Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. November 2002
Aktenzeichen: 2 Ws 408/02

(OLG Hamm: Beschluss v. 18.11.2002, Az.: 2 Ws 408/02)

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Vertreter der Staatskasse (Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm) hat zu der Beschwerde des Angeklagten unter dem 1. Oktober 2002 wie folgt Stellung genommen:

"In dem vorliegenden Strafverfahren hatte die Geschädigte, die als Nebenklägerin aufgetreten ist, rechtzeitig mit Schriftsatz vom 06.03.2002 einen Adhäsionsantrag gem. §§ 403 ff. StPO gestellt, wonach gerichtlich festgestellt werden sollte, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Geschädigten sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aufgrund der Tat entstehen, zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Ferner sollte der Angeklagte die Kosten des Adhäsionsverfahrens tragen. Das Adhäsionsverfahren stellt die Verbindung von Strafverfahren und hieraus

resultierender zivilrechtlicher Ansprüche dar. Für diesen Antrag wurde gem.

§ 404 Abs. 4 StPO Prozesskostenhilfe beantragt, die der Geschädigten am 11.03.2002 antragsgemäß unter Beiordnung von Rechtsanwalt S in I bewilligt worden ist. In der Verhandlung vom 08.03.2002 wurde der entsprechende Adhäsionsantrag gestellt.

Der Angeklagte ist in erster Instanz durch Urteil des Landgerichts Hagen vom 22.03.2002 der Anklageschrift entsprechend verurteilt worden. Zusätzlich wurde dem Adhäsionsantrag vollumfänglich stattgegeben und der Angeklagte dementsprechend verurteilt.

Mit Schriftsatz vom 02.05.2002 wurde von dem der Geschädigten beigeordneten Rechtsanwalt S beantragt, den Streitwert des Adhäsionsverfahrens auf 10.000,00 Euro festzusetzen. Zur Begründung wurde auf einen nach Ansicht des Rechtsanwalts S gleichgelagerten Fall vor dem Landgericht Frankfurt verwiesen (Bl. 676 d. A. -2/25 O 264/93- LG Frankfurt). Der Verteidiger des Angeklagten hingegen geht in seinem Schriftsatz vom 17.06.2002 von einem erheblich niedrigeren Wert aus (kein Glaubwürdigkeitsgutachten, kein Dauerschaden, keine zweifache Vergewaltigung). Das erstinstanzliche Gericht ist dem Antrag des Rechtsanwalts S jedoch gefolgt und hat den Wert des Adhäsionsverfahrens durch den angefochtenen Beschluss vom 24.06.2002 im Rahmen seines Ermessens auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gegen diesen Streitwertbeschluss wendet sich der Angeklagte mit der Beschwerde vom 01.07.2002. Er geht wohl davon aus, dass ein solcher Beschluss vor Abschluss des gesamten Verfahrens nicht erlassen werden kann. Gegen die Höhe des festgesetzten Streitwerts trägt er nichts vor, es kann aber vermutet werden, dass er sich das Vorbringen seines Verteidigers zu eigen machen will und er damit einen niedrigeren Wert anstrebt. Er kann durch eine aus seiner Sicht überhöhte Wertfestsetzung auch als beschwert angesehen werden. Das erstinstanzliche Gericht hat dem Antrag des Angeklagten nicht abgeholfen.

Auch für Verfahren, die sich nach der StPO richten, ist das GKG anzuwenden (§ 1 Abs. 1 lit. a GKG). § 25 GKG gilt nämlich im Gesamtbereich des GKG (Hartmann, Kostengesetze, 31. Auflage, RdNr. 3 ff. zu § 1 GKG und RdNr. 5 zu § 25 GKG). Die für das Adhäsionsverfahren anfallende Gerichtsgebühr ist streitwertabhängig (GKG-KvNr. 6800). Ein Fall des § 10 BRAGO liegt daher nicht vor.

Eine Streitwertbeschwerde an den Bundesgerichtshof, der als Rechtsmittelgericht in der Hauptsache in dem anhängigen Revisionsverfahren gem.

§§ 121, 135 GVG über das Strafurteil, das Adhäsionsverfahren und die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hat, wäre zwar gem. § 25 Abs. 3

Satz 1 GKG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG nicht zulässig. Gem. § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG ist aber nicht der Bundesgerichtshof, sondern das Oberlandes-

gericht das sachlich zuständige Beschwerdegericht, wenn eine strafrich-

terliche Entscheidung des Landgerichts mit der einfachen Beschwerde gem.

§ 304 StPO angefochten wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., RdNr. 3 zu § 121 GVG, vgl. RdNr. 3 zu § 406a). Die von dem Landgericht Hagen vorgenommene Bestimmung des Streitwerts des Adhäsionsverfahrens stellt m.E. eine von dem Gericht des ersten Rechtszugs im Beschlusswege erlassene Entscheidung dar, die einer Anfechtung nicht entzogen ist. Die Beschwerde ist m.E. gem. § 25 Abs. 3 GKG i.V.m. § 304 StPO als zulässig anzusehen. Der Beschwerdewert von 51,13 Euro (100,00 DM) dürfte überschritten sein.

Ich halte die Beschwerde aber für unbegründet.

Zunächst ist die Rechtskraft für die Zulässigkeit der Streitwertfestsetzung unerheblich.

Das Feststellungsurteil über die Ersatzpflicht der materiellen und im-

materiellen Schäden ist einem Grundurteil ähnlich, bei dem die Höhe

des Schadens dem Betragsverfahren vor dem Zivilgericht überlassen bleibt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., RdNr. 3 zu § 406). Der Streitwert der Gebühr nach GKG-KVNr. 6800 richtet sich nach §§ 3 ff. ZPO i.V.m. § 12 ff. GKG und ist damit nach freiem Ermessen anhand des zu vermutenden Schadens zu schätzen (Hartmann, a.a.O., RdNr. 3 zu GKG-KVNr. 6800). Die Wert-

berechnung folgt damit den Grundsätzen der Wertberechnung in bürger-

lichen Rechtsstreitigkeiten (Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, RdNr. 5 zu GKGKVNr. 6800). Bei einem unbezifferten Schadensersatzanspruch ist eine Schätzung des zu erwartenden Schadens maßgeblich, wobei für ein Grund-

urteil Abschläge nicht zu machen sind (Hartmann, a.a.O., RdNr. 66 und 95 zu § 3 ZPO Anh. I § 12 GKG; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., RdNr. 2315 ff.). Allerdings rechtfertigt ein Feststellungsurteil einen Abschlag von etwa 20 %, da die Geschädigte durch das Feststellungsurteil noch nicht zu einem Zahlungstitel gekommen ist.

Angesichts des sich aus den Akten ergebenden Tatvorwurf ist der im Rahmen des Ermessens festgesetzte Streitwert nicht zu beanstanden. Die Vergewaltigung dauerte längere Zeit (ca. 30 Minuten) an und wurde mit Waffengewalt erzwungen. Die Geschädigte war zum Tatzeitpunkt erst 16 Jahre alt. Demzufolge sind neben dem Schmerzensgeld durchaus kostenintensive Spätfolgen zu befürchten (psychologische Unterstützung). Ich gehe mit insgesamt festgesetzten 10.000,00 Euro nicht von einem Ermessensfehlgebrauch des Landgerichts Hagen aus."

Diesen zutreffenden Ausführungen, die den Verfahrensbeteiligten bekannt gemacht worden sind, tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Auch das Vorbringen des Angeklagten in seinem Schreiben vom 23. Oktober 2002 rechtfertigt ein anderes Ergebnis nicht.

Im übrigen ist das Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. März 2002 inzwischen seit dem 1. Oktober 2002 rechtskräftig.

Die Beschwerde war demzufolge als unbegründet zu verwerfen.

Gemäß § 25 Abs. 4 GKG ist das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.






OLG Hamm:
Beschluss v. 18.11.2002
Az: 2 Ws 408/02


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