Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Dezember 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 233/04
(BPatG: Beschluss v. 19.12.2006, Az.: 33 W (pat) 233/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. August 2004 aufgehoben.
Gründe
I Am 7. November 2002 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Medpilotfür folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Erbringen von Dienstleistungen in Verbindung mit Online-Diensten und Datenbanken (Online und Offline), nämlich Sammeln, Aufbereiten, Bereitstellen, Archivieren, Speichern, Abrufen, Übermitteln und Liefern von Nachrichten und Informationen aller Art, einschließlich Text-, Ton- und Bilddarbietungen; alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im medizinischen Bereich;
EDV-Schulungen; Herausgabe von Verlagserzeugnissen in gedruckter und elektronischer Form; alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im medizinischen Bereich;
Dienstleistungen einer Datenbank; Betrieb einer virtuellen Fachbibliothek für Medizin; Betrieb von Suchmaschinen für das Internet; Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung mit Online-Diensten und Datenbanken; alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im medizinischen Bereich.
Mit Beschluss vom 6. August 2004 hat die Markenstelle für Klasse 35 durch einen Regierungsangestellten im höheren Dienst die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich bei der angemeldeten Marke um eine rein beschreibende Merkmalsangabe. Sie sei sprachüblich aus den Begriffen "Med" und "pilot" zusammengesetzt und bezeichne damit einen Führer bzw. Wegweiser im Bereich der Medizin. Der Begriff "pilot" werde - ausgehend von seiner ursprünglichen Bedeutung als Flugzeug- oder Autoführer - in vielfältigen Wortkombinationen begriffserweiternd für einen "Führer" oder "Wegweiser" verwendet, während das vorangestellte Kurzwort "Med" angebe, auf welches Sachgebiet sich dieser Führer bzw. Wegweiser beziehe, nämlich auf das Thema Medizin. Mit dieser Bedeutung beschreibe die angemeldete Marke die nachrichten-, informations- und datenbankbezogenen Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 dahingehend, dass sie darauf gerichtet seien, einen "Medpilot" zur Verfügung zu stellen. Dieser Bedeutungsgehalt ergebe sich zum einen aus der Zusammensetzung des Markenworts und zum anderen im Hinblick auf die maßgeblichen Dienstleistungen, die sich nicht etwa auf Luftfahrt bezögen. In der Kombination mit dem Bestandteil "Med" bedeute "Pilot" nicht "Flugzeugführer". Zwar möge es sich bei der angemeldeten Marke um eine Wortneuschöpfung handeln, diese sei aber sprachüblich gebildet und beschränke sich auf die bloße Kombination von Bestandteilen, die in ihrer Bedeutung nicht über deren Summe hinaus reichten. Auch die Hinweise der Anmelderin auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil "pilot" rechtfertigten keine andere Beurteilung.
Die Ausführungen der Anmelderin zu einem gewissen Bekanntheitsgrad, den die angemeldete Marke als Beilage des Deutschen Ärzteblatts erlangt habe, böten ohne weiteren Tatsachenvortrag keinen Anlass zu einem Verkehrsdurchsetzungsverfahren i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG, zumal sich die Anmeldemarke bundesweit bei allen Endverbraucherkreisen durchgesetzt haben müsse. Hierfür biete der Anmeldervortrag keinen Anhalt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei der Bezeichnung "Medpilot" zwar um eine sprechende Marke handele, sie sei jedoch nicht direkt beschreibend für die angemeldeten Dienstleistungen. Zur Erfassung ihres Bedeutungsgehalts seien mehrere Interpretationsschritte erforderlich. Sie sei auch nicht in Wörterbüchern auffindbar. Sämtliche Treffer des angemeldeten Suchbegriffs in der virtuellen Enzyklopädie Wikipedia wiesen auf die Anmelderin hin.
Etwaige Eintragungshindernisse wären im Übrigen nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden, da sich die Anmeldemarke in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt habe. Von der Dienstleistung "Betrieb einer virtuellen Fachbibliothek für Medizin" würden ausschließlich medizinische Fachkreise angesprochen. Die mit der angemeldeten Marke "Medpilot" gekennzeichnete Dienstleistung einer virtuellen Fachbibliothek für Medizin werde von der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) und dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erbracht. Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin sei Europas größte medizinische Fachbibliothek und zweitgrößte Medizinbibliothek der Welt. Der Zugriff auf über 50 Datenbanken ermögliche Ärzten, Studenten und Wissenschaftlern eine Recherche in über 100 Millionen Einträgen in der medizinischwissenschaftlichen Fachliteratur.
Zur Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung hat die Anmelderin verschiedene Unterlagen vorgelegt, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung ihres Direktors über die Umsätze, Marketingmaßnahmen und Werbekosten sowie Messepräsentationen in den Jahren 2002 bis 2006, eine Kopie des Internetauftritts unter www.medpilot.de, ergänzende Anlagen zur Verlinkung auf diese Internetseite, eine Liste von Veröffentlichungen und Artikeln über das mit "MedPilot" gekennzeichnete Produkt der Anmelderin sowie Kopien dieser Veröffentlichungen, insbesondere im Deutschen Ärzteblatt. Weiterhin liegt die Anmelderin eine Statistik über Suchanfragen auf die Internetseite www.medpilot.de aus dem Zeitraum von Juli 2005 bis September 2006 vor, woraus sich eine Durchschnittszahl von circa 45.000 Zugriffen pro Monat ergebe. Die Zahl der registrierten Benutzer sei von 2002 bis 2006 von 365 auf 10.896 gestiegen. Die Angaben zur Umsatzentwicklung von 2002 bis 2006 werden durch Schaubilder über die erzielten Umsätze und die Anzahl der Bestelleingänge ergänzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet.
1. Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Das angemeldete Markenwort "Medpilot" hat sich nicht als Begriff belegen lassen, der aktuell beschreibend verwendet wird. Die Markenstelle hat ihrem Beschluss nur verschiedenen PAVIS-Entscheidungszusammenfassungen beigefügt, die Marken betrafen, die entweder den Bestandteil "Med" oder "Pilot" enthielten, jedoch keine Verwendungsbeispiele oder Erläuterungen des Worts "Medpilot" ermittelt. Auch der Senat hat in seiner Recherche keine Hinweise auf eine beschreibende Verwendung gefunden. Zwar findet sich das Wort "Medpilot" häufig im Internet, dort haben sich jedoch - auch bei Einbeziehung der Treffer einer (weltweiten) Suche im gesamten Internet - nur kennzeichnende, nicht aber beschreibende Verwendungen feststellen lassen. Es sind auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich das Wort "Medpilot" in absehbarer Zukunft zu einem im Inland zur freien Verwendung benötigten Fach- oder Sachbegriff entwickeln wird, etwa weil bereits entsprechende Verwendungen oder fachliche Erläuterungen im (insbesondere englischsprachigen) Ausland festzustellen sind.
Auch aus der Bedeutung der Einzelbestandteile und der Art ihrer Zusammensetzung lässt sich kein aktuelles oder zukünftiges Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entnehmen. Zwar hat der Senat bei seiner Recherche häufig Belege dafür aufgefunden, dass es sich bei dem Bestandteil "med" um eine Fachabkürzung für "medical" bzw. "medizinisch" handelt (Bertelsmann, Lexikon der Abkürzungen; Bünting, Wörterbuch der Abkürzungen; Duden, Das Wörterbuch der Abkürzungen, 5. Aufl.; The Wordsworth Dictionary of Abbreviations & Acronyms, 2nd edition). Gewisse Zweifel verbleiben allerdings bei der Frage, ob auch die Nachstellung des Wortelements "-pilot" nur den Schluss auf eine rein beschreibende Angabe zulässt. Zwar ist dieses Element in Wortkombinationen für verschiedene gewerbliche Anbieter offenbar als modische Bezeichnung für eine Such- bzw. Navigationshilfe beliebt. Letzteres hat sich jedoch wiederum nur in Verwendungen finden lassen, die in erster Linie kennzeichnend wirken, jedenfalls aber keine eindeutig beschreibende Benutzung belegen, etwa:
"VW Golf Blaupunkt TravelPilot" als Bezeichnung eines bestimmten Navigationsgerätes (vgl. Zeitschrift test, 1/05, S. 77);
"Shopping Pilot.de" (www.shoppingpilot.de/...);
"DataPilot Kits for your Motorola V557 (Bluetooth) ... MediaPilot Kit" (www.datapilot.com);
"Onlinepilot.de Suchmaschine ..." (http://onlinepilot.de);
"media pilot - Michael Dempsey«s techniques for maximising press opportunities" (www.mediapilot.com/what_we_do.htm);
Willkommen beim Axel Springer MediaPILOT - Im MediaPILOT finden Sie ..." (www.mediapilot.de).
Solche und ähnliche Verwendungen mögen in ihrer Gesamtschau einen stark sprechenden Charakter des nachgestellten Worts "-pilot" erkennen lassen, ein rein sachlichbeschreibender Charakter ist jedoch nicht feststellbar. Insbesondere wird das Wort "Pilot" in Nachschlagewerken auf dem hier relevanten Gebiet der Informationstechnik, wenn überhaupt, dann nur als Marke für einen sog. Palmtop und als Abkürzung für "Programmed Inquiry Learning or Teaching", nicht aber als Wegweiser, Such- oder Navigationshilfe o. Ä. erläutert (vgl. z. B. Brockhaus-Fachlexikon Computer (2003)). Von daher handelt es sich für den Senat um einen Grenzfall.
Gegen das Bestehen eines rein beschreibenden Charakters spricht jedenfalls der Aufbau der angemeldeten Marke, die sich aus der Kombination aus einer Fachabkürzung ("med") und dem beliebten, aber nicht als Sachangabe feststellbaren Wort "Pilot" zusammensetzt. Jedenfalls für diese konkrete Wortzusammensetzung ist ein rein beschreibendes Verständnis nicht feststellbar. Dies zeigt auch eine Internetrecherche, die für den deutschen Raum nur Hinweise auf den von der Zentralbibliothek für Medizin (als öffentlichrechtliche Einrichtung des anmeldenden Bundeslands) betriebenen Informationsdienst ergibt. Dieser Informationsdienst findet seit seiner Einführung 2003 ein beachtliches Echo im Bereich elektronischer Informationsdienste, was etwa aus Verweisen in den Online-Angeboten von Universitäts- und Klinikbibliotheken oder Berichten in medizinischen Online-Veröffentlichungen hervorgeht. Es kann offen bleiben, ob die o. g. Feststellungen des Senats zusammen mit dem vom Anmelder vorgelegten Material zur Verkehrsbekanntheit seines "Medpilot"-Angebots, das angesichts der speziellen Dienstleistungen durchaus von Gewicht ist, bereits den erforderlichen Grad an Verkehrsdurchsetzung belegt. Jedenfalls hindert die in Deutschland feststellbare weitgehende Assoziation des Ausdrucks "Medpilot" mit dem Angebot der anmeldereigenen Einrichtung eine gegenteilige Entwicklung, in der sich die Anmeldemarke zu einem beschreibenden Begriff entwickeln könnte. Nach alledem liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor.
2. Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Wie oben unter Ziff. 1. dargelegt, konnte nicht festgestellt werden, dass ihr ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet wird, wenngleich sie offensichtlich eine stark sprechende Wortzusammensetzung darstellt. Dies spricht gegen die Annahme, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Zudem zeigen ihre bisherige Verwendung und das bei einer Internetrecherche feststellbare öffentliche Echo, dass die Anmeldemarke von erheblichen Teilen des Verkehrs mit dem Informationsdienst der anmeldereigenen Einrichtung assoziiert und damit als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Insgesamt kann der Marke damit nicht die Mindesteignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung abgesprochen werden, so dass der Beschwerde stattzugeben war.
BPatG:
Beschluss v. 19.12.2006
Az: 33 W (pat) 233/04
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