Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. Juli 1993
Aktenzeichen: 6 U 208/92
(OLG Köln: Urteil v. 23.07.1993, Az.: 6 U 208/92)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Oktober 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 81 O 188/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Beklagten wird auf 15.100,-- DM festgesetzt.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist
zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht das
Versäumnisurteil des LG Köln vom 16. Juni 1992 - 31 O 188/92 - mit
der Maßgabe aufrechterhalten, daß festgestellt wird, daß die
Beklagte der Klägerin zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der
der Klägerin dadurch entstanden ist, daß die Beklagte nach dem
13.07.1991 die im Tenor des angefochtenen Urteils näher
bezeichneten Produkte M.V., M.T., M.P. und M.T. in den Verkehr
gebracht, angeboten und/oder beworben hat oder in den Verkehr
bringen, anbieten und/oder bewerben wird.
Dieser Feststellungsanspruch der
Klägerin ist aus § 256 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 24, 15 WZG
begründet.
Gegen das vom Landgericht zutreffend
begründete Feststellungsinteresse der Klägerin hat die Beklagte
mit der Berufung keine Einwendungen erhoben. Insoweit wird auf die
Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils,
die sich der Senat zueigen macht, gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug
genommen.
Das Landgericht hat auch zu Recht den
Feststellungsantrag als begründet erachtet, weil die Klä-gerin
gemäß § 24 Abs. 2 WZG Ersatz ihres durch den Vertrieb der
widerrechtlich gekennzeichneten Produkte entstandenen Schadens
verlangen kann und erfahrungsgemäß eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Klägerin ein Schaden auch
tatsächlich entstanden ist oder noch entstehen wird.
Erstinstanzlich hatte die Beklagte hiergegen nur eingewendet, daß
ein Schadensersatzanspruch erst für die Zeit ab dem 13.07.1991, dem
Tag, an dem sie durch die Abmahnung von der
Warenzeicheninhaberschaft der Klägerin erfahren habe, in Betracht
käme. Diesem Einwand hat das erstinstanzliche Urteil Rechnung
getragen. In der Berufungsinstanz greift die Beklagte die von dem
Landgericht im erstinstanzlichen Urteil getroffenen Feststellungen
nicht an, sondern macht lediglich einredeweise geltend, daß die
Klägerin die vier streitgegenständlichen Warenzeichen selbst in
unredlicher Weise mit Behinderungsabsicht erworben habe.
Soweit die Beklagte zunächst
schriftsätzlich ihre Einrede auch damit begründet hatte, die
Herstellerfirma E. werde durch die Anmeldung der vier Warenzeichen
seitens der Klägerin behindert und habe deshalb einen
Löschungsanspruch aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 a WZG, hat die Klägerin in
der mündlichen Verhandlung vom 18.06.1993 klargestellt, daß sie
ihre Einrede nur darauf stützt, daß sie als Alleinvertreiberin der
streitgegenständlichen Produkte in der Bundesrepublik Deutschland
durch das Verhalten der Klägerin behindert werde. Darüber hinaus
hatte die Klägerin auch nicht vorgetragen, aus welchem Grund sie
berechtigt gewesen sein sollte, die Rechte der Herstellerfirma E.
geltend zu machen. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 a WZG nicht vor. Bedenken bestehen schon, ob in
dem Vertrag vom 23.06.1986 zwischen der Klägerin und der Firma E.
überhaupt ein Vertragsverhältnis im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 a
WZG zu sehen ist, durch das die Klägerin verpflichtet war, die
Interessen der Firma E. wahrzunehmen. Jedenfalls hat die Klägerin
ihre vier Warenzeichen nicht während des Bestehens eines solchen
Vertragsverhältnisses zwischen ihr und der Firma E. angemeldet.
Unstreitig hat sie die letzte Warenbestellung am 08.02.1990
aufgegeben, die von der Firma E. nicht mehr ausgeliefert wurde;
die Warenzeichen wurden jedoch erst von der Klägerin am 13.07.1990
angemeldet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten
kann sie ihre Einrede auch nicht auf die Verletzung eigener Rechte
stützen.
Die Geltendmachung von Verbotsrechten
aus einem eingetragenen Zeichen kann zwar aus Gründen des dem
formalen Zeichenrecht übergeordneten Wettbewerbsrechts unzulässig
sein, wenn der Zeicheninhaber schon durch den Erwerb des Zeichens
gegen die guten kaufmännischen Sitten verstoßen hat (§ 1 UWG, § 826
BGB) und die Ausnutzung der formalen Rechtsstellung, die dem
Zeicheninhaber durch die Eintragung des Zeichens verliehen worden
ist, als Rechtsmißbrauch anzusehen ist (BGH GRUR 1967, 490, 491 -
"P."). Ein solches rechtsmißbräuchliches Verhalten läge dann vor,
wenn die Klägerin ohne hinreichenden Grund die Anmeldung ihrer
Warenzeichen in Kenntnis des Umstands bewirkt hätte, daß die
Beklagte als Mitbewerberin für die gleiche, jedoch nicht
eingetragene Kennzeichnung einen wertvollen Besitzstand erworben
hat (BGH GRUR 1961, 413, 416 - "D."; BGH GRUR 1967, 490, 492 -
"P."). Zweifel bestehen schon, ob die Beklagte einen wertvollen
Besitzstand für die von ihr verwendete Kennzeichnung erworben hat.
Zwar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 18.06.1993
- unbestritten - vorgetragen, die Herstellerfirma E. habe die
Produkte mit den streitgegenständlichen Kennzeichnungen an sie
schon längere Zeit geliefert, bevor die Klägerin ihre
Warenzeichen angemeldet hätte; allein die Tatsache, daß die
Beklagte diese Produkte schon einige Zeit in der Bundesrepublik
Deutschland vertrieben hat, begründet jedoch noch keinen wertvollen
Besitzstand. Weitere Anhaltspunkte, wie Umsätze,
Werbeaufwendungen oder sonstige Umstände, die auf einen wertvollen
Besitzstand hinweisen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
Darüber hinaus hat die Klägerin die
Anmeldung ihrer Kennzeichen nicht ohne hinreichenden besonderen
Grund bewirkt. Eine solche Zeichenanmeldung bedeutet nur einen
Mißbrauch einer formalrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit und damit
einen Verstoß gegen die guten kaufmännischen Sitten, wenn dies mit
einer dem Warenzeichenrecht fremden und regelmäßig zu
mißbilligenden Zielsetzung geschieht (vgl. BGH GRUR 1967, 298 ff -
"M."; BGH GRUR 1980, 110, 111 - "T."; BGH GRUR 1984 210, 211 -
"A."). Unstreitig hat die Klägerin die aus der Bezeichnung "M."
abgeleiteten Bezeichnungen für die von der Firma E. hergestellten
Produkte in der Bundesrepublik eingeführt und dort bekannt
gemacht. Dar-über hinaus hat sie die Bezeichnung "M.P." selbst
geprägt und in der Bundesrepublik Deutschland für Produkte der
Firma E. verwendet. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der
Klägerin selbst bei der Annahme eines wertvollen Besitzstandes der
Beklagten nicht als sittenwidrig anzusehen, da es seinen Grund auch
in der Wahrung bestehender Rechte fände und die mögliche
Vernichtung des Besitzstandes der Beklagten sich lediglich als
Folge einer berechtigten Verteidigung der Klägerin darstellte. Die
Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß sie seit September
1989 von der Herstellerfirma E. nicht mehr beliefert worden sei,
obwohl ein entsprechender Vertrag zwischen ihr und der
Herstellerfirma bestanden hatte. Da die Firma E. gleichzeitig einen
Alleinvertriebsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hatte, war
der Klägerin die Möglichkeit genommen, ihre bisherige Tätigkeit
weiter auszuüben. Da sie erst danach die streitgegenständlichen
Warenzeichen anmeldete, um so ihren bisherigen Handel mit
quecksilberabsorbierenden Mitteln fortführen zu können, beruht die
Anmeldung ihrer Warenzeichen nicht auf einer dem Warenzeichenrecht
fremden und regelmäßig zu mißbilligenden Zielsetzung. Der Versuch
der Klä-gerin allein, ihrerseits der Herstellerfirma oder der
Beklagten zuvorzukommen, um die von ihr in der Bundesrepublik
Deutschland eingeführten Kennzeichnungen sicherzustellen und ihren
Geschäftsbetrieb fortführen zu können, stellt einen
wettbewerbsrechtlich zu respektierenden Beweggrund dar, so daß in
der Anmeldung der streitgegenständlichen Warenzeichen auch nicht
der Versuch einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Beklagten
gesehen werden kann (vgl. BGH GRUR 1967, 490, 491 - "P.").
Schließlich wird die Beklagte -
entgegen ihrer Auffassung - auch nicht dadurch im Sinne des § 1 UWG
unzulässig behindert, daß die Klägerin gegenüber der
Herstellerfirma E. einen Vertrags- und Vertrauensbruch begangen
habe. Hierbei kann es dahinstehen, ob sich die Beklagte überhaupt
auf das Vertragsverhältnis zwischen der Herstellerfirma E. und der
Klägerin, also ein Drittrecht, berufen kann, da die Klägerin
jedenfalls durch die Anmeldung ihrer Warenzeichen keinen
Vertragsbruch begangen hat. Nach dem Vertrag vom 23. Juni 1986 war
die Klägerin gegenüber der Firma E. zwar verpflichtet, die
"eigentumsrechtliche Information" vertraulich zu bewahren und das
mitgeteilte knowhow nicht für eigene Zwecke zu verwerten; dies
bezog sich jedoch nur auf die Kenntnisse über die Herstellungsart
der Produkte und über die in bestimmten Patentanmeldungen
enthaltenen Informationen. Diese Informationen hat die Klägerin
jedoch nach ihrem unbestrittenen Vortrag nicht verletzt, da sie
gleichartige Produkte nur unter Wahrung des Patentschutzes der
Firma E. selbst hergestellt hat. Hinsichtlich der Bezeichnungen,
die von dem Stammwort "M." abgeleitet sind, und über deren
Benutzung ist zwischen der Klägerin und der Firma E. keine
Vereinbarung getroffen worden.
Da der Beklagten somit insgesamt keine
Einrede gegen die zeichenrechtlichen Ansprüche der Klägerin
zustand, hat das Landgericht der Beklagten auch zu Recht die Kosten
gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO insoweit auferlegt, als der Rechtsstreit
hinsichtlich des Auskunftsanspruchs in erster Instanz in der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Ohne
Eintritt des erledigenden Ereignisses wäre die Beklagte ebenfalls
zur Auskunft verurteilt worden, da ihr auch gegenüber dem
Auskunftsanspruch die geltend gemachte Einrede nicht zustand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres
Unterliegens im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 23.07.1993
Az: 6 U 208/92
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