Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 20. Juni 2006
Aktenzeichen: 6 W 102/06

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 20.06.2006, Az.: 6 W 102/06)

1. Legt der Antragsgegner eines einstweiligen Verfügungsverfahrens Kostenwiderspruch ein und entscheidet das Gericht über die Kosten im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 3 ZPO, kommt die Erstattung einer Terminsgebühr nicht in Betracht.2. Eine analoge Anwendung von Nr. 3104 I Nr. 1 VV RVG scheidet aus.

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin wendet sich zu Recht gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr in Höhe von 538,80 EUR.

Eine Terminsgebühr ist von der Antragsgegnerin nicht zu erstatten, da sie nicht angefallen ist. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG eine Terminsgebühr auch ohne mündliche Verhandlung entsteht, sind hier nicht erfüllt.

Die Kammer hatte auf den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin keine mündliche Verhandlung anberaumt, sondern angeordnet, es solle im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO entschieden werden. Damit hat das Gericht von der in seinem Ermessen stehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, wenn nur noch über die Kosten zu entscheiden ist.

Im nachfolgenden Urteil hieß es dann zwar, das Gericht habe "im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 II ZPO ...€ entschieden. Bei der Bezeichnung der zugrundeliegenden Vorschrift handelte es sich jedoch um ein offensichtliches Schreibversehen, das nichts daran ändert, dass der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung auf dem Abs. 3 des § 128 ZPO, nicht auf Abs. 2 dieses Paragraphen beruhte. Im übrigen war die nach § 128 Abs. 2 ZPO erforderliche Zustimmung der Parteien nicht erteilt worden. Eine konkludente Zustimmungserteilung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil den Parteien die Anordnung des schriftlichen Verfahrens unter Bezugnahme auf eine Vorschrift mitgeteilt worden war, die eine Zustimmung der Parteien gerade nicht erfordert.

Angesichts dieses Verfahrensablaufs ist keiner der in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG genannten Ausnahmetatbestände erfüllt. Ein Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, hat nicht stattgefunden, da eine nur noch die Kosten betreffende Entscheidung, wie sie hier getroffen wurde, gemäß § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Außerdem fehlte es an dem, für den Anfall einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 1.Alt. VV RVG ebenfalls notwendigen Einverständnis der Parteien, da diese der Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht zugestimmt hatten. Auch die weiteren Alternativen der genannten Gebührenvorschrift greifen nicht; da das Gericht weder nach § 307 noch nach § 495 a ZPO entschieden hat.

Des weiteren ist Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG bei einer im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 getroffenen Entscheidung über einen Kostenwiderspruch auch nicht analog anzuwenden.

Zunächst lässt sich aus der Vorgängerregelung in § 35 BRAGO, an die der Gesetzgeber mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG anknüpfen wollte, kein Hinweis darauf entnehmen, dass dem Gesetzgeber bei der Formulierung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ein Redaktionsversehen unterlaufen sein könnte. Denn die Nennung des § 128 Abs. 3 ZPO in § 35 BRAGO war schon anlässlich der Änderung des § 128 Abs. 3 ZPO durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.07.2001 entfallen, so dass schon § 35 BRAGO in seiner letzten Fassung für ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 (n.F.) ZPO keine Terminsgebühr vorsah.

Die Einbeziehung des § 307 ZPO in den Gebührentatbestand der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG bietet ebenfalls keine taugliche Grundlage für die von der Antragstellerin angestrebte analoge Anwendung. Zwar liegt einer Entscheidung nach § 307 ZPO ein außerhalb der mündlichen Verhandlung erklärtes Anerkenntnis zugrunde. Insofern besteht eine Gemeinsamkeit mit einem Kostenwiderspruch, der ebenfalls ein Anerkenntnis in der Hauptsache beinhaltet. Gleichwohl wird in dem auf einen Kostenwiderspruch ergehenden Urteil, ähnlich wie bei einem Beschluss gemäß § 91 a ZPO, nur über die Kosten entschieden, während mit einem Urteil nach § 307 ZPO über die Hauptsache entschieden und ein entsprechender Titel geschaffen wird. Dieser Unterschied schließt die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke aus und steht damit einer analogen Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG auf das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO nach Einlegung eines Kostenwiderspruchs entgegen.

Schließlich lassen sich auch aus der Einbeziehung des § 495 a ZPO in den Gebührentatbestand keine weitergehenden Schlüsse im Hinblick auf das Verfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO ziehen. Ein wesentlicher Unterschied besteht bereits darin, dass im Fall des § 495 a ZPO die Parteien durch entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung erzwingen können, während die Entscheidung über die Verfahrensweise unter den Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 ZPO allein dem Gericht obliegt. Der Anfall einer Terminsgebühr im (schriftlichen) Verfahren nach § 495 a ZPO entspricht demnach der Intention des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich der Terminsgebühr so festzulegen, dass der Neigung entgegengewirkt wird, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben (vgl. hierzu BGH, JurBüro 2006, 73, 74 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ( § 574 ZPO) liegen nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

Der Wortlaut der hier anzuwendenden Gebührenvorschrift ist eindeutig; es besteht kein weiterer Klärungsbedarf. Tragfähige Gründe für eine analoge Anwendung auf solche Verfahren, in denen (nach Einlegung eines Kostenwiderspruchs) gemäß § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat dementsprechend auch keine gerichtlichen Beschwerdeentscheidungen oder Literaturstellen anführen können, in denen eine analoge Anwendung bei Verfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO befürwortet wird (vgl. nur Gerold/ Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Auflage, VV 3103, 3104, Rdnr. 14 ff., 19; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, VV 3104, Rdnr. 15 ff.; Riedel/Sußbauer/Keller, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Auflage, VV Teil 3 Abschnitt 1, Rdnr. 45 ff.; Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 3104 VV, Rdnr. 11 ff.). Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass in Kostenfestsetzungsverfahren bei anderen Gerichten, z.B. dem LG Düsseldorf, in Fällen des Kostenwiderspruchs eine Terminsgebühr zugesprochen worden sei, genügt dies nicht, um eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zu rechtfertigen. Unterschiedliche erstinstanzliche Entscheidungen erfordern noch keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 20.06.2006
Az: 6 W 102/06


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