Oberlandesgericht Schleswig:
Urteil vom 30. Oktober 2008
Aktenzeichen: 5 U 66/08
(OLG Schleswig: Urteil v. 30.10.2008, Az.: 5 U 66/08)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 8.4.2008 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen I - des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann seine Sicherheitsleistung auch durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten als atypisch stillen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin auf Einzahlung seiner Hafteinlage in Anspruch.
Der Kläger ist im Jahr 2005 durch das Amtsgericht Leipzig zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Dr. R. KG (im Folgenden €KG€ oder €Insolvenzschuldnerin€) bestellt worden. Die Insolvenzschuldnerin wurde Ende 1991 gegründet. Der Gesellschaftsvertrag vom 08.01.1992 (Anlage K1) sieht in § 4 Abs. 6 vor, dass € atypisch stille Gesellschafter dieselben Rechte und Pflichten haben wie Kommanditisten €. Für den Fall des Beitritts von Kommanditisten oder stillen Gesellschaftern sieht § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages folgende Regelung vor:
€Wird die Einlage nicht bis zum 01.01. des Beitrittsjahres erbracht, so ist der Gesellschafter zur Zahlung eines Ausgleichs an die Gesellschaftskasse in Höhe von 10 Prozent p.a. seit dem 01.01. des Beitrittsjahres bis zum Zahlungseingang verpflichtet€.
Der Beklagte hat sich mit Beitrittserklärungen vom 21.10.1992 (Anlage K2: 300.000 DM), vom 17.02.1993 (Anlage K3, in Höhe von weiteren 200.000 DM) und vom 17.04.1994 (Anlage K4, in Höhe von weiteren 200.000 DM) mit insgesamt 700.000 DM (= 357.904,32 €) an der Dr. R. KG beteiligt. Zur Finanzierung seiner Einlagen nahm der Beklagte entsprechende Darlehen in gleicher Höhe bei der C. Inkasso AG (mit Sitz in A/Schweiz, im Folgenden €C.€) auf.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte seine Einlagen erbracht hat. Nach dem Vortrag des Beklagten soll die C. die Darlehensvaluta, mithin die Einlagen des Beklagten (700.000 DM), mit Kaufpreisansprüchen gegen die Insolvenzschuldnerin (in Höhe von 20 Mio. DM; am 24.03.1992 abgetreten an die C. durch die P. AG; vgl. Anlage K18) verrechnet haben. Die Kaufpreisansprüche der P. Treuhand- und Verwaltungs AG (im Folgenden €P.€) gegen die Insolvenzschuldnerin sollen - so der Kläger- tatsächlich wirtschaftlich jedoch gar nicht existent gewesen sein. Gegenstand des Kaufvertrages zwischen der Insolvenzschuldnerin und der P. vom 16.12.1991 (Anlage K17) seien nämlich €wertlose€ Moratoriumsforderungen i. H. v. insgesamt 70 Mio. DM der P. gegen die Hotel M. S. KG (im Folgenden €HMS KG€) gewesen. Die HMS KG beschäftigte sich hier u.a. mit dem Erwerb, der Errichtung und dem Betrieb von Hotels in Spanien. Dabei sollen - nach dem Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle Finanzamt L. vom 16.05.2001 (Anlage K7) Verluste in Höhe von 400 Mio. DM entstanden sein.
Die laufenden Geschäfte der Insolvenzschuldnerin wurden u.a. durch die Rechtsanwälte G. und A. gesteuert, die auch entsprechenden Einfluss auf die C., die P., und die G. & P. Asset Management AG (St.Gallen/Schweiz; im Folgenden €G & P AG) hatten. Gegen die Rechtsanwälte H. sowie den Komplementär R. wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung (§§ 369, 370 AO) eingeleitet. Der Kläger behauptet, dass die Moratoriumsforderungen gegen die HMS KG völlig wertlos gewesen seien, weshalb sich die Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin im Jahr 2003 zu einer Berichtigung sämtlicher Bilanzen seit 1992 veranlasst gesehen habe (vgl. Vorwort der Geschäftsleitung zur Bilanz der Dr. R. KG per 31.12.2003; Anlage K12). Danach wurde unterstellt, dass einzelne Gesellschafter - u. A. auch der Beklagte - ihre Einlage nicht geleistet hätten (trotz entsprechender Finanzierung über die Schweizer Firmen G & P AG und C.), da sie gegenüber der Finanzbehörde die Einlageleistung (d.h. entsprechende Zins- und Tilgungsleistungen) nicht nachgewiesen hätten.
Der Kläger nimmt als Vertreter der Insolvenzgläubiger den Beklagten auf Zahlung der Hafteinlage (analog § 171 Abs. 2 HGB) in Höhe von 352.904,32 € in Anspruch (700.000 DM = 357.904,32 € abzgl. 5.000 €, die anderweitig rechtshängig gemacht wurden). Er bestreitet, dass die Darlehensvaluta tatsächlich an die Insolvenzschuldnerin weitergeleitet bzw. entsprechende Zins- und Tilgungsleistungen an die C. erbracht wurden. Die bloße Bilanzierung auf der Passivseite der KG (vgl. Bilanz zum 31.12.1994; Anlage B1, Bl. 155 ff. + 176 GA) reiche als Nachweis nicht aus. Die von der Insolvenzschuldnerin im Vertrag vom 16.12.2001 erworbenen Moratoriumsforderungen (70 Mio. DM zum Kaufpreis von 40 Mio. DM) gegen die HMS KG seien völlig wertlos gewesen. Es habe sich um eine Transaktion ohne echten wirtschaftlichen Hintergrund gehandelt. Die Insolvenzschuldnerin schulde deshalb der P. auch gar keinen Kaufpreis. Der Beklagte könne als Gesellschafter deshalb auch seine Einlage nicht durch Aufrechnung gegen diese wertlose bzw. nicht existente Kaufpreisforderung erbracht haben.
Der Kläger hat behauptet, die Einlage werde zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger benötigt. Die Masse belaufe sich auf ca. 177.000 € (Bl. 435 GA). Dem stünden - entsprechend der Tabelle vom 16.11.2007 (Anlage B15, Bl. 324 + 325 GA) - angemeldete Forderungen von gut 3 Mio. € gegenüber. Insgesamt würden folgende Ansprüche gegen atypisch stille Gesellschafter in Höhe von insgesamt 4.596.464,64 € geltend gemacht:
1. Gegen den Mitgesellschafter S. vor dem Landgericht I., AZ: 1 AKO 2437/06):
3.425.656,-- €
2. Gegen den Mitgesellschafter W. Landgericht H., AZ: 32 O 34/07 (OLG Celle 9 U 68/08)
153.387,57 €
3. Gegen den Mitgesellschafter S. vor dem Landgericht H., AZ: 26 O 149/07
204.516,75 €
4. Gegen den Beklagten A.
352.904,32 €
5. Gegen den Mitgesellschafter K. (Bl. 427 GA)
460.000,00 €
Gesamt
4.596.464,64 €
Der Kläger meint, die bereits vorgerichtlich erhobene Einrede der Verjährung (vgl. anwaltliches Schreiben des Beklagten vom 22.12.2006; Anlage K9, Bl. 132 f. GA) sei unbegründet. Für die Verpflichtung zur Zahlung der Einlage analog § 171 Abs. 2 HGB gelte die fünfjährige Sonderverjährungsfrist (nach Auflösung der Gesellschaft) gem. §§ 161 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 352.904,32 € nebst Zinsen nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozentpunkten p.a. seit dem 01.01.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, er habe die von ihm zu erbringende Einlage in Höhe von 700.000 DM schuldbefreiend geleistet. Die Buchhaltungsfirma der C. (R. Treuhand GmbH i.L.) habe bestätigt, dass die Darlehensvaluta tatsächlich der Insolvenzschuldnerin gut gebracht worden sei (vgl. Schreiben der R. Treuhand GmbH i. L. vom 17.01.2007; Anlage B3, Bl. 192 GA). Außerdem habe er nachweislich Leistungen (Zinsen und Tilgung) an die Darlehensgeberin (C.) i. H. v. 761.579,84 DM erbracht (vgl. die Aufstellung in dem anwaltlichen Schreiben vom 06.02.2007, Anlage K8, Bl. 118, 119 GA). Die Einzahlung der Einlagen sei in den vorgelegten Bilanzen der Insolvenzschuldnerin von 1993 und 1994 ordnungsgemäß dokumentiert. Im Übrigen seien die Forderungen verjährt. Der Anspruch auf Zahlung der Pflichteinlage (nach dem Gesellschaftsvertrag) unterliege - nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes - der 3- jährigen Verjährung nach § 195 BGB n. F. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB beginne die 3- jährige Frist am 01.01.2002, sofern die Verjährung zu diesem Zeitpunkt nach altem Recht noch nicht eingetreten war. Die Einlageforderung sei deshalb bereits mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt gewesen. Die §§ 171 Abs. 2, 159 Abs. 1 BGB seien weder direkt noch entsprechend anwendbar. Es gehe dort um die Haftung des Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis. Ein atypisch stiller Gesellschafter hafte hingegen nicht unmittelbar (oder akzessorisch) gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, sondern lediglich im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 08.04.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass es offen bleiben könne, ob der Beklagte seine Einlagepflicht tatsächlich erfüllt habe. Die Forderung sei jedenfalls gem. §§ 195, 214 BGB n. F. in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB seit dem 31.12.2004 verjährt. Das gelte auch für eine mögliche Forderung aus § 236 Abs. 2 HGB (= Verlustdeckungsbeitrag des stillen Gesellschafters).
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, dass der geltend gemachte Anspruch (analog §§ 161 Abs. 2, 171 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB) noch nicht verjährt sei.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 352.904,32 € nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozentpunkten p.a. seit dem 01.01.2004 zu zahlen.
2. hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, und
3. für den Fall einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, dass die Sicherheitsleistung auch durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts geleistet werden darf.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 9.10.2008 Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Der atypisch stille Gesellschafter einer KG haftet nicht analog § 171 Abs. 2 HGB im Außenverhältnis (d.h. gegenüber den Gesellschaftsgläubigern; summenmäßig begrenzt bis zur Höhe der noch nicht erbrachten Einlage). Deshalb ist die hier zu entscheidende Frage der Verjährung (für das Außenverhältnis analog §§ 171 Abs. 2, 161 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB: 5 Jahre nach Auflösung der Gesellschaft, d. h. Eintragung der Insolvenzeröffnung in das Handelsregister) zugunsten des Beklagten zu entscheiden (d.h. nur Haftung im Innenverhältnis mit der Folge der Verjährung entsprechend den allgemeinen Vorschriften der §§ 195 Abs. 1, Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB: 3 Jahre ab dem 1.01.2002, d. h. Ende der Regelverjährung am 31.12.2004).
Grundsätzlich ist zwischen €Hafteinlage€ und €Pflichteinlage€ zu unterscheiden (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Auflage § 171 RN. 1 mit Hinweis auf BGH NJW 1995, 197 - 198). Während die sog. Pflichteinlage das Innenverhältnis (zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern) entsprechend den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages betrifft, handelt es sich bei der Haftsumme / Hafteinlage um das Außenverhältnis (d.h. gegenüber den Gesellschaftsgläubigern; die gem. § 171 Abs. 1 S. 1 summenmäßig beschränkt ist auf die Höhe der nach § 162 Abs. 1 HGB in das Handelsregister einzutragenden Einlage). Die Haftsumme bestimmt den Umfang der Kommanditistenhaftung im Außenverhältnis nach §§ 171, 172 HGB, d.h. die Kommanditistenhaftung ist im Außenverhältnis durch die Haftsumme absolut begrenzt (vgl. K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Auflage, 2006, §§ 171, 172, RN. 21 m. w. N.). Die Haftsumme kann unter Umständen auch höher oder aber auch niedriger als die Einlage (Pflichteinlage) sein. Die Höhe der Haftsumme wird von den Parteien frei bestimmt. Es stellt grundsätzlich keinen Missbrauch der Rechtsform dar, wenn die Haftsumme hinter der Einlage (Pflichteinlage) zurückbleibt (vgl. K. Schmidt a. a. O., §§ 171, 172 RN. 22).
1. Eine Haftung des Beklagten als atypisch stiller Gesellschafter im Außenverhältnis analog § 171 Abs. 2 HGB kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Die Sonderverjährungsbestimmungen der §§ 171 Abs. 2, 161 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB finden deshalb keine Anwendung.
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter und damit €Treuhänder€ der Insolvenzgläubiger (vgl. dazu K. Schmidt im Münchener Kommentar HGB, a.a.O. §§ 171, 172 RN. 108) aufgrund der Ermächtigungsfunktion des § 171 Abs. 2 HGB einen Haftungsanspruch gegen den Beklagten (im Außenverhältnis) geltend. Dabei handelt es sich um die akzessorische Haftung des Kommanditisten gem. §§ 161 Abs. 2, 128, 129, 171 HGB, die summenmäßig bis zur Höhe der nicht erbrachten Hafteinlage begrenzt ist. Die Haftung nach § 171 Abs. 2 HGB hätte zur Folge, dass der Kommanditist insoweit haftet, als dies €für die Befriedigung von Insolvenzgläubigern notwendig€ wäre (vgl. K. Schmidt in MüKo HGB, a. a. O. §§ 171, 172 RN. 109, m. w. N.).
Die direkte Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte kein Kommanditist der Insolvenzschuldnerin (Dr. R. KG) war bzw. ist, sondern nur deren atypisch stiller Gesellschafter. Bei einem typisch stillen Gesellschafter finden die Regelungen der §§ 230 ff. HGB Anwendung, d. h. der normale stille Gesellschafter kann wegen seiner rückständigen Einlage nur bis zur Höhe seines Verlustanteils von der Gesellschaft gem. § 236 Abs. 2 HGB in Anspruch genommen werden.
Eine analoge Anwendung von §§ 171, 172 HGB kommt - nach Auffassung des Senats - bei einem €atypisch stillen Gesellschafter€ (der -wie hier- im Innenverhältnis die gleichen Rechte und Pflichten eines Kommanditisten hat) nicht in Betracht. Unstreitig handelt es sich bei der Beteiligung des Beklagten an der Insolvenzschuldnerin gemäß Gesellschaftsvertrag vom 08.01.1992 (Anlage K1, Bl. 7 - 17 GA) um eine sog. €qualifizierte Vermögensbeteiligung€ als atypisch stiller Gesellschafter. Dies folgt bereits aus der ausdrücklichen Formulierung in § 4 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages: €Atypisch stille Gesellschafter haben dieselben Rechte und Pflichten wie Kommanditisten€. Wie für die Kommanditisten wurden auch für die stillen Gesellschafter Festkapitalkonten geführt (§ 5 des Gesellschaftsvertrages). Auch die €Stillen€ sind nach § 9 des Gesellschaftsvertrages berechtigt, den Beirat zu wählen, dessen Zustimmung für wichtige Rechtsgeschäfte nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages erforderlich ist. Ferner nehmen sie an der Feststellung der Jahresrechnung gem. § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages teil. Damit sind die stillen Gesellschafter intern den Kommanditisten gleichgestellt, d. h. sie sind - abweichend vom typisch stillen Gesellschafter - Mitinhaber des Unternehmens. Eine solche atypisch stille Gesellschaft wird auch als sog. €Innen - KG€ bezeichnet (vgl. K. Schmidt in MüKo. HGB, a. a. O., § 30 RN. 81 m. w. N.).
Die €Innen - KG€ wird zwar wie eine echte KG gegründet und abgewickelt, allerdings ist sie im Außenverhältnis (d. h. als Rechtsträgerin) inexistent (vgl. K. Schmidt a. a. O. § 230 RN. 81 m. w. N.). Nach außen hin tritt nur der Geschäftsinhaber (in diesem Fall die Dr. R. KG), nicht jedoch der atypisch stille Gesellschafter in Erscheinung. Das ist von den Parteien des Gesellschaftsvertrages auch ersichtlich so gewollt gewesen (vgl. die entsprechenden Beitrittserklärungen - Anlage K2 - K4- : danach war auch die Beteiligung als Kommanditist mit Eintragung im Handelsregister möglich; der beitretende Gesellschafter brauchte nur entsprechendes anzukreuzen). Die Vertragsparteien haben ganz bewusst auf die Eintragung einer (Kommanditisten-)Hafteinlage im Handelsregister (§ 162 Abs. 1 HGB) verzichtet. Deshalb ist die Haftung des atypisch stillen Gesellschafters einer KG im Außenverhältnis (d. h. gegenüber den Gesellschaftsgläubigern) analog § 171 Abs. 2 HGB auch nicht möglich. Da die stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft ist und rechtlich nur der Geschäftsinhaber als Träger des Unternehmens nach außen hin in Erscheinung tritt, sieht das Gesetz im Gegensatz zu §§ 128 ff. (bei der OHG) und den §§ 171 ff (bei der KG) auch keine Außenhaftung des stillen Gesellschafters vor. Dies gilt auch für den Fall der sog. €Innen - KG€ (vgl. K. Schmidt in MüKo, HGB, a. a. O. § 230 RN. 13 mit Hinweis auf BGH WM 1966, 1219 - 1221). Die Tatsache allein, dass dem Stillen (entgegen dem gesetzlichen Leitbild der §§ 230, 233 HGB, die ihm nur gewisse Kontrollrechte zugestehen) im Gesellschaftsvertrag maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens eingeräumt ist, genügt nicht, ihn entgegen der Vorschrift des § 230 Abs. 2 HGB für die Schulden der Gesellschaft persönlich haften zu lassen (BGH WM 1966, 1219 ff. m. H. a. Königs, Die Stille Gesellschaft; S. 328). Denn die Beteiligten haben dass Recht, soweit es das Gesetz nicht durch zwingende Normen verbietet, die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Gesellschaftsformen vertraglich auch atypisch zu gestalten (in den immanenten Grenzen des Missbrauchs sowie der Generalklauseln von Treu und Glauben und den guten Sitten).
Die früher in der Literatur vertretene Ansicht (vgl. Paulick-Blaurock im Handbuch der Stillen Gesellschaft, 4. Auflage § 9 II; Westermann, Vertragsfreiheit S. 325), nach der ein stiller Gesellschafter dann unmittelbar und unbeschränkt hafte, wenn die Geschäftsführung in seinen Händen liege und er wirtschaftlicher Träger des Unternehmens sei, hat sich nicht durchgesetzt. Diese Auffassung beruhte auf dem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ansatz, dass der geschäftsleitende Unternehmer auch haftungsrechtlich für den Erfolg einstehen müsse. Dieser Gedanke ist aber in solcher Allgemeinheit nicht geltendes Recht (vgl. K. Schmidt in Münchener Kommentar HGB, a. a. O. § 230 RN. 13 mit Hinweis auf BGHZ 45, 204, 206). Die Außenhaftung im Unternehmensrecht orientiert sich immer am Unternehmensträger, dies ist jedoch auch bei der atypisch stillen Gesellschaft nicht der stille Gesellschafter, sondern der Geschäftsinhaber.
Im Übrigen rechtfertigen weder die Gesetzessystematik noch der Gesetzeszweck eine analoge Anwendung der Bestimmungen zur Außenhaftung des Kommanditisten gem. §§ 171, 172 HGB. Während die Kommanditeinlage (Hafteinlage) im Handelsregister eingetragen wird (§ 162 Abs. 1 HGB) und dadurch für jedermann - insbesondere Gesellschaftsgläubiger - einsehbar und damit publiziert ist, wird durch die Vermögenseinlage des (atypisch) stillen Gesellschafters keinerlei Vertrauenstatbestand (nach außen) gesetzt. Die Gesellschaftsgläubiger haben von der stillen Einlage in der Regel keine Kenntnis und können deshalb auch nicht auf deren Erbringung vertrauen. Damit gibt es in solchen Fällen grundsätzlich auch keine Veranlassung für eine Außenhaftung.
Nur in besonderen Ausnahmefällen ist eine Durchgriffshaftung des stillen Gesellschafters gegenüber Dritten (z. B. den Gesellschaftsgläubigern) möglich (z. B. wegen Missbrauch der Rechtsform nach § 826 BGB oder aufgrund Rechtsscheins; vgl. dazu K. Schmidt in MüKo., HGB, § 30 RN. 14 u. 15; BGH BB 1964, 327) . Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 24.5.2007 (Az. 5 U 38/06, WM 2007, 1516 -1520) im Fall der €Unterbeteiligung€ eines Anlegers (über einen Treuhänder) an einer Immobilienfonds-GbR eine akzessorische Außenhaftung analog §§ 128 ff. HGB angenommen hat, ist der Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort ging es um die Haftung des €unterbeteiligten€ Gesellschafters einer GbR gegenüber einer Bank und die Tatsache, dass die organisationsrechtliche Einbeziehung des Unterbeteiligten in den Gesellschafterkreis der GbR gegenüber der Bank offengelegt worden ist.
Die Entscheidung des BGH vom 17.12.1984 (BGH NJW 1985, 1079, 1080) steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. In dieser Entscheidung ging es grundsätzlich nur darum, dass die noch nicht in vollen Umfang entrichtete Einlage des atypisch stillen Gesellschafters quasi als €Eigenkapital€ der KG zur Verfügung gestellt worden ist und deshalb ihren Gläubigern auch als Haftungsmasse zur Verfügung stehen sollte. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:
€... Wenn die stillen Gesellschafter in gleicher Weise wie die Kommanditisten das Schicksal der Klägerin als Trägerin des Handelsgeschäfts mitbestimmen, muss ihr Beteiligungsbeitrag als haftendes Eigenkapital behandelt werden, das als solches zusammen mit den Einlagen der Kommanditisten und mit dem Beitrag und der unbeschränkten Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters die Kredit- und Haftungsgrundlage der Gesellschaft bildet. Ihre Einlagen müssen demgemäß in der Liquidation oder im Konkurs der Gesellschaft ebenso wie die Kommanditeinlagen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen€.
Das bedeutet im Ergebnis lediglich, dass die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters - abweichend von § 236 Abs. 1 HGB - nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenkapital behandelt werden muss. Die Einlage muss also der Gesellschaft (und damit mittelbar auch den Gesellschaftsgläubigern) als haftendes Eigenkapital zur Verfügung stehen (jedenfalls soweit dies zur Befriedigung von Gläubigerforderungen notwendig ist). Damit handelt es sich bei dieser Rechtsprechung nur um eine Modifizierung des § 236 HGB, dass nämlich der atypisch stille Gesellschafter nicht nur den auf ihn entfallenden Verlustanteil auszugleichen hat (§ 236 Abs. 2 HGB), sondern die (noch nicht geleistete) stille Einlage - wie eine Kommanditeinlage - auch noch im Liquidationsstadium u.U. voll aufzubringen hat (vgl. K. Schmidt, Anmerkung zum BGH Urteil vom 17.12.1984 in JuS 1985, 357, 357). Die BGH- Entscheidung vom 17.12.1984 (BGH NJW 1985, 1079 - 1080) ändert mithin nichts daran, dass die Einlageforderung gegen den €Stillen€ stets im Innenverhältnis (d. h. von der Gesellschaft) geltend zu machen ist.
Das Urteil des BGH vom 13.02.2006 (NZG 2006, 341) betrifft den Fall einer €GmbH & Still€ (d.h. mit Beteiligung von atypisch stillen Gesellschaftern). Dort ging es um den sehr speziellen Fall der Kapitalerhaltung einer GmbH (§ 30 GmbHG), der mit diesem Fall einer €normalen€ KG (mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter) nicht vergleichbar ist.
Im Ergebnis findet deshalb die spezielle Sonderverjährung der §§ 161 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB (5 Jahre nach Eintragung der Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister) keine Anwendung. Der Verjährung nach § 159 HGB liegen nur Ansprüche aus der persönlichen Haftung (§§ 128 ff., 161 Abs. 2, 171 ff) für Gesellschaftsverbindlichkeiten zugrunde. Vertragliche Einlageforderungen gegen einen Gesellschafter (aus dem Gesellschaftsvertrag) unterliegen hingegen der normalen 3 - jährigen Verjährung nach § 195 BGB (vgl. Grote in Münchener Kommentar BGB, 5. Auflage, 2006, § 195 RN. 13). Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB beginnt die 3-Jahresfrist am 01. Januar 2002, sofern die Verjährung zu diesem Zeitpunkt nach altem Recht noch nicht eingetreten ist war. Der Anspruch der Gesellschaft zur Erfüllung der Einlage war mithin bereits mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt (§§ 195, 214 BGB).
2. Der gesellschaftsvertragliche (Innen-) Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung der rückständigen Einlage gegen den Beklagten ist verjährt. Für den Beginn der Verjährung kommt es auf die Kenntnis der Gesellschaft (§ 197 BGB) und nicht der Gesellschaftsgläubiger (analog § 159 HGB) an.
Der atypisch stille Gesellschafter (sog. €Innenkommanditist€) kann -abweichend von § 236 Abs. 2 HGB (s.o.) - auch nach den für Kommanditisten geltenden Regeln für seine rückständige Einlage in Anspruch genommen werden, d. h. bis zur Höhe seines Kapitalanteils aus seiner rückständigen Einlage nimmt er als €Innenkommanditist€ am Verlust teil und kann deshalb vom Insolvenzverwalter auf Einzahlung der Einlage in Anspruch genommen werden (vgl. BGH NJW 1985, 1079 - 1080; K. Schmidt in MüKo HGB a. a. O. § 236 RN. 41). Die Regelung in § 236 HGB basiert auf dem Fremdkapitalcharakter der typisch stillen Einlage, deshalb passt diese Bestimmung nicht auf das Insolvenzrecht der so genannten €Innen - KG€.
Bei einer solchen Einlageforderung im Innenverhältnis handelt es sich um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter. Dieser Anspruch unterliegt bei den Personengesellschaften (OHG und KG) - anders als bei den Kapitalgesellschaften - der 3-jährigen Regelverjährung nach § 195 BGB (Grote in MüKo BGB, a.a.O., § 195 RN. 13; K. Schmidt in MüKo HGB, 2. Auflage, 2006, § 105 RN. 182).
Die Ansicht des Klägers, zum Schutze der Gläubiger müsse es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des Gesellschafts-/Insolvenzgläubigers vom Bestehen des Nachhaftungsanspruchs in entsprechender Anwendung und nach dem Vorbild der §§ 26 Abs. 1, 28 Abs. 3, 159 HGB ankommen, ist mit der bestehenden Rechtslage nicht vereinbar. Der Kläger meint, die kurze regelmäßige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB) verfehle ihren Zweck, soweit sie auf die Kenntnis der Gesellschaft (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und nicht auf die Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers abstelle. Der Gesetzgeber habe deshalb für Kapitalgesellschaften im Interesse der Erhaltung der Haftungsgrundlage mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften (Verjährungsanpassungsgesetz vom 15.12.2004) den frühen Verjährungsablauf nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger verhindert und die Verjährungsfrist auf 10 Jahre verlängert (vgl. z. B. § 19 Abs. 6 GmbHG). In diesem Fall sei der Anspruch auf Zahlung der rückständigen Einlage zwar formal der Gesellschaft zugewiesen, jedoch stelle dieser Anspruch wirtschaftlich ein Gegengewicht für die Gefährdung der Gesellschaftsgläubiger dar, mit der Folge, dass die Ansprüche auch so lange als durchsetzbar gelten müssten, bis die primär schutzbedürftigen Gesellschaftsgläubiger eine reelle Chance zur Durchsetzung ihrer Ansprüche erhielten.
Es fehlt es jedoch bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, die die analoge Anwendung der Sonderverjährungsbestimmungen entsprechend §§ 26 Abs. 1, 159 HGB (d.h. 5-Jahre ab Eintragung der Insolvenzeröffnung ins Handelsregister) rechtfertigen könnte. Der Gesetzgeber hat - abweichend von der 3-jährigen Regelverjährung nach § 195 BGB - die Ausnahmen für längere Verjährungsfristen (z. B. auch in § 197 BGB) ganz bewusst eng ausgestaltet (vgl. Grote in MüKo BGB, a. a. O. § 197 RN. 12). Durch das Verjährungsanpassungsgesetz vom 09.12.2004 (BGBl. I Seite 3214) hat der Gesetzgeber bewusst nur spezialgesetzliche Sonderverjährungen für Kapitalgesellschaften (§ 19 Abs. 6 GmbHG und § 51 AktG) eingeführt, es im Übrigen jedoch hinsichtlich der Personenhandelsgesellschaften bei der 3-jährigen Verjährungsfrist gem. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nach § 195 BGB n. F. belassen. Für Personenhandelsgesellschaften wird die Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften im Zusammenhang mit der Einlageverpflichtung deshalb auch nicht in Frage gestellt (vgl. u.a. K. Schmidt, in MüKo., HGB, 4. Aufl.,§ 105 RN. 182; Koller in Koller/Roth/Morck - HGB, 6. Aufl., § 105 RN. 31; Ulmer in Großkommentar HGB, § 105 RN. 145). Anders als bei den Kapitalgesellschaften haftet bei Personenhandelsgesellschaften nämlich der Gesellschafter Dritten gegenüber unmittelbar nach § 128 HGB bzw. § 171 HGB, soweit er nicht haftungsbefreiend geleistet hat (Akzessorietätsgrundsatz).
Nach alledem ist die Berufung unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage der Außenhaftung des atypisch stillen Gesellschafters analog § 171 HGB erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger noch in weiteren Fällen entsprechende Haftungsansprüche bei anderen Gerichten mit gleich gelagertem Sachverhalt anhängig gemacht hat (vgl. z.B. Landgericht Hannover v. 12.2.2008, AZ: 32 O 34/07 bzw. OLG Celle 9 U 68/08).
OLG Schleswig:
Urteil v. 30.10.2008
Az: 5 U 66/08
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