Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 9. November 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 89/06
(BGH: Beschluss v. 09.11.2009, Az.: AnwZ (B) 89/06)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 3. Juli 2006 und die Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Dezember 2005 aufgehoben.
Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden für beide Rechtszüge nicht erhoben. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im ersten Rechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde 1976 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das nach § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Dies wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet ist. So verhielt es sich hier; denn das Amtsgericht F. hatte mit Beschluss vom 30. August 2005 auf Antrag des Finanzamts F. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers angeordnet. Nach dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 22. August 2005 beliefen sich die Forderungen gegen den Antragsteller auf ca. 3.000.000 €. Dem standen als Aktivposten im Wesentlichen nur fünf (belastete) Eigentumswohnungen mit einem Verkehrwert von insgesamt 386.090 € gegenüber.
b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, waren bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht gegeben. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.
2. Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin und die angefochtene Entscheidung sind jedoch aufzuheben, weil - was im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150) - der Widerrufsgrund des Vermögensverfalls nachträglich weggefallen ist.
In dem über das Vermögen des Antragstellers geführten Insolvenzverfahren ist dem Antragsteller zwischenzeitlich mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. Dezember 2008 die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt worden. Zwar können bei Insolvenz des Rechtsanwalts dessen Vermögensverhältnisse grundsätzlich erst dann wieder im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO als geordnet angesehen werden, wenn zusätzlich zur Ankündigung der Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren aufgehoben worden ist, da erst mit dessen Aufhebung der Schuldner nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (st. Rspr.; vgl. grundlegend Senat, Beschl. vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271). Auf die förmliche Freigabe kommt es indes hier nicht an, denn der Insolvenzverwalter hat die Kanzlei des Antragstellers zum 1. Oktober 2008 nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben, so dass dieser jedenfalls in der Verfügung über sein Betriebsvermögen nicht mehr eingeschränkt ist. Im Übrigen ist es zu einer Aufhebung des Insolvenzverwalters nach einer Auskunft vom 4. November 2009 nur deshalb nicht gekommen, weil der Abschluss des Verfahrens sich ausschließlich aus Gründen der Überlastung des Insolvenzgerichts verzögert.
3. Da die Voraussetzungen für einen Wegfall des Widerrufsgrundes erst im Beschwerdeverfahren eingetreten sind, entspricht es der Billigkeit, dem Antragsteller die der Antragsgegnerin im ersten Rechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen aufzuerlegen und für das Beschwerdeverfahren von der Anordnung einer Auslagenerstattung abzusehen (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG a.F. i.V.m. §§ 42 Abs. 6 Satz 2, 40 Abs. 4 BRAO a.F.).
4. Der Senat konnte in der nach § 106 Abs. 2 BRAO maßgeblichen Besetzung verhandeln und entscheiden (Senatsbeschl. vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, für BGHZ vorgesehen).
Tolksdorf Ernemann Schmidt-Räntsch Stüer Quaas Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 03.07.2006 - 2 AGH 2/06 -
BGH:
Beschluss v. 09.11.2009
Az: AnwZ (B) 89/06
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