Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Dezember 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 4/02

(BPatG: Beschluss v. 11.12.2003, Az.: 21 W (pat) 4/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Stützprothese (Stent)

Anmeldetag: 3. August 1998 Die Priorität der Anmeldungen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 1. August 1997 und 19. September 1997 ist in Anspruch genommen.

(Aktenzeichen der Erstanmeldungen: 904 788 und 933 627)

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2003, Beschreibung Seiten 1 bis 4c, 5 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2003, 5 Blatt Zeichnungen Figur 1 bis 6B, eingegangen am 23. Februar 1999.

Gründe

I Die eine "Stützprothese (Stent)" betreffende Patentanmeldung ist am 3. August 1998 unter Inanspruchnahme der Prioritäten in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 1. August 1997 (904788) und 19. September 1997 (933627) beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Die Offenlegung erfolgte am 6.Mai 1999.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 M hat mit Beschluss vom 12. November 2001 die Anmeldung aus den Gründen des Bescheids vom 4. Januar 2001 zurückgewiesen, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Folgende Druckschriften sind im Verfahren:

(1) WO 98/35634 A1 und die dazugehörige Prioritätsschrift (1a) DE 297 02 671 U1

(2) DE 197 40 506 A1

(3) DE 196 53 708 A1

(4) DE 196 17 823 A1

(5) DE 195 40 851 A1

(6) US PS 5 449 373 In der Beschreibungseinleitung sind seitens des Anmelders noch die Druckschriften

(7) DE 195 37 872 A1

(8) US PS 4 733 665 genannt worden.

Der Anmelder hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 6 vorgelegt.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 6 lauten, wobei Anspruch 1 mit Gliederungspunkten versehen wurde:

"1.) a) Stützprothese (Stent) für Gefäße und Lumina, mitb) einem Hohlzylinder aus biokompatiblem Material, c) in dessen Wand eine Vielzahl von Öffnungen vorgesehen ist, d) die von Stegen begrenzt sind, e) wobei die Stege miteinander zu einem Netzwerk verbunden sind, undf) bei nicht expandiertem Stent im Wesentlichen parallel zur Längsrichtung des Hohlzylinders und in einem Zuge von einem Ende zum anderen Ende des Hohlzylinders verlaufen, g) wobei keine Stege quer zur Längsrichtung verlaufen, dadurch gekennzeichnet, dassh) die Öffnungen (12) jeweils durch zwei Stege (13) begrenzt sind, i) die Stege über die gesamte Längsrichtung des Stents (10) in regelmäßigen Wellen verlaufen, j) die Wellen abwechselnd höhere und niedrigere Wellenkämme (26, 27) aufweisen, k) in Umfangsrichtung benachbarte Wellen gegeneinander versetzt sind, und zwar so, dassl) ein niedrigerer Wellenkamm (27) eines Steges (13) in Umfangsrichtung des Stents (10) auf einen höheren Wellenkamm (26) des benachbarten Steges (13) trifft, m) die Stege (13) an diesem Treffpunkt so zusammen hängen, dass sie tangential ineinander laufen.

2. Stent nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der höhere Wellenkamm (26) einen kleineren äußeren Radius als der niedrigere Wellenkamm (27) hat, sodass bei dem nicht expandierten Stent (10) sich die Stege (13, 28, 29) praktisch aneinander legen.

3. Stent nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass bei dem voll expandierten Stent (10) zumindest einige der miteinander verbundenen Stege (28, 29) quer zu der Längsachse des Stents verlaufen.

4. Stent nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zur Erzielung einer größeren Flexibilität des Stents (100, 120) Stege (105, 118) zwischen zwei nebeneinander liegenden Öffnungen (10, 11) in unmittel benachbarten Umfangsreihen fortgelassen sind, sodass sich Öffnungen mit in Längsrichtung des Stents (10) größerer Breite ergeben.

5. Stent nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Stege (13) an den Verbindungspunkten (40) mit Einkerbungen versehen sind.

6. Stent nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Stege (13) an den Verbindungspunkten (30, 31) abgerundet sind."

Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt die Aufgabe zugrunde, einen Stent der in Rede stehenden Art anzugeben, der nur im expandierten Zustand geringe Rückstelleigenschaften hat, flexibel ist und gleichzeitig so konfiguriert ist, dass beim Vor- und Zurückschieben des auf einen Ballonkatheter montierten Stents in Gefäßen bzw. Lumina nur geringe Reibung auftritt (Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, S 4, 3. Abs).

Der Anmelder hält den Gegenstand der Anmeldung für neu und erfinderisch. Er führt dazu aus, dass keiner der zum Stand der Technik genannten Entgegenhaltungen Anregungen zu entnehmen seien, einen Stent so auszubilden, wie er im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 wiedergeben ist.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Der Anmelder stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung S1 - 4c, 5 - 9) sowie mit fünf Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 6B, eingegangen am 23. Februar 1999, zu erteilen.

II Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist begründet, denn der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist gewerblich anwendbar. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und die übrigen Unterlagen erfüllen insgesamt die an sie zu stellenden Anforderungen.

Die Patentansprüche sind formal zulässig. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist in dem ursprünglichen Anspruch 1 und den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 5 sowie der ursprünglichen Beschreibung Seite 6, letzter Absatz offenbart. Der Gegendstand des Anspruchs 2 ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 7, 3. Absatz offenbart und die Ansprüche 3 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 8, 9 und 6 in dieser Reihenfolge. Anspruch 6 ist ursprünglich auf Seite 7, 1. Absatz offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu.

Die Druckschriften (1) bis (4) sind nicht vorveröffentlicht, aufgrund ihrer Prioritäten bzw. ihres früheren Anmeldetags sind sie jedoch im Rahmen von PatG § 3 Absatz 2 bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigen. Die nicht vorveröffentlichte Druckschrift (1) nimmt jedoch die Priorität des deutschen Gebrauchsmusters 297 02 671 U1, im Folgenden (1a) genannt, in Anspruch, welche inhaltsgleich und vorveröffentlicht ist, so dass nachfolgend diese Schrift abgehandelt wird.

Aus der Druckschrift (2) ist ein Stent bekannt, dessen Stege zwar als wellenförmig verlaufend angesehen werden können (vgl zum Beispiel Fig 1), es ist hier aber keine Ausbildung vorgesehen dergestalt, dass niedrigere und höhere Wellenkämme aufeinander treffen und am Treffpunkt so zusammenhängen, dass die Stege tangential ineinander laufen (Merkmale l) und m)).

Aus der Druckschrift (3) geht ein Stent hervor, dessen Stege parallel zur Längsrichtung des Stents verlaufen (vgl zum Beispiel Fig 1a) und eine gewisse Wellenform aufweisen. Es sind aber keine in Umfangsrichtung so gegeneinander versetzten Wellen vorhanden, dass ein niedrigerer Wellenkamm eines Stegs in Umfangsrichtung des Stents auf einen höheren Wellenkamm des benachbarten Steges trifft (Merkmale k) und l)).

Die Druckschrift (4) beschreibt einen Stent, der eine Mehrzahl nebeneinander angeordneter mäanderförmig verlaufender Stegmuster aufweist (Fig 2, Beschreibung, Sp 1, le Z bis Sp 2, Z 4). In Wellenform, mit höheren und niedrigeren Wellenkämmen ausgestaltete Stege sind hier nicht vorhanden (Merkmal j)).

Die Druckschrift (1a) zeigt in der dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommenden Ausbildung nach Figur 7 einen Stent, aus dem sich eine Stegstruktur erkennen lässt, bei der die Stege im Wesentlichen parallel zur Längsrichtung des Hohlzylinders verlaufen. Diese in Längsrichtung verlaufenden Stege weisen dachförmige Erhebungen gewisser Breite und Höhe auf (bei Position 32), die sich mit entsprechenden dachförmigen Erhebungen von etwas größerer Höhe abwechseln (ohne Bezugszeichen, etwa in der Verlängerung des Pfeils 30). Diese Stege sind des Weiteren so angeordnet, dass sich in Umfangsrichtung des Stents eine Struktur ergibt, nach der sich dachflächenartige Erhebungen geringerer Höhe mit solchen größerer Höhe abwechseln. Selbst wenn man diese Erhebungen als "Wellen" bezeichnet, wogegen seitens des Senats Bedenken bestehen, da die Beschreibung von (1) und (1a) diesen Begriff nicht erwähnt, ergibt sich nicht der Gegenstand des Anspruchs 1, denn die Erhebungen verlaufen nicht tangential ineinander (Merkmal m)). Die Verbindung wird hier durch kleine, stegartige Zwischenelemente gebildet (Federelement 32).

In der Druckschrift (5) ist ein Stent für Gefäße und intrakorporale Lumina (Merkmal a); (5), Zusammenfassung) mit einem Hohlzylinder, der selbstverständlich aus biokompatiblem Material besteht, da er ansonsten nicht implantiert werden könnte (Merkmal b); (5), Sp 6, Z 17ff), beschrieben, in dessen Wand eine Vielzahl von Öffnungen vorgesehen ist (Merkmal c); (5), Durchbrechung 3, Sp 4, Z 21 bis 25), die von Stegen begrenzt sind (Merkmal d); (5), Umrandungselemente 5), wobei die Stege miteinander zu einem Netzwerk verbunden sind (Merkmal e); (5), Fig 3b), Verbindungsstellen 10). Des Weiteren verlaufen bei diesem bekannten Stent die einzelnen Stege im Wesentlichen parallel zur Längsrichtung des Hohlzylinders und in einem Zuge von einem Ende zum anderen Ende des Hohlzylinders (Merkmal f); (5), Fig 1, Verlauf der Elemente 5 in Richtung der Längsachse 2), wobei keine Stege (Elemente 5 in Fig 1 von (5)) quer zur Längsrichtung (Längsachse 2 in Fig 1 von (5)) verlaufen (Merkmal g). Darüber hinaus sind auch beim Stent nach (5) die Öffnungen (dort in Fig 3a), b) mit 3 bezeichnet und als Durchbrechungen benannt (Patentanspruch 2)), jeweils durch zwei über die gesamte Längsrichtung des Stents in regelmäßigen Wellen verlaufende Stege begrenzt (Merkmale h) und i)). Im Berührungsbereich der Wellen, das ist nach Figur 3a), b) der Bereich zwischen den Bezugszeichen 11 und 12, laufen diese tangential ineinander (Merkmal m)), wie aus den genannten Figuren ohne weiteres zu ersehen ist. Es darf hier nicht außer acht gelassen werden, dass sich der Oberbegriff des Anspruchs 1 der Anmeldung auf den nicht expandierten Stent bezieht und die Figur 3b) auf den expandierten Stent (Sp 5, Z 5 bis 18). Erst die Figur 3a) von (5) zeigt den nicht expandierten Stent, jedoch ohne so deutliche Öffnungen (Durchbrechungen 3) wie sie der Figur 3b) zu entnehmen sind und wie sie aber beim Gegenstand des Anspruchs 1 vorhanden sind. Da jedoch in der Beschreibung von (5) in Spalte 3, Zeilen 24 bis 27 ausdrücklich darauf verwiesen ist, dass die Ausnehmungen bereits im komprimierten (also nicht expandierten) Zustand breiter ausgebildet sein können, ist hier ebenfalls von einer Form auszugehen, die deutliche Öffnungen zeigt und die dann in etwa, wie in Figur 3b) dargestellt ist, aussehen müssen, so dass die vorstehend beschriebene Übereinstimmung zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem Gegenstand der Druckschrift (5) tatsächlich gegeben ist.

Was jedoch der Gegenstand nach (5) nicht aufweist ist, dass die in Umfangsrichtung benachbarten Wellen so gegeneinander versetzt sind (Merkmal k)), dass ein niedrigerer Wellenkamm eines Steges in Umfangsrichtung des Stents auf einen höheren Wellenkamm des benachbarten Steges trifft (Merkmal l)). Hier treffen, wie der Figur 3b in Verbindung mit Figur 3a ohne weiteres zu entnehmen ist, jeweils hohe Wellenkämme aufeinander (vgl Fig 3b, Verbindung zwischen den Bezugszeichen 11 und 12).

Der Stent nach der Druckschrift (6) betrifft eine andere Ausgestaltungsform als der nach dem Gegenstand des Anspruchs 1. Hiernach werden mehrere Einzelstents zu einem längeren Gesamtstent verbunden. Die nach (6) vorgesehene wellenförmige Ausbildung von Stegen befindet sich nur in den Verbindungsbereichen (vgl zum Beispiel Fig 3A, bei Position 124) der Einzelstents (vgl Fig 3A, Position 102). Weder höhere und niedrigere Wellenkämme noch eine versetzte Anordnung von Kämmen sind hier offenbart.

Die vom Anmelder in der Beschreibungseinleitung angeführten Druckschriften (7) und (8) beschreiben nur Grundprinzipien von Stents, die keine wellenförmigen Stege aufweisen.

Dem Gegenstand des Anspruchs 1 liegt auch eine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

Keine der vorveröffentlichten Druckschriften (1a) und (5) bis (8) vermittelt dem Fachmann, das ist hier der mit der Herstellung von Implantaten, insbesondere Stents, für den menschlichen Körper befasste Medizintechniker, der mit einem Arzt zusammenarbeitet, Anregungen, die ihn zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

So lässt der in der Druckschrift (1a) beschriebene Stent nichts erkennen, was den Fachmann auf die Idee hätte bringen können, statt der dort in Figur 7 vorgesehenen, als Federelement 32 wirkende Verbindungsstelle (vgl den die Seiten 8, 9 übergreifenden Satz) durch ein tangentiales Ineinanderlaufen von benachbarten höheren und niedrigeren Wellenkämmen zu ersetzen, wie das gemäß Merkmal m) der Fall ist.

Die Figuren 3a, 3b von Druckschrift (5) zeigen zwar ein gewisses tangentiales Ineinandergreifen zweier Wellenberge (vgl Position 11, 12) - wenngleich diese Verbindungsstelle dort als V-förmiges Zwischenelement bezeichnet wird (Sp 4, Z 56 bis 60) - regen aber nicht dazu an, höhere Wellenkämme jeweils mit niedrigeren Wellenkämmen zusammenzuführen.

Die Gegenstände der Druckschriften (6) bis (8) konnten schon wegen ihrer anderen Ausbildungsform dem Fachmann keine Anregungen vermitteln - der Gegenstand von (6) befasst sich mit der Verbindung mehrerer Einzelstents zu einem längeren Gesamtstent, beim Gegenstand von (7) sind die einzelnen Streben, Stege und Inseln so angeordnet, dass sich eine ovalrunde Form der Öffnungen ergibt (Fig 1, 2), der Gegenstand von Druckschrift (8) weist eine netzartige Gitterstruktur auf, wellenförmig verlaufende Stege sind weder in (7) noch in (8) vorhanden.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Maksymiw Be






BPatG:
Beschluss v. 11.12.2003
Az: 21 W (pat) 4/02


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