Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juni 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 201/01

(BPatG: Beschluss v. 17.06.2002, Az.: 30 W (pat) 201/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für zahlreiche Waren der Klassen 5, 29, 30 und 32 als Wort-/Bildmarke (farbig) ist folgende Darstellung in das Register eingetragen worden:

siehe Abb. 1 am Ende Nach der Veröffentlichung dieser Eintragung ist ua am 18. Februar 1998 Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren Marke 2 061 607 Amino plus, die seit 1994 für "Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Protein" eingetragen ist.

Die Eintragung der angegriffenen Marke ist als "Neuveröffentlichung zuvor unrichtig veröffentlichter Eintragungen" am 20. April 1998 nochmals veröffentlicht worden.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 25. Januar 2000 den Widerspruch aus der Marke 2 061 607 wegen fehlender Gefahr von Verwechslungen zurückgewiesen, weil der allein für eine Verwechslungsgefahr in Betracht kommende Bestandteil "AMINO/Amino" in beiden Marken kennzeichnungsschwach und damit nicht prägend sei. Die gegen diesen Beschluß eingelegte Erinnerung der Widersprechenden hat das Patentamt mit Beschluß vom 30. Juli 2001 zurückgewiesen.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen den Bestandteil "AMINO PUR" in der angegriffenen Marke für allein prägend und deshalb Verwechslungsgefahr für gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaber der angegriffenen Marke beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Gefahr von Verwechslungen aus den Gründen der angefochtenen Beschlüsse nicht für gegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die patentamtlichen Beschlüsse Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Der nach § 42 Absatz 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Absatz 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Die Eintragung der angegriffenen Marke kann auch nach Auffassung des Senats wegen fehlender Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG) nicht gelöscht werden.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr. zB BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND jew mwN).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer deutlich reduzierten Kennzeichnungskraft und damit von einem deutlich unterdurchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Denn der Markenteil "Amino" ist als gängige Abkürzung für die Aminogruppe (vgl Thiele, Handlexikon der Medizin, S 73), die zB im Bereich der Aminosäuren am Aufbau der Peptide und Proteine beteiligt ist (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 1. Band S 516), zur Beschreibung der maßgeblichen Waren geeignet. "Plus" wird im deutschen Sprachgebrauch nicht nur als mathematisches Zeichen, sondern auch dazu verwendet, um auf besondere, zusätzliche oder verbesserte Eigenschaften hinzuweisen (vgl PAVIS PROMA Kliems 30 W (pat) 258/96 - VITAL PLUS). In dem hier maßgeblichen Warengebiet wird es bei Präparaten mit einem höheren Wirkstoffanteil, einer verbesserten Wirkstoffweise usw Kennzeichnungen häufig hinzugefügt (vgl BPatG BlPMZ 1994, 160, 162 - BIONAPLUS/Bicona).

Der Senat geht zu Gunsten der Widersprechenden davon aus, daß die beiderseitigen Waren insgesamt identisch sein können. Hinzu kommt, daß mit ihnen in breitem Umfang Endverbraucher angesprochen sind.

Der unter Berücksichtigung dieser Umstände von der angegriffenen Marke einzuhaltende Abstand zur Widerspruchsmarke ist gewahrt.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien, was angesichts der zahlreichen Wort-/Bildbestandteile der angegriffenen Marke keiner näheren Erörterung bedarf. Auch wenn die angegriffene Marke einen Bestandteil PROFI AMINO PUR aufweist, führt dies nicht zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr. Solches würde abweichend von dem Grundsatz, daß ein Elementenschutz dem Markenrecht fremd ist (vgl Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 174), nur dann in Betracht kommen können, wenn zumindest AMINO PUR innerhalb der jüngeren Marke selbständig kollisionsbegründend wirkt. Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt; davon ist auszugehen, wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Für die Prägung des Gesamteindrucks kommen kennzeichnungsschwache bzw schutzunfähige Bestandteile nicht in Betracht; ebensowenig kann von einer Prägung des Gesamteindrucks durch einen Markenbestandteil ausgegangen werden, wenn sich dieser nur als gleichwertig mit anderen Markenbestandteilen darstellt (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 180 mwN).

Eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung kommt AMINO PUR nicht zu. Der Markenteil "AMINO" ist, wie oben ausgeführt, die gängige Abkürzung für die Aminogruppe und zur Beschreibung von Inhaltsstoffen der maßgeblichen Waren geeignet, was hier eine allgemeine Kennzeichnungsschwäche indiziert. Bei dem Bestandteil "PUR" der angegriffenen Marke handelt es sich um einen schutzunfähigen Sachhinweis im Sinne von "rein". Der Verkehr wird diesen Bestandteilen daher keinen Herkunftshinweis entnehmen. Der Erfahrungssatz, dass neben Bildelementen die Wortelemente einer Marke dominieren, gilt dann nicht, wenn die Bildelemente zeichenrechtlich gleichwertige oder gar stärkere Kennzeichnungskraft haben als die Wortelemente.

Verwechslungsgefahr scheidet damit aus.

Der Entscheidung steht im Übrigen nicht entgegen, daß die Anmelder mit Erklärungen vom 6. September 1997 und 3. November 1997 Änderungen der Anmeldung vorgenommen haben. Das Patentamt hat diese Änderungen als zulässig behandelt (vgl hierzu zB MuW 1936, 341) und unter dem Gesichtspunkt einer offensichtlichen Unrichtigkeit iSv § 39 Abs 2 MarkenG die Anmeldung berichtigt. Es hat sodann über den erhobenen Widerspruch entschieden, so dass allein diese Entscheidung Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist. Die Frage, ob diese Änderungen der Anmeldung eine Verschiebung des Zeitrangs zur Folge haben könnten, bedarf für das vorliegende Verfahren keiner Klärung.

Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)201-01.1.3.gif






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Beschluss v. 17.06.2002
Az: 30 W (pat) 201/01


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