Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 144/02

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2003, Az.: 32 W (pat) 144/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. März 2002 insoweit aufgehoben als der Widerspruch aus der Marke 1 137 789 bezüglich der Waren "Brot, Teigwaren, Nudeln, Pizza" und "salzige Knabberartikel" und der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 968 768 bezüglich "Kaffee, insbesondere Expressokaffee, Instantkaffee, portionierter Kaffee und Malzkaffee, Kakao, Tee, Speiseeis" zurückgewiesen wurde.

Insoweit wird die Marke 399 54 742 wegen dieser Widersprüche gelöscht.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für die Waren und Dienstleistungen Espressomaschinen und Kaffeemaschinen; Kaffee, insbesondere Expressokaffee, Instantkaffee, portionierter Kaffee und Malzkaffee, Kakao, Tee, Zucker, Reis, Senf, Pfeffer, Saucen, Essig, Gewürze, Kakao-Getränke, Brot, Teigwaren, Nudeln, Pizza, Speiseeis; salzige Knabberartikel; Verpflegung von Gästeneingetragene Wortmarke 399 54 742 OPUS ONE ist Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 1 137 789 OPUS ONE die für "Weine" eingetragen ist, sowie aus der gleichlautenden Gemeinschaftsmarke 968 768 (Wortmarke), die für "Bier und Erfrischungsgetränke" registriert ist.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 21. März 2002 die angegriffene Marke auf den Widerspruch aus der Marke 1 137 789 hin für "Verpflegung von Gästen" und auf den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 968 768 hin für "Verpflegung von Gästen und Kakao-Getränke" gelöscht.

Gegen diese Entscheidung hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie vor allem darauf abstellt, die Widerspruchsmarke 1 137 789 sei für Weine als Spitzenmarke bekannt, so dass bei Identität der Marken eine Verwechslungsgefahr bestehe. Warenähnlichkeit sei gegeben, weil alle Produkte "Kultprodukte" sein könnten und Genussmittel seien.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben soweit die Widersprüche zurückgewiesen wurden und die angegriffene Marke vollständig zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise mit folgendem Warenverzeichnis:

Espressomaschinen und Kaffeemaschinen; Kaffee, insbesondere Espressokaffee, Instantkaffee, portionierter Kaffee und Malzkaffee, Kakao und Tee jeweils als Ausgangsprodukt zur Getränkezubereitung; Zucker, Reis, Senf, Pfeffer, Saucen, Essig, Gewürze, Brot, Teigwaren, Nudeln, Pizza, Speiseeis, salzige Knabberartikelund weiter hilfsweise mit folgendem Warenverzeichnis:

Espressomaschinen und Kaffeemaschinen; Espressokaffee in Bohnen; Zucker, Reis, Senf, Pfeffer, Saucen, Essig, Gewürze, Brot, Teigwaren, Nudeln, Pizza, Speiseeis, salzige Knabberartikel.

Sie ist der Ansicht, es sei keine Warenähnlichkeit gegeben. Die Widerspruchsmarke sei nicht bekannt, da unklar sei, wie der Wein abgesetzt worden sei.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg, denn die angegriffene Marke ist zu löschen soweit Warenähnlichkeit besteht; wegen der Identität der Marken besteht insoweit die Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Ob zwei konkurrierende Marken einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unterliegen, hängt im wesentlichen vom Zusammenwirken der Faktoren Warenähnlichkeit, Markenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke ab. Diese Kriterien sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein höherer Grad eines Faktors einen geringeren Grad eines anderen Faktors ausgleichen kann (st. Rspr.; z.B. BGH GRUR 1999, 995 - HONKA).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ist mangels entgegenstehender Feststellungen durchschnittlich.

Auf Grund des ausdrücklichen Bestreitens seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke kann der Senat nicht von einer erhöhten Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke 1 137 789 ausgehen (vgl. BGH BlPMZ 1967, 57, 60 - Vitapur mwNachw), da eine erhöhte Kennzeichnungskraft auch nicht gerichtsbekannt ist.

Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und identischen Marken genügt bereits eine unterdurchschnittliche Warenähnlichkeit zur Annahme einer Verwechslungsgefahr.

Widerspruch aus der Marke 1 137 789:

Brot, Teigwaren, Nudeln, Pizzen und salzige Knabberartikel liegen im Ähnlichkeitsbereich zu Weinen, weil sie in ihrem Verwendungszweck und als einander ergänzende Produkte Berührungspunkte aufweisen, auf Grund derer die beteiligten Verbraucherkreise der Meinung sein können, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. BGH GRUR 1998, 925, 926 - Bisotherm-Stein; 1999, 138, 159 - GARIBALDI; 1999, 164, 166 - JOHN LOBB; 1999, 245, 246 f. - LIBERO; 1999, 496, 497 f. - TIFFANY; 1999, 731, 732 - Canon II; 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem). Der Handel präsentiert und bewirbt Weine und dazu passende Nahrungsmittel teilweise nebeneinander. Auch beim Verbraucher treten sie häufig nebeneinander in Erscheinung, weil sie miteinander konsumiert werden.

Nur wo keinerlei Warenähnlichkeit gegeben ist, fehlt auch die Verwechslungsgefahr.

Insoweit kommt nur ein außerzeichenrechtlicher Schutz in Betracht (BGH BlPMZ 1956, 155, 156 - Magirus; 1961, 405, 406 reSp - Tosca). Das Markengesetz kennt mit § 9 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 sowie mit dessen Nr. 3 und § 14 verschiedene Bereiche des Schutzes und gewährt sonst lediglich nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 sowie nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bekannten Marken einen weiteren Schutz, so dass im Widerspruchsverfahren nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ohne Warenähnlichkeit die Frage der Verwechslungsgefahr, auch der assoziativen, keine Rolle spielen kann, selbst wenn - wie im vorliegenden Fall - die Marken völlig übereinstimmen.

Espressomaschinen und Kaffeemaschinen haben als technische Zubereitungsgeräte allenfalls zu Kaffee - aber nicht zu Weinen einen Bezug, der eine Warenähnlichkeit ergeben könnte.

Zucker, Reis, Senf, Pfeffer, Saucen, Essig und Gewürze werden zu anderen Zwecken als Wein verwendet und dienen nicht dazu, ein Bedürfnis, wie Durst o.ä., direkt zu befriedigen.

Eine Warenähnlichkeit lässt sich insoweit auch nicht über den Gedanken herstellen, die Waren könnten jeweils Luxus-Artikel sein, die von Prestige, Image und Wertschätzung her ähnlich beurteilt werden. Darauf kommt es für die Warenähnlichkeit nicht.

Produkte sind bei der Prüfung der Warenähnlichkeit nach dauerhaften charakteristischen Kriterien zu beurteilen, nicht nach Werbekonzeptionen, die jederzeit geändert werden können.

Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke:

Erfrischungsgetränke, wie sie die Gemeinschaftsmarke 968 768 beansprucht, können Koffein, Kakao und Tee enthalten, so dass insoweit Warenähnlichkeit zu Kaffee, Kakao und Tee besteht. Auf die Form des Angebots (Flüssigkeit, Pulver, Bohnen) kommt es dabei nicht an, da auch Erfrischungsgetränke als Flüssigkeit oder Pulver zum Aufgießen angeboten werden. Die Einschränkung in den Hilfsanträgen der Inhaberin der angegriffenen Marke ist daher nicht entscheidungserheblich.

Auch Speiseeis ist zu Erfrischungsgetränken ähnlich, da gleiche Geschmacksrichtungen angeboten werden und Erfrischungsgetränke oft zum kühlen Verzehr bestimmt sind (Eistee etc.).

Bei gänzlich fehlender Warengleichartigkeit kommt auch hier nur außerzeichenrechtlicher Schutz in Betracht.

Espressomaschinen und Kaffeemaschinen haben als technische Zubereitungsgeräte und Zucker, Reis, Senf, Pfeffer, Saucen, Essig sowie Gewürze haben als Gewürze und Beilagen auch zu Bier- und Erfrischungsgetränken keinen Bezug, der eine Warenähnlichkeit ergeben könnte.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, auch wenn dies in der Beschlussformel nicht ausdrücklich enthalten ist (vgl. BPatGE 22, 45). Der vorliegende Fall wirft Rechtsfragen zur Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen auf. Diese Fragen sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung; insbesondere scheint auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Die die Inhaberin der angegriffenen Marke belastende Entscheidung ergibt sich aus der einzelfallbezogenen Beurteilung der Warenähnlichkeit auf der Grundlage von Marktgegebenheiten. Insoweit handelt es sich ausschließlich um eine tatrichterliche Würdigung im Rahmen anerkannter Rechtsgrundsätze.

Für eine Kostenauferlegung besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Albrecht Sekretaruk Bayer Fa






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2003
Az: 32 W (pat) 144/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5d16b1d284c0/BPatG_Beschluss_vom_12-Februar-2003_Az_32-W-pat-144-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share