Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 6. September 2011
Aktenzeichen: 1 AR 39/11

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 06.09.2011, Az.: 1 AR 39/11)

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht Fürstenwalde.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt eine Photovoltaikanlage und macht gegenüber der Beklagten als Netzbetreiberin Einspeisevergütungen aus dem Jahr 2010 geltend.

Das Amtsgericht Fürstenwalde hat unter Hinweis auf die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) gemäß § 58 EEG i. V. m. § 13 UWG den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat sich ebenso für unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Senat vorgelegt.

II.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil es für die am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Fürstenwalde als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, ersteres durch nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 31.01.2011 und letzteres durch den seine Zuständigkeit abschließend verneinenden Vorlagebeschluss vom 01.06.2011.

3. Zuständig ist das Amtsgericht Fürstenwalde.

Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 23 Nr. 1 GVG. Der Streitwert in Höhe von 5.000,00 € ist nicht überschritten.

Eine der Zuständigkeit des Amtsgerichts Fürstenwalde vorgehende Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) ergibt sich auch nicht aus der Bindungswirkung, die Verweisungsbeschlüssen wie dem des Amtsgerichts Fürstenwalde gem. § 282 Abs. 2 Satz 4 ZPO grundsätzlich zukommt. Denn diese Bindungswirkung ist hier nicht eingetreten.

Aufgrund der klaren Regelung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und Vermeidung von wechselseitigen (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler wie das Übersehen der zuständigkeitsbegründenden Rechtsnorm rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung demzufolge grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss dafür vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. statt vieler Senat NJW 2004, 780; NJW 2006, 3444, 3445).

Die Willkürschwelle ist hier überschritten. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde entbehrt jeder Rechtsgrundlage, ist grob fehlerhaft, mithin objektiv willkürlich und bindet daher nicht.

Eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich nicht aus § 58 EEG i. V. m. § 13 UWG. Nach dieser Vorschrift ist das Landgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig, soweit es um Verstöße gegen die Vorschriften der §§ 16 - 33 EEG geht. Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht gegeben. Unstreitig verlangt die Klägerin von der Beklagten für die über ihre Photovoltaikanlage erfolgte Einspeisung von Strom eine weitere Vergütung, da sie die Auffassung vertritt, die Beklagte habe ihr einen zu geringen Betrag für den eingespeisten Strom bezahlt. Die Klägerin ist damit nicht Verbraucherin des Stroms. Demgegenüber bemüht das Amtsgericht die Vorschrift des § 58 EEG, welche unter der Überschrift €Verbraucherschutz€ für Verstöße gegen Vergütungsvorschriften der §§ 16 - 33 EEG die entsprechende Geltung der §§ 8 - 14 UWG anordnet. Der Verweis auf die §§ 8 - 14 UWG bezweckt die Verhinderung von Verstößen der am Förder- bzw. Wälzungssystem des EEG Beteiligten zum Nachteil der Stromletztverbraucher (vgl. nur die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 16/8148 vom 18.02.2008, S. 74). Nach dem Sinn und Zweck sollen auf der Grundlage von § 58 EEG bestimmte Verbände und Kammern sowie Mitbewerber die Einhaltung der vorbenannten Vorschriften der §§ 16 - 33 EEG kontrollieren können (Frenz/Müggenborg, EEG, Kommentar, 2. Aufl., § 58 Rdnr. 2). Die Klägerin ist weder Mitbewerber der Beklagten als Einspeisender noch Verbraucherin im Sinne dieser Vorschrift. Vielmehr geht es um die Geltendmachung vertraglicher Ansprüche und nicht um den Verbraucherschutz. Auch aus dem Verweis des § 58 EEG auf die Vorschriften im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb lässt sich nichts anderes herleiten. Die Vorschriften der §§ 8 - 10 UWG sehen als Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Vorschriften der §§ 16 - 33 EEG lediglich Beseitigungs-, Unterlassungs-, Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsansprüche vor, nicht jedoch die von der Klägerin gegenüber der Beklagten verfolgten Zahlungsansprüche. Weshalb das Amtsgericht Fürstenwalde angesichts der vorgenannten Umstände dennoch den eigenen Gerichtsstand verneint hat, ist unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt nachvollziehbar. Dem Verweisungsbeschluss selbst lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich das Amtsgericht Fürstenwalde mit der geltenden Rechtslage oder mit entsprechender Kommentarliteratur auseinandergesetzt und nach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte. Allein der formelhafte Bezug auf die Vorschrift des § 58 EEG i. V. m. § 13 UWG bietet keinen Anhaltspunkt für einen Rechtsirrtum des Gerichts, der Willkür ausschließen würde. Schon der flüchtige Blick auf die Überschrift des § 58 EEG hätte zur Schlussfolgerung Anlass geben müssen, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht in Frage kommt. Denn die Ansprüche des Klägers haben mit Verbraucherschutz nichts zu tun. Das gleiche gilt für die im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb benannten Ansprüche, auf die die Vorschrift verweist und die ebenfalls nichts mit dem hier geltend gemachten Zahlungsanspruch etwas zu tun haben.

Auch der Umstand, dass die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hier lag es so, dass das Amtsgericht Fürstenwalde als unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert hatten, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hingewiesen hat. Wenn die Parteien - wie hier - daraufhin eine Verweisung beantragen, liegt die Annahme nicht fern, dass sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlasst worden sind. Schon aus diesem Grund sind die Erklärungen der Klägerin nicht geeignet, der rechtswidrigen Verweisung den Willkürcharakter zu nehmen.

Ferner unterscheidet sich der vorliegende Fall von den mittlerweile vom Senat entschiedenen Fällen der Zuständigkeitsstreitigkeiten im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes (vgl. nur Beschluss vom 02.08.2011, Az.: 1 AR 41/11). In diesen Fällen haben die Verbraucher Rückerstattungsansprüche gegenüber dem Stromversorger geltend gemacht. Darüber hinaus ergab sich weder aus der Überschrift noch aus der Fassung der dort einschlägigen Vorschrift eine derartige Handgreiflichkeit wie im § 58 EEG.






Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 06.09.2011
Az: 1 AR 39/11


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