach bestehenden Rechtsanspruch, wegen besonderer, in ihrer Person liegender Umstände - ungeachtet des unstreitigen Fehlens eines in ihrem Fall einschlägigen ausdrücklichen Befreiungstatbestandes in der Satzung - ausnahmsweise von der Pflichtmitgliedschaft nicht erfasst zu sein bzw. freigestellt zu werden. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang - zumindest hilfsweise - geltend macht, die Satzung des Versorgungswerkes müsse erforderlichenfalls in ihrem Wortlaut dahin geändert werden, dass eine Befreiung der Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft jedenfalls unter den besonderen Voraussetzungen ihres Falles ausdrücklich für zulässig bzw. geboten erklärt wird, ist nach herrschender Meinung die Verpflichtungsklage in Form der so genannten allgemeinen Leistungsklage im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1, § 111, § 113 Abs. 4 VwGO zulässig (so genannte Normenerlassklage, vgl. etwa BVerwGE 80, 355, Juris-Fassung RdNr. 21; Eyermann, VwGO, § 42, RdNr. 63 ff. m.w.N.). Ob im vorliegenden Fall für eine Auslegung des Klagebegehrens im vorstehend genannten Sinn - zumindest in der Form eines Hilfsbegehrens - ein Anlass bzw. Bedürfnis besteht, mag letztlich dahinstehen (die Klägerin selbst hat sich in ihrem Schriftsatz vom 19.6.2008 als Reaktion auf den mit gerichtlichem Schreiben vom 6.6.2008 gegebenen vorsorglichen Hinweis letztlich nicht verbindlich geäußert), denn die Klage hat unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen - primären oder hilfsweise - Normenerlassklage:

Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin beim beklagten Versorgungswerk findet ihre Rechtsgrundlage in Art 22 i.V.m. Art. 30 Abs. 1 des im Freistaat Bayern geltenden Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) und in § 15 Abs. 1 der Satzung des beklagten Versorgungswerks, der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, in ihrer ursprünglichen Fassung datierend vom 6. Dezember 1996 (BayStAnz. Nr. 51/52), derzeit geltend in der Fassung der 6. Änderungssatzung vom 28. Dezember 2005 (BayStAnz. Nr. 1/1006), im Folgenden auch: Satzung. Danach sind - neben anderen Personengruppen - alle nicht berufsunfähigen natürlichen Personen, die, wie die Klägerin seit 27. Juli 2006, Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer in Bayern sind, Pflichtmitglieder des Versorgungswerks. Hiervon gilt auch im besonderen Fall der Klägerin keine Ausnahme; es besteht insbesondere keine Veranlassung für das beklagte Versorgungswerk, die Satzung im Wortlaut dahin abzuändern, dass die Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen wäre bzw. auf Antrag ausgenommen werden müsste.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken und der Pflichtmitgliedschaft von Berufsangehörigen in solchen Versorgungswerken, verbunden mit Pflichtbeiträgen, ist seit langer Zeit geklärt (vgl. z.B. BVerfG, Entscheidung vom 25.2.1960, Az. 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354; BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.1997, Az. 1 BvR 324, 93, NJW-RR 1999, 134, Juris-Fassung RdNr. 3; BayVerfGH, Entscheidung von 8.10.1987, Az. Vf 8-VII-86, BayVerfGHE 30, 113; BayVGH, Urteil vom 2.2.1988, Az. 9 B 86.02228, BayVBl 1988, 542). Dieser grundsätzliche Ausgangspunkt wird von der Klägerin, wie bereits ausgeführt, ersichtlich auch selbst nicht in Zweifel gezogen.

Die Beitragsfestsetzung auf monatlich 204,70 EUR, zu zahlen ab 27. Juli 2006, erhöht gemäß - nicht streitgegenständlichem - Beitragsbescheid vom 11. Januar 2008 mit Wirkung ab Januar 2008 auf nunmehr 210,90 EUR, d.h. jeweils auf den so genannten Grundbeitrag, erfolgte gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung des beklagten Versorgungswerks in ihrer oben genannten aktuellen Fassung, im Folgenden: Fassung 2006. Gegen das dem angefochtenen Beitragsbescheid zugrunde liegende Rechenwerk als solches macht die Klägerin keine Einwendungen geltend, Ansatzpunkte für ernsthaft in Betracht kommende Einwendungen hiergegen sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr macht die Klägerin in der Gesamtbetrachtung ihres Klagevorbringens im Ergebnis geltend, ihr stehe im Hinblick auf Grundrechte (insbesondere Art. 3, 12, 14 GG) bzw. verfassungsrechtliche Grundsätze (insbesondere Rechtsstaatsprinzip, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit/Übermaßverbot, Vertrauensschutz) ein Rechtsanspruch gegen das beklagte Versorgungswerk auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft zu, und sei es erforderlichenfalls auch erst nach vorheriger entsprechender Änderung des Wortlauts der Satzung, soweit dieser etwa, was von der Klägerin jedoch im Hinblick auf vorrangiges Verfassungsrecht bestritten wird, dem geltend gemachten Klageanspruch entgegenstehe.

Mit dieser Rechtsansicht vermag die Klägerin jedoch nicht durchzudringen.

Weder die Satzung des beklagten Versorgungswerks noch das VersoG selbst enthalten in ihrem Wortlaut formelle und materielle Bestimmungen, die eine Befreiung der Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk zulassen bzw. gebieten würden:

Der Verwaltungsrat des beklagten Versorgungswerks ist entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung satzungsmäßig nicht dazu ermächtigt, eine Einzelfallentscheidung im Sinne des Begehrens der Klägerin zu treffen. § 6 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung des Versorgungswerks ermächtigt den Verwaltungsrat des Versorgungswerks lediglich dazu, Richtlinien, also generell geltende Regeln, für Entscheidungen in Härtefällen aufzustellen. Eine Ermächtigung des Verwaltungsrats zu Einzelfallentscheidungen in Härtefällen lässt sich dieser Bestimmung der Satzung jedoch, ebenso wie den sonstigen Bestimmungen der Satzung, nicht, auch nicht durch Auslegung, entnehmen. Der Vollzug von etwaigen Richtlinien im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung des Versorgungswerks läge bei der Bayerischen Versorgungskammer als Geschäftsführungsorgan des beklagten Versorgungswerks (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 VersoG, § 10 der Satzung). Etwaige Verwaltungsrats-Richtlinien für Härtefälle im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung hätten sich nach der Systematik von § 6 der Satzung innerhalb des Rahmens der bestehenden Satzung zu bewegen, d.h. sie könnten die Satzung nur interpretieren, jedoch nicht ändern. Im Falle der Klägerin ist, wie diese selbst einräumt, keiner der vom Wortlaut der Satzung des Versorgungswerks (vgl. dort § 16 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7) erfassten Tatbestände für eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft erfüllt.

Jedoch auch die Bestimmungen des im Freistaat Bayern geltenden VersoG, insbesondere Art. 30 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersoG, gegen deren Verfassungsmäßigkeit das Verwaltungsgericht keine Bedenken hat, begründen ihrem Wortlaut nach keine Möglichkeit und erst recht keine Verpflichtung für das beklagte Versorgungswerk, die Klägerin wegen der in ihrer Person vorliegenden besonderen Umstände von der Pflichtmitgliedschaft freizustellen, wie diese es jedoch unter Berufung insbesondere auf Grundrechte bzw. verfassungsrechtliche Grundsätze geltend macht.

Nach Art. 22 Abs. 2 Satz 1 VersoG €kann€ die Satzung des Versorgungswerks unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen Ausnahmen und Befreiungen von der Pflichtmitgliedschaft vorsehen. Dies gilt (siehe Art. 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersoG) insbesondere für Berufsangehörige, die erst im (gesetzlich nicht näher definierten) €fortgeschrittenen Lebensalter€ ihre Berufstätigkeit aufnehmen oder die Mitgliedschaft in ihrer Berufskammer begründen. Unabhängig davon, ob in der Person der Klägerin (zumindest) einer der in Art. 22 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VersoG genannten Tatbestände erfüllt wäre, steht dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch jedoch entgegen, dass die Satzung des beklagten Versorgungswerks in ihrer gegenwärtigen Fassung (Fassung 2006) der Klägerin den von ihr geltend gemachten Befreiungsanspruch eindeutig nicht einräumt. Nach § 15 Abs. 2 der Satzung des beklagten Versorgungswerks, insoweit schon in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 1. Dezember 2004, BayStAnz. Nr. 50/2004, im Folgenden auch: 5. Änderungssatzung, ist von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk nur ausgenommen, wer bei der Begründung der Mitgliedschaft in der betreffenden Berufskammer (hier: Rechtsanwaltskammer, § 60 Abs. 1 BRAO) bereits die Altersgrenze für das in der Satzung so genannte, aber nicht ausdrücklich definierte obligatorische Altersruhegeld erreicht hat. Die Altersgrenze für dieses so genannte obligatorische, d.h. das reguläre Altersruhegeld ist, wie sich aus § 28 Abs. 1 und 2 sowie § 30 der aktuell gültigen Satzung des Versorgungswerks (d.h. Fassung 2006) ergibt und wie zwischen den Parteien auch unstrittig ist, mit Vollendung des 63. Lebensjahres erfüllt (so auch VG Regensburg, Urteile jeweils vom 17.3.2008, Az. RN 5 K 07.804 und RN 5 K 08.261).

Die - durch Bescheid vom 27. September 2006 (€Mitgliedschaftsbescheid€) ausdrücklich sowie ferner durch gesonderten Beitragsbescheid gleichen Datums inzident erfolgte - Feststellung, dass die Klägerin seit Wirksamwerden ihrer Zugehörigkeit zur Rechtsanwaltskammer ... am 27. Juli 2006 Pflichtmitglied des beklagten Versorgungswerks ist, ist somit nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in den oben genannten Bestimmungen des VersoG und der Satzung des Versorgungswerks (Fassung 2006). Es besteht keine Veranlassung bzw. Möglichkeit, die derzeit geltenden einschlägigen Satzungsbestimmungen des beklagten Versorgungswerks über deren eindeutigen Wortlaut hinaus in einem das Klagebegehren stützenden Sinn auszulegen.

Darüber hinaus ist das beklagte Versorgungswerk gegenüber der Klägerin auch nicht verpflichtet, seine derzeit geltende Satzung im Sinne des Klagebegehrens zu ergänzen, soweit dies - zumindest hilfsweise - im Wege des so genannten Normenerlassbegehrens (vgl. dazu etwa Eyermann, VwGO, § 42, RdNrn. 63 ff. m.w.N.) von der Klägerin geltend gemacht wird.

Die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls wie das beklagte Versorgungswerk von dem ihm in Art. 22 Abs. 2 Satz 1 VersoG, dort insbesondere Nr. 2, eingeräumten Ermessen Gebrauch machen will, liegt allein beim zuständigen Satzungsgeber, d.h. dem Verwaltungsrat des beklagten Versorgungswerks (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 der Satzung). Das Satzungsermessen ist zwar, wie jedes Verwaltungsermessen, entsprechend allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) pflichtgemäß auszuüben, es ist jedoch in der Rechtsprechung geklärt, dass es sich insoweit um ein weites Ermessen handelt, dessen Grenzen erst bei willkürlicher Diskriminierung oder Privilegierung erreicht sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.1997, Az. 1 BvR 324/99, NJW-RR 1999, 134, Juris-Fassung RdNr. 3 mit Verweis auf BVerfGE 44, 70 <91>). Insbesondere braucht der konkret tätige Satzungsgeber sich bei der Ausübung seines eigenen Satzungsermessens nicht an den Entscheidungen anderer Satzungsgeber, sei es auch mit vergleichbarem Zuständigkeitsbereich (z.B. andere berufsständische Versorgungswerke), sei es innerhalb Bayerns, sei es in anderen Bundesländern, zu orientieren. Ist der Satzungsgeber somit in der Ausübung seines Satzungsermessens innerhalb der oben genannten weiten Grenzen frei, braucht und kann insbesondere auch verwaltungsgerichtlich nicht überprüft zu werden, ob der Satzungsgeber die €angemessenste€, €zweckmäßigste€, €beste€, €gerechteste€ usw. aller denkbaren Regelungen gewählt hat (vgl. z.B. BayVerfGH, Entscheidung vom 4.8.1999, Az. Vf 12-VII-97, BayVBl 2000, 239, insbesondere Juris-Fassung RdNr. 26).

Dabei ist der Satzungsgeber verfassungsrechtlich auch nicht verpflichtet, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe jeden einzelnen, selten vorkommenden Sonderfall zu regeln, vielmehr ist gemäß der soeben zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 1997 (vgl. Juris-Fassung RdNr. 4) Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nur dann unter Umständen verletzt, wenn bestimmte Gruppen typischer Fälle innerhalb der betroffenen Berufsgruppe ohne zureichende Gründe wesentlich stärker als andere belastet werden (ebenso BVerwG, Urteil vom 5.12.2000, Az. 1 C 11/00, NJW 2001, 1590, Juris-Fassung insbesondere RdNrn. 13, 19; dort wird weiter präzisiert, dass die etwa zu identifizierenden Gruppen zahlenmäßig von Gewicht sein müssen, um eine zu starke Differenzierung zu vermeiden). Eine derartige bestimmte Gruppe typischer Fälle von zahlenmäßigem Gewicht ist hier nicht ersichtlich, vielmehr liegt ein atypischer Einzelfall vor. Der Umstand, dass die Klägerin des vorliegenden Verfahrens erst mit 55 Jahren erstmals die Zulassung als Rechtsanwältin in Bayern erlangt hat, ohne zuvor eine anderweitige ausreichende Anwartschaft auf Versorgung aufgebaut zu haben, und dass sie wegen ihres zu geringen Berufseinkommens auf Sozialleistungen angewiesen ist bzw. zeitweise zumindest war, erfordert es unter Zugrundelegung der oben genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht zwingend, dass der Satzungsgeber einen auf ihre sehr spezielle persönliche Situation zugeschnittenen besonderen Befreiungstatbestand einräumt bzw. schafft. Auch unter den genannten, bei der Klägerin vorliegenden besonderen Umständen ist es nicht als sachwidrig und ermessensfehlerhaft zu beanstanden, wenn die Satzung des Versorgungswerks für die Pflichtmitgliedschaft an die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer in Bayern und damit an die entsprechende anwaltliche Berufstätigkeit in Bayern anknüpft, wie in Art. 22 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 VersoG vorgesehen, und wenn es die Satzung auch bei so genannten €älteren Neuzugängen€, jedenfalls bei extremen Sonderfällen wie dem der Klägerin, bei dieser Regel belässt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.1997, Az. 1 BvR 324/93, NJW-RR 1999, 134; speziell zum Gesichtspunkt des geringen Berufseinkommens: BayVerfGH, Entscheidung vom 4.8.1999, Az. Vf. 12-VII-97, BayVBl 2000, 239, Juris RdNr. 25, 26; im Übrigen auch BayVGH, Beschluss vom 14.11.2005, Az. 9 ZB 04.2246; BayVG München, Urteil vom 26.11.2007, Az. M 3 K 06.3985; BayVG Regensburg, Urteile vom 17.3.2008, Az. RN 5 K 07.804 und RN 5 K 08.261; BayVG Augsburg, Beschluss vom 2.2.2006, Az. Au 4 K 05.1077).

Dabei kommt es, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht darauf an, ob das betreffende Versorgungswerk als Solidargemeinschaft finanziell auf zusätzliche Mitglieder und deren Beitragsleistung zwingend angewiesen ist oder nicht. Ferner kann dahinstehen, ob der Satzungsgeber auf Grund vorrangigen EU-Rechts (hier: VO 1408/71/EWG) gezwungen war, die Satzung gerade in der Weise zu ändern, wie er es getan hat, oder ob auch andere Möglichkeiten der Anpassung der Satzung an EU-rechtliche Vorgaben bestanden hätten bzw. bestünden.

Insbesondere war und ist der Satzungsgeber - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - nicht verpflichtet, für die - für sich allein genommen schon unstrittig zahlenmäßig wenig bedeutsame - Fallgruppe der so genannten €älteren Neuzugänge€, jedenfalls bei Vorliegen zusätzlicher spezieller Umstände wie im Falle der Klägerin (siehe oben), Sonderbestimmungen, insbesondere Möglichkeiten der Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft bzw. von der Beitragspflicht, in die Satzung aufzunehmen, wobei sich im Übrigen auch dann, wenn eine solche Verpflichtung erwogen würde, die Frage stellen würde, ab welchem konkreten Alter bzw. unter Berücksichtigung welcher konkreter Voraussetzungen im Einzelnen eine solche etwaige Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtmitgliedschaft bzw. von der Beitragspflicht einzuräumen wäre. Die geringe zahlenmäßige Bedeutung derartiger Sonderfälle wird auch dadurch bestätigt, dass das beklagte Versorgungswerk laut Geschäftsbericht im Jahr 2006 (vgl. die im Internet unter www.versorgungskammer.de veröffentlichten Geschäftsdaten gemäß letzter Aktualisierung vom 27.7.2007, Gerichtsakte Blatt 345) insgesamt 25.633 Mitglieder und 1.206 Versorgungsempfänger hatte und dass dem hier erkennenden Verwaltungsgericht - außer dem Fall der Klägerin - konkret lediglich einige wenige weitere aktuelle, allerdings nur mit Einschränkungen vergleichbare Fälle im vorliegenden Verfahren benannt worden sind, nämlich die Fälle, die den oben genannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg zu Grunde liegen. Der Fall der Klägerin stellt sich allerdings, wie bereits mehrfach erwähnt, gegenüber diesen letztgenannten Fällen insoweit als noch spezieller dar, als im Falle der Klägerin insgesamt sogar drei Merkmale gleichzeitig erfüllt sind, nämlich der Neuzugang zum Versorgungswerk erst im fortgeschrittenen Lebensalter (hier: 55 Jahre), das Fehlen ausreichender anderweitiger, einen - zumal einer Rechtsanwältin - angemessenen Lebensstandard im Alter sichernder Versorgungsanwartschaften und ein seit Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bis heute unzureichendes Berufseinkommen als Rechtsanwältin, verbunden mit der zumindest zeitweiliger Abhängigkeit von Sozialleistungen.

Das beklagte Versorgungswerk verweist zu Recht darauf, dass etwaigen Härten im Einzelfall in rechtlich ausreichender Weise mit den satzungsmäßig bestehenden Instrumenten (Beitragsermäßigung nach § 20 der Satzung, Stundung der Beitragsforderung, Gewährung von Ratenzahlungsmöglichkeiten) begegnet werden kann und muss, wie dies auch im Falle der Klägerin geschehen ist, die, soweit nach Aktenlage ersichtlich, bisher faktisch noch keine Beitragszahlung geleistet hat.

Die Klägerin kann insbesondere nicht mit ihrem Haupteinwand gehört werden, die Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk sei für sie angesichts ihrer besonderen persönlichen Situation bzw. Versicherungsbiografie wirtschaftlich wertlos und führe zu einer für sie unzumutbaren Doppelbelastung mit Beiträgen einerseits zum Versorgungswerk und zugleich andererseits zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang im Wesentlichen geltend, sie müsste nach ihrer eigenen, von ihr selbst ausdrücklich als überschlägig bezeichneten Berechnung mindestens 17 Jahre bzw. - an anderer Stelle - mindestens 19 Jahre lang das Altersruhegeld vom Versorgungswerk beziehen, um die von ihr bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eingezahlte Summe an Pflichtbeiträgen zurückzuerhalten. Eine nennenswerte Rente im Fall der Berufsunfähigkeit könne sie trotz Leistung von Pflichtbeiträgen überhaupt nicht erreichen (Hinweis auf § 33 Abs. 6 Satz 3 der Satzung des Versorgungswerks), an einer Hinterbliebenenrente bestehe angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse ohnehin kein Interesse. Eine solche rein individuelle kalkulatorische, teilweise auch hypothetische (und im Übrigen, wie der Klägerin offenbar selbst bewusst ist, in den Einzelheiten versicherungsmathematisch unzulängliche) Betrachtungsweise verkennt von vorne herein den besonderen Charakter des beklagten Versorgungswerks als gesetzlich vorgeschriebene, öffentlich-rechtlich verfasste berufsständische Versorgungseinrichtung in Form einer Solidargemeinschaft, vergleichbar etwa der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sich auch das Finanzierungssystem des Versorgungswerks (so genanntes Anwartschaftsdeckungsverfahren) vom Finanzierungssystem in der gesetzlichen Rentenversicherung (Umlageverfahren) unterscheidet.

Für derartige gesetzlich vorgesehenen Solidargemeinschaften, mithin also auch für das beklagte Versorgungswerk, ist es typisch und systemimmanent, dass grundsätzlich Pflichtmitgliedschaft (bei engen Ausnahmen bzw. Befreiungsmöglichkeiten, hier: § 19 Abs. 1 der Satzung) besteht, und zwar unabhängig davon, ob auf Seiten des Mitglieds im Einzelfall ein Interesse an satzungsmäßig oder gesetzlich vorgesehenen Leistungen besteht bzw. ob im Einzelfall zu erwarten ist, dass das Mitglied die von ihm bis zum Erreichen des Ruhestandsalters eingezahlten Beiträge in Form von Versorgungsleistungen an sich bzw. an etwaige versorgungsberechtigte Hinterbliebene wertmäßig zurück erhält.

Der Pflicht zur Mitgliedschaft im öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versorgungswerk entspricht im Übrigen ein Recht des Berufsstandsangehörigen auf Mitgliedschaft, und zwar unabhängig zum Beispiel vom Vorliegen von Vorerkrankungen oder von der Anzahl versorgungsberechtigter Angehöriger. Dementsprechend erfolgt auch die Bemessung des Pflichtbeitrages - innerhalb der von Art. 23 Abs. 1 VersoG gezogenen Untergrenze und Obergrenze - zulässigerweise grundsätzlich ausschließlich anhand des Berufseinkommens bzw. entsprechender an dessen Stelle tretenden Sozialleistungen, bei eng begrenzten Ermäßigungsmöglichkeiten auf Antrag in bestimmten Sonderfällen, z.B. bei Berufsanfängern (vgl. § 20 der Satzung des Versorgungswerks). Der Katalog der Versorgungsleistungen ist, entsprechend dem Charakter des Versorgungswerks als durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen definierter Solidargemeinschaft, ebenfalls satzungsmäßig vorgegeben, er umfasst auch Leistungen an etwaige Hinterbliebene (vgl. § 27 Abs. 3 der Satzung), unabhängig davon, ob das betreffende Pflichtmitglied im Zeitpunkt des Beginns der Pflichtmitgliedschaft oder zu einem nachfolgenden Zeitpunkt entsprechende Angehörige hat oder nicht. Ein Recht des jeweiligen Pflichtmitgliedes, einzelne Versorgungsleistungen gewissermaßen abzuwählen, zumal mit der Folge einer Senkung des Pflichtbeitrages, ist gesetzlich und satzungsmäßig nicht vorgesehen und muss auch aus Gesichtspunkten höherrangigem Rechts nicht vorgesehen werden. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist seit langem anerkannt, dass eine kollektive berufsständische Versorgung mit den oben angedeuteten Merkmalen wirtschaftlich nur durchführbar ist, wenn grundsätzlich alle Berufsangehörigen zur Teilnahme verpflichtet sind, gleichgültig, ob dies dem Einzelnen mehr oder weniger günstig erscheint (BVerfG, Entscheidung vom 25.2.1960, Az. 1 BVR 239/52, BVerfGE 10, 354, Juris-Fassung RdNr. 57; BVerfG, Entscheidung vom 4.4.1989, Az. 1 BvR 685/88, NJW 1990, 1653; BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.1997, Az. 1 BvR 324/93, NJW-RR 1999, 134).

Ein Vergleich öffentlich-rechtlicher berufsständischer Versorgungswerke mit privaten Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen, ist von vorneherein nicht möglich (vgl. etwa die vorstehend zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.4.1989). Private Versicherungen, z.B. private Rentenversicherungen, private Lebensversicherungen, private Unfallversicherungen, agieren im Rahmen der weitgehenden Vertragsfreiheit und auf der Grundlage eines völlig anderen Finanzierungssystems als die öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versorgungswerke. Die genannten privaten Versicherungen berücksichtigen unter anderem individuelle Risikomerkmale, wie etwa Vorerkrankungen, den aktuellen Gesundheitszustand und das Lebensalter der versicherten Person bei Eintritt in die Versicherung. Im Rahmen der Vertragsfreiheit im Privatversicherungsrecht ist es dem Versicherungsnehmer im Grundsatz weitgehend möglich, einen individuellen, auf die Besonderheiten und Bedingungen im jeweiligen Einzelfall zugeschnittenen Versicherungsschutz zu vereinbaren. Andererseits steht es den privaten Versicherungsgesellschaften grundsätzlich frei, einen Versicherungsantrag auch abzulehnen bzw. individuelle Risikozuschläge zu verlangen, die aus der Sicht des potentiellen Versicherungsnehmers den Abschluss einer privaten Versicherung dann eventuell wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen.

Nach alledem sind die von den Parteien zum Gegenstand des Verfahrens gemachten versicherungsaufsichtlichen Stellungnahmen vom 29. März 2007 und vom 24. Januar 2008 und insbesondere die darin enthaltenen Vergleichsberechnungen letztlich für das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits nicht ausschlaggebend. Im Übrigen deuten die sachkundigen Ausführungen der Versicherungsaufsicht jedoch eher darauf hin, dass der Personenkreis der so genannten €älteren Neuzugänge€, zu dem die Klägerin - auch nach ihrem eigenen Vorbringen - zählt (abgesehen davon, dass in ihrem Fall, wie oben ausgeführt, noch weitere besondere Aspekte hinzukommen), nicht gegenüber den anderen Mitgliedern im Versorgungswerk in verfassungsrechtlich relevanter Weise diskriminiert wird.

Allerdings ist einzuräumen, dass die Klägerin auf Grund der kurzen Dauer der für sie noch bestehenden beitragspflichtigen Zeit beim Versorgungswerk dort keine für sich allein genommen ausreichende, zumal für eine Rechtsanwältin angemessene Versorgung erlangen kann. Dies ist jedoch, wie das Versorgungswerk zu Recht einwendet, keine Folge einer etwaigen diskriminierenden Behandlung durch das Versorgungswerk, sondern Folge der speziellen biografischen Gegebenheiten im Einzelfall. Eine ausreichende Versorgung unter derart speziellen biografischen Gegebenheiten bietet, soweit ersichtlich, keine - sei es öffentlich-rechtliche, sei es privat-rechtliche - Versorgungseinrichtung, zumindest dann nicht, wenn die finanziellen Möglichkeiten des beitragspflichtigen Mitglieds so eingeschränkt sind, dass, wie im Falle der Klägerin, nicht einmal ein monatlicher Mindestbeitrag in Höhe von rund 200 EUR bezahlt werden kann. Im Falle der Klägerin kommt noch hinzu, dass bei dieser wohl nicht einmal unter Berücksichtigung ihrer derzeit bestehenden Anwartschaften auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (nach Angaben der Klägerin laut Renteninformation vom 2.11.2005 ein Betrag in Höhe von 349,53 EUR) eine realistische Aussicht auf eine für eine Rechtsanwältin angemessene und ausreichende Altersversorgung besteht, geschweige denn dass von einer - möglicherweise unzumutbaren - Doppelversorgung gesprochen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 23.3.2000, Az. 1 B 15/00, NJW-RR 2001, 785, Juris-Fassung RdNr. 15).

Das Verwaltungsgericht übersieht nicht, dass der Klägerin unter diesen Umständen als letzter Ausweg, neben einer Verlagerung ihrer beruflichen Tätigkeit in ein anderes Bundesland, in dem eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk für sie nicht besteht, letztlich nur der Zwang zur Aufgabe des Berufs als Rechtsanwältin bleiben könnte. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits erwähnten Beschluss vom 14. November 2005, Az. 9 ZB 04.2246, in einem ähnlichen Fall jedoch bereits erwähnt hat (vgl. Juris-Fassung RdNr. 16), wäre eine solche Konsequenz eines über Jahre hinweg nicht erreichten beruflichen Erfolgs jedoch ohnehin unvermeidlich, sie wäre nicht allein oder in erster Linie auf finanzielle Verpflichtungen im Zusammenhang mit Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen zurückzuführen.

Im Übrigen sind Betroffene mit einer derartigen Berufs- und Versicherungsbiografie wie die Klägerin im Sozialstaat keineswegs völlig schutzlos, sie haben bei Bedarf nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere des Sozialgesetzbuches (SGB), Anspruch auf Sozialleistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts einschließlich Krankenversorgung.

Daraus, dass in anderen Bundesländern - und sei es in allen anderen Bundesländern - eine Zugangsaltersgrenze für die Pflichtmitgliedschaft im betreffenden anwaltlichen Versorgungswerk zumindest bisher gelten mag, lassen sich ebenfalls keine Rechtsverstöße ableiten, auf die sich die Klägerin berufen könnte. Die jeweiligen Satzungsgeber sind, wie oben bereits ausgeführt, untereinander autonom und bis zur Grenze der Willkür frei in der pflichtgemäßen Ausübung ihres Satzungsermessens.

Auch unter dem Gesichtspunkt des im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) wurzelnden Vertrauensschutzes ist keine anders lautende Entscheidung veranlasst. Die Rechtsauskünfte, die der Klägerin auf ihre Anfrage beim Versorgungswerk im Jahr 2002 hin gegeben wurden, d.h. der Hinweis auf die damals geltende Zugangsaltersgrenze von 45 Jahren, waren zu dem Zeitpunkt, als sie der Klägerin gegeben wurden, korrekt (vgl. § 15 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 24.10.2000, BayStAnz. Nr. 46), wie die Klägerin auch selbst nicht in Abrede stellt. Die mit Wirksamwerden zum 1. Januar 2006 vom Verwaltungsrat des Versorgungswerks beschlossene Satzungsänderung (insbesondere Streichung der bisherigen Zugangsaltersgrenze von 45 Jahren) wurde ordnungsgemäß bekanntgemacht (BayStAnz Nr. 50/2004). Die geänderten Satzungsbestimmungen gelten, wie bei Rechtsnormen allgemein, unabhängig davon, ob die hiervon Betroffenen konkret Kenntnis von den Änderungen genommen haben oder nicht.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung stehen auch die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), in Kraft getreten am 18. August 2006, der Rechtmäßigkeit der einschlägigen Satzungsbestimmungen des Versorgungswerks nicht entgegen. Die Bestimmungen des AGG sind gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007, Az. 6 C 27/06, NJW 2008, 246, dem das erkennende Verwaltungsgericht folgt (zustimmend insoweit auch Roetteken, NVwZ 2008, 616), auf die - landesrechtlich geregelten - berufsständischen Versorgungseinrichtungen von vorne herein nicht anwendbar. Selbst wenn insoweit die gegenteilige Ansicht vertreten würde, läge hinsichtlich der Klägerin schon deswegen kein Verstoß gegen die Bestimmungen des AGG vor, weil die Klägerin, wie oben dargelegt, vom beklagten Versorgungswerk nicht wegen ihres Alters diskriminiert wird (auf andere etwaige Diskriminierungstatbestände beruft sich die Klägerin selbst nicht). Vielmehr ist die im Falle der Klägerin bestehende Problematik Folge sehr spezieller persönlicher biografischer Gegebenheiten. Entsprechendes würde im Übrigen auch gelten, wenn, etwa im Anschluss an Roetteken (a.a.O.), auf die einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien der EU - soweit unmittelbar anwendbar - zurückgegriffen würde, insbesondere auf die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. dort insbesondere Art. 6).

Die nach Meinung der Klägerin fehlende wirtschaftliche Rentabilität ihrer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk wäre, sollte sie denn tatsächlich gegeben sein, abgesehen von dem oben Ausgeführten, im Wesentlichen Folge des nicht vom Versorgungswerk zu vertretenden Umstandes, dass die Klägerin erst im Alter von 55 Jahren die Berufstätigkeit als Rechtsanwältin in Bayern aufgenommen hat. Im Übrigen ist es selbst nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin - bei einer grob überschlägigen Schätzung, die versicherungsmathematischen Anforderungen nicht entspricht (vgl. die bei den Gerichtsakten befindlichen, oben erwähnten versicherungsaufsichtlichen Stellungnahmen) - nicht ausgeschlossen, dass sie die von ihr einzuzahlenden Pflichtbeiträge zumindest in Form eines Altersruhegeldes wieder zurückerhält, und zwar dann, wenn sie entsprechend lange lebt, nämlich wenn sie das Altersruhegeld ab Vollendung des 63. Lebensjahres etwa - so die Klägerin auf Grund ihrer eigenen überschlägigen, versicherungsmathematisch nicht fundierten Schätzung - 17 bzw. 19 Jahre lang, also etwa bis zu ihrem 80. bzw. 82. Lebensjahr, bezieht. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen, die das 63. Lebensjahr erreicht haben, liegt jedoch laut Stellungnahme der Versicherungsaufsicht beim Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 24. Januar 2008, das sich auf Daten des Statistischen Bundesamtes beruft, bei rund 89 bis 91 Jahre. Diese statistischen Daten zur durchschnittlichen Lebenserwartung schließen im Übrigen nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus, dass im Einzelfall ein noch weit höheres Lebensalter erreicht wird, selbst bei etwa bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Das erkennende Verwaltungsgericht übersieht nicht die von der Klägerin wiederholt zur Bekräftigung ihrer Rechtsauffassung zitierte Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 25. Februar 1960 (Az. 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354, Juris-Fassung RdNr. 57), in der seinerzeitigen Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung (Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1956, GVBl Seite 500, mit Änderungen gemäß GVBl 1957, Seite 47, GVBl 1958, Seite 53 und GVBl 1958, Seite 272) seien €die nach der Sachlage gebotenen€ Ausnahmen von der Pflichtmitgliedschaft im betreffenden Versorgungswerk enthalten gewesen, insbesondere für diejenigen Berufsangehörigen, die bei Aufnahme ihrer Berufstätigkeit €bereits in vorgerücktem Lebensalter€ gestanden seien und deren Versorgung anderweitig sichergestellt gewesen sei (vgl. Juris-Fassung RdNrn. 11, 57). Gemäß § 11 Nr. 1 der erwähnten Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung galt seinerzeit bei diesem Versorgungswerk eine Zugangsaltersgrenze von 40 1/2 Jahren, die zwischenzeitlich, jedenfalls für Neuzugänge ab 1. Januar 2005, auf 65 Jahre angehoben und damit faktisch abgeschafft worden ist (vgl. § 16 Nr. 1 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung in der Fassung vom 1.12.1995, BayStAnz. 1995 Nr. 51/52, Seite 2, zuletzt geändert durch Satzung vom 28.1.2008, BayStAnz. 2008 Nr. 7, Seite 2). Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1960 ist jedoch keine Verpflichtung des beklagten Versorgungswerks dahin zu entnehmen, seine derzeitige Satzung so abzuändern, dass sie einer Erfüllung des Klagebegehrens auf Befreiung der Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft nicht mehr entgegensteht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner genannten Entscheidung ausdrücklich auf das weite Ermessen des Gesetzgebers bzw. Satzungsgebers im Zusammenhang mit der Regelung des berufsständischen Versorgungswesens hingewiesen (vgl. insbesondere Juris-Fassung RdNr. 59), ferner auch auf die naturgemäße Bedingtheit der Handhabung des Regelungsermessens durch die reale gesellschaftliche und ökonomische Situation (vgl. Juris-Fassung RdNr. 46, 53). Es hat damit die grundsätzliche Zulässigkeit einer Anpassung der Satzungsregelungen an geänderte Zeitumstände anerkannt, auch soweit dies die Voraussetzungen von Ausnahmen von der grundsätzlichen Pflichtmitgliedschaft betrifft. Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Situation der Nachkriegszeit ist mit der Situation der Gegenwart, die beispielsweise durch völlig veränderte demografische Gegebenheiten sowie eine weit vorangeschrittene europäische Integration gekennzeichnet ist, nicht mehr hinreichend vergleichbar. Letztlich entscheidend dafür, dass auf Grund des genannten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1960 keine anders lautende Entscheidung im vorliegenden Verfahren veranlasst ist, ist jedoch, dass der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Fall sich von dem vorliegenden Fall insofern unterscheidet, dass die Klägerin, wie vorstehend bereits mehrfach ausgeführt, nicht nur ihre für die Zugehörigkeit zum Versorgungswerk maßgebliche berufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin erst mit dem 55. Lebensjahr aufgenommen hat, sondern dass sie zusätzlich auch keine anderweitigen ausreichenden Versorgungsanwartschaften aufgebaut hat und dass sie darüber hinaus auch ihr Berufseinkommen unzureichend ist.

Letztlich bleibt nur noch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auch keinen Rechtsanspruch darauf besitzt, dass die 5. Änderungssatzung zur Satzung des Versorgungswerks mit einer Übergangsbestimmung zu versehen ist, die die Klägerin vom Anwendungsbereich dieser 5. Änderungssatzung ausnehmen würde. Insbesondere der Umstand, dass die bisher geltende Zugangsaltersgrenze von 45. Lebensjahren über lange Zeit Bestand hatte, erfordert es nicht, auch die Klägerin, die bisher zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkammer in Bayern war und die damit nicht von der Übergangsregelung des § 47c der Satzung des Versorgungswerks in der Fassung der 5. Änderungssatzung (siehe dort § 1 Nr. 25) erfasst wird, im Wege einer Übergangsregelung von der Pflichtmitgliedschaft auszunehmen. Erst recht kann die Klägerin einen entsprechenden Anspruch nicht daraus herleiten, dass sie im Jahr 2002 - unstreitig - auf ihre Anfrage hin vom beklagten Versorgungswerk die auf der damaligen Rechtslage beruhende Auskunft erhalten hat, für die Mitgliedschaft im Versorgungswerk bestehe eine Zugangsaltersgrenze von 45 Lebensjahren.

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Die Klägerin trägt als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.

Die Kammer sieht keinen Anlass für eine Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO. Demgemäß gilt folgende

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.369,20 EUR festgesetzt.

Gründe

Rechtsgrundlage für die Streitwertfestsetzung ist § 52 Abs. 1 GKG. Das Verwaltungsgericht folgt bei der Ausübung des ihm insoweit zustehenden Ermessens der zwar unverbindlichen, gleichwohl jedoch auch aus Praktikabilitätsgründen überzeugenden Empfehlung in Nr. 14.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004. Demgemäß ist der dreifache Jahresbetrag des strittigen Beitrags (der von der Klägerin ursprünglich verlangte monatliche Grundbeitrag belief sich auf 204,70 EUR) anzusetzen.






VG Ansbach:
Urteil v. 24.06.2008
Az: AN 4 K 06.03836


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5bca33cc03af/VG-Ansbach_Urteil_vom_24-Juni-2008_Az_AN-4-K-0603836




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