Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 114/00

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2000, Az.: 25 W (pat) 114/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die Bezeichnung Jutalatist unter der Nummer 397 49 819 als Marke für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 10. Januar 1998 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 13. Mai 1955 für "Arzneimittel" eingetragenen Marke 676 042 Adalat.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat zunächst in einem Erstbeschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von möglicher Warenidentität sei ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten sei. Die Markenwörter stimmten bei gleicher Silbenzahl und gleichem Betonungsrhythmus in der Lautfolge "-ALAT" überein. Die gegenüberstehenden Laute "T" und "D" seien klanglich sehr ähnlich und auch die Vokale "U" und "A" seien als dunkelklingende Laute klangverwandt. Der allein in der angegriffenen Marke vorhandene Laut "J" sei klangschwach.

Die Erinnerungsprüferin hat die Entscheidung aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich zwar auf identischen Waren begegnen, wobei auch das breite Publikum angesprochen sei. Gleichwohl sei selbst bei hohen Anforderungen an den Markenabstand eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Die Markenwörter wichen sowohl klanglich als auch schriftbildlich an den regelmäßig stärker beachteten Wortanfängen voneinander ab, wodurch ein ausreichender Markenabstand hergestellt werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke zu verfügen.

Die unter der Widerspruchsmarke vertriebene Produktreihe stelle weltweit das zweitumsatzstärkste Produkt des Bayer-Konzerns dar. Seit der Markeneinführung von "Adalat" 1975 habe sich das Produkt auf dem deutschen Markt schnell zum Marktführer entwickelt. Die Umsatzentwicklung sei zwar seit 1988 rückläufig. Für das Jahr 1998 liege gleichwohl ein Inlandsumsatzergebnis von 46 Mio DM vor. Das Präparat "Adalat" stelle als der "Urvater" der Calcium-Antagonisten einen Meilenstein in der cardiovasculären Therapie dar, der einen großen therapeutischen Sprung bedeutet habe. In medizinischpharmazeutischen Fachkreisen sei "Adalat" nach wie vor eine überragend bekannte Marke, was erst durch eine kürzlich durchgeführte Studie bestätigt worden sei. Die Widerspruchsmarke besitze in diesen Fachkreisen eine Bekanntheit von 37 % (ungestützt) bzw 99 % (gestützt). Auch wenn andere Marken mit dem Endbestandteil "-ALAT" zugunsten anderer Markeninhaber eingetragen seien, existierten gemäß Roter Liste keine als Arzneimittel benutzten entsprechenden Marken. Im Bereich der verschreibungspflichtigen Pharmazeutika komme es überwiegend auf die Auffassung von Ärzten und Apothekern an. Ausgehend von absoluter Warenidentität und einer weit überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der nicht eingehalten sei. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Vergleichsbezeichnungen und der Verwechslungsgefahr stützt sich die Widersprechende im wesentlichen auf die Argumente aus dem Erstbeschluß der Markenstelle.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

In der Sache hat die Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen. Vor der Markenstelle hatte sie ausgeführt, daß keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Vergleichsbezeichnungen seien in den regelmäßig stärker beachteten Wortanfängen "Juta" und "Ada" weder schriftbildlich noch klanglich in irgendeiner Weise verwechslungsfähig. Wegen der Vielzahl von Marken mit der Endung "lat" bzw "alat" komme dieser Übereinstimmung keine Bedeutung zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken sich im Bereich der "pharmazeutischen Erzeugnisse" bzw "Arzneimittel" in weitem Umfang auf gleichen Waren begegnen. Im übrigen besteht zwischen den weiteren Waren der jüngeren Marke und den Widerspruchswaren ein gewisser Warenabstand.

Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich im Bereich möglicher Warenidentität auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen im Wege der Selbstmedikation und nicht selten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTA-CHÉ/TISSERAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Es kann dahinstehen, ob der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukommt. Auch wenn zugunsten der Widersprechenden eine solche in den Verkehrskreisen der Fachleute, unterstellt wird - wobei dies allerdings nur für den Warenbereich der blutdrucksenkenden Mittel gelten kann - besteht keine Verwechslungsgefahr. Soweit gerade auf die Fachleute abgestellt wird, muß außerdem verwechslungsmindernd berücksichtigt werden, daß diese berufsbedingt im Umgang mit Arzneimitteln und arzneimittelrechtlichen Kennzeichnungen regelmäßig sehr sorgfältig sind und deshalb Markenverwechslungen weniger unterliegen als Laien, zumal Fachleute fast immer auch über profunde Markt- und Markenkenntnisse verfügen.

Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch wenn angesichts der möglichen Warenidentität und der uneingeschränkten Berücksichtigung breiter Verkehrskreise strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen gegenüber der Widerspruchsmarke gerecht.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Markenwörter zwar bei gleicher Silbenzahl, ähnlichem Sprech- und Betonungsrhythmus und ähnlicher Vokalfolge in der Schlußsilbe "LAT" überein. In den erfahrungsgemäß stärker beachteten Anfangsbestandteilen "Juta" gegenüber "Ada" unterscheiden sie sich aber markant, was sich auch entsprechend deutlich auf den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck auswirkt. Soweit die Widersprechende bei ihrer Argumentation auf ein zahlenmäßiges Übergewicht an übereinstimmenden Lauten abstellt, wird dies der markenrechtlichen Beurteilung nicht gerecht. Denn es ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390, Tz 23. "Springende Raubkatze" bzw "Sabel/Puma"). Gerade in den dominierenden Anfangsbestandteilen unterscheiden sich die Markenwörter aber markant. Entgegen der Auffassung des Erstprüfers und der Widersprechenden kann der Senat zwischen den sich in den Anfangssilben gegenüberstehenden Vokallauten "u" und "a" keine relevante Klangähnlichkeit feststellen. Vielmehr unterscheiden sich diese klangtragenden Vokallaute deutlich, wobei der Vokal "u" einen wesentlichen dunkleren Klang aufweist als der Vokal "a". Dieser Unterschied wird noch verstärkt durch den allein in der jüngeren Marke vorhandenen Anfangslaut "J".

Allein aus der Ähnlichkeit der Marken in der Lautfolge "talat/dalat" bzw der Übereinstimmung in "-alat" kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden jedenfalls keine Verwechslungsgefahr hergeleitet werden, zumal bei natürlicher Wahrnehmung der Marken nur die Schlußsilbe "lat" als Endung erscheint und damit allenfalls eine Aufteilung der Markenwörter wie "Jutalat" und "Adalat" in Betracht kommt und zudem "-alat" als Endbestandteil im einschlägigen Warenbereich der Klasse 5 in einer erheblichen Anzahl von Marken (mehr als 30) von verschiedenen Herstellern enthalten ist. Selbst wenn von den eingetragenen Marken tatsächlich nur ein Teil benutzt wird, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht unbeachtet bleiben (vgl BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 - Lions). Dabei spricht entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch vieles dafür, daß einige dieser Marken tatsächlich benutzt werden. Denn drei Kennzeichnungen - nämlich "Ipalat", "Espalat" und "Rocmalat" - sind in der Lauer Taxe (Stand November 2000) für Mittel gegen "Husten und Erkältungskrankheiten" bzw als "Galle-/Lebertherapeutika" eingetragen, was ein gewisses Indiz für eine tatsächliche Verwendung darstellt.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2000
Az: 25 W (pat) 114/00


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