Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 265/03

(BPatG: Beschluss v. 07.03.2005, Az.: 30 W (pat) 265/03)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wortmarke MARKEN LIVE für die Waren und Dienstleistungen Seminarunterlagen, Lehr- und Unterrichtsmittel, alle vorgenannten auf Diskette, CD-ROM oder DVD.

Druckereierzeugnisse, nämlich Prospekte, Broschüren, Seminarunterlagen und -mappen; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate).

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die angemeldete Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie werde von den betroffenen Verkehrskreisen als schlagwortartiger Hinweis auf den Themenkreis "Marken" im weitesten Sinne mit dem Aktualitätsbezug "live" im Sinne von "aktuell" gesehen.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt.

Die angemeldete Wortkombination sei eine untypische Kombination in der deutschen Sprache, die interpretationsbedürftig sei. Zum einen werde der Bestandteil "LIVE" mit einem Ereignis verbunden, zum anderen habe der Bestandteil "MARKEN" mehrere Bedeutungen. Der Bestandteil "LIVE" bedeute nicht aktuell, sondern "lebendig, leben, wohnen", so dass die Gesamtkombination keine im Vordergrund stehende Bedeutung habe. Zu den der Anmelderin übersandten Verwendungsbeispielen der angemeldeten Bezeichnung hat sie im wesentlichen ausgeführt, dass diese eine markenmäßige Benutzung zur Kennzeichnung der Herkunft von Produkten oder Dienstleistungen nicht belegen könnten. Zudem fehle ein Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Die Anmelderin hat das Waren und Dienstleistungsverzeichnis hilfsweise eingeschränkt und die Dienstleistung "Unterhaltung" gestrichen.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuhebenhilfsweise auf der Grundlage des eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.

Die angemeldete Marke "MARKEN LIVE" ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen, da sie eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist. Dabei ist die Streichung der Dienstleistung "Unterhaltung" im hilfsweisen eingereichten Verzeichnis ohne Belang, da über die verbleibenden Waren und Dienstleistungen bereits mit der Entscheidung über den Hauptantrag entschieden ist.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8 Rdn. 380).

Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int 2004, 500, 507 - Postkantoor).

Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG grundsätzlich nicht an. Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten oder für Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können". Ein Wortzeichen ist demnach von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl. EuGH aaO S. 410, 412 - BIOMILD; EuGH aaO S. 500, 507 - Postkantoor).

Die angemeldete Wortfolge "MARKEN LIVE" kann sich mit ihrem ersten Bestandteil erkennbar ganz allgemein auf den Bereich der gewerblichen Schutzrechte des Markengesetzes im Sinne einer Themen- oder Bezugsangabe beziehen. Eine Bedeutung im Sinne von Papiermarke, Wertmarke oder auch die italienische Region "Marken" ist im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weniger naheliegend.

Den zweiten Markenbestandteil bildet das zum englischen Grundwortschatz gehörende Adjektiv "LIVE" in der Bedeutung "heiß, lebend, lebendig, lebhaft, unter Spannung stehend, unverzögert" (vgl. LEO Online-Wörterbuch Englisch der TU München). "Live" wird sowohl im Englischem als auch im Deutschen in zahlreichen Zusammensetzungen mit einem Substantiv in unterschiedlichen Bereichen verwendet, um auf Aktualität oder Echtzeit bzw. einen realen Vorgang hinzuweisen, wie "live recording" für Live(Konzert)-Mitschnitt, LiveÜbertragung, "live broadcast" für "Live-Sendung", "live program" für "Direktsendung", "live test" für "Test unter Einsatzbedingungen".

Daneben wird der Begriff "live" auch in Zusammensetzung mit einem deutschen Substantiv verwendet im Sinne von "nahegebracht, zum Anfassen, im Alltag, gelebt, präsent, modern" wie z.B. in Zusammensetzungen wie "Demokratie live, Teilzeit-Live (vgl. http://www.demokratielive.deinhalt.htm sowie http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Berufund-Karriere/Teilzeit/teilzeitlive.html).

Ein Verständnis von "live" im Sinne des Verbs "leben, wohnen" ist hier nicht naheliegend.

Die angemeldete Wortfolge "MARKEN LIVE" bedeutet daher in wörtlicher Übersetzung "Marken nahegebracht, Marken zum Anfassen".

Die Kombination "MARKEN LIVE" ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar, angesichts der Fülle möglicher Wortkombinationen mit einem ohne weiteres erkennbaren und sinnvollen Bedeutungsgehalt kommt diesem Umstand für sich allein bezüglich der Schutzfähigkeit jedoch wenig Bedeutung zu. Ebenso wie die oben genannten Kombinationen ist auch die angemeldete Bezeichnung "MARKEN LIVE" eine sprachübliche und naheliegende Wortzusammenstellung. Beide Einzelbestandteile werden dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff.

Der Gesamtbegriff "MARKEN LIVE" wird auch bereits - wie aus den der Anmelderin übersandten Verwendungsbeispielen ersichtlich - im Zusammenhang mit der Präsentation von Marken als gewerbliche Schutzrechte tatsächlich beschreibend und nicht nur markenmäßig verwendet. Maßgebend ist dabei (auch) der Entscheidungszeitpunkt und nicht allein der Zeitpunkt der Anmeldung (Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn. 29).

Die Zusammensetzung "MARKEN LIVE" wird dort als Begriff im Rahmen des sogenannten Live-Marketing verwendet, entweder im Zusammenhang mit einer aktuellen und persönlichen Ansprache der Kunden, vielfach auch im Zusammenhang mit der Organisation von sogenannten Events, wo es insbesondere um die "emotionale Inszenierung von Marken und der damit verbundenen Produkten geht (vgl. unter www.k3multimedia "...Produkte und Marken live und mit persönlicher Ansprache bewerben..." für den Bereich des Onlinehandels; www.eventside "...Charakterstarkes Marken-Live-Erlebnis für Saab..." für eine Markenpräsentation; www.procononline "...Marken-Live auf die Bühne bringen..." sowie www.vokdam "...Live-Inzinierungen von Marken und Botschaften, Produktpräsentationen..." für den Bereich Organisation von Marketing-Events).

Es handelt sich dabei nicht um markenmäßige Verwendungen, sondern um beschreibende Sachaussagen dahingehend, dass Marken durch geeignete Marketingmaßnahmen in direkter Form nahegebracht werden.

In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die den Informations-, Seminar-, Lehr- und Unterrichtsbereich betreffen, ergibt MARKEN LIVE die naheliegende und zur Beschreibung dienende Sachaussage, dass es sich nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Gegenstand bzw. Inhalt um Waren und Dienstleistungen handelt, die sich in Form von Informations- und Schulungsmaterial und darauf bezogene Dienstleistungen mit dem Bereich Marketing und der aktuellen und den Kunden nahebringenden Präsentation von Marken beschäftigen.

Dabei kann auch ein weiterer zusätzlicher Begriffsgehalt der angemeldeten Bezeichnung - bei einem Verständnis des Bestandteils "LIVE" als Verb - als "Marken er) leben" eine Schutzfähigkeit nicht begründen, da ein Wortzeichen von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR 2003, 450 - DOUBLEMINT).

Wegen des in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalts sowohl der Einzelelemente als auch der daraus gebildeten Kombination, die über den Sinngehalt der Einzelelemente nicht hinausgeht, handelt es sich um eine deutlich und unmissverständlich beschreibende Angabe ohne begriffliche Ungenauigkeit, die zu einer konkreten beschreibenden Bezeichnung dienen kann.

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Pü






BPatG:
Beschluss v. 07.03.2005
Az: 30 W (pat) 265/03


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