Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 115/00
(BPatG: Beschluss v. 13.10.2004, Az.: 28 W (pat) 115/00)
Tenor
Auf den Hilfsantrag wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 vom 18. November 1999 hinsichtlich der Ware "Fahrzeuge" aufgehoben.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit der am 13. November 1997 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der nachfolgend wiedergegebenen dreidimensionalen Markeals Kennzeichnung für die Waren
"Kraftfahrzeuge und deren Teile".
Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines aktuellen Freihaltebedürfnisses mit der Begründung zurückgewiesen, die angemeldete Marke erschöpfe sich in der bloßen formgetreuen Wiedergabe der versagten Waren ("Autos"), die nicht ihre eigene Kennzeichnung darstellen könnten. Für eine Warenformmarke fehle es ersichtlich an Elementen, die über die reine technische Gestaltung hinausgingen und vom Verkehr einzeln oder in ihrer Gesamtheit als betrieblicher Herkunftshinweis angesehen werden könnten, zumal der Verkehr auf dem betroffenen Warengebiet an eine nahezu unübersehbare Formen- und Gestaltungsvielfalt gewöhnt sei, so dass die Darstellung eines Kraftfahrzeuges deutlich den verkehrsüblichen Rahmen verlassen müsse, um ausnahmsweise kennzeichnend verstanden zu werden, was hier jedoch nicht der Fall sei. Die Zuordnung der Fahrzeugform als ganzes wie in der Detailausführung zu einem bestimmten Hersteller sei markenregisterrechtlich daher nur im Wege der Verkehrsdurchsetzung denkbar, die bisher nicht geltend gemacht sei. Im übrigen bestehe auch ein erhebliches Freihaltungsinteresse an der äußeren Gestaltungsform eines Kraftfahrzeuges, die nicht nur auf den ästhetischen Eindruck, sondern auch auf technische Erfordernisse abziele wie etwa Luftwiderstandsreduzierung oder Unfallschutz. Die technische Fortentwicklung und die zukünftigen gesetzlichen Rahmenbedingungen verlangten einen möglichst weiten Freiraum bei der Gestaltung von Formelementen im PKW-Bereich.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren auf Eintragung weiter. Hinsichtlich der beanspruchten konkreten Gestaltungsform liege weder der Ausschlussgrund der technisch bedingter Form nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG vor, noch könne der Marke wegen ihrer eher ungewöhnlichen Form die Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Die Fahrzeugkarosserie falle durch die markante Frontpartie und die Betonung des konsequent abflachend verlaufenden Hecks mit Kühlergrill auf, was insbesondere für das Seitenprofil gelte. Was die beanspruchten Autoteile betreffe, würden diese durch die Markendarstellung überhaupt nicht wiedergegeben.
Hilfsweise beruft sich die Anmelderin nunmehr unter Einreichung entsprechender Unterlagen (Angaben zu Dauer der Benutzung, Umsätzen, Werbeaufwendungen, Verkehrsbefragung, Medienecho usw.) darauf, dass die angemeldete Form für die Ware "Fahrzeuge" im Verkehr als Herkunftshinweis auf die Anmelderin durchgesetzt sei.
Die Anmelderin beantragt, den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben, hilfsweise die Marke auf Grund von Verkehrsdurchsetzung einzutragen.
Der Senat hat verschiedene Verbände des Kraftfahrzeugbereiches um Auskunft gebeten, a) inwieweit sich die technisch bedingte Form der Karosserie vom bloßen Design trennen lasse, b) ob die Fahrzeugindustrie darauf angewiesen sei, bei der Entwicklung und Gestaltung der äußeren Fahrzeugform ungehindert von Zeichenrechten Dritter handeln zu können, c) ob die beteiligten Verkehrskreise (Endabnehmer, Händler, Hersteller) in der Karosserieform eines Fahrzeuges überhaupt einen Hinweis auf die Marke eines bestimmten Unternehmens sehen oder die Form eher als Ausdruck der Beschaffenheit bzw. als designmäßig abgewandelter Prototyp "Auto" verstanden werde.
Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Verbandsanfrage und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Hauptantrag nicht begründet. Auch der Senat hält die beanspruchte Warenformmarke von Hause aus für nicht schutzfähig, denn der begehrten Eintragung in das Markenregister steht zumindest ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen, das allerdings für die Ware "Fahrzeuge" durch Verkehrsdurchsetzung überwunden ist, so dass die Beschwerde im Hilfsantrag teilweise Erfolg hat.
1. Gegenstand der Anmeldung ist die naturgetreue zeichnerische Wiedergabe der äußeren Form eines Kraftfahrzeuges unter mehreren Perspektiven, die sich als Verkörperung der beanspruchten Ware "Kraftfahrzeuge" in Gestalt eines von der Anmelderin hergestellten Fahrzeug- und Modelltyps (hier: Porsche 911/996) darstellt. Da nach § 3 Abs 1 MarkenG als Zeichen ausdrücklich auch die Form der Ware geschützt werden kann, besteht kein Anlass, der beanspruchten Darstellung die abstrakte Markenfähigkeit abzusprechen, auch wenn ein Zeichen kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware sein darf, sondern über die technisch bedingte Grundform hinausreichende Elemente aufweisen muss, die zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware abstrahierbar sind und die Identifizierungsfunktion der Marke erfüllen können (vgl. BGH GRUR 2004, 502 Gabelstapler II).
Für den Senat ist allerdings zweifelhaft, ob die beanspruchte Darstellung aufgrund waren- und/oder technisch bedingter Form nach § 3 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht von vornherein vom Markenschutz ausgeschlossen ist; dieses gesetzlich normierte spezielle Freihaltebedürfnis soll verhindern, dass der Schutz des Markenrechts seinem Inhaber ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware einräumt, die der Abnehmer auch bei den Waren der Mitbewerber sucht (EuGH GRUR 2002, 804 Philips; GRUR 2003, 514 Linde, Winward und Rado). Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist restriktiv zu handhaben und auf diese Umstände beschränkt, während das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt ausschließlich im Rahmen des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zu prüfen ist, der im Gegensatz zu § 3 Abs 2 MarkenG aber im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann.
Bei der Formgestaltung von Kraftfahrzeugen sind nach den Feststellungen des Senats zahlreiche technische Vorgaben von Bedeutung; das gilt in erster Linie für die Stabilität des Fahrzeugs in Aufbau und Materialauswahl zB hinsichtlich Torsions- und Biegesteifigkeit der idR selbsttragenden Karosserie, die Aerodynamik ("cw-Wert"), die Funktionsfähigkeit sichtbarer Teile (z.B. versenkbare Seitenscheiben), die Fertigungs- und Reparaturfreundlichkeit, die optischen Bedingungen (z.B. Position der Leuchten, Neigungswinkel für verzerr- und blendfreie Frontscheibe), aber auch für passive Elemente wie Unfall- oder Aufprallschutz von fremden Verkehrsteilnehmern usw. (vgl. etwa Balzer et al., Handbuch der Kfz-Technik, Bd. 2 S. 76 ff Karosserietechnik; Bosch, Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, 24. Aufl. 2002 S. 792ff). Der Gestaltungsfreiheit eines Designers sind damit von vornherein Grenzen gesetzt, da die Technizität der Gebrauchstauglichkeit selbst bei großzügiger Abwandlung des Prototyps Auto stets dominant bleibt. Im markenrechtlichen Schrifttum ist daher wiederholt die Auffassung vertreten worden, dass Autokarosserien allenfalls in ihren Einzelteilen, nicht jedoch in ihrer Gesamtheit als Prototyp markenfähig seien, da dessen Form bereits warenbedingt sei (Fezer, MarkenR, 3. Aufl. 2001, § 3 Rdn. 228 a) bzw. Kraftfahrzeuge als Ganzes in ihrer Wiedererkennung durch den Verkehr nur die allgemeine Wertschätzung für den Hersteller repräsentierten, nicht aber kennzeichnend wirkten (Osterloh, Die Ware als Marke, in: Festschrift für Willi Erdmann, 2002, S. 445ff, 452).
Für die Frage, ob wie hier die beanspruchte Darstellung "ausschließlich" aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, hat der Europäische Gerichtshof in der bereits genannten Philips-Entscheidung bestimmte Auslegungsregeln aufgestellt hat: Ein Zeichen, das ausschließlich aus der Form einer Ware besteht, ist aufgrund dieser Vorschrift nicht eintragungsfähig, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale dieser Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind; das gilt auch für Alternativformen, mit denen die gleiche technische Wirkung erzielt werden kann. Weist der beanspruchte Gegenstand hingegen weitere, über die bloße technische Gestaltung hinausgehende Merkmale auf, die weder durch die Art der Ware noch technisch noch wertbedingt sind, kommt der Ausschlussgrund nach § 3 Abs 2 MarkenG nicht in Betracht.
Im Lichte dieser Rechtsprechung lässt sich bei aller Dominanz zwingender technischer Vorgaben vorliegend nicht mit letzter Sicherheit feststellen, dass sich die als Marke beanspruchte Form in der bloßen Reproduktion der zur Erreichung eines technischen Effekts erforderlichen Anordnung der Elemente der Ware erschöpft bzw. die ggfls. vorhandenen weiteren Elemente bei der Detailgestaltung von Front-, Seiten- und Heckpartie lediglich als unwesentliches Beiwerk abgetan werden können. Als Beispiel kann der Frontbereich genannt werden mit der Anordnung von Scheinwerfer und Kotflügel über dem Niveau der Haube, was neben der ästhetischen Linienführung auch zur Kanalisierung des Luftstroms beitragen kann, um den Anpressdruck des Fahrzeugs auf die Straße und damit die von Haus aus bei Heckmotoren (wegen des fehlenden Frontgewichts) eher schlechtere Fahrstabilität zu erhöhen. Die Gestaltung des Daches sowie vor allem die abfallende Heckpartie können Ausdruck des sportwagentypischen Design sein, aber zweifelhaft ist dennoch, ob insbesondere die großflächige Anordnung der Lüftungsschlitze in der Heckklappe zur Durchlüftung des dort positionierten Motorraums in dieser Größenordnung und konkreten Ausgestaltung technisch notwendig ist. Zählt man zum Archetyp Auto ohnehin lediglich die auf ein Minimum reduzierte Grundform (Innen- und Motorraum, Räder, Türen, etc.), wird man das Vorliegen einer waren- oder technisch bedingten Formgestaltung solange verneinen müssen, wie sich die in vielen Details ausgestaltete Karosserie als Gestaltungseinheit präsentiert, auch wenn der Wiedererkennungseffekt und damit letztlich auch die abstrakte Markenfähigkeit der Ware Auto als solcher in der Regel auf einigen wenigen, ggfls. markanten Detaillösungen in ihrer jeweiligen Kombination beruhen dürfte.
Soweit in den Stellungnahmen der vom Senat befragten Verbände vereinzelt die Auffassung vertreten wird, die Karosserieform müsse schon deshalb als ausschließlich technisch qualifiziert werden, weil der Ersatzteilmarkt ungehindert von Markenrechten auf die konkrete Passform angewiesen sei, vermag diese Argumentation markenregisterrechtlich nicht zu überzeugen. Zwar ist richtig, dass die Problematik des Produkt- wie Markenschutzes von Kraftfahrzeugersatzteilen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat und dass vor dem Hintergrund des (europäischen) Moratoriums zum Geschmacksmusterrechts zahlreiche Hersteller versuchen, den ihnen nach dem Geschmacksmusterrecht idR verwehrten Produktschutz (vgl. Art. 8 iVm Art. 110 GemeinschaftsgeschmacksmusterVO, §§ 3, 67 GeschmMG) auf dem Umweg über Warenformmarken zu erhalten (ggfls. im Widerspruch zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG). Dem steht aber entgegen, dass die vorliegende Marke nur in ihrer Gesamtheit markenfähig ist und Schutz erlangen kann, nicht aber hinsichtlich einzelner Teile, selbst wenn insoweit ein separater Markenschutz für markante Gestaltungselemente denkbar erscheint, etwa bei der Frontpartie mit Lufteinlassschlitzen (vgl. EuG MarkenR 2003, 162 - "Kühlergrill") oder bei Verzierungen an Front oder Heck (in Form von Stern, Figur, Wappen o.ä.). Mit der Anerkennung der Markenfähigkeit der Gesamtform wird aber das Allgemeininteresse an den Vertriebsmöglichkeiten der Einzelbestandteile nicht behindert.
2. Die vorliegend beanspruchte Darstellung ist mithin wie jede andere Markenform auf das Vorliegen von Eintragungshindernissen insbesondere nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 zu prüfen. Was die Frage der Unterscheidungskraft betrifft, hat der Senat erhebliche Bedenken, die bloße Wiedergabe der Karosserieform eines Kraftfahrzeuges von Hause aus als unterscheidungskräftig im markenrechtlichen Sinne einzustufen.
Unterscheidungskraft i.S. der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist hingegen nach dem Gesetzeswortlaut und vor allem aufgrund des Eintragungsanspruchs nach § 33 Abs 2 MarkenG ein Ausnahmetatbestand, der regelmäßig nur erfüllt ist, wenn die beanspruchte Marke sich verbal oder bildlich vordergründig als eine für die Waren oder Dienstleistungen bloße Sachaussage darstellt. Das gilt gleichermaßen für Bild- wie dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen und damit typischerweise zunächst einmal die Ware selbst beschreiben. Dementsprechend geht der Bundesgerichtshofs zB bei Bildmarken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, auch bei Anlegung eines großzügigen Prüfungsmaßstabes davon aus, dass ihnen im allgemeinen die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche konkrete Unterscheidungskraft fehlen wird, sofern die zeichnerischen Elemente der angemeldeten Marke lediglich die typischen Merkmale der beanspruchten Ware darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen (vgl. BGH aaO Gabelstapler II). Diese für Bildmarken entwickelten Grundsätze sind regelmäßig auf dreidimensionale Marken zu übertragen, die aus der Form der Ware bestehen, wobei zusätzlich die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu beachten ist, wonach das bloße Abweichen von der Norm oder Branchenüblichkeit noch nicht zur Bejahung der Unterscheidungskraft genügt, sondern die Herkunftsfunktion der Marke nur durch eine erhebliche Abweichung von der bestehenden Gestaltungsvielfalt erfüllt werden könne (EuGH GRUR Int. 2004, 413 (416), Rdnr. 49 - Waschmittelflasche; EuGH C 136/02 v. 7.10.2004 Taschenlampe). Hinzukommt schließlich, dass bei der Feststellung der Unterscheidungseignung auch auf die besonderen Verhältnisse auf dem maßgeblichen Warengebiet sowie auf den Umstand abgestellt werden muss, ob und inwieweit sich der Verkehr bereits an die Herkunftskennzeichnung von Produktgestaltungen gewöhnt hat (BGH aaO - Gabelstapler II).
Nach den Feststellungen des Senats ist zweifelhaft, ob der vorliegend beanspruchte Gegenstand diesen Anforderungen gerecht wird. Bekanntlich zeichnet sich der Automobilmarkt von je her durch eine große Formenvielfalt aus, wobei sich in gewissen Zeitabständen immer wieder neue Trends herausbilden (wie zB Kastenform, Fließheck, Schrägheck, Rundformen, Station, Limousine, Van, Sport, Cabrio etc.), die sich letztlich am Modegeschmack des Verkehrs ausrichten. An diese Gestaltungsbreite ist der Verkehr nicht nur gewöhnt, sondern diese ist auch Teil der Käufererwartung, wie das große Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an den jährlichen nationalen und internationalen Automessen zeigt, auch wenn die meisten Autohersteller bedingt durch die bereits erwähnten technischen Vorgaben sich im Design häufig nicht oder nur geringfügig vom marktgängigen Formenschatz innerhalb der jeweiligen Produktklasse abheben. So ist etwa im Sektor der Klein- wie Mittelklassewagen zu beobachten, dass nicht nur die technische Ausstattung und Qualität, sondern auch die Formgestaltung bei nahezu allen Herstellern immer stärker angenähert sind, so dass der Verkehr schon deshalb gezwungen ist, sich bei der betrieblichen Zuordnung weniger an Gestaltungsdetails, als an "klassischen" Erkennungszeichen (Emblem, Schriftzug, Figuren usw.) zu orientieren, die ihm am Fahrzeug zur Verfügung stehen. Hinzukommt, dass häufig baugleiche Typen innerhalb wie außerhalb von Konzernverbindungen angeboten werden, die der Verkehr nach der äußeren Aufmachung kaum oder überhaupt nicht unterscheiden kann. Vor dem Hintergrund der durch technische Vorgaben bedingten Modellpolitik der Hersteller spricht letztlich vieles dafür, dass der Verkehr unterschiedliche Design-Elemente damit eher als Teil der Ware betrachten wird, und Ware und Marke unter diesem Blickwinkel dann nicht mehr funktionell getrennt wären.
Auf der anderen Seite kann sich der Senat aber auch nicht der seit langem beim Verkehr zu beobachtenden Übung verschließen, dass trotz der Gewöhnung an die vielfältige Formgebung der Ware "Auto" dennoch häufig von der äußeren Form eines Kraftfahrzeuges spontan und ohne weitere Überlegung auf den Hersteller geschlossen wird, d.h. große Teile des Verkehrs sind offensichtlich in der Lage, ein Auto allein seinem Äußeren nach einem bestimmten Hersteller zuzuordnen. Im Grunde ist der Automobilsektor sogar ein klassisches Beispiel für diese Zuordnung, erkennen doch selbst Kinder viele Automarken schon nach deren äußeren Erscheinungsbild, obwohl der stete und häufig rasche Modellwechsel einer solchen Übung eigentlich eher entgegenstehen sollte, zumal wenn sich ein Modell nicht grundlegend aus dem Erfahrungsschatz des Verkehrs abhebt. Offensichtlich orientiert sich der Verkehr hier an bestimmten herstellertypischen Grundmustern und Linienführungen, die auch in wiederholt abgewandelter Form immer wieder für einen Wiedererkennungseffekt sorgen; markenregisterrechtlich gesehen könnte es sich hierbei um die charakteristischen Merkmale handeln, die für die Art der Ware gerade nicht typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern dem Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft geben.
Ob man bei der vorliegend beanspruchten Marke von einer solchen charakteristischen und damit markenrechtlich kennzeichnenden Formgebung sprechen kann, erscheint dem Senat nicht frei von Zweifeln, enthält sie doch lediglich Gestaltungselemente, die nicht über den bloßen Prototyp Sportwagen hinausgehen und sich mithin nicht erheblich von der Branchenüblichkeit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH abheben, denn die gestreckte Linienführung mit der nach hinten versetzten Fahrerkabine und dem bulligen Heck findet sich auch bei anderen Herstellern. So zeigt ein Blick in gängige Autolexika (zB Enzyklopädie der Automobile, 1999) oder die Bildersammlungen in Google, dass der Prototyp Sportwagen zwar zahlreiche Abwandlungen erfährt, in seinen Grundstrukturen aber bei allen Herstellern immer wiederkehrt und sich dabei in der Form häufig auch vorliegend beanspruchten Darstellung annähert; das ist etwa bei Fahrzeugen vom Jaguar E-Type oder Audi Coupè der 70er Jahre genauso der Fall wie beim Ferrari 250 GT, 365 GTB oder 550 Maranello, dem Lamborghini Miura, dem Ford Mustang, Aston Martin, Chevrolette Corvette, Trident Clipper, Toyota 2000 TI, Siata, Rockdale Olympic, Mazda RX 7, Maserati, Datsun 240 Z, Marcos 1800, Lotus usw., ohne dass diese Aufzählung Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Das sog. "Porsche-Gesicht" in Form besonderer Anordnung von Scheinwerfern und Kotflügel nebst dem Heck mit Kühlergrill mag zwar in der Kombination ein interessantes Design-Element darstellen, doch geht die Gestaltung nicht in einem solchen Maße über den aufgezeigten Erfahrungsschatz des Verkehrs bei Sportwagen hinaus, als dass diese bereits von Hause aus und ohne den durch Wiedergabe des Fahrzeugs in den Medien und seine Häufigkeit im Straßenverkehr verursachten Wiedererkennungseffekt als kennzeichnend eingestuft werden könnte (vgl. in diesem Sinne auch EuGH aaO Taschenlampe, Rdr. 31,32,68).
3. Letztlich kann die Frage der Unterscheidungskraft aber dahingestellt bleiben, da der Senat die vorliegende Warendarstellung vor dem Hintergrund des auf dem Warengebiet der Kraftfahrzeuge überragenden Interesses der Allgemeinheit an der Freihaltung der Formenvielfalt für freihaltungsbedürftig nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG hält.
Wie ausgeführt sind die Möglichkeiten der Produktform bei Kraftfahrzeugen durch technische Vorgaben wie Aerodynamik, Sicherheitserfordernisse udgl. relativ eingeschränkt. Umgekehrt spielt die Optik eines Fahrzeuges für große Teile des Verkehrs eine dominante Rolle, weil sich die Modelle der einzelnen Hersteller im technischen Niveau und in der Qualität der Ausstattung immer mehr angleichen und so die Kaufentscheidung immer häufiger vom Design beeinflusst wird (Die Zeit v. 26.9.2002 S. 84; Süddt. Zeitung v. 16.8.2003 S. V1/1). Zwar sind für den Käufer Sicherheit, Qualität und Zuverlässigkeit nicht weniger wichtig geworden, immer mehr Kaufinteressenten wollen sich aber auch und gerade in der Optik des Fahrzeuges selbst verwirklichen, eine Entwicklung, die von Marketing-Strategen der Automobilindustrie bewusst dahingehend gefördert wird, dass das Outfit eines Fahrzeuges bestimmte Gefühle wecken und Botschaften verkörpern soll, mit denen sich der Käufer identifizieren kann. So ist etwa die Rede vom "ästhetischen Auftritt" eines bestimmten Modells (auto motor sport Nr. 18/2001 S. 438), von "Verjüngungskur und Facelift" von Autos (auto motor sport Nr. 19/2001 S. 51) oder von einem "sportlichen Charisma und jugendlichem Charme" einer Fahrzeugkarosserie (auto motor sport Nr. 12/2001 S. 95). Beim Auto handelt es sich mithin um einen imagebildenden Gebrauchsgegenstand, der für den Verkehr tagtäglich präsent ist und seinen Besitzer sogar im psychischen Befinden beeinflussen kann. Angesichts einer solchen Bedeutung der äußeren Form eines Kraftfahrzeugs, die fast schon als wertbildend eingestuft werden muss, wird verständlich, weshalb hier der Erhaltung der Formenvielfalt ein besonderer Stellenwert zukommt, der weit über das Freihaltungsinteresse an Warenverpackungsformen von Wegwerfartikeln wie Flaschen, Joghurtbechern, Arzneimittelkapseln, Waschmitteltabs usw. hinausgeht, die ebenfalls schon sämtlich Gegenstand von markenregisterrechtlichen Entscheidungen waren. Hinzukommt, dass die Formenvielfalt auch im Kontext technischer Neuerungen der Zukunft eine überragende Rolle spielt, hat doch die Entwicklung des Fahrzeugbaus immer wieder gezeigt, dass zunächst als utopisch angesehene Designstudien und Concept Cars sich in kürzester Zeit technisch verwirklichen ließen. Folgerichtig wird der Markt ständig mit neuen Modellen vieler Anbieter beliefert, wobei sich die Modelllaufzeiten im letzten Jahrzehnt erheblich verkürzt haben, nachdem der Verkehr Formneuheiten geradezu erwartet. Sind aber letztlich die Möglichkeiten beschränkt, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren (vgl. EuGH aaO Tz. 73 ff - Linde, BGH aaO, S. 505 - Linde), müssen die Wettbewerber ungehindert von (Marken-)Rechten Dritter auf einen möglichst großen Formenschatz zurückgreifen können, um ein individuelles Produkt anzubieten. Will der Anbieter den Nachbau seiner Form verhindern, braucht er keinen Markenschutz, sondern seinen berechtigten Interessen kann mit einem entsprechenden Produktschutzrecht wie dem Geschmacksmusterschutz entsprochen werden.
Selbst wenn vorliegend die beanspruchte Marke über unterscheidungskräftige Gestaltungselemente verfügen sollte, erschöpft sie sich letztlich in einer geläufigen Abwandlung bereits bekannter Prototypen. Das gilt gleichermaßen für die typische Sportwagenform, die wie ausgeführt bei vielen Mitbewerbern der Anmelderin Verwendung findet wie etwa die flache Fronthaube, die ausgestellten Kotflügel/Radkästen oder die abfallende Heckpartie. Dass diese Merkmale derzeit für den Senat nicht in der für die Anmelderin typischen Kombination nachweisbar sind, ist markenregisterrechtlich für die Frage des Freihaltungsbedürfnisses unerheblich, da es hierbei allein um die Eignung der Verwendung als Beschaffenheitsangabe geht, wie sie in der Verkörperung der Ware besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Jede andere Betrachtungsweise liefe quasi auf den Nachweis einer identischen und damit neuheitsschädlichen Vorwegnahme hinaus, der dem Markenrecht fremd ist. So hat auch der Bundesgerichtshof etwa für den Bereich der Armbanduhren festgestellt (BGH GRUR 2001, 418, 420 - Montre), dass der beliebigen Kombination von bekannten Gestaltungselementen in einem Bereich, in dem der Verkehr mit einer nahezu unübersehbare Vielfalt von Gestaltungen konfrontiert ist, regelmäßig keinerlei kennzeichnende Wirkung zukommt.
Im Ergebnis ist damit der angefochtene Beschluss der Markenstelle nicht zu beanstanden, was auch für die beanspruchten Fahrzeugteile gilt, da die Marke insoweit nur als Hinweis auf deren bestimmungsmäßige Verwendung verstanden werden kann.
4. Nach dem hilfsweisen Vorbringen der Anmelderin kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das festgestellte Eintragungshindernis für die Ware "Fahrzeuge" durch den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs 3 MarkenG überwunden ist. Die Anmelderin hat insoweit umfangreiches Material vorgelegt, das die Durchsetzung der beanspruchten Warenform als Marke im Verkehr belegt.
Bei der Prüfung, ob sich eine als Marke beanspruchte Darstellung im Verkehr durchgesetzt hat, ist von einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte auszugehen, Dazu gehören einmal alle Maßnahmen des Anmelders, seine Marke auf dem Markt zur Geltung zu bringen, also der von der Marke gehaltene Marktanteil und die mit ihr erzielten Umsätze, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke usw. Sodann bedarf es auf der anderen Seite eines Nachweises, dass die Bemühungen des Anmelders ein Feedback ausgelöst und Erfolg gehabt haben. Die Maßnahmen müssen zumindest bei einem maßgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise und Mitbewerber die Annahme einer Betriebskennzeichnung hervorgerufen haben, was sich beispielsweise durch Erklärungen von Industrie- und Handelskammern wie auch im Wege demoskopischer Befragungen belegen lässt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, TZ 51 - CHIEMSEE). Für die Bejahung der Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen bedarf es indes keiner zahlenmäßigen Festlegung auf bestimmte Prozentsätze (z.B. über die 50+1%-Grenze hinaus, vgl. schon BGH GRUR 1991, 609, 610 - SL; BGH BlPMZ 2001, 322 - REICH UND SCHOEN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 8 Rdn. 501 f.) und insbesondere auch keiner Abhängigkeit zur Bedeutung eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses (EuGH aaO - Chiemsee).
Die Anmelderin hat die Voraussetzungen nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien schlüssig dargestellt und belegt; dass dies erstmals im Beschwerdeverfahren geschehen ist, begegnet keinerlei Bedenken. Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen für die unter der beanspruchten Marke vertriebenen Waren sind seit 1999 im einzelnen aufgeschlüsselt und bewegen sich in einem für den Bereich "Sportwagen" oberen Segment, wie auch der von ihr gehaltene Marktanteil bei Sportwagen (allerdings nur in höherer Preiskategorie) zeigt. Die zu den Akten überreichten Prospekte und Werbematerialien belegen darüber hinaus, dass die Waren schon Jahre vor dem Anmeldetag immer wieder unter Hinweis auf die spezifische Formgestaltung und die über Jahrzehnte andauernde Formkonstanz des Fahrzeugs angeboten und vertrieben worden sind (vgl. etwa Süddt. Ztg. v. 5.1.2002 S. 31), so dass auch von einer langanhaltenden markenmäßigen Benutzung der beanspruchten Darstellung ausgegangen werden kann, selbst wenn das vorliegend konkret abgebildete Modell erst kurze Zeit vor dem Anmeldtag auf den Markt gekommen ist; denn auch wenn es sich in einigen Details von der Aufmachung des Grundmodells 911 unterscheidet, bleibt es in seiner Gesamtheit ein typischer Porsche. Entscheidungserheblich kommt hinzu, dass es der Anmelderin durch diese Aufwendungen gelungen ist, die Verkehrsauffassung nachhaltig zu beeinflussen, so dass der der beanspruchten Marke zugrundeliegende Modelltyp 911 gerichtsbekanntermaßen als der Inbegriff des Sportwagens schlechthin angesehen werden kann, der mit diesem Ruf Eingang in die allgemeine Presse und Fachliteratur gefunden hat und dort seit über vierzig Jahre durch Benennung und Abbildung präsent ist. Gerade wegen seiner exklusiven Stellung wird dieses Modell als "unverrückbarer Mythos" (Süddeutsche Zeitung) oder "Klassiker" (Hannoversche Allgemeine Zeitung, Westfalenpost, TZ München) bezeichnet. Auch ohne Einholung eines demoskopischen Gutachtens lässt sich damit - und zwar auch bezogen auf den Anmeldetag - feststellen, dass es sich bei der angemeldeten Karosserieform um eines der bekanntesten Fahrzeugdesigns in Deutschland handelt, das sich damit als Herkunftshinweis auf die Anmelderin im Verkehr durchgesetzt hat. Das gilt allerdings nicht für die Fahrzeugteile als selbständige Ware und ist im übrigen von der Anmelderin selbst nicht behauptet worden, so dass die Beschwerde in diesem Punkt auch im Rahmen des Hilfsvorbringens zurückzuweisen war.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war veranlasst, da die Entscheidung hinsichtlich der Markenfähigkeit, Unterscheidungskraft und des Freihaltungsbedürfnisses von Autokarosserien Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nach §§ 3 Abs 2, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG mit erheblichen wirtschaftspolitischen Auswirkungen aufwirft und eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Fa
BPatG:
Beschluss v. 13.10.2004
Az: 28 W (pat) 115/00
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