Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 50/04
(BPatG: Beschluss v. 12.07.2006, Az.: 29 W (pat) 50/04)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. November 2003 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistung
"Telekommunikation, nämlich Übermittlung, Bereitstellung und Ausstrahlung von Filmbeiträgen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und Fernsehprogrammen"
zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Die Wortmarke 300 00 315.3 RTF.1 wurde am 5. Januar 2000 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16 und 38 zur Eintragung in das Register angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung des Zeichens mit Beschluss vom 4. November 2003 insgesamt zurückgewiesen. Dem angemeldeten Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft, da die Buchstabenfolge "RTF" ein in der Computersprache gängiges Akronym für "Rich Text Format" und die nach einem Punkt angefügte weitere Ziffer "1" lediglich ein Hinweis auf die Aktualität des Produkts sei. Die mit dem angemeldeten Zeichen gekennzeichneten Dienstleistungen verstehe das angesprochene Publikum daher nur als nahe liegenden Hinweis auf eine Übermittlung im aktuellen Rich Text Format. Für die Druckereierzeugnisse in Klasse 16 handle es sich um Publikationen, die sich inhaltlich mit dem Rich Text Format auseinandersetzen oder über entsprechende Neuerungen bzw. Updates informieren würden.
Die Anmelderin hat dem widersprochen und im Beschwerdeschriftsatz vom 28. November 2003 dargelegt, dass "RTF" in Alleinstellung in der Tat die Abkürzung für Rich Text Format bedeute. Dabei handle es sich aber um ein wenig gebräuchliches Textformat. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass RTF-Formate bei der Ausstrahlung von Fernsehsendungen oder in der Telekommunikation genutzt würden. Hinzu komme, dass nicht "RTF" allein, sondern als Gesamtzeichen "RTF.1" angemeldet sei, das die angemeldeten Waren und Dienstleistungen in keiner Weise beschreibe. Auf einen Hinweis durch das Gericht zur beschreibenden Bedeutung von "RTF" im Sinne von Rich Text Format für die beanspruchten Waren in Klasse 9 und 16 hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis mit Schriftsatz vom 10. Juli 2006 klargestellt und eingeschränkt auf Klasse 38: Telekommunikation, nämlich Übermittlung, Bereitstellung und Ausstrahlung von Filmbeiträgen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und Fernsehprogrammen.
Die Anmelderin beantragt daher (sinngemäß), den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur Verwendung des Zeichens "RTF.1" wurde der Anmelderin übersandt.
II.
1. Die Beschwerde ist gem. § 165 Abs. 4 a. F. i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auch in der Sache begründet. Für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen ist die angemeldete Marke weder als beschreibende Angabe noch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG).
2. Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; Mitt. 2005, 511 - Rn. 23 - THOMSON LIFE/LIFE; GRUR 2004, 1027 - Rn. 42 ff. - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Diese Unterscheidungseignung ist dabei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2005, 763, 764 - HAVE A BREAK; MarkenR 2004, 116, 120 Rn. 50 - Waschmittelflasche, MarkenR 2003, 187, 190 Rn. 41 - Linde u. a.).
2.1. Nach diesen Grundsätzen verfügt das angemeldete Zeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft, da ihm für die noch beanspruchte Dienstleistung der Klasse 38 kein beschreibender Aussagegehalt zugeordnet werden kann. Es ist zusammengesetzt aus den drei Buchstaben "RTF", an die nach einem Punkt die Ziffer "1" angefügt ist. Die Buchstabenfolge "RTF" hat dabei mehrere Bedeutungen, wobei im Kontext der ursprünglich angemeldeten Waren und Dienstleistungen (im Sinne von EuGH GRUR 2004, 146 ff. - Rn. 32 - Doublemint) nur "Rich Text Format" als beschreibende Bedeutung in Betracht kommt. "RTF" ist ein Format für Textdokumente, und zwar für den Austausch von formatierten Texten und Grafiken von verschiedenen Betriebssystemen und Programmen (http://zeix.ch/de/lexikon/rtf/). Ziffern im Anschluss an entsprechende Abkürzungen sind dabei nach der Recherche des Senats im Bereich der Textverarbeitungsprogramme und Software üblich und beschreiben die Aktualität der entsprechenden Software, weshalb der Verbraucher warenbezogen darin nur eine Sachangabe für eine - neue oder die erste - Version eines Textverarbeitungsprogramms sehen wird.
2.2. Demgegenüber stehen allerdings die Dienstleistungen "Übermittlung, Bereitstellung und Ausstrahlung von Filmbeiträgen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und Fernsehprogrammen", auf die die Anmelderin ihr Verzeichnis eingegrenzt hat. Hierbei handelt es sich um ein spezielles Marktsegment, in dem die Bezeichnung von Sendern durch Buchstabenfolgen in Kombination mit Ziffern bereits seit langem üblich und dem Verkehr bekannt ist. Der Verkehr, der ein als Marke verwendetes Zeichen regelmäßig in seiner Gesamtheit aufnimmt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch), wird aufgrund dieser Übung das Zeichen nicht als technische Beschreibung des Austausches von verschiedenen Betriebssystemen bei der Übertragung von Daten zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen erkennen, sondern aus seinem Erfahrungshorizont heraus einen bestimmten Dienstleister mit dem Zeichen in Verbindung bringen. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit die Buchstaben-/Zahlenkombination für Telekommunikationsdienstleistungen insgesamt für unterscheidungskräftig gehalten, da im Telekommunikationssektor häufig Marken gebraucht würden, die aus einem Wort- und einem Zahlenbestandteil zusammengesetzt seien (GRUR 2004, 943 ff. - Rn. 44 - SAT.2). So kennt der Verkehr bereits u. a. folgende Sender: SAT.1; Sport1.de; kabel eins; Österreich 1; radioeins; DF1; RTL 2; Pro 7 oder TELE 5. Aufgrund der Übung im Verkehr wird der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher daher in der Bezeichnung "RTF.1" ebenfalls einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sehen und dem Zeichen keinen beschreibenden Begriffsinhalt beimessen.
3. Mangels eines beschreibenden Aussagegehalts kann die Buchstaben-/Ziffernfolge hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistung auch nicht als Sachangabe zur Bezeichnung von deren Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale dienen und ist daher nicht im Interesse der Mitbewerber freizuhalten (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 12.07.2006
Az: 29 W (pat) 50/04
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