Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 326/04

(BPatG: Beschluss v. 20.11.2006, Az.: 9 W (pat) 326/04)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seite 1, jeweils mit Schriftsatz vom 3. Mai 2004 eingegangen am 5. Mai 2004,

- Beschreibung Seite 2, mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 eingegangen am 18. Juli 2006,

- im Übrigen Beschreibung mit Bezugszeichenliste Spalte 1, Zeile 67, bis Spalte 6, Zeile 57, und Zeichnungen Figuren 1 bis 8, jeweils gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 24. Juni 1995 angemeldete und am 20. November 2003 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage eines Bedruckstoffs in einer Druckmaschine"

ist von der A... AG Einspruch erhoben worden.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in beschränktem Umfang mit neuem Patentanspruch 1 und daran angepassten Unteransprüchen bzw. Beschreibungsunterlagen. Sie ist der Meinung, das beschränkte Patentbegehren sei zulässig und auch gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage eines Bedruckstoffs (1) auf dem Gegendruckzylinder (2) vor dem Druckspalt (5) durch Beaufschlagung mit einer Luftströmung (6, 6', 6, 6'), bei der ein flächenförmiges Luftleitelement (7) sich in der Breite des Gegendruckzylinders (2) vom Bereich des Umfangs der Umführtrommel (4) bis möglichst weit in Richtung des Druckspalts (5) erstreckt und dabei einen mit der Spitze zum Druckspalt (5) reichenden keilförmigen Raum (8) bildet, dadurch gekennzeichnet, dass das Luftleitelement (7) mit mindestens einer Beblasungseinrichtung (14, 16, 18) zum Beblasen des Bedruckstoffs (1) kombiniert ist."

Diesem Patentanspruch 1 schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 an.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seite 1, jeweils mit Schriftsatz vom 3. Mai 2004 eingegangen am 5. Mai 2004,

- Beschreibung Seite 2, mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 eingegangen am 18. Juli 2006,

- im Übrigen Beschreibung mit Bezugszeichenliste Spalte 1, Zeile 67, bis Spalte 6, Zeile 57 und Zeichnungen Figuren 1 bis 8, jeweils nach Patentschrift.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Sie vertritt die Auffassung, der auf den Einspruchschriftsatz hin beschränkte, nunmehr geltende Patentanspruch 1 sei unzulässig erweitert gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents und den ursprünglichen Anmeldeunterlagen.

Davon abgesehen sei der geltende Patentanspruch 1 nicht patentfähig. Gegenüber einer offenkundigen Vorbenutzung der jeweiligen Bogenleiteinrichtung eines Anlagedruckwerks und eines Folgedruckwerks einer Druckmaschine Baureihe Roland 700 sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu bzw. beruhe in Zusammenschau mit dem Stand der Technik nach der DE 40 39 311 C2 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die in Rede stehende Druckmaschine sei mit der jeweiligen Bogenleiteinrichtung vor dem Anmeldetag des Streitpatents an die Fa. B... AG in C... ausgeliefert und vom Kunden abgenommen worden (Juni/August 1993).

Zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung legt sie folgende Unterlagen vor:

Offenkundige Vorbenutzung "Anlagedruckwerk":

- Auszug aus Zeichnung 7 10K1375 38 "BOGENFÜHRUNGS-BLECH"

- Zeichnung 0 10D6737 "BOGENLEITBLECH"

- Ausdruck Maschinendaten vom 19. Februar 2004

- Eidesstattliche Erklärung eines Mitarbeiters der Einsprechenden Offenkundige Vorbenutzung "Folgedruckwerk"

- Auszug aus Zeichnung 7 10K1376 38 "BLASKASTEN über Druckzylinder ab M2"

- Zeichnung 10D6736 "BLASKASTEN"

- Schlüsselliste und Ersatzteilkatalog ROLAND 600 (jeweils 3 Seiten).

Im Recherche- und Prüfungsverfahren waren noch folgende weitere Druckschriften in Betracht gezogen worden:

- DE 40 39 311 A1 (entspricht der o. g. DE 40 39 311 C2)

- JP 59-153 124 U

- DE 43 26 835 A1

- DE 42 17 813 A1

- EP 0 246 100 A2

- DE 30 44 649 C2

- DE 43 18 777 A1.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat teilweise Erfolg durch eine Beschränkung des Patents.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Die Einsprechende meint, eine Kombination in uneingeschränkter Bedeutung dieses Wortes von Luftleitelement und Beblasungseinrichtung, wie sie im einzigen kennzeichnenden Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1 angegeben sei, sei weder im Streitpatent noch in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart. "Kombination" beinhalte nämlich sowohl die separate Anordnung von Luftleitelement und Blaseinrichtung als auch die bauliche Verbindung von beiden, wogegen in den streitpatentgemäßen Unterlagen allein die bauliche Verbindung in Form einer Ausstattung des Luftleitelements mit einer Beblasungseinrichtung offenbart sei. Der geltende Patentanspruch 1 umfasse somit eine von der erteilten Fassung und den Anmeldeunterlagen nicht abgedeckte Variante und sei daher nicht zulässig.

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Zwar ist der Begriff "Kombination" als solcher nur im Zusammenhang mit der (möglichen) Ausstattung des Luftleitelements mit Blasdüsen verwendet (Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 17-25; ursprüngliche Beschreibung Seite 3, Zeilen 19-27). Auf diese konkrete konstruktive Realisierung ist der Gegenstand des Streitpatents aber nicht beschränkt. Denn in der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass - eine Krafterzeugung als Zusatz möglich ist (Streit- patentschrift Spalte 1, Zeilen 49-51; ursprüngliche Be- schreibung Seite 2, Zeilen 15-17)

- eine wesentliche Weiterbildung des Erfindungsgegenstandes in der Verwendung zusätzlicher Beblasungselemente bestehe (Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 13-17; ursprüng- liche Beschreibung Seite 3, Zeilen 15-19).

In diesen Angaben ist die gegenseitige Anordnung von Luftleitelement und Blaseinrichtung völlig offengelassen und eine konkrete konstruktive Realisierungsform nicht zur Bedingung gemacht. Vielmehr wird deutlich, dass es lediglich auf die "Wirkungs-Einheit" von Luftleitblech und Blaseinrichtung ankommt. Die Bildung einer solchen "Wirkungs-Einheit" aus mehreren Komponenten bedeutet aber nichts anderes, als diese Komponenten miteinander zu kombinieren. Davon umfasst ist auch die Möglichkeit der separaten Anordnung, im vorliegenden Fall von Luftleitelement und Blaseinrichtung.

Unter dieser Voraussetzung ergibt sich die Merkmalskombination nach Patentanspruch 1 aus einer Zusammenfassung des erteilten Patentanspruchs 1 mit Angaben aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 1, Zeilen 49-51; Spalte 2, Zeilen 13-17) sowie auch aus einer Zusammenfassung der entsprechenden Teile der ursprünglichen Unterlagen (Patentanspruch 1, Beschreibung Seite 2, Zeilen 15-17; Seite 3, Zeilen 15-19).

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 14 stimmen sowohl mit den erteilten als auch mit den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 14 inhaltlich überein.

2. Das Patent betrifft eine Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage eines Bedruckstoffs in einer Druckmaschine. Im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der von der Einsprechenden geltend gemachten, von der Patentinhaberin zugestandenen offenkundigen Vorbenutzung "Anlagedruckwerk" angegeben.

Davon ausgehend sieht die Patentinhaberin das mit der Aufgabe formulierte technische Problem darin, eine optimale Luftbeaufschlagung für eine einwandfreie Auflage des Bedruckstoffs auf dem Gegendruckzylinder, insbesondere unmittelbar vor dem Druckspalt, zu erzielen.

Dieses Problem wird durch die Vorrichtung mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3. Die unbestritten gewerblich anwendbare Vorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist patentfähig gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik.

3.1 Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist neu.

Grafik Die erst in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den beschränkten geltenden Patentanspruch 1 vorgelegten Zeichnungen zur Vorbenutzung "Folgedruckwerk" stellen den Angaben der Einsprechenden zufolge das auf das Anlagedruckwerk der Bogenrotationsdruckmaschine Baureihe Roland 700 folgende Folgedruckwerk dar. Gemäß Zeichnungen 7 10K1376 38 und 10D6736 ist in dem von den Mantelflächen der Transfertrommel, dem Gegendruckzylinder und dem Gummituchzylinder begrenzten Raum ein Blaskasten angeordnet, der nach Aussage der Einsprechenden einen Blasluftstrom auf die Mantelfläche des Gegendruckzylinders zur Anlage des Bogens an dieselbe richtet und damit zur Erzielung einer einwandfreien Auflage auf dem Gegendruckzylinder durch Beaufschlagung mit einer Luftströmung dient. Der Blaskasten weist gemäß Zeichnung 7 10K1376 38 im Querschnitt eine Grundkontur auf, die einem ungleichschenkligen Dreieck entspricht, dessen Scheitel in etwa in Richtung auf den Spalt zwischen Transfertrommel und Gegendruckzylinder weist. Der längere der beiden Schenkel ist dem Gegendruckzylinder, der kürzere der Transfertrommel zugewandt. Die Kanten des dreieckförmigen Gebildes sind gerundet, wobei die Rundung am Scheitel einen verhältnismäßig großen Krümmungsradius aufweist. Aus der hier nicht dargestellten Ansicht Z der Zeichnung geht außerdem hervor, dass der Blaskasten sich über die Breite des Gegendruckzylinders erstreckt.

Die Einsprechende führt aus, dass der Blaskasten aufgrund seiner Gestalt, Position und Orientierung auch die Schleppströmung der Zylinder zum Aufbau eines "Druckkissens" nutze. Der Blaskasten erfülle somit ebenfalls die Funktion eines Luftleitelements im Sinne des Streitpatents. Der dem Gegendruckzylinder zugewandte Schenkel bilde dabei eine Fläche, so dass ein mit der Spitze zum Druckspalt reichender keilförmiger Raum entstehe. Der Blaskasten weise demnach alle Merkmale der Vorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 auf. Diese sei deshalb nicht mehr neu.

Die Patentinhaberin bestreitet die Vorbenutzung dieses Blaskastens als solche und außerdem dessen Funktion als Luftleitelement im Sinne des Streitpatents.

Auch der Senat vermag in dem dargestellten Blaskasten kein Luftleitelement im Sinne des Streitpatents zu sehen. Der Blaskasten hat gemäß vorgelegter Zeichnung 7 10K1376 38 sowohl zur Mantelfläche der Transfertrommel als auch zum Druckspalt einen verhältnismäßig großen Abstand. Zwar ist auch in der Figur 2 des Streitpatentes der besagte Abstand - wie die Einsprechende zutreffend vorbringt - verhältnismäßig groß. Die Einsprechende übersieht dabei allerdings, dass die Figuren 1-3 gemäß Streitpatentschrift ausdrücklich nur symbolische Darstellungen sein sollen (Streitpatentschrift Spalte 4, Zeilen 53, 54), während es sich bei der von ihr vorgelegten Darstellung um eine technische Zeichnung handelt, die immer auch maßstabgerecht ist. Zu dem somit in der Tat verhältnismäßig großen Abstand kommt hinzu, dass gerade die der Transfertrommel zugewandte, in Drehrichtung der Transfertrommel gesehen vorn liegende Kante des dreieckförmigen Blaskastens stark abgerundet ist. Dadurch entsteht ein sich in Richtung der der Transfertrommel zugeordneten Schleppströmung gesehen verengender Kanal, der nach Auffassung des Senats eher die Schleppströmung richtungsstabil beschleunigend als diese umlenkend wirkt. Noch größer ist der Abstand der zum Druckspalt weisenden Spitze des Blaskastens zum Druckspalt, so dass selbst im Falle einer Umlenkung der Schleppströmung oder eines Teils derselben der Luftstrom noch weit vor dem Druckspalt wieder entweichen kann. Der Blaskasten erscheint deshalb nicht geeignet, die durch Grenzschicht-Effekte bewirkte und daher mantelflächennahe Schleppströmung maßgeblich zu beeinflussen bzw. in nennenswerter Menge umzulenken. Die Funktion des Blaskastens als Luftleitelement im Sinne des Streitpatents hält der Senat deshalb für ausgeschlossen.

Demnach unterscheidet sich die Vorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 von dem Blaskasten gemäß besagter Zeichnung durch die Verwendung eines Luftleitelements. Selbst im Falle einer Vorbenutzung dieses Blaskastens kann dieser somit dem Gegenstand des Streitpatents die Neuheit nicht nehmen.

Die ebenfalls als offenkundige Vorbenutzung geltend gemachte Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Bogenauflage in dem dem oben beschriebenen Folgedruckwerk vorgeordneten Anlagedruckwerk vermag dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 die Neuheit schon deshalb nicht zu nehmen, weil (nach den Angaben der Einsprechenden) eine Beblasungseinrichtung fehlt.

Auch aus keiner der bereits im Recherche- bzw. im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften ist eine Vorrichtung mit allen im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere weist keine dieser Vorrichtungen ein Luftleitelement auf, das einen mit der Spitze zum Druckspalt reichenden keilförmigen Raum bildet und mit einer Beblasungseinrichtung kombiniert ist.

Mangelnde Neuheit gegenüber der Vorbenutzung "Anlagedruckwerk" bzw. gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik hat die Einsprechende auch nicht geltend gemacht.

3.2 Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Grafik Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinenhersteller mit der Entwicklung und Konstruktion von Bogenführungseinrichtungen für Bogenrotationsdruckmaschinen beauftragt ist und auf diesem Gebiet mehrjährige Berufserfahrung hat.

Die mit Einspruchschriftsatz vorgelegten Zeichnungen 7 10K1375 38 und 0 10D6737 zeigen nach Angaben der Einsprechenden das dem oben beschriebenen Folgedruckwerk vorgeordnete Anlagedruckwerk der besagten Druckmaschine. Anstelle des Blaskastens ist hier ein Bogenführungsblech vorgesehen (Zeichnung 7 10K1375 38), welches sich gemäß Zeichnung vom Bereich des Umfangs der Anlagetrommel bis weit in Richtung des Druckspalts und außerdem in der Breite des Gegendruckzylinders (hier nicht dargestellte Ansicht Z der Zeichnung) erstreckt. Die dem Bedruckstoff zugewandte Seite des Bogenführungsblechs ist flächenförmig ausgebildet ist. Aus der Zeichnung ersichtlich ist zwischen Gegendruckzylinder und Unterseite des Bogenführungsblechs ein keilförmiger Raum gebildet, dessen Spitze zum Druckspalt reicht. Nach den Angaben der Einsprechenden nutzt das Bogenführungsblech die Schleppströmung der rotierenden Zylinder zur Bildung eines "Druckkissens", welches eine einwandfreie Auflage des Bedruckstoffs auf dem Gegendruckzylinder bewirkt. Es bilde somit ein Luftleitelement im Sinne des Streitpatents. Damit zeige die Zeichnung eine Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage des Bedruckstoffs auf dem Gegendruckzylinder mit allen im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen.

Die Patentinhaberin gesteht die offenkundige Vorbenutzung der insoweit beschriebenen Vorrichtung ausdrücklich zu.

Grafik Die Einsprechende meint, da der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 sich nur durch die Kombination mit einer Beblasungseinrichtung von der vorbenutzten Bogenleiteinrichtung "Anlagedruckwerk" unterscheide, habe der Fachmann dieser nur eine an sich bekannte Blaseinrichtung hinzufügen müssen, um zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 zu kommen. Hierzu verweist sie auf die Druckschrift DE 40 39 311 C2, woraus eine Vorrichtung zur Bogenglättung am Gegendruckzylinder 3 in einer Bogenrotationsdruckmaschine bekannt ist. Eine Blasdüse 8 ist mit einem gewissen Abstand vor dem Druckspalt 5 gegen den Umfang des Gegendruckzylinders 3 gerichtet. Die Blasdüse erstreckt sich linienförmig über die Breite des Gegendruckzylinders, wobei sie eine mit der Spitze gegen die Laufrichtung des Bogens 1 gerichtete Pfeilform aufweist. Sie kann im Arbeitstakt der Maschine schwingend in Laufrichtung des Bogens vor- und zurückbewegt werden.

Nach Auffassung der Einsprechenden wird der von der vorbenutzten Vorrichtung ausgehende Fachmann diese ohne weiteres mit einer Blaseinrichtung kombinieren, wenn z. B. bei bestimmten Bedruckstoffarten das Luftleitelement zur Anlage an den Gegendruckzylinder allein nicht ausreicht. Hierzu bedürfe es nicht einer erfinderischen Tätigkeit, vielmehr seien derartige Verknüpfungen dem Fachmann im Rahmen seiner Alltagsarbeit zuzumuten.

Nach Überzeugung des Senats trifft diese Auffassung nicht zu. Vielmehr würde der Fachmann schon aus sachkundigen Erwägungen heraus von einer Verknüpfung beider Einrichtungen absehen. Denn der Druckaufbau erfolgt bei den beiden Einrichtungen nach unterschiedlichen Prinzipien und hat unterschiedliche, zumindest zum Teil gegenläufige Wirkungen. Bei der in den keilförmigen Raum geführten Schleppströmung wird ein über die Fläche des Bedruckstoffs gleichmäßig wirkender Druck erzeugt, der zum Druckspalt hin im Wesentlichen stetig zunimmt und den Bogen gegen die Transportrichtung gesehen auf den Gegendruckzylinder flächig "aufstreicht". Dadurch können gegebenenfalls zwischen Bogen und Gegendruckzylinder-Mantelfläche befindliche Lufteinschlüsse über die gesamte Breite von vorn nach hinten ausgestrichen werden. Eine Blaseinrichtung nach Art der DE 40 39 311 C2 bringt in ihrer momentanen Schwenkstellung dagegen eine - über die Breite des Bogens gesehen - linienförmige Druckkraft auf den Bogen auf. Eine solche "stört" jedoch die stetige Zunahme der flächigen Andruckkraft aus der Schleppströmung und macht deren Vorteile - insbesondere die gleichmäßige Verteilung über die Fläche - wieder zunichte. Eine Verknüpfung wird der Fachmann daher für kontraproduktiv halten.

Indiz für die Richtigkeit dieser Auffassung des Senats sind auch die von der Einsprechenden vorgelegten Zeichnungen. Denn danach hat der Fachmann in aufeinanderfolgenden Druckwerken derselben Druckmaschine ein Luftleitelement (Anlagedruckwerk) und eine Beblasungseinrichtung (Folgedruckwerk) jeweils getrennt für sich vorgesehen. Eine Kombination beider Einrichtungen ist diesen Zeichnungen zufolge gerade nicht vorgenommen worden. Unabhängig davon, ob die dargestellten Einrichtungen nun tatsächlich vorbenutzt wurden oder - in Form der vorgelegten Zeichnungen - nur firmenintern existent waren, zeigt sich daran die fachübliche Vorstellung des Fachmanns, Luftleitelement und Beblasungseinrichtung ausschließlich getrennt voneinander zum Einsatz zu bringen.

Mit der Kenntnis eines Luftleitelements nach Art der unbestrittenen Vorbenutzung "Anlagedruckwerk" und einer Blaseinrichtung nach Art der DE 40 39 311 C2 konnte der Fachmann somit nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 kommen.

Auch die von der Patentinhaberin bestrittene Vorbenutzung "Folgedruckwerk" kann nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 führen, da sie - wie oben zur Neuheit ausgeführt - nur eine reine Blaseinrichtung ohne Funktion eines Luftleitelements ist. Entsprechend führt sie auch in Verbindung mit dem unbestritten vorbenutzten Luftleitelement "Anlagedruckwerk" nicht weiter als die oben dargelegte Zusammenschau desselben mit der DE 40 39 311 C2.

Der übrige, im Recherche- und Prüfungsverfahren berücksichtigte, von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik liegt vom Gegenstand des Streitpatents weiter ab und vermag daher die beanspruchte Ausgestaltung ebenfalls nicht nahezulegen.

Aus alledem folgt, dass auch eine wie immer geartete Zusammenschau des aufgedeckten Standes der Technik einschließlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen keine Anregung zu der durch den geltenden Patentanspruch 1 gekennzeichneten konstruktiven Gestaltung zu geben vermag.

Schließlich hat der Senat auch kein Indiz dafür sehen können, dass die Lösung nach dem geltenden Patentanspruch 1 für den Fachmann bei im Rahmen herkömmlicher Arbeitsweise erfolgender Weiterbildung des in Betracht gezogenen Standes der Technik auffindbar gewesen wäre.

Mit der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.






BPatG:
Beschluss v. 20.11.2006
Az: 9 W (pat) 326/04


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