Landgericht Kiel:
Urteil vom 21. Oktober 2010
Aktenzeichen: 15 O 71/10
(LG Kiel: Urteil v. 21.10.2010, Az.: 15 O 71/10)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.617.901,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von EUR 1.433.662,43 ab dem 01. Juni 2009 und auf einen weiteren Teilbetrag von EUR 2.184.238,92 ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistung zweier von dieser zugesagten Sonderzahlungen in Anspruch.
Ihre Rechtsvorgängerin, die ... (vgl. Anlage K 6), schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen ... (vgl. Anlagen K 4 und K 5), am 18./23. 12. 1997 einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, nach deren Inhalt (§ 1 Abs. 1) sie sich auf unbestimmte Zeit und kündbar erst zum 31.12.2012 mit einer Einlage von 40,0 Millionen DM als typischer stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe der Bank beteiligte. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a) sollte sie - vorbehaltlich der Regelung in Abs. 5 - auf ihre Einlage für jedes Geschäftsjahr eine Vergütung von 7,01% p.a. erhalten. Nach § 2 Abs. 5 lit. a) sollte der Anspruch auf die Vergütung entfallen, wenn und soweit durch sie ein Jahresfehlbetrag entstehen oder erhöht werden würde. An einem Jahresfehlbetrag sollte die stille Einlage zudem anteilig teilnehmen (§ 3 Abs. 1 des Vertrages). Wegen aller weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen. Die Einlage ist erbracht und von der Beklagten nicht zurückgezahlt worden.
Die weitere Rechtsvorgängerin der Klägerin, die ... (vgl. Anlage K 6), schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen ... (vgl. Anlagen K 4 und K 5), am 7./10. 11. 1997 einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, nach deren Inhalt (§ 1 Abs. 1) sie sich auf unbestimmte Zeit und kündbar erst zum 31.12.2007 mit einer Einlage von 60,0 Millionen DM als typischer stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe der Bank beteiligte. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a) sollte sie - vorbehaltlich der Regelung in Abs. 5 - auf ihre Einlage für jedes Geschäftsjahr eine Vergütung von 7,12 % p.a. erhalten. Nach § 2 Abs. 5 lit. a) sollte der Anspruch auf die Vergütung entfallen, wenn und soweit durch sie ein Jahresfehlbetrag entstehen oder erhöht werden würde. An einem Jahresfehlbetrag sollte die stille Einlage zudem anteilig teilnehmen (§ 3 Abs. 1 des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen. Die Einlage ist erbracht und von der Beklagten im Jahr 2009 zurückgezahlt worden.
Nachdem sich im Zuge der Finanzmarktkrise 2008 abzeichnete, dass die Beklagte für dieses Jahr einen erheblichen Jahresfehlbetrag ausweisen würde, hielt sie am 19.12.2008 eine außerordentliche Hauptversammlung (vgl. notarielles Protokoll Anlage K 15) ab, in der das stimmberechtigte Kapital vollständig vom Versammlungsleiter, Herrn ..., vertreten war.
Der Versammlungsleiter berichtete, die Bank habe mit Sparkassen, Landesbanken und Versicherungen eine Vielzahl von stillen Gesellschaftsverträgen geschlossen, die jeweils die Klausel enthielten, wonach sie für Geschäftsjahre, in denen ein Jahresfehlbetrag ausgewiesen werde, keine Vergütung zu erbringen habe. Da dies für 2008 voraussichtlich der Fall sei, müsse sie zwar nach der Vertragslage keine Vergütung zahlen. Ein Ausfall der Bedienung 2008 würde für die Bank aber einen erheblichen Reputationsverlust zur Folge haben, der nicht auf den Kreis der stillen Gesellschafter beschränkt bliebe, vielmehr angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise und des eingetretenen Vertrauensverlustes in das Finanzmarktsystem für sie unmittelbar existenzbedrohende Bedeutung habe.
Weiter heißt es im Protokoll auf Seite 4:
€Nach Abwägung aller Umstände und in Kenntnis der Teilgewinnabführungsverträge sollten die stillen Gesellschafter daher für das Geschäftsjahr 2008 auch für den Fall bedient werden, dass die Bank einen Jahresfehlbetrag ausweist. Dafür ist ein Betrag von bis zu EURO 64 Mio. aufzuwenden.
Dieser Betrag ist darstellbar, ohne das Grundkapital der Bank anzugreifen und ohne die wirtschaftliche Existenz der Bank oder die Erfüllung sonstiger Verpflichtungen zu gefährden.
Dies soll dabei nicht über eine Änderung der betreffenden stillen Gesellschaftsverträge erfolgen, sondern durch eine freiwillige Sonderzahlung der ..., die ihre Grundlage nicht in den stillen Gesellschaftsverträgen findet, sondern diese nur berücksichtigt (€Sonderzahlung 2008€).
Dabei ist der Kreis der Empfänger auf die stillen Gesellschafter beschränkt, deren Verträge eine Gewinnbeteiligungsklausel vorsehen und die nicht zum Kreis der Aktionäre der ... zu zählen sind€.
Dem entsprechend beschloss die Hauptversammlung einstimmig die Ermächtigung des Vorstandes zur Leistung einer freiwilligen Sonderzahlung an die stillen Gesellschafter bis zu einem Betrag von zusammen 64 Mio. € sowie eine Änderung der Teilgewinn-abführungsverträge dahingehend, dass in 2008 keine Verlustzuweisung erfolgen solle.
Das Ergebnis dieser Beschlussfassung und die Ankündigung, die Vergütung für die stille Einlage für das Geschäftsjahr 2008 werde in voller Höhe ausgezahlt, teilte die Beklagte der zum begünstigten Kreis der stillen Gesellschafter zählenden Klägerin mit Schreiben vom 21.12.2008 (Anlage K 8) mit, unterzeichnet durch ihren Vorstandsvorsitzenden und dessen Stellvertreter, in denen es heißt, die Vergütung werde ihr im Wege einer Sonderzahlung am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag zufließen, sofern die Beklagte für das Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag ausweise und ein Anspruch auf Vergütung nach den vertraglichen Vereinbarungen ganz oder teilweise entfallen würde.
Sie sandte der Klägerin zugleich zwei Änderungsverträge zu, in denen die Aussetzung der Verlustbeteiligung der Einlagen für 2008 geregelt wurde (Anlagenkonvolut 10). Diese gab die Klägerin mit Unterschriften vom 08.01.2009 unterzeichnet an die Beklagte zurück. Die Änderungsverträge wurden er nach bestätigendem Beschluss der Hauptversammlung vom 02.02.2009 im Handelsregister eingetragen (Anlage K11).
Ausweislich des als Anlage K 9 eingereichten Jahresabschlusses zum 31.12.2008 belief sich der Jahresfehlbetrag der Beklagten für 2008 auf rund 3,093 Mrd. €. Er wurde durch Entnahmen aus Kapital- und Gewinnrücklagen ausgeglichen. Zur Stabilisierung der Eigenkapitalausstattung und der erforderlichen Rekapitalisierung stellten die größten Anteilseigner der Beklagten, die ... und das Land ..., insgesamt 3 Mrd. neues Kapital im Wege einer Kapitalerhöhung sowie eine Garantie in Höhe von bis zu 10 Mrd. € zur Verfügung. Diese Maßnahmen meldete Deutschland als dringende Rettungsbeihilfe zur Wahrung der finanziellen Stabilität bei der Europäischen Kommission nach den Beihilfevorschriften des EG-Vertrages an. Die Kommission billigte die Beihilfe im Mai 2009 zunächst für einen befristeten Zeitraum von 6 Monaten (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 29.05.2009, Anlage B 1) und verlängerte die Genehmigung am 22.10.2009 bis zum Erlass einer abschließenden Entscheidung.
Mit Schreiben vom 15.05.2009 (Anlage K 11) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sehe sich außerstande, die zugesagten Zahlungen zu leisten. Wegen der deswegen geführten Korrespondenz wird Bezug genommen auf die Anlagen K 13 und K 14.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend:
In dem Schreiben vom 21.12.2008 sei ein Angebot zu einem abstraktem Schuldversprechen zu sehen, das sie konkludent angenommen habe und das die Beklagte am Tage der jeweiligen Fälligkeit der Vergütungen, dem 01.06 2009 bzw. dem 02.07.2009, zu erfüllen gehabt habe. Aufgrund der Zahlungsverweigerung vom 15.05.2009 befinde sich die Beklagte mit der Zahlung der €unstreitigen €Beträge von EUR 20.451.675,25 und EUR 30.677.512,87 seit deren Fälligkeit im Verzug.
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Wirksamkeit des abstrakten Schuldversprechens vom 21.12.2008 seien irrelevant und gingen ins Leere. Wegen ihrer Rechtsauffassung wird insoweit auf die Seiten 12 € 16 der Klage nebst Anlagen sowie auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 02.08.2010 nebst Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.617.901,35 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von EUR 1.433.662,43 ab dem 01. Juni 2009 und auf einen weiteren Teilbetrag von EUR 2.184.238,92 ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend:
In dem Schreiben vom 21.12.2008 sei ein Schenkungsangebot zu sehen, welches notariell hätte beurkundet werden müssen und daher formnichtig sei. Sie habe die in Aussicht gestellte Auszahlung der Gewinnbeteiligungen ohne Gegenleistung und damit unentgeltlich gewährt. Es habe sich nicht um ein Zahlungsversprechen €causa societatis€ gehandelt. Denn die Förderung der stillen Gesellschaften sei nicht Grund des Beschlusses vom 19.12.2008 gewesen, vielmehr sei es um die Sicherung von 95 % des langfristigen Refinanzierungsvolumens gegangen. Wenn man aber eine Leistung €causa societatis€ annehme, so liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vor.
Die Zahlungszusage im Schreiben vom 21.12.2008 sei auch aus weiteren Rechtsgründen unwirksam. Sie verstoße gegen die §§ 293, 294 und 295 AktG. Inhaltlich habe es sich dabei um eine Abänderung der Verträge über die Begründung der jeweiligen stillen Gesellschaften gehandelt, die rechtlich als Teilgewinnabführungsverträge zu qualifizieren seien und daher der Schriftform, der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister bedurft hätten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Die Vornahme der Sonderzahlung verstoße zudem gegen § 301 AktG. Denn auch die Auflösung anderer Gewinnrücklagen i. S. d. § 301 Satz 2 AktG hätte nicht ausgereicht, um den Jahresfehlbetrag in 2008 auszugleichen. Die damit gegebene Auszahlungssperre sei ihr bei Abfassung des Schreibens vom 21.12.2008 nicht bewusst gewesen, weil sie noch davon ausgegangen sei, die Zahlungen ohne Verstoß gegen § 301 AktG erbringen zu können.
Jedenfalls stehe ihr ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Inäquivalenz zu.
Der Vollzug der Schenkung werde sie in eine Notlage bringen, so dass ihr in entsprechender Anwendung der §§ 242 bzw. 275 Abs. 2 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe. Die Europäische Kommission habe in verschiedenen Gesprächen mit ihren Vertretern zum Ausdruck gebracht, die Genehmigung der Beihilfe von der Nichtbedienung u. a. von stillen Einlagen abhängig zu machen. Daher seien für sie bei Leistung der Gewinnbeteiligung erhebliche negative Konsequenzen im Rahmen der Beihilfeentscheidung zu befürchten. Wenn die Beihilfe letztlich untersagt würde, werde dies ihre Insolvenz herbeiführen.
Das gelte ohnehin für den Fall, dass sie die Vergütung zahlen müsse.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags und der rechtlichen Darlegungen der Beklagten wird auf die Ausführungen in der Klagerwiderung (Seiten 5 € 39) Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist mit Ausnahme einiger Zinsen begründet.
Die Entscheidung der Kammer beruht auf folgenden € gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefasst € tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen:
1.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des tenorierten und unstreigen Betrages von insgesamt EUR 3.617.901,35 folgt aus § 780 BGB. Das Schreiben der Beklagten vom 21.12.2008 stellt in Verbindung mit dem Änderungsvertrag vom 19.12.2008/08.01.2009 ein selbstständiges, abstraktes Schuldversprechen dar (Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 780 Rn. 1a, 3 und 4; BGH NJW 2008, 1589), das immer dann anzunehmen ist, wenn eine Vertragsseite eine selbständige, von dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis losgelöste Verpflichtung eingehen will, die dabei unmittelbar auf Leistung gerichtet ist. Hiervon zu unterscheiden wäre ein € von der Beklagten angenommenes - deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen und keine neue begründen soll und die Vertragsparteien das zwischen ihnen bestehende Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen (Palandt/Sprau, BGB, 68. Auf., § 781 Rn. 3).
Darum geht es hier indessen nicht, weil die Parteien sich nicht uneins darüber waren, dass der Klägerin für 2008 keine Vergütung für ihre stille Beteiligung zustehen würde, wenn die Beklagte einen Bilanzverlust ausweisen sollte. Vielmehr sind im vorliegenden Falle die Voraussetzungen eines selbstständigen, abstrakten Schuldversprechens erfüllt (näher Sprau, a.a.O., § 780 Rn. 1 € 5).
Denn aus den Formulierungen des Schreibens vom 21.12.2008, insbesondere den Wendungen
€bestätigen wir Ihnen hiermit, dass wir trotz des derzeit zweifelsohne schwierigen Marktumfeldes die Vergütung für Ihre Stille/n Einlage/n für das Geschäftsjahr 2008 in voller Höhe auszahlen€€
und
€Die Vergütung für die Stille/n Einlage/n in der vertraglich vereinbarten Höhe wird Ihnen im Wege einer Sonderzahlung am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag zufließen€€
ergibt sich, dass die Beklagte ein verbindliches Zahlungsversprechen gerade losgelöst von dem Vertrag über die stille Einlage eingehen wollte.
Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen waren für die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits deutlich abzusehen, was unter anderem durch die Erklärungen des Versammlungsleiters in der Hauptversammlung vom 19.12.2008, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen, belegt wird. Der eindeutige Wille und die Vorstellung der Beklagten, eine selbständige, also von den Beteiligungsverträgen unabhängige, aber rechtsverbindliche Verpflichtung zu schaffen, wird auch durch die Aussagen der Herren ... und ... vor dem Finanzausschuss des ... Landtages vom 15.01.2009 (vgl. Anlage K 18) unmißverständlich dokumentiert.
Das im Schreiben vom 21.12.2008 liegende Angebot der Beklagten hat die Klägerin zumindest durch schlüssiges Verhalten angenommen, indem sie den mit übersandten Änderungsvertrages zum Vertrag über die Eingehung der stillen Gesellschaft zurückgesandt hat, sofern man nicht ohnehin § 151 BGB für einschlägig ansehen will.
2.
a)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Schuldversprechen nicht etwa wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 518 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil es nicht notariell beurkundet wurde. Das Schuldversprechen wurde nämlich nicht €schenkweise€ i. S. dieser Vorschrift erteilt, so dass es nicht beurkundet werden musste.
Eine Schenkung (§ 516 BGB) liegt nur dann vor, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Die Unentgeltlichkeit ist stets nach der objektiven Sachlage zu beurteilen, muss aber von den Vertragsparteien subjektiv auch gewollt sein. Unentgeltlich ist eine Leistung demnach dann, wenn sie unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt, die nicht zwangsläufig Geldwert haben oder vermögensrechtlich sein muss, sondern auch immaterieller Art sein kann (BGH NJW 2009, 2737).
Im Rahmen des Verhältnisses zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter abgegebene Leistungsversprechen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig nicht unentgeltlich in diesem Sinne, sondern werden vor dem Hintergrund abgegeben, die Gesellschaft zu stärken und damit die durch die Mitgliedschaft vermittelte Vermögenslage zu verbessern (vgl. BGH ZEV 2006, 320; NJW 2008, 1589). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dieser Grundsatz für Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft anerkannt. Dies muss aber umgekehrt ebenso für Zuwendungen der Gesellschaft an die Gesellschafter gelten, die ihren Hintergrund ebenfalls im Gesellschaftsverhältnis haben (vgl. Münchner Kommentar zum BGB-Koch, 5. Aufl. § 516 Rn. 98). Dies gilt nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann, wenn die Leistung zwar an einen oder mehrere Gesellschafter gerichtet ist, ihr eigentlicher Zweck jedoch vorrangig den existentiellen Interessen der Gesellschaft dient.
Gemessen hieran war das von der Beklagten der Klägerin gegenüber abgegebene Zahlungsversprechen nicht unentgeltlich i. S. d. § 516 BGB. Denn aus dem Protokoll über die Hauptversammlung vom 19.12.2008 folgt eindeutig, dass die Beklagte ihre stillen Gesellschafter mit Hilfe der versprochenen Sonderzahlungen an sich binden und €bei der Stange halten€ wollte, weil sie auf sie als Refinanzierungspartner angewiesen war. Das betraf nicht nur deren Einlagen als stille Gesellschafter sondern deren gesamtes finanzielles Engagement, zudem auch kurzfristig kündbare Gelder gehörten. Die Beklagte wollte damit zugleich einen absehbaren Reputationsverlust vermeiden, der nach ihrer damaligen Einschätzung nicht auf den Kreis der stillen Gesellschafter beschränkt geblieben wäre, vielmehr dazu hätte führen können, dass sich ihr Rating verschlechterte und eine Refinanzierung zumindest deutlich erschwert werden würde. Selbst eine Gefährdung der Existenz der Bank wurde anderenfalls für möglich angesehen.
Das wird im dritten Absatz der Seite 4 des Protokolls der Hauptversammlung klar zum Ausdruck gebracht, wo es heißt:
€95 % des langfristigen Refinanzierungsvolumens der Bank wurden im Geschäftsjahr 2008 im Inland aufgenommen. Davon entfallen allein auf den Sparkassensektor 31 % und auf Versicherungen 17 %. Diese sowie die weiteren inländischen Refinanzierungspartner sind für die Bank daher nicht verzichtbar€€
... sprach vor dem Finanzausschuss des Landtages von einem unkontrollierbaren €Momentum€, das gedroht habe. Wenn plötzlich Gerüchte in den Markt gekommen wären, hätten Investoren, die der Ansicht seien, dass die ... nicht in der Lage sei ihre Anlagen zu bedienen, ihr Geld abgezogen (vgl. Seite 10 der Niederschrift in der Anlage K 18).
Nach alledem stellt das Versprechen der Sonderzahlung vom 21.12.2008 eine Leistung €causa societatis€ dar und nicht das Motiv für eine Schenkung.
Die Beklagte, die diese Betrachtungsweise für falsch hält, meint, es gehe insoweit ausschließlich um die Rechtsbeziehungen im Rahmen der bestehenden Innengesellschaften zwischen ihr und den Stillen und eine diesen aus Kulanz versprochene Leistung. Das hält die Kammer für eine zu verengte, der bedrohlichen wirtschaftlichen Situation der Beklagte und der vorrangigen Zielrichtung der Sonderzahlungen nicht gerecht werdende und daher unzutreffende Sichtweise. Denn nur indem die Beklagte der Klägerin und den weiteren stillen Gesellschaftern die Sonderzahlung in Höhe der Vergütung zusagte, konnte sie sich trotz der Krise als verlässlicher Geschäftspartner erweisen und ihr wirtschaftliches Ziel erreichen, ihre Reputation insgesamt zu bewahren und die stillen Gesellschafter konkret als unverzichtbare Refinanzierungspartner zu erhalten.
b)
Da es sich um ein Leistungsversprechen im Hinblick auf das Gesellschaftsinteresse handelte, welches den Rechtsgrund in sich selbst trägt, ist die Klägerin nicht gemäß § 812 BGB bereichert. Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass jemand eine Verbindlichkeit ohne rechtlichen Grund eingeht, was hier aber gerade nicht der Fall war.
c)
Mangels Vorliegens einer Schenkung sind auch die von der Beklagten herangezogenen Vorschriften über eine Rückforderung wegen Verarmung nicht anwendbar.
d)
Auch gegen §§ 293 bis 295 AktG wurde nicht verstoßen, wonach ein Unternehmens-vertrag nur mit Zustimmung der Hauptversammlung geändert werden kann.
Die Kammer teilt die Ansicht der ganz herrschenden Meinung, dass es sich bei der stillen Beteiligung an einer Aktiengesellschaft um einen Unternehmensvertrag i. S. d. § 292 Abs. 1 Ziffer 2 AktG handelt, hier in der rechtlichen Ausprägung eines Teilgewinnabführungs-vertrags (Altmeppen in MüKo-AktG, 2. Aufl., § 292 Rn 65 mit weiteren Nachweisen; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 292 Rn 12). Ein solcher unterliegt grundsätzlich den Formvorschriften der §§ 293, 294 AktG, muss also schriftlich geschlossen werden und bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der Eintragung in das Handelsregister.
Dasselbe gilt nach § 295 AktG für Änderungen eines Unternehmensvertrages, worunter jede Vereinbarung über die Modifikation des Vertragsinhalts zu verstehen ist, die noch während der Vertragslaufzeit wirksam werden soll (Altmeppen a.a.O., § 295 Rn 3).
Ob im Einzelfall ein Änderungsvertrag oder aber ein weiterer, rechtlich selbständiger Vertrag vorliegt, ist eine Auslegungsfrage, wobei in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist (BGH NJW 1999, 575).
Vorliegend haben die Parteien eine Änderung des Vertrags über die stille Gesellschaft in Bezug auf die Vergütungsregelung für das Jahr 2008 nach der Überzeugung der Kammer nicht beabsichtigt. Vielmehr zeigt das Protokoll der Hauptversammlung eindeutig und unmissverständlich, dass die Verpflichtung zur Leistung der € einmaligen - Sonderzahlung im Unterschied zu der Änderung der Regelungen über die Verlustzuweisungen gerade nicht durch eine Änderung der Verträge über die stillen Gesellschaften, sondern durch Ein-gehung einer selbständigen, von einem Schuldgrund losgelösten Zahlungsverpflichtung erfolgen sollte.
e)
In dieser Vorgehensweise liegt auch keine unzulässige Umgehung des § 295 AktG, der das Zustimmungserfordernis für Änderungen von Unternehmensverträgen enthält.
Ob eine unzulässige Umgehung einer gesetzlichen Norm vorliegt, beurteilt sich nach deren Sinn und Zweck. Will diese nur einen bestimmten Weg zur Erreichung eines an sich zulässigen Erfolges verbieten, ist das den gleichen Erfolg auf andere Weise herbei-führende Geschäft wirksam. Es ist dagegen unwirksam, wenn es den verbotenen Erfolg durch Verwendung von Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die (scheinbar) nicht von der Verbotsnorm erfasst werden (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 134 Rn 28).
Durch das Zustimmungserfordernis des § 295 AktG auch für Änderungen eines bestehenden Unternehmensvertrages soll verhindert werden, dass im Wege der Änderung ein Vertragsinhalt durchgesetzt wird, dem die Hauptversammlung beim Abschluss des Vertrages nicht zugestimmt hat und auch nicht zugestimmt hätte (Altmeppen, a.a.O., § 295 Rn 1 m. w. N.). Da die Hauptversammlung der Eingehung des abstrakten Zahlungsversprechens einerseits einstimmig zugestimmt hat und andererseits im eingetragenen Änderungsvertrag vom 19./23.12.2008 gerade nicht auch der Umstand mit geregelt wurde, dass trotz fehlender Voraussetzungen die Einlage im Jahre 2008 bedient werden soll, wird der Wille der Parteien € auf Seiten der Beklagten annehmbar nach qualifizierter rechtlicher Beratung über die hier diskutierten äußerst komplexen Problemlagen € deutlich, dass kein Änderungsvertrag im Sinne des § 295 AktG geschlossen werden sollte, so dass auch nicht erkennbar ist, inwieweit dessen Schutzzweck verletzt sein könnte.
Überdies teilt die Kammer die Auffassung des Landgerichts Hamburg in seinem Urteil vom 22.12.2009 auf S. 14, dass die Beklagte sich auf einen Formmangel aus § 295 AktG zumindest wegen des ihr entgegen zu haltenden Arglisteinwands nicht berufen kann.
f)
Die Kammer verneint auch einen Verstoß gegen § 301 AktG.
Eine unmittelbare Anwendung des § 301 AktG, der eine mögliche Gewinnabführung limitiert, scheidet schon deswegen aus, weil es hier nicht um die Verteilung von Gewinnen der Beklagten geht, sondern um die Eingehung und Erfüllung einer Verbindlichkeit, die zwangsläufig Einfluss auf die Ertragssituation haben muss, damit also um die der möglichen Verteilung eines Gewinns vorgelagerte Frage seiner Ermittlung.
Aber auch eine unzulässige Umgehung des § 301 AktG liegt nicht vor.
Die Bestimmung bezweckt die Kapitalerhaltung im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger. Das Kapital wäre gefährdet, wenn die Gesellschaft kraft Vertrages mehr Gewinn abführen müsste, als sie aktienrechtlich als Jahresüberschuss ausweisen darf, und es deshalb ständig zu Verlustzuweisungen käme (Hüffer, a.a.O., § 301 Rn 1).
Es soll zudem keine Abführungspflicht für Beträge bestehen, die nach § 302 Abs. 1 AktG wieder auszugleichen wären (Altmeppen, a.a.O., § 301 Rn 3).
Nicht aber soll generell verhindert werden, dass aus anderen Rechtsgründen, also etwa über normale Austauschverträge, Verbindlichkeiten gegenüber Dritten eingegangen und diese sodann erfüllt werden (Rust, AG 2006, 563, 565), auch wenn dies im Ergebnis dazu führt, dass keine ausschüttungsfähigen Gewinne mehr entstehen.
Gegen den dargestellten Zweck des § 301 AktG verstößt das Zahlungsversprechen vom 21.12.2008 nicht. Denn damit verfolgte die Beklagte in - jedenfalls aus damaliger Sicht -nachvollziehbarer und vertretbarer Weise gerade den Schutz und Erhalt der Gesellschaft. Es sollte verhindert werden, dass zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Finanzkrise und der sich daraus ergebenen wirtschaftlichen Probleme der Beklagten deren Reputation geschädigt und damit künftig absehbar notwendig werdende Refinanzierungen durch Dritte gefährdet oder wesentlich erschwert werden würden.
Im Zahlungsversprechen liegt demzufolge eine wenn nicht gar zwingend gebotene, so doch zumindest vertretbare unternehmerische Entscheidung im Gesellschaftsinteresse, die gänzlich andere Zwecke verfolgte als die zu regeln, wie € absehbar nicht zu erzielende € Gewinne zu verteilen seien. Dass durch diese Entscheidung Gläubigerinteressen tangiert sein könnten, ist nicht ersichtlich, zumal ausreichende Reserven vorhanden waren, um den Jahresfehlbetrag auszugleichen.
Ob der Argumentation des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 22.12.2009; Anlage K 2) zu folgen ist, dass jedenfalls der Ausnahmetatbestand des § 301 Satz 2 AktG vorlag, weil die Beklagte nach ihrer Bilanz 2008 u. a. über nicht aufgelöste Gewinnrücklagen in Höhe von 1.007.966 T€ verfügte, kann damit offen bleiben.
g)
Ferner steht der Beklagten auch kein Leistungsverweigerungsrecht unter beihilferecht-lichen Gesichtspunkten zu.
Dabei kann offen bleiben, ob Vertreter der Kommission in den Vorgesprächen im Rahmen des Beihilfeverfahrens mündlich zum Ausdruck gebracht haben, die Genehmigung der Beihilfe von der Nichtbedienung u. a. der stillen Einlagen abhängig zu machen und/oder aus einer Bedienung negative Konsequenzen herzuleiten. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob es für eine derartige Entscheidung überhaupt eine Rechtsgrundlage gäbe.
In der Pressemitteilung vom 29.05.2009 über die befristete Genehmigung der Rettungsbeihilfe der Länder ... und ... durch die Europäische Kommission ist hierzu jedenfalls nichts zu lesen.
h)
Soweit sich die Beklagte schließlich auf den Grundsatz den Treu und Glauben (§ 242 BGB) stützen will, weil die Rechtsausübung durch die Klägerin zu untragbaren und mit Recht und Gesetz unvereinbaren Ergebnissen führen würde, ist dies für die Kammer nicht ansatzweise nachvollziehbar. Immerhin war es die Beklagte, die der Klägerin (und weiteren Stillen in entsprechender rechtlicher Lage) trotz fehlender Verpflichtung die Zahlung angeboten hat, um sich aus einer akuten Notlage, die sie selbst als existenz-gefährdend ansah, zu befreien.
Vor diesem Hintergrund erscheint die nicht weiter substantiierte Behauptung der Klagerwiderung abwegig, sie werde gerade dadurch in die Insolvenz geraten, dass sie die zur Vermeidung der Insolvenz angebotene Zahlung leiste.
i)
Aus den gleichen rechtlichen Überlegungen kann sich die Beklagte nicht auf § 275 Abs. 2 BGB berufen, wonach der Schuldner die Leistung verweigern kann, wenn sie einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung aller Umstände in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht.
3.
Mit der Zahlung befindet sich die Beklagte seit den Fälligkeitsdaten 01.06.2009 bzw. 02.07.2009 in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB), weil die Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2009 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Allerdings stehen der Klägerin nicht die geforderten Zinsen, sondern diese nur in gesetzlicher Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB) zu, weil es sich hier nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt. Darunter fallen nämlich nur Entgelte für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen (Palandt/Grüneberg, BGB 69. Aufl. § 288 Rn. 8 und § 286 Rn. 27 mit Nachweisen zur Rechtsprechung), um die es hier nicht geht.
Wegen der Zinsmehrforderung war die Klage daher abzuweisen.
4.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 und 709 ZPO.
LG Kiel:
Urteil v. 21.10.2010
Az: 15 O 71/10
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