Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. Juli 2014
Aktenzeichen: II ZR 353/12

(BGH: Urteil v. 29.07.2014, Az.: II ZR 353/12)

a) Ist die vom Bieter im Rahmen eines U€bernahmeangebots nach § 29 Abs. 1 WpU€G vorgesehene Gegenleistung nicht angemessen im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 WpU€G, so haben die Aktiona€re, die das U€bernahmeangebot angenommen haben, einen Anspruch gegen den Bieter auf Zahlung der angemessenen Gegenleistung.

b) Die Referenzzeitra€ume der §§ 4, 5 WpU€G-AngVO verla€ngern sich entsprechend, wenn der Bieter bereits vor der Vero€ffentlichung seines U€bernahmeangebots 30 % oder mehr der Stimmrechte der Zielgesellschaft und damit die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpU€G erwirbt und es dennoch unterla€sst, ein Pflichtangebot - oder ein als freiwilliges U€bernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 WpU€G bezeichnetes Angebot - innerhalb der Frist des § 35 Abs. 2 Satz 1 WpU€G zu vero€ffentlichen.

c) Eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpU€G setzt voraus, dass der Bieter die wesentlichen Risiken und Chancen aus den betreffenden Aktien tra€gt und die Mo€glichkeit hat, auf die Stimmrechtsausu€bung des Eigentu€mers der Aktien Einfluss zu nehmen.

d) Eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpU€G setzt voraus, dass der Bieter das Eigentum an den entsprechenden Aktien durch eine einseitige Willenserkla€rung ohne Mitwirkung des Vertragspartners oder eines Dritten erwerben kann; ein schuldrechtlicher Anspruch auf U€bereignung der Aktien reicht dafu€r nicht aus.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31.Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die beklagte Deutsche Bank AG veröffentlichte am 7. Oktober 2010 ein freiwilliges Übernahmeangebot in Bezug auf die Aktien der Deutsche Postbank AG (im Folgenden: Postbank) zum Preis von 25 € je Aktie. Die Klägerin, die 150.000 Aktien der Postbank hielt, nahm dieses Angebot an. Sie ist jedoch der Meinung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bereits im Jahr 2008 ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 € je Aktie zu veröffentlichen.

Die damalige Muttergesellschaft der Postbank, die Deutsche Post AG (im Folgenden: Post), hatte mit der Beklagten am 12. September 2008 einen Vertrag (im Folgenden: Ursprungsvereinbarung) geschlossen. Danach sollte die Beklagte im ersten Quartal 2009 von der Post 29,75 % der Aktien der Postbank zum Preis von je 57,25 € erwerben. Daneben wurde der Beklagten die Option eingeräumt, im Zeitraum zwischen 12 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung weitere 18 % der Postbank-Aktien für 55 € je Aktie zu erwerben. Die Post erhielt die Option, im Zeitraum zwischen 21 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung 20,25 % der Postbank-Aktien plus einer Aktie für 42,80 € je Aktie an die Beklagte zu veräußern.

Im vierten Quartal 2008 führte die Postbank eine Kapitalerhöhung über 54,8 Mio. € durch. Die Anteile wurden überwiegend von der Post gezeichnet. Deren Anteil an den Postbank-Aktien erhöhte sich dadurch von 50 % auf 62,35 %.

Ende 2008 vereinbarten die Beklagte und die Post, den Vollzug (closing) der Ursprungsvereinbarung zu verschieben. Am 14. Januar 2009 schlossen sie ein "Amendment Agreement regarding the Acquisition of Shares in Deutsche Postbank AG" (im Folgenden: Nachtragsvereinbarung). Danach sollte der Erwerb der Postbank-Beteiligung - anders als ursprünglich vorgesehen - in folgenden drei Stufen durchgeführt werden: In einem ersten Schritt sollte die Beklagte 50.000.000 Postbank-Aktien (= 22,9 % des Grundkapitals) zu je 23,92 € von der Post erwerben. Weitere 60.000.000 Postbank-Aktien (= 27,4 % des Grundkapitals) sollte die Beklagte für je 45,45 € über eine Pflichtwandelanleihe mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 erwerben. Schließlich sollte die Beklagte restliche 26.417.432 Postbank-Aktien (= 12,1 % des Grundkapitals) über Call- und Put-Optionen zum Preis von je 48,85 € für die Call-Option und je 49,42 € für die Put-Option erwerben, wobei die Optionen im Zeitraum zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 sollten ausgeübt werden können. In der Folgezeit erwarb die Beklagte - über eine Tochtergesellschaft - 22,9 % der Postbank-Aktien und zeichnete die Wandelanleihe.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt Zahlung von 4.837.500 €, nämlich der Differenz zwischen der Gegenleistung aus dem freiwilligen Übernahmeangebot und der ihrer Meinung nach geschuldeten Gegenleistung aus einem Pflichtangebot, das bereits aufgrund der Ursprungsvereinbarung aus September 2008 zu veröffentlichen gewesen sei. Hilfsweise macht sie geltend, dass die Beklagte jedenfalls aufgrund der Nachtragsvereinbarung aus Januar 2009 zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots verpflichtet gewesen sei, und zwar zu unterschiedlichen, hilfsweise gestaffelten Zeitpunkten, für die sich sämtlich ein höherer Preis als der des freiwilligen Übernahmeangebots ergeben würde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Köln, ZIP 2012, 229), das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Köln, ZIP 2013, 1325). Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht - im Umfang streitig - zugelassene Revision der Klägerin.

Gründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist das Rechtsmittel nicht mangels Zulassung unzulässig, soweit mit ihm Ansprüche geltend gemacht werden, die nicht unmittelbar darauf beruhen, dass der Beklagten Stimmrechte der Post nach § 30 WpÜG zuzurechnen wären.

Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält keinen Zusatz, der die dort zu Gunsten der Klägerin zugelassene Revision einschränkt. Die Eingrenzung des Rechtsmittels kann sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben (BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 360 f.). Aus diesen muss dann aber mit ausreichender Klarheit hervorgehen, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nur wegen eines - tatsächlich und rechtlich selbständigen - abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH, Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, ZIP 2011, 2237 Rn. 8, insoweit in BGHZ 191, 119 nicht abgedruckt, mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils heißt es zwar, die Revision werde "im Hinblick auf die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung der Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG zugelassen". Das lässt eine Beschränkung auf Ansprüche aus § 35 WpÜG nicht erkennen. Es ist schon zweifelhaft, ob Ansprüche aus § 35 WpÜG Gegenstand eines selbständigen Rechtsmittels sein können, also einen abtrennbaren Teil der angefochtenen Entscheidung darstellen. Jedenfalls kann aber die Frage der Zurechnung von Stimmrechten nicht nur für Ansprüche aus § 35 WpÜG, sondern zumindest mittelbar auch für die übrigen geltend gemachten Ansprüche von Bedeutung sein.

B. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem angemessenen und dem in dem Übernahmevertrag aufgrund des freiwilligen Übernahmeangebots der Beklagten vereinbarten Preis für die Postbank-Aktien. Denn der von der Klägerin angebotene Preis sei angemessen im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit §§ 4, 5 WpÜG-AngVO. Eine Vorverlegung des maßgeblichen Referenzzeitraums für die Bemessung der angemessenen Gegenleistung komme nicht in Betracht. Die Beklagte habe vor der Veröffentlichung ihres freiwilligen Übernahmeangebots noch nicht die Kontrolle über die Postbank erworben gehabt und sei daher nicht zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots mit einem entsprechend anderen Referenzzeitraum verpflichtet gewesen.

Durch die Ursprungsvereinbarung habe die Klägerin noch nicht die Kontrolle über die Postbank im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG durch Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG erlangt. Denn eine nach dieser Vorschrift gebotene Zurechnung von Stimmrechten, die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben könne, setze ein dingliches Erwerbsrecht voraus. Dass ein solches in der Ursprungsvereinbarung begründet worden sei, könne dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden.

Auch die Nachtragsvereinbarung führe nicht zu einer Zurechnung von Stimmrechten. Für eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG fehle es an einem Halten für Rechnung des Bieters. Die Vereinbarung der Pflichtwandelanleihe und der Call-/Put-Optionen habe noch nicht zu einem Übergang der Risiken und Chancen und zur Möglichkeit einer Stimmrechtsbeeinflussung geführt, wie sie für den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG erforderlich seien. Jedenfalls habe die Post ihr Dividendenrecht behalten, und für die Vereinbarung einer Interessenschutzklausel in der Nachtragsvereinbarung liege kein greifbarer Anhaltspunkt vor. Auch eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG scheide aus, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass mit der Pflichtwandelanleihe und den Call-/Put-Optionen bereits dingliche Übereignungsangebote verbunden gewesen seien.

Die Stimmrechte der Post müssten der Beklagten auch nicht wegen eines abgestimmten Verhaltens (acting in concert) im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG zugerechnet werden. Die Vereinbarung, dass die Post für die der Vereinbarung zugrunde liegenden Postbank-Aktien kein freiwilliges Übernahmeangebot der Beklagten habe annehmen dürfen, reiche für ein abgestimmtes Verhalten im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG nicht aus. Das Gleiche gelte für die Verpflichtung der Post, im Falle der Kapitalerhöhung der Postbank neue Aktien zu zeichnen, um die Beteiligungsquote der Beklagten unter 30 % zu halten. Auch die übrigen von der Klägerin angeführten Umstände reichten nicht aus, um ein abgestimmtes Verhalten annehmen zu können.

Die Nachtragsvereinbarung sei auch nicht preisbestimmend im Sinne des § 31 Abs. 6 WpÜG in Verbindung mit § 4 Satz 2 WpÜG-AngVO. Der Begriff "Vereinbarung" im Sinne des § 31 Abs. 6 WpÜG stelle nur auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht aber auf den Zeitraum des Bestehens einer schuldrechtlichen Verpflichtung ab. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Norm, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung.

Ebenso wenig bestünden Ansprüche wegen Umgehung der §§ 30, 31, 35 WpÜG, nach § 823 Abs. 2 BGB, § 35 WpÜG wegen Nichtabgabe eines Pflichtangebots und nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Postbank-Aktionäre.

C. Diese Ausführungen sind in einem entscheidenden Punkt nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Vortrag der Klägerin, die Beklagte und die Post hätten eine Interessenschutzklausel vereinbart, überspannt und deshalb den dazu angebotenen Beweis nicht erhoben.

I. Die Klage ist nicht schon deshalb begründet, weil sich aus § 35 Abs. 2 WpÜG oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 35 Abs. 2 WpÜG ein Zahlungsanspruch ergäbe. Auch wenn die Beklagte verpflichtet gewesen sein sollte, schon im Jahr 2008 oder jedenfalls Anfang des Jahres 2009 ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen, führt die Unterlassung eines solchen Angebots nicht zu einem Anspruch der Aktionäre auf Übernahme der Aktien gegen eine auf den Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für ein Pflichtangebot erfüllt waren, bezogene Gegenleistung. Wie der Senat mit Urteil vom 11. Juni 2013 (II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 9 ff. - BKN) entschieden hat, stehen den Aktionären der Zielgesellschaft weder aus § 35 Abs. 2 WpÜG oder dem mitgliedschaftlichen Schuldverhältnis noch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 35 Abs. 2 WpÜG Zahlungsansprüche gegen den Kontrollerwerber zu, wenn dieser es pflichtwidrig unterlässt, ein Pflichtangebot zu veröffentlichen.

II. Noch offene Zahlungsansprüche der Klägerin könnten sich aus dem (freiwilligen) Übernahmeangebot der Beklagten vom 7. Oktober 2010 ergeben. Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen. Damit war die Beklagte verpflichtet, die in ihrem Übernahmeangebot bezeichnete Gegenleistung von 25 € je Postbank-Aktie zu erbringen. Diesen Betrag hat sie gezahlt. Sie ist aber noch zu einer weiteren Zahlung verpflichtet, wenn die angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist, weil sich die Referenzzeiträume der §§ 4, 5 WpÜG-AngVO entsprechend verlängern, falls die Beklagte aufgrund der - für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz zu unterstellenden - Vereinbarung einer Interessenschutzklausel bereits vor der Veröffentlichung ihres Übernahmeangebots die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG erworben hat.

1. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Ob die Aktionäre gegen den Bieter einen Anspruch auf Zahlung einer etwaigen Differenz zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung haben, ist im Schrifttum streitig. Teilweise wird angenommen, trotz des Merkmals "angemessen" habe der Aktionär immer nur einen Anspruch auf die angebotene Leistung und könne, wenn diese Leistung nicht angemessen sei, nur Schadensersatz nach § 12 WpÜG verlangen (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 166a; Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 31 Rn. 100 ff.; Lappe/Stafflage, BB 2002, 2185, 2189 ff.). Nach der - mit unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen begründeten - hM vermittelt § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit §§ 3 ff. WpÜG-AngVO dagegen einen Zahlungsanspruch, wenn die angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist (für vertragsgestaltende Wirkung: Hecker, ZBB 2004, 503, 506; Mülbert/ Uwe H. Schneider, WM 2003, 2301, 2302; Seibt, ZIP 2003, 1865, 1873 f.; Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: Oktober 2010, § 31 Rn. 128; Haarmann in Frankf.Komm.WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 157; Simon, Rechtsschutz im Hinblick auf ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG, 2005, S. 228; Veil in KölnerKomm.KapMuG, 1. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 9 f.; für § 31 als Anspruchsgrundlage: Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 26; Verse, ZIP 2004, 199, 202 ff.; vgl. auch ders. in Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, 2011, S. 276, 286 ff.; im Ergebnis ebenso, aber ohne dogmatische Festlegung: Pohlmann, ZGR 2007, 1, 14 ff.; Ihrig, ZHR 167 [2003], 315, 346; Tominski/Kuthe, BKR 2004, 10, 16; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 78; ähnlich Kremer/Oesterhaus in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 107: vor Vertragsschluss Anspruch aus § 31 WpÜG, nach Vertragsschluss Anspruch aus dem Vertrag in Verbindung mit § 31 WpÜG; Santelmann/Nestler in Steinmeyer, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 111: Nachbesserungsanspruch; für eine Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte auch OLG Frankfurt am Main, DB 2003, 1782, 1783).

Zutreffend ist die hM, die einen - zivilrechtlich durchsetzbaren - Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung annimmt.

Für diese Auffassung spricht schon die Systematik des § 31 WpÜG. Nach § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG muss der Bieter bei Parallel- oder Nacherwerben die Differenz zwischen dem Angebotspreis und dem bei dem Parallel- oder Nacherwerb erzielten Preis an die Aktionäre zahlen. Dem zugrunde liegt nach allgemeiner Meinung ein (zivilrechtlicher) Anspruch der Aktionäre, die das Angebot angenommen haben (s. nur Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., WpÜG § 31 Rn. 99). Es wäre nur schwer verständlich, wenn in diesen Fällen ein zivilrechtlicher Anspruch besteht, nicht aber dann, wenn die angebotene Gegenleistung von vornherein unangemessen ist.

Auch die Systematik und der Zweck des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes sprechen für einen zivilrechtlichen Anspruch. Zwar prüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) das Übernahmeangebot des Bieters. Dafür stehen ihr jedoch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, Satz 3 WpÜG nur zehn bis fünfzehn Werktage zur Verfügung, und der Prüfmaßstab ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG ein "offensichtlicher" Gesetzesverstoß. Die Prüfung des Angebots durch die BaFin hat also nicht dieselbe Tiefe wie eine Prüfung im Rahmen eines Rechtsstreits vor den Zivilgerichten. Es kann für die Angemessenheit der Gegenleistung auf eine Unternehmensbewertung ankommen (s. etwa § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO). Jedenfalls für diesen Fall eignet sich das Prüfverfahren der BaFin aufgrund des zeitlich und inhaltlich eingeschränkten Prüfungsumfangs nicht. Auch der gegebenenfalls eingreifende Schadensersatzanspruch aus § 12 WpÜG wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Angebotsunterlage spricht nicht gegen die Annahme einer zivilrechtlichen Wirkung schon des § 31 Abs. 1 WpÜG. Zum einen unterscheidet sich die Schutzrichtung des § 12 WpÜG von der des § 31 WpÜG. Im einen Fall soll gewährleistet werden, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft angemessen informiert werden, im anderen Fall soll ihnen ein - zumutbarer - Ausstieg aus der Gesellschaft bei einem drohenden oder schon eingetretenen Kontrollerwerb ermöglicht werden. Im Übrigen erfordert der Schadensersatzanspruch nach § 12 Abs. 2 WpÜG Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit und ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG ausgeschlossen, wenn der Anspruchsteller die Unrichtigkeit der Angaben der Angebotsunterlage bei der Abgabe der Annahmeerklärung kannte. Das wären aber keine Gründe, dem Aktionär die angemessene Gegenleistung vorzuenthalten.

Auch der Zweck des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, eine schnelle und für die Beteiligten möglichst rechtssichere Abwicklung öffentlicher Marktransaktionen zu ermöglichen (s. BT-Drucks. 14/7034, S. 27), spricht nicht gegen einen zivilrechtlichen Anspruch auf die angemessene Gegenleistung. Die Durchführung der Transaktion an sich wird dadurch nicht gestört. Es können lediglich Unsicherheiten bei der Bewertung auftreten, die noch dadurch verstärkt werden, dass ein Spruchverfahren im Anwendungsbereich des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes nicht vorgesehen ist (Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: Oktober 2010, § 31 Rn. 128). Im Regelfall werden aber Streitigkeiten schon dadurch vermieden, dass in §§ 3 ff. WpÜG-AngVO klare Regeln für die Bewertung aufgestellt sind. Im Übrigen können Risiken bei der Festlegung des Angebotspreises schon wegen des möglichen Schadensersatzanspruchs aus § 12 WpÜG nicht ausgeschlossen werden.

Auch der Gesetzgeber des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ist offenbar davon ausgegangen, dass insoweit Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche entstehen können. Denn der Anwendungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG (= § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG aF) auf Erfüllungsansprüche aus Verträgen, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruhen (BT-Drucks. 15/5091, S. 20). Dementsprechend nimmt die ganz hM zu § 1 KapMuG an, dass davon nicht nur Ansprüche aus Parallel- und Nacherwerben erfasst werden, sondern auch Ansprüche aus Verträgen, denen von Anfang an keine angemessene Gegenleistung im Sinne der §§ 3 ff WpÜG-AngVO zugrunde liegt (s. etwa Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79, 86; Reuschle, WM 2004, 2334, 2336; Kruis in KölnerKomm.KapMuG, 2. Aufl., § 1 Rn. 111).

Schließlich steht die Annahme eines zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruchs auf Zahlung einer angemessenen Gegenleistung auch nicht im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung. Der Senat hat zwar angenommen, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft keine Ansprüche gegen einen Kontrollerwerber haben, wenn dieser es unterlässt, ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG zu veröffentlichen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 9 ff. - BKN). Dieser Fall ist aber nicht vergleichbar mit dem vorliegenden, in dem es um die Angemessenheit eines abgegebenen Angebots geht. Denn das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz enthält spezielle Regelungen für den Fall, dass pflichtwidrig ein Angebot nicht abgegeben wird. Dann kann der "Bieter" nach § 59 WpÜG keine Rechte aus seinen Aktien ausüben. Damit ist der Zweck des Gesetzes, die Aktionäre vor einem Kontrollerwerb zu schützen, erreicht. Wenn der "Bieter" keine Rechte aus seinen Aktien ausüben kann, hat er auch keine Kontrolle über die Gesellschaft. Diese erlangt er erst dann, wenn er das Übernahmeangebot veröffentlicht hat, sei es auch mit einer nur unangemessenen Gegenleistung (Kremer/Oesterhaus in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 59 Rn. 41 ff.). Nur dann müssen auch die Aktionäre im Hinblick auf die angemessene Gegenleistung für ihren Austritt geschützt werden.

2. Die von der Beklagten angebotene und gezahlte Gegenleistung ist allerdings bezogen auf die gesetzlichen Referenzzeiträume angemessen im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 bis 7 WpÜG in Verbindung mit §§ 3, 4 und 5 WpÜG-AngVO.

a) Sie entspricht dem Wert der höchsten von der Beklagten oder einem ihr nach § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO zurechenbaren Unternehmen gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Postbank innerhalb der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots. Weiter erfüllt sie die Anforderung des § 5 WpÜG-AngVO, der auf die Postbank anwendbar ist, da ihre Aktien zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Danach muss die Gegenleistung mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs dieser Aktien während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots entsprechen. Auch dem wird der Preis von 25 € je Aktie gerecht, wie das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts festgestellt hat.

b) Die Revision beruft sich demgegenüber, gestützt auf einen Privatgutachter, auf § 31 Abs. 6 WpÜG, § 4 Satz 2 WpÜG-AngVO. Danach wird für die Berechnung der Gegenleistung dem Erwerb von Aktien eine Vereinbarung gleichgestellt, aufgrund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Die Revision meint, es komme im Falle einer derartigen Vereinbarung für die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung nach § 4 WpÜG-AngVO in Verbindung mit § 31 Abs. 6 WpÜG nicht allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung an. Preisbestimmend sei vielmehr der gesamte Zeitraum zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und ihrem Vollzug. Danach sei im vorliegenden Fall die Vereinbarung der Rechte aus der Pflichtwandelanleihe und den Optionen in der Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 2009, die mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 bzw. zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 ausgeübt werden konnten, preisbestimmend für das Übernahmeangebot der Beklagten vom 7. Oktober 2010, weil dieses innerhalb des Zeitraums zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und der Übereignung der Aktien aufgrund der Wandelanleihe und der Optionen veröffentlicht worden sei. Dem ist nicht zu folgen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, verstößt diese Auslegung des Begriffs der "Vereinbarung" schon gegen den Wortlaut der Norm. Aber auch nach dem Sinn und Zweck und dem gesetzgeberischen Motiv können § 4 Satz 2 WpÜG-AngVO und § 31 Abs. 6 WpÜG nicht derart erweiternd ausgelegt werden. Mit diesen Vorschriften wollte der Gesetzgeber einer Umgehung der auf den dinglichen Erwerb bezogenen Regeln durch schuldrechtliche Vereinbarungen über ein Erwerbsrecht vorbeugen (BT-Drucks. 14/7034, S. 56). Wenn statt eines Erwerbs innerhalb des Sechs-Monats-Zeitraums des § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen wird, nach welcher der dingliche Erwerb später erfolgen soll, ist bei der Bestimmung des Vorerwerbspreises auf diese Vereinbarung abzustellen und nicht auf den späteren dinglichen Erwerb. Damit wird der (dingliche) Erwerb durch die (schuldrechtliche) Vereinbarung eines Erwerbsrechts ersetzt. Einen Zeitraum neben der gesetzlichen Sechs-Monats-Frist sieht das Gesetz dagegen nicht vor. Er würde auch dem Zweck der Begrenzung des Vorerwerbszeitraums durch § 4 WpÜG-AngVO widersprechen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bieter an dem Preis festgehalten wird, den er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot selbst als angemessen angesehen hat. Das aber kann nur den Erwerb oder die diesen ersetzende schuldrechtliche Vereinbarung betreffen, nicht dagegen einen Zeitraum, der beliebig lange vor der Sechs-Monats-Frist des § 4 WpÜG-AngVO beginnen kann (vgl. Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote - Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz -, BT-Drucks. 16/1003, S. 14 Nr. 2). Dass bei einem in die Vorerwerbsfrist fallenden Erwerb die Gegenleistung schon vor dem Fristbeginn vereinbart worden sein kann, steht dem nach der Systematik des Gesetzes nicht entgegen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, BT-Drucks. 14/7034, S. 57; Kremer/Oesterhaus in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 99; Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 154).

Diese Auslegung, die ebenso für Parallelerwerbe nach § 31 Abs. 4, 6 WpÜG gilt, steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. Nr. L 142 vom 30. April 2004, S. 12 ff., im Folgenden: Übernahmerichtlinie), ohne dass es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedürfte. Nach Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 Übernahmerichtlinie gilt als angemessener Preis der höchste Preis, der vom Bieter in einem vom nationalen Gesetzgeber festzulegenden Zeitraum vor dem Angebot oder parallel zu dem Angebot gezahlt worden ist. Der Begriff "Zahlung" markiert ein punktuelles Ereignis. Damit stimmt überein, auf den Zeitpunkt der Vereinbarung abzustellen und nicht auf den Zeitraum zwischen Vereinbarung und dinglichem Erwerb. Es kommt hinzu, dass die Unterscheidung zwischen kaufrechtlichem Erwerb und dinglicher Übereignung eine Besonderheit des in Deutschland geltenden Abstraktionsprinzips ist und somit auf das Unionsrecht nicht übertragen werden kann.

c) Parallelerwerbe nach § 31 Abs. 4 WpÜG oder Nacherwerbe nach § 31 Abs. 5 WpÜG, welche die angemessene Gegenleistung erhöhen würden, sind nicht festgestellt.

3. Die Referenzzeiträume der §§ 4, 5 WpÜG-AngVO verlängern sich aber entsprechend, wenn der Bieter bereits vor der Veröffentlichung seines Übernahmeangebots 30 % oder mehr der Stimmrechte der Zielgesellschaft und damit die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG erwirbt und es dennoch unterlässt, ein Pflichtangebot - oder ein als freiwilliges Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 WpÜG bezeichnetes Angebot - innerhalb der Frist des § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall kommt ein Kontrollerwerb der Beklagten vor ihrem Übernahmeangebot vom 7. Oktober 2010 in Betracht, wenn ihr wegen Vorliegens eines Zurechnungstatbestands des § 30 WpÜG schon zum Zeitpunkt der Ursprungsvereinbarung vom 12. September 2008 oder der Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 2009 mindestens 30 % der Stimmrechte der Post zuzurechnen waren.

a) Die Referenzzeiträume sind jedenfalls dann zu verlängern, wenn der Durchschnittskurs - wie hier - in der Zeit zwischen dem Kontrollerwerb und der (verspäteten) Veröffentlichung des Übernahmeangebots sinkt oder wenn Vorerwerbe in der Zeit vor dem Kontrollerwerb stattgefunden haben, die bei einer rechtzeitigen Veröffentlichung eines Übernahmeangebots zu einer höheren Gegenleistung geführt hätten, aufgrund der Verspätung aber an sich nicht zu berücksichtigen sind (Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., WpÜG § 31 Rn. 13, 25; Baums/Hecker in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: Mai 2004, § 39 Rn. 37; ohne die Differenzierung: Süßmann in Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 87; Santelmann/Nestler in Steinmeyer/ Häger, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 19; Pötzsch/Assmann in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 39 Rn. 46; a.A. von Falkenhausen, NZG 2010, 1213, 1214 f. bei Handeln ohne Vorsatz; ohne diese Differenzierung: Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 76; Tyrolt/Cascante in Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, 2011, S. 110, 138). Denn es kann dem Bieter nicht zugutekommen, dass er sein Angebot verspätet veröffentlicht. Dass der Wortlaut der §§ 4, 5 WpÜG-AngVO nur den Zeitpunkt der (tatsächlichen) Veröffentlichung erwähnt, steht dem nicht entgegen. Zwar bietet dieses Merkmal eine hohe Rechtssicherheit, die in der Begründung zum Regierungsentwurf des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes für öffentliche Markttransaktionen als wünschenswert bezeichnet wird (BT-Drucks. 14/7034, S. 55). Das allein kann aber nicht dazu führen, dass der Bieter die Angemessenheit des Angebotspreises durch ein rechtswidriges Verhalten beeinflussen kann. Eine Differenzierung zwischen vorsätzlichem und nicht vorsätzlichem Handeln erscheint unpraktikabel, weil die Feststellung des Vorsatzes im Regelfall eine Beweisaufnahme in einem Gerichtsverfahren voraussetzt.

b) Maßgebend für den Kontrollerwerb nach § 29 Abs. 2 WpÜG ist grundsätzlich das Eigentum an den Aktien, wobei dem Bieter die von seinen Tochtergesellschaften gehaltenen Aktien nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG zuzurechnen sind. Denn das Stimmrecht folgt aus der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs, die ihm über das Eigentum an der Aktie vermittelt wird (Dauner-Lieb in KölnerKomm.AktG, 3. Aufl., § 12 Rn. 6; von Bülow in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 29 Rn. 94). Deshalb muss - sieht man von einer möglichen Zurechnung nach § 30 WpÜG ab - ein (Pflicht-) Angebot nach § 35 Abs. 2, § 29 Abs. 2 WpÜG nur veröffentlichen, wer das Eigentum an mindestens 30 % der Aktien der Zielgesellschaft hält. Ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung von 30 % oder mehr der Aktien reicht dagegen grundsätzlich nicht aus (vgl. BT-Drucks. 14/7034 S. 54), auch wenn dieser Anspruch aus einer Pflichtwandelanleihe (zum Begriff s. MünchKomm AktG/Habersack, 3. Aufl., § 221 Rn. 52; Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729, 730 f.) oder einer Optionsvereinbarung folgt. Die bereits erwähnte Sonderregel der § 4 Satz 2 WpÜG-AngVO und § 31 Abs. 6 WpÜG betrifft lediglich die Berechnung des Referenzzeitraums, nicht dagegen die Feststellung, ob der Bieter eine Kontrolle anstrebt oder schon innehat.

Dass die Beklagte vor ihrem Übernahmeangebot das Eigentum an mindestens 30 % der Postbank-Aktien erworben hätte, macht die Revision zu Recht nicht geltend. Allerdings weist sie - in anderem Zusammenhang - darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen einem schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung und der dinglichen Erfüllung dieses Anspruchs eine Folge des in Deutschland geltenden Abstraktionsprinzips sei, dass andere Länder der Europäischen Union diese Unterscheidung nicht vornehmen würden und dass deshalb eine an der dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zugrunde liegenden Übernahmerichtlinie orientierte Gesetzesauslegung dazu führen müsse, dass auch der schuldrechtliche Anspruch für einen Kontrollerwerb genüge. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Vielmehr kommt es auch in den anderen europäischen Staaten auf den Eigentumserwerb an, wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt. Ob dieser - wie in Deutschland - rechtsdogmatisch von dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft unterschieden wird, spielt dagegen keine Rolle.

c) Von dem Grundsatz, dass die Kontrolle an einem Zielunternehmen nur durch das - unbedingte - Eigentum an den Aktien erworben werden kann, gilt - abgesehen von der Zurechnung der Stimmrechte aus den einer Tochtergesellschaft gehörenden Aktien - nur dann eine Ausnahme, wenn ein (weiterer) Zurechnungstatbestand aus § 30 WpÜG erfüllt ist.

aa) Aus der Ursprungsvereinbarung vom 12. September 2008 ergeben sich keine Zurechnungstatbestände. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG nicht erfüllt.

(1) Nach dieser Vorschrift sind dem Bieter - hier also der Beklagten - Stimmrechte aus Aktien zuzurechnen, die er durch eine Willenserklärung erwerben kann. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, durch einseitige Willenserklärung ohne Mitwirkung des Vertragspartners oder eines Dritten das Eigentum an den Aktien zu erwerben. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Aktien reicht dagegen für eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG nicht aus (Veil, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 1645, 1650; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., WpÜG § 30 Rn. 14; Walz in Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 57; Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 30 Rn. 16; Steinmeyer in Steinmeyer, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 40 f.; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 22 f.; von Bülow in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 162, 164; Dieckmann in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: November 2011, § 30 Rn. 55 f.; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 114 ff.). Für diese enge Auslegung sprechen die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/7034, S. 54) und der Sinn und Zweck des Gesetzes. Danach soll die scharfe Rechtsfolge eines Pflichtangebots nur den treffen, der, wenn schon kein Eigentum an den Aktien, so doch jedenfalls eine dem Eigentum gleichkommende gesicherte Erwerbsmöglichkeit hat. Eine solche gesicherte Erwerbsmöglichkeit verschafft ihm nur eine dingliche Anwartschaft und nicht schon ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung. Denn einem schuldrechtlichen Anspruch kann der Anspruchsgegner Einwendungen wie etwa einen Rücktritt entgegensetzen oder er kann die Erfüllung aus sonstigen Gründen verweigern. Auch systematische Erwägungen stehen der engen Auslegung nicht entgegen. Im Gegenteil wird so eine gleiche Auslegung wie bei dem im Wesentlichen wortgleichen § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG sichergestellt (vgl. von Bülow in KölnerKomm.WpHG, 2. Aufl., § 22 Rn. 138). Schließlich ist auch keine gegenteilige Auslegung im Hinblick auf die Übernahmerichtlinie geboten, wie die Revision meint. Zwar sollen nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie die Interessen der Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft geschützt werden. Das bedeutet aber nicht, dass ein Kontrollerwerb bereits dann angenommen werden müsste, wenn der Bieter noch keine dem Eigentum vergleichbare gefestigte Position erlangt hat. Wie die Revision selbst sieht, bestimmen sich nach Art. 5 Abs. 3 Übernahmerichtlinie der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle im Sinne der Richtlinie begründet, und die Art der Berechnung dieses Anteils nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats.

(2) Dass die Beklagte im Rahmen der Ursprungsvereinbarung ein dingliches Anwartschaftsrecht an den Aktien erworben hätte, die die Post seinerzeit gehalten oder die sie bei der Kapitalerhöhung der Postbank im vierten Quartal 2008 gezeichnet hat, so dass die Beklagte damit schon die Kontrolle über die Postbank erlangt hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision sind unbegründet.

Das Berufungsgericht brauchte den Anträgen der Klägerin auf Zeugenvernehmung und Anordnung der Vorlage der Ursprungsvereinbarung nach § 142 Abs. 1 ZPO nicht nachzugehen. Denn die Klägerin hat insoweit keinen schlüssigen Vortrag gehalten. Das ist indes Voraussetzung nicht nur für die Zeugenvernehmung, sondern auch für die Anordnung einer Urkundenvorlegung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23, 32; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 142 Rn. 7).

Allerdings behandelt die Rechtsprechung im Prozessrecht einfache Rechtsbegriffe, die jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig sind - etwa den Begriff des Eigentums -, wie Tatsachen (BGH, Urteil vom 2. Juni 1995 - V ZR 304/93, ZIP 1995, 1633; vgl. ferner Urteil vom 29. Oktober 1979 - VIII ZR 293/78, WM 1980, 193, 194; Urteil vom 2. Februar 1990 - V ZR 245/88, juris Rn. 11). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Herleitung der Eigentümerstellung rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten begegnet (BGH, Urteil vom 2. Juni 1995 - V ZR 304/93, ZIP 1995, 1633). Damit genügt eine Partei ihrer Darlegungslast in der Regel, wenn sie in entsprechendem Zusammenhang behauptet, eine Sache gehöre einer bestimmten Person.

Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall aber noch nicht, dass das Berufungsgericht die Darlegungslast der Klägerin überspannt hätte. Zum einen geht es hier nicht allein um das Eigentum, sondern zumindest auch um die Frage, ob die Beklagte ein Anwartschaftsrecht an den Aktien erworben hat. Zum anderen hat die Klägerin an den von der Revision in Bezug genommenen Aktenstellen gar nicht die Behauptung aufgestellt, an den von der Post gehaltenen und bei der Kapitalerhöhung gezeichneten Aktien wären sogleich dingliche Anwartschaften begründet worden. An den benannten Stellen trägt die Klägerin vielmehr nur vor, die Beklagte sei aufgrund der Ursprungsvereinbarung verpflichtet gewesen, alle Aktien aus dem Bestand und aus der Zeichnung der Post zu übernehmen. Es fehlt die weitere Behauptung, dass die Beklagte die Aktien so übernommen habe, dass sie durch einseitige Erklärung das Eigentum daran hätte erwerben können. Zu der Frage, was unter "Übernahme" zu verstehen ist - eine kaufrechtliche Vereinbarung oder schon ein dinglicher Vertrag, gegebenenfalls mit der Abrede einer aufschiebenden, aber vom Erwerber herbeizuführenden Bedingung - wird an den genannten Aktenstellen nichts ausgeführt.

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht in dem Vortrag der Klägerin lediglich eine Aufzählung verschiedener Indizien gesehen und ist bei der Bewertung dieser Indizien zu dem Ergebnis gelangt, dass sie keinen zwingenden Schluss auf die Haupttatsache - ein Ende 2008 begründetes Eigentumsanwartschaftsrecht der Beklagten - zulassen. Einen Indizienbeweis muss der Richter nur erheben, wenn er davon ausgehen kann, dass die Gesamtheit der Sachverhaltsumstände und der vorgetragenen Indizien, ihre Richtigkeit unterstellt, ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würden (BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 260 f.; Urteil vom 29. Juni 1982 - VI ZR 206/80, NJW 1982, 2447). Diese Frage hat das Berufungsgericht verneint. Gegen diese mögliche tatrichterliche Würdigung bringt die Revision keine erheblichen Einwände vor.

bb) Aus der Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 2009 kann sich jedoch eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 WpÜG ergeben. Insoweit hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, indem es angenommen hat, die Vereinbarung einer Interessenschutzklausel sei "ins Blaue hinein" behauptet.

(1) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG seien nicht erfüllt.

Danach sind dem Bieter Stimmrechte aus Aktien zuzurechnen, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden.

(a) Aus dem Merkmal "für Rechnung" ergibt sich, dass der Bieter die wesentlichen Risiken und Chancen aus den betreffenden Aktien tragen muss. Dazu gehören etwa die Risiken und Chancen einer Veränderung des Börsenkurses, die Chancen einer Dividendenzahlung und das Insolvenzrisiko der Zielgesellschaft (Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 6). Dass dagegen, wie die Revision meint, primär auf die Risiken abzustellen wäre, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht angenommen (ebenso von Bülow in KölnerKomm.WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 97; Uwe H. Schneider in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 60 mwN). Dagegen spricht schon der Wortlaut der Norm ("für Rechnung des Bieters").

Da ein bloß wirtschaftliches Verständnis des Begriffs "für Rechnung" dem Zweck des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG, die Stimmrechtsmacht zu erfassen, nicht gerecht würde, muss die Möglichkeit hinzukommen, auf die Stimmrechtsausübung des Eigentümers der Aktien Einfluss zu nehmen (Noack/Zetzsche, Festschrift Schwark, 2009, S. 569, 575; W. Meilicke/ F. Meilicke, ZIP 2010, 558, 562; Uwe H. Schneider in Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 62; Heidel/Sohbi, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., WpÜG § 30 Rn. 4; ebenso für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 34).

(b) Das Berufungsgericht hat angenommen, es fehle schon an einem Halten der Aktien für Rechnung des Bieters, weil die Chance auf mögliche Dividendenzahlungen bis zum Jahr 2012 bei der Post verblieben sei. Die Revision meint dagegen, das Berufungsgericht hätte dem beweisbewehrten Vortrag der Klägerin nachgehen müssen, das Dividendenrecht habe nur noch formal bestanden, tatsächlich habe die Postbank bis zur vollständigen Übertragung der Aktien im Jahr 2012 keine Gewinne ausschütten wollen. Es sei - wie der Vorstandsvorsitzende der Post auf der Hauptversammlung vom 25. Mai 2011 erklärt habe - bereits bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien gewesen, dass bis zum "Exit" der Post keine Dividenden der Postbank gezahlt würden, was auch so praktiziert worden sei.

Damit greift die Revision die Auslegung der Nachtragsvereinbarung durch das Berufungsgericht an. Die Auslegung ist jedoch grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vortrag der Klägerin in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausführlich befasst. Es ist dabei ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vortrag nicht ausreichend sei, weil daraus nicht hervorgehe, dass dem "gemeinsamen Verständnis", keine Gewinne auszuschütten, eine rechtliche Bindungswirkung zugekommen sei.

(2) Auch eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG im Rahmen der Nachtragsvereinbarung scheidet - ebenso wie schon bei der Ursprungsvereinbarung - aus.

Das Berufungsgericht hat auch hinsichtlich der Nachtragsvereinbarung nicht feststellen können, dass die Beklagte dadurch dingliche, an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erwerbsrechte hinsichtlich der Aktien aus der Pflichtwandelanleihe und den Optionsvereinbarungen erlangt hat, wie es § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG voraussetzt (s. Rn. 39). Diese dem Tatrichter vorbehaltene und nur eingeschränkt revisionsrechtlich zu überprüfende Würdigung lässt keine Rechtsfehler erkennen.

Dass der Preis für die Rechte aus der Pflichtwandelanleihe und die Optionen von der Beklagten nach der Behauptung der Klägerin schon im Voraus gezahlt worden ist und dass mit der Ausübung mindestens einer der beiden Optionen zwingend zu rechnen gewesen sein soll - wie die Revision einwendet -, besagt noch nichts über die Frage, ob der Beklagten schon ein dingliches Erwerbsrecht eingeräumt war. Dass sich ein solches Erwerbsrecht nicht aus der Pflichtwandelanleihe ergab, liegt im Übrigen schon in dem Rechtscharakter einer Wandelanleihe begründet, die nur das zukünftige Recht zur "Wandlung" verbrieft, diese Wandlung aber noch nicht vorwegnimmt (MünchKomm AktG/Habersack, 3. Aufl., § 221 Rn. 52). Auch der Umstand, dass die Beklagte die Rechte aus der Wandelanleihe und der Call-Option schon in ihrer Bilanz ausgewiesen hat, spricht nicht für eine schon dingliche Übertragung. Denn dabei handelt es sich um Schuldtitel, die regelmäßig zum Erwerb von Aktien berechtigen und schon deshalb zu aktivieren sind (Kozikowski/Kreher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 9. Aufl., § 266 Rn. 80; speziell zu Pflichtwandelanleihen s. Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729, 743 f.). Schließlich hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht behauptet, die Post habe im Rahmen der Nachtragsvereinbarung schon ein Übereignungsangebot abgegeben. An der dazu von der Revision angegebenen Aktenstelle heißt es lediglich, die Post sei zur Abgabe eines Übereignungsangebots - schuldrechtlich - verpflichtet gewesen.

(3) Von einem Rechtsfehler beeinflusst ist aber die Feststellung des Berufungsgerichts, auch eine Zurechnung nach § 30 Abs. 2 WpÜG wegen eines abgestimmten Verhaltens (acting in concert) komme nicht in Betracht.

(a) Nach § 30 Abs. 2 WpÜG in der ab dem 19. August 2008 geltenden Fassung werden dem Bieter Aktien eines Dritten - hier der Post - zugerechnet, mit dem der Bieter sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft - abgesehen von Einzelfällen - durch eine Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Ein derart abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Bieter und der Dritte sich über die Ausübung des Stimmrechts verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken.

(b) Eine Verständigung der Beklagten und der Post über die Ausübung des Stimmrechts im Rahmen der Nachtragsvereinbarung hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Während das Landgericht ausgeführt hat, eine solche Verständigung habe die Klägerin nicht dargelegt, hat sich das Berufungsgericht damit im Zusammenhang mit § 30 Abs. 2 WpÜG nicht mehr ausdrücklich befasst. Es hat aber eine solche Verständigung der Sache nach schon dadurch verneint, dass es im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG keinen Einfluss der Beklagten auf die Stimmrechtsausübung der Post festgestellt hat.

Die Klägerin hat dazu unter Beweisantritt vorgetragen, die Post habe sich willentlich und auf Basis der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarungen bei der Stimmrechtsausübung in den Hauptversammlungen der Postbank bis zum 25. Februar 2012 den Zielen der Beklagten untergeordnet. Das sei abgesichert worden durch eine "regelmäßig vereinbarte" Interessenschutzklausel, wonach die Post bis zum Vollzug der Zwangsumtauschanleihe am 25. Februar 2012 die ihr zustehenden aktienrechtlichen Rechte nur unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Beklagten habe ausüben dürfen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag so verstanden, dass damit behauptet werden soll, die Beklagte und die Post hätten eine Interessenschutzklausel vereinbart. Dieser Behauptung ist es aber nicht nachgegangen, weil für die Vereinbarung einer Interessenschutzklausel "kein greifbarer Anhaltspunkt" vorliege und diese Behauptung ersichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellt worden sei.

Damit hat das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht geltend macht - die Anforderungen an die Substanziierungslast der Klägerin überspannt. Die Klägerin hatte keinen Einblick in die Nachtragsvereinbarung der Beklagten und der Post. Damit konnte sie keine Einzelheiten aus dieser Vereinbarung vortragen. Andererseits war offenkundig, dass die Beklagte und die Post den Übergang der Kontrolle über die Postbank, so wie in der Nachtragsvereinbarung vorgesehen, aktiv betreiben wollten und betrieben haben. Dann aber liegt es nicht fern, dass die Post sich - in Konkretisierung ihrer allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht, die Erreichung des Vertragszwecks nicht zu gefährden - verpflichtet haben könnte, von ihrem Stimmrecht nur unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten Gebrauch zu machen. Das ist keine Behauptung "ins Blaue hinein". Deshalb hätte das Berufungsgericht den dafür angebotenen Beweis erheben müssen. Das nachzuholen, hat es in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit.

(c) Dieser Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist entscheidungserheblich. Sieht man den Vortrag der Klägerin insoweit als substantiiert an, kann sich aus der dann veranlassten Beweisaufnahme ergeben, dass der Beklagten aufgrund eines acting in concert seit Abschluss der Nachtragsvereinbarung die Stimmrechte der Post nach § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen sind und deshalb die in dem Übernahmeangebot der Beklagten enthaltene Gegenleistung, da die Referenzzeiträume der §§ 4, 5 WpÜG-AngVO dann entsprechend vorzuverlegen wären, nicht angemessen im Sinne des § 31 Abs. 1 WpÜG ist.

III. Das Berufungsgericht wird weiter gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Klägerin ein Zinsanspruch nach § 38 Nr. 1, § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG oder § 38 Nr. 2, § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zusteht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 25 ff. - BKN).

Bergmann Strohn Reichart Drescher Born Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 29.07.2011 - 82 O 28/11 -

OLG Köln, Entscheidung vom 31.10.2012 - 13 U 166/11 -






BGH:
Urteil v. 29.07.2014
Az: II ZR 353/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5d6548dd27be/BGH_Urteil_vom_29-Juli-2014_Az_II-ZR-353-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share