Landgericht Hamburg:
Urteil vom 26. April 2013
Aktenzeichen: 308 S 11/12

(LG Hamburg: Urteil v. 26.04.2013, Az.: 308 S 11/12)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.09.2012, Az. 35a C 159/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) verlangt von der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) aus abgetretenem Recht die Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung.

Die Beklagte betreibt im Internet einen Ton- und Bildtonträger-Handel mit derzeit etwa 1,5 Millionen Artikeln. Sie bevorratet die Titel dabei nur im begrenzten Umfang. Der Bestand wird über einen Verbund von Zulieferern vollautomatisch auf dem Server der Beklagten eingestellt, ohne dass die Beklagte auf die Datenübertragung der Zulieferer Einfluss nimmt. Einer der größten Verbunde ist die Firma P. Gesellschaft für Handelsdienstleistungen mbH www. p..de (im Folgenden: P.). Über P. werden von nahezu allen deutschen Vertrieben die Produkte in die Online-Portale wie beispielsweise auch a..de oder b..de eingestellt. Die Zulieferer haben Zugang zum Rechner von P. und pflegen ihre Produkte dort ein. Über Nacht werden die Daten dann von P. auf die Rechner der Onlinehändler, auch den der Beklagten, übertragen. Auf diese Weise werden ohne Mitwirkung der Beklagten wöchentlich etwa 100.000 Einträge in deren Datenbestand aktualisiert. Eine Eingangskontrolle durch die Beklagte findet nicht statt. Die Beklagte erscheint dann auf ihrem Portal als Anbieter der Produkte. Nach Darstellung der Beklagten findet eine händische Produktprüfung durch eine aus drei qualifizierten Personen bestehende Prüfabteilung jedoch statt, wenn es zu einer ersten Bestellung eines bis dahin noch nicht ausgelieferten Produkts kommt. Erst nach dieser Prüfung wird eine Bestellung bestätigt und das Produkt ausgeliefert. Am 30.11.2011 wurde auf der Internetverkaufsseite der Beklagten über die Firma P. durch die niederländische Vertriebsfirma B. ein DVD-Bildtonträger "A. D. M. - I. T. (Live)" eingestellt. Wegen des daraus resultierenden Angebots auf der Website der Beklagten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Auf dem Bildtonträger befanden sich Aufnahmen des Künstlers A. D. M. (im Folgenden: Zedent). Die Aufnahmen waren nicht autorisiert, es handelte sich um Bootlegs.

Der Zedent ließ die Beklagte über die Klägerin im Hinblick auf das Angebot wegen einer vermeintlichen Verletzung von Urheberrechten abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern. Zudem wurde die Beklagte zur Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten in Hohe von € 911,80 (berechnet auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von € 25.000,00 und einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Post- und Telekommunikationspauschale) aufgefordert. Die Beklagte entfernte daraufhin das streitgegenständliche Angebot und gab unter dem 09.12.2011 eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, verweigerte jedoch die Erstattung von Anwaltskosten. Der Zedent hat einen Kostenerstattungsanspruch bezüglich der Abmahnkosten an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin hat mit der am 14.05.2012 zugestellten Klage beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 911, 80 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssalz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie nicht Verletzerin im Sinne von § 97 UhrG gewesen ist. Sie sei keine Täterin, da sie von dem Angebot zunächst selbst keine Kenntnis gehabt habe, sondern lediglich "als Werkzeug des (...) Tonträgervertriebs" tätig geworden sei. Sie sei auch keine Störerin, da sie keine zumutbaren Prüfpflichten verletzt habe und die Rechtsverletzung für sie nicht erkennbar gewesen sei. Weiter beruft sich die Beklagte auf Privilegierungen nach den §§ 7 bis 10 TMG.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.09.2012 stattgegeben. Zu den streitentscheidenden Fragen hat es die Beklagte als Täterin einer Urheberrechtsverletzung angesehen, weil diese den rechtsverletzenden Bildtonträger nach dem Erscheinungsbild ihres Internetangebots als letztes Glied einer Handelskette selbst angeboten habe und weil diese als eigenständige Anbieterin nicht lediglich Hilfsperson des Zulieferers sei, auch wenn dieser das Angebot ohne ihre Einflussnahme eingestellt habe. Unerheblich sei, dass der Bildtonträger nicht verkauft wurde, weil bereits das Anbieten den Tatbestand des Verbreitens erfülle. Darauf, dass der rechtsverletzende Inhalt des Bildtonträgers möglicherweise trotz einer Produktüberprüfung nur schwer erkennbar gewesen sei, komme es nicht an. Verschulden sei nicht Voraussetzung für den in der Abmahnung und den hier geltend gemachten Anspruch, die objektiv widerrechtliche Rechtsverletzung reiche. Privilegierungen nach den §§ 7 bis 10 TMG kämen bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich nicht um "fremde Informationen" gehandelt, sondern aufgrund des eigenen Verkaufsangebots des verletzenden Produkts um eine "eigene Information". Soweit das Landgericht Hamburg eine Täter- oder Störerhaftung eines Online-Buchhändlers für urheberrechtsverletzende Inhalte der von ihm vertriebenen Bücher verneint hat, weil Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Buchhändler im Interesse einer ungehinderten Medienverbreitung in seinen Schutzbereich einbeziehe (GRUR-RR 2011, 249f), lasse sich das auf den Verkauf von Bildtonträgern nicht übertragen.

Gegen das der Beklagten am 17.09.2012 zugestellte Urteil hat diese am 11.10.2012 Berufung eingelegt und die Berufung zugleich begründet. Unter Bezugnahme auf die bereits vom Amtsgericht genannte Entscheidung des Landgerichts Hamburg und eine Entscheidung des LG Berlin (GRUR-RR 2009, 216) vertieft die Beklagte ihre Argumentation, dass sie weder als Täterin noch als Störerin hafte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.09.2012 zum Az. 35a C 159/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen,hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Da die Berufung sich u.a. auf ein Urteil der erkennenden Kammer vom 11.03.2011 stützt (LG Hamburg, 308 O 16/11, GRUR-RR 2011, 249 - Onlinebuchhändler), sieht die Kammer sich gleichwohl zu den folgenden weiteren Ausführungen zur Frage der Passivlegitimation veranlasst. Denn danach ist eine grundsätzliche Problematik zu erörtern.

1. Täter einer Urheberrechtsverletzung ist die Person, die willentlich den Tatbestand einer objektiv widerrechtlichen Verletzung verwirklicht, was regelmäßig dann vorliegt, wenn ein Nichtberechtigter eine dem Rechtsinhaber vorbehaltene Nutzungshandlung vorgenommen hat. Dass er damit Unrecht tut, muss dem Täter nicht bewusst sein. Ein solche Tat löst grundsätzlich unabhängig davon, ob der Täter gutgläubig war oder schuldlos handelte, die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr aus und begründet einen Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG sowie eine berechtigte Abmahnung im Sinne des § 97a Abs. 1 UrhG bezüglich des Unterlassungsanspruchs. Das gilt im Grundsatz bei allen immateriellen Schutzrechten; die Frage, ob die Schutzrechtsverletzung mit zumutbarem Aufwand erkennbar war oder nicht, stellt sich nicht. Lediglich Hilfspersonen ohne eigene Entscheidungsbefugnis in untergeordneten Diensten wie Spediteure, Boten, Briefträger, Verteiler oder Plakatkleber sind danach keine Täter.

2. Die Beklagte trat vorliegend, wie die von der Klägerin (als Anlage K 1) vorgelegten Screenshots ausweisen, in ihrem Internetauftritt selbst als Anbieterin eines Bildtonträgers mit Filmaufnahmen von Darbietungen des Künstlers A. D. M. auf, zu deren Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung - § 77 UrhG - dieser niemandem ein Recht eingeräumt hat. Damit hat sich die Beklagte - wie auch das Amtsgericht festgestellt hat - das hochgeladene Angebot zu Eigen gemacht und war nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 1. Täterin einer Urheberrechtsverletzung mit den dargestellten Rechtsfolgen.

3. In der Rechtsprechung finden sich allerdings Entscheidungen, in denen eine Täterhaftung eingeschränkt wird.

Der BGH hat sich in einem Urteil vom 15.10.1998 zur Geschäftsnr. I ZR 120/96 (GRUR 1999, 418 - Möbelklassiker) bei der Frage der Haftung eines Presseunternehmens wegen des Abdrucks von Anzeigen mit urheberrechtsverletzendem Inhalt nicht mit einer Täterhaftung auseinandergesetzt, sondern nur mit der von der Vorinstanz bejahten Gehilfenhaftung, die wegen fehlenden Gehilfenvorsatzes verneint wurde. Das legt den Schluss nahe, dass der BGH eine Täterhaftung des Presseunternehmens für den Inhalt von Anzeigen Dritter, für die nur eine Plattform außerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs zur Verfügung gestellt wird, von vornherein ausschloss. Bei der dann erörterten Störerhaftung wird eine solche begrenzt auf Fälle grober, unschwer zu erkennender Verstöße.

Das Kammergericht hat in einem Beschluss vom 14.01.2005 zur Geschäftsnr. 5 W 1/05 (GRUR-RR 2005, 250 - Haschisch-Raucher) eine täterschaftliche Haftung eines Presseverlages für den widerrechtlichen Abdruck einer urheberrechtlich geschützten Comicfigur eines Haschisch-Rauchers in einer Zeitungsanzeige verneint. Es hat dazu ausgeführt, dass die Abbildung der Comicfigur in der Zeitung der Antragsgegnerin zwar eine Nutzung in Form einer Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und einer Verbreitung (§ 17 UrhG) darstelle. Der Verlag werde durch den Abdruck der Werbeanzeige aber nur als Werkzeug ihres eigenverantwortlich handelnden Auftraggebers tätig. Denn grundsätzlich nehme ein Zeitungsverlag keinen Einfluss auf den Inhalt der Werbeanzeigen seiner Inserenten und dies werde - durch die Kenntlichmachung als Werbeanzeige - auch nach außen hin deutlich. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Störerhaftung wegen der Verletzung von Prüfpflichten wird verneint. Die Wertung dieser Entscheidung dürfte im Ergebnis der der vorangestellten €Möbelklassiker€-Entscheidung entsprechen.

Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil vom 30.10.2007 zur Geschäftsnr. 11 U 9/07 (BeckRS 2008, 00256 = ZUM-RD 2008, 128) einen Unterlassungsanspruch gegen eine Presse-Großhändlerin für die Weiterverbreitung eines Pressemagazins abgelehnt, in dem sich ein persönlichkeitsrechtsverletzender Bericht befand. Eine Täterhaftung wurde nicht geprüft. Eine Gehilfenhaftung wurde verneint, weil nichts dafür gesprochen habe, dass sie im Zeitpunkt der Auslieferung des Magazins Kenntnis von dem rechtsverletzenden Bericht hatte. Die Möglichkeit einer Störerhaftung als technische Verbreiterin wurde dann bejaht, nach Subsumtion aber verneint.

Das LG Berlin hat in einem Urteil vom 14.11.2008 zur Geschäftsnr. 15 O 120/08 (GRUR-RR 2009, 216 - Buchhändlerhaftung) eine täterschaftliche Haftung eines Buchhändlers abgelehnt, weil diesem die dafür erforderliche Tatherrschaft fehle. Der Buchhändler sei hinsichtlich der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung - der Verbreitung eines Buches mit urheberrechtsverletzenden Textpassagen - lediglich als Werkzeug des eigenverantwortlich handelnden Verlags tätig geworden. Ein Buchhändler nehme keinerlei Einfluss auf den Inhalt eines Buches, so dass ihm eine darin enthaltene Urheberrechtsverletzung im Regelfall nicht als Täter zugerechnet werden könne. Das LG Berlin knüpft dabei an die drei vorstehend genannten Entscheidungen an und überträgt diese wegen einer identischen Interessenlage auf den Buchhändler. Dieser sei ebenfalls nur in die Vertriebskette des die Rechtsverletzung enthaltenen Buches integriert und sein Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Inhalte der von ihm angebotenen Bücher sei noch geringer als der Einfluss eines Presseverlages auf die Inhalte der von ihm veröffentlichten Werbeanzeigen. Zwar liege in seiner Person die objektive Verwirklichung des Verbreitungstatbestandes vor. Diese genüge für sich genommen aber nicht, um Täter einer Urheberrechtsverletzung zu sein. Hinzukommen müsse eine objektive Tatherrschaft und/oder ein Täterwille, welche sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergeben. Hinsichtlich der Buchinhalte fehle dem Buchhändler regelmäßig die für eine Tatherrschaft notwendige Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit, er nehme auch keine eigenen urheberrechtlichen Verwertungsrechte wahr. Es sei für einen Buchhändler praktisch unmöglich und würde eine Überspannung der ihn treffenden Verkehrs- oder Prüfungspflichten darstellen, jedes Buch auch nur zu lesen. Damit fehle bereits die objektive Verhinderungsmöglichkeit und damit die Tatherrschaft. Fehle aber schon die objektive Vorwerfbarkeit bzw. Verhinderungsmöglichkeit, dann fehle die Täterqualifikation des Mitwirkenden.

Das LG Düsseldorf hat mit Urteil vom 18.3.2009 (BeckRS 2009 10948 - Dean Reed) ebenfalls einen Online-Buchhändler, der unwissentlich ein Buch im Sortiment anbot, in dem sich ein urheberrechtswidrig abgedrucktes Foto befand, weder als Täter noch als Teilnehmer oder Störer auf Unterlassung haften lassen. Eine täterschaftliche Haftung und eine Teilnahme wurden wegen fehlenden zumindest bedingten Vorsatzes verneint. Der Händler wurde nur als verpflichtet angesehen, nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, dass eine solche sich nicht wiederholt.

Die erkennende Kammer hat in ihrem Eingangs der Gründe genannten €Online-Buchhändler€-Urteil vom 11.03.2011 (GRUR-RR 2011, 249) für den Regelfall eine täterschaftliche Haftung eines Onlinebuchhändlers für bestimmte Inhalte eines von ihm vertriebenen Buches abgelehnt, weil dieser insoweit als technischer Verbreiter des Mediums Buch in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG falle und faktisch keine Möglichkeit habe, einen rechtsverletzenden Inhalt eines Buches erkennen zu können. Eine Täterhaftung komme nur in den Fällen in Betracht, in denen die konkrete Verletzung bekannt ist oder wenn Umstände vorliegen, auf Grund derer sich das Vorliegen einer Verletzung aufdrängt. Eine Störerhaftung komme erst ab Kenntnisvermittlung in Betracht. Dann bestehe eine unverzügliche Verpflichtung, die Nutzungshandlung zu unterlassen und Vorkehrungen zu treffen, damit diese sich nicht wiederhole.

4. Die Frage ist, ob auch der vorliegende Sachverhalt eine Einschränkung der Täterhaftung veranlasst. Nach Auffassung der Kammer ist das nicht der Fall.

a) Die erkennende Kammer hat bereits in einem Beschluss vom 13.04.2012 zur Geschäftsnr. 308 O 125/12 (BeckRS 2012, 08823) eine Übertragung der Gründe ihrer €Online-Buchhändler€-Entscheidung auf einen Online-Händler von Ton- und Bildtonträgern abgelehnt. An dieser Ablehnung wird festgehalten.

aa) Im Ausgangspunkt ist der Beklagten allerdings zuzugestehen, dass sie sich mit ihren Angeboten von Aufnahmen künstlerischer Darbietungen von Werken - § 73 UrhG - ebenfalls im Schutzbereich des Artikel 5 GG bewegen kann, nämlich dem des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, über den nicht nur der Werkbereich, sondern auch der Wirkbereich geschützt ist (Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, Einleitung Rn. 31 m.w.N.). Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind danach alle Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben, mithin auch solche, die daran mitwirken, ein Kunstwerk geschäftsmäßig zu vertreiben (BVerG, GRUR 205, 880, 881 - Xavier Naidoo). Dazu kann grundsätzlich auch der Onlinehändler von Ton- und Bildtonträgern zählen. Vorliegend fehlt es aber an der vermittelnden Tätigkeit zwischen Künstler und Publikum. Denn die Bootlegs sind ohne die erforderliche Zustimmung der Werkschöpfer und Künstler hergestellt, vervielfältigt und in den Verkehr gebracht worden, so dass nicht für die Kreativen vermittelt wird, sondern gerade deren Interessen zuwider gehandelt wird.

bb) Ein dem Online-Buchhändler vergleichbares Bedürfnis auf Einschränkung einer Täterhaftung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass die bei einer uneingeschränkten Täterhaftung erforderlichen Kontrollen aller Produkte auch den vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erfassten Vertrieb der weitaus überwiegenden Zahl der legalen Produkte beeinträchtigen könnte. Denn Bootlegaufnahmen lassen sich wesentlich leichter identifizieren als eine Rechtsverletzung in einem Printmedium. Solche Aufnahmen sind in Fachkreisen bekannt, die Titel und die Alben werden im Internet auf einschlägigen Websites als Bootlegs genannt und sie finden sich nicht in den Discografien. Auch die Beklagte sieht sich nach ihrer eigenen Darstellung in die Lage versetzt, solche Aufnahmen bei Kontrollen durch eine händische Produktprüfung durch qualifizierte Personen zu erkennen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass eine solche Kontrolle, die sich von drei Personen bei einer Erstbestellung eines Produkts durchführen lässt, nicht auch bereits vor der ersten Freischaltung eines neuen Angebots durchgeführt werden kann. Sofern der Personalaufwand sich dadurch vergrößert und die Freischaltung eines Angebots sich dadurch verzögert, erscheint das bei dem Umfang des Angebots zumutbar.

b) Auch die Argumentationen aus den anderen oben unter lit. I.3. genannten Entscheidungen lassen sich nicht auf Online-Händler von Ton- und Bildtonträgern übertragen.

Hinsichtlich der BGH-Entscheidung €Möbelklassiker€ (GRUR 1999, 418) und der KG-Entscheidung €Haschischraucher€ (GRUR-RR 2005, 250) folgt das bereits daraus, dass die verletzenden Inhalte von Dritten außerhalb des Verantwortungsbereichs der Presseunternehmen eingestellt worden waren. In allen anderen genannten Entscheidungen geht es um mit zumutbarem Aufwand nicht erkennbare rechtsverletzende Inhalte in Printmedien. Oben unter lit. I.4.a) ist ausgeführt worden, dass dies bei von Ton- und Bildtonträgern anders ist. bereits deshalb kommt eine Übertragbarkeit auf den hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt nicht in Betracht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Verbreiter von Printmedien und der von Ton- bzw. Bildtonträgern mit urheberrechtsverletzenden Inhalten ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zuzulassen.






LG Hamburg:
Urteil v. 26.04.2013
Az: 308 S 11/12


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