Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. September 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 46/01
(BPatG: Urteil v. 23.09.2003, Az.: 3 Ni 46/01)
Tenor
Das europäische Patent 0 485 483 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 6. August 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der österreichischen Patentanmeldungen AT 1882/89 vom 4. August 1989 und AT 2133/89 vom 12. September 1989 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 485 483 (Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 590 04 448 geführt wird. Das Streitpatent betrifft eine Wölbmechanik und umfasst in der erteilten Fassung 48 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet:
"1. Wölbmechanik mit einem Druckelemente und mehrere Querverbindungsorgane umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement sowie wenigstens einem an diesem angreifenden Zugelement und einer zugeordneten Spannvorrichtung dafür, dadurch gekennzeichnet, dass im oberen und unteren Bereich, vorzugsweise an einem Querverbindungsorgan (13, 13') des zu wölbenden Abschnittes des Gesamtdruckelementes ein oder mehrere in der und/oder parallel zur Mittelachse des Gesamtdruckelementes verlaufende vertikale Zug- oder Druckelemente (1, 1', 2, 2'), vorzugsweise Stab oder Seil, angreifen."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 48 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 48 sei nicht patentfähig, weil er nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf folgende Dokumente:
K2 EP 0 169 293 A1 K4 EP 0 006 840 A 1 K5 EP 0 322 535 A1 K6 DE 29 47 472 C2 K7 DE 28 04 703 A1.
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 485 483 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen;
hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung der Patentansprüche der Hilfsanträge 1 bis 3 in dieser Reihenfolge gemäß Schriftsatz vom 2. September 2003, weiter hilfsweise in der Fassung der Patentansprüche nach Hilfsantrag 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2003.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
1. Wölbmechanik, mit einem Druckelemente (1, 1') und mehrere Querverbindungsorgane (13, 13') umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement, mit wenigstens einem vertikalen Zugelement (2', 2''), welches durch einen Draht, einen Stab oder einen Bowdenzug gebildet ist, wobei das vertikale Zugelement in einem oberen und einem unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnittes des Gesamtdruckelementes angreift und parallel zu einer Mittelachse des Gesamtdruckelements verläuft, und mit einer dem wenigstens einen vertikalen Zugelement (2', 2'') zugeordneten Spannvorrichtung.
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 42 gemäß Hilfsantrag 1 wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 2. September 2003 eingereichte Anspruchsfassung verwiesen.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:
1. Wölbmechanik, mit einem Druckelemente (1, 1') und mehrere Querverbindungsorgane (13, 13') umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement, mit wenigstens einem Bowdenzug (2', 2'') als ein vertikales Zugelement, wobei der Bowdenzug (2', 2'') parallel zu einer Mittelachse des Gesamtdruckelements verläuft und in einem oberen und unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements angreift, und mit einer dem wenigstens einen Bowdenzug (2', 2'') zugeordneten Spannvorrichtung.
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 22 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 2. September 2003 eingereichte Anspruchsfassung verwiesen.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:
1. Wölbmechanik, mit einem Druckelemente (1, 1') und mehrere Querverbindungsorgane (13, 13') umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement, mit wenigstens einem Bowdenzug (2', 2'') als ein vertikales Zugelement, wobei der Bowdenzug (2', 2'') parallel zu einer Mittelachse des Gesamtdruckelements verläuft und in einem oberen und unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements angreift, wobei eine Hülse (2') des Bowdenzugs entweder an dem oberen oder unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements angreift, während ein in der Hülse verlaufender Draht (2'') des Bowdenzugs an dem entsprechenden anderen Bereich des zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements angreift, und mit einer dem wenigstens einen Bowdenzug (2', 2'') zugeordneten Spannvorrichtung.
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 3 wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 2. September 2003 eingereichte Anspruchsfassung verwiesen.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet wie folgt:
1. Wölbmechanik, mit einem Druckelemente (1, 1') und mehrere Querverbindungsorgane (13, 13') umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement, mit wenigstens einem Bowdenzug (2', 2'') als ein vertikales Zugelement, wobei der Bowdenzug (2', 2'') parallel zu einer Mittelachse des Gesamtdruckelements verläuft und in einem oberen und unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements angreift, wobei eine Hülse (2') des Bowdenzugs entweder an dem oberen oder unteren Bereich eines zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements befestigt ist, während ein in der Hülse verlaufender Draht (2' ') des Bowdenzugs an dem entsprechenden anderen Bereich des zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements befestigt ist, und mit einer dem wenigstens einen Bowdenzug (2', 2'') zugeordneten Spannvorrichtung.
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 4 wird auf die in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2003 eingereichte Anspruchsfassung verwiesen.
Sie tritt dem Vorbringen in der Sache entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG iVm Art 138 Abs 1 lit a, Art 52, 54, 56 EPÜ).
I 1. Das Streitpatent betrifft eine Wölbmechanik mit einem Druckelemente und mehrere Querverbindungsorgane umfassenden oder aus einem Stück bestehenden Gesamtdruckelement sowie wenigstens einem an diesem angreifenden Zugelement und einer zugeordneten Spannvorrichtung dafür. Nach den Angaben der Streitpatentschrift wird die Wölbmechanik für Rückenlehnen bei Fahrzeug-, Büro- oder Wohnmöbelsitzen bzw Sitzen aller Art, sowie für den Einsatz insbesondere bei medizinischen bzw. orthopädischen Geräten oder Vorrichtungen, bei Baugerüsten oder Verschalungen, zur Herstellung von Bootskörpern verwendet (StrPS Sp 1 Z 3-15). Die etwa aus der EP-A 169 293 bekannte Konstruktion unterstütze lediglich wenige Wirbel. Ein frei hängender oder in der Polsterung schwebender Einbau des Stützteiles in eine Lehne sei nicht möglich (StrPS Sp 1 Z 26-43). Bei einem in der DE-OS 34 40 846 beschriebenen Fahrersitz stehe die Lendenstützvorrichtung in direkter Verbindung mit dem Rahmen, wodurch alle Schwingungen des Fahrzeugs von der Straße voll auf den Rücken des Fahrers weitergeleitet würden (StrPS Sp 2 Z 2-14). Die bekannten Mechanismen ließen keine Anpassung an veränderte bzw. sich verändernde Wirbelsäulenkurven zu (StrPS Sp 2 Z 15-17). Eine optimale Wölbmechanik müsse daher in einer Weise differenziert wirken, dass sie zB bei Verwendung in einer Rückenlehne jede Rückenform geeignet abstützt, dh, mindestens dreifach und verschieden stark (StrPS Sp 2 Z 41-53). Eine einmal eingestellte und an die Wirbelsäulenform angepasste Wölbung dürfe auch bei vollem Andruck ihre eingestellte Form nicht mehr ändern, um eine vollständige Stützung unabhängig von der augenblicklichen Krümmung der Wirbelsäule des Benutzers zu garantieren (StrPS Sp 2 Z 54 - Sp 3 Z 2).
2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, die genannten Nachteile zu beseitigen und eine ergonomisch wölbbare und höhenverstellbare Wölbmechanik zu schaffen, welche ein breites Anwendungsspektrum zulässt und bei Verwendung als Lordosenstütze eine Mehrfach-, zumindest aber eine Dreifachstützung garantiert (StrPS Sp 3 Z 7-13).
3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung eine Wölbmechanik mit 1. mit einem Gesamtdruckelement, 1.1 das Druckelemente und mehrere Querverbindungsorgane umfaßtoder 1.2 das aus einem Stück besteht, 2. mit wenigstens einem an diesem angreifenden Zugelement und einer Spannvorrichtung dafür, 3. mit ein oder mehreren im oberen und unteren Bereich des Gesamtdruckelements angreifenden vertikalen Zug- oder Druckelementen, die in der und/oder parallel zur Mittelachse des Gesamtdruckelements verlaufen.
II 1. Der Gegenstand des Streitpatents stellt weder in der erteilten Fassung, noch in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen eine patentfähige Erfindung iSd § 1 bis § 5 PatG dar, denn er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Fachmann ist hier ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrung in der Konstruktion von Wölbmechaniken, ua solchen zur Verwendung bei Rückenlehnen von Sitzen, anzusehen.
Die streitpatentgemäße Wölbmechanik umfasst ein als Gesamtdruckelement bezeichnetes, flächiges Stützteil, das aufgrund seiner vertikalen Mittelachse im wesentlichen aufrecht angeordnet und quer zur Vertikalen verwölbbar ist. Es kann einstückig oder aus Druckelementen, beispielsweise Druckstäben, und quer dazu liegenden Querverbindungsmitteln, beispielsweise Querstäben, aufgebaut sein, wobei die Druckelemente die quer zu ihrer Längserstreckung zu verwölbenden Elemente bilden. Zum Zwecke der Wölbung des Gesamtdruckelements greifen am oberen und unteren Bereich Zug- oder Druckelemente - beispielsweise Stäbe oder Seile - an, die parallel zur Mittelachse des Stützteils, also vertikal verlaufen und mit einer Spannvorrichtung gekoppelt sind. Bei den Druckelementen zur Erzeugung einer Wölbung handelt es sich - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - nicht um die im Anspruch ebenso bezeichneten Bauteile des Gesamtdruckelements, sondern um den Zugelementen äquivalente Mittel, die vertikal und drückend auf die oberen und unteren Bereiche des Gesamtdruckelements einwirken.
2. Die Wölbmechanik nach dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents beruht gegenüber dem Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 04 703 und der europäischen Offenlegungsschrift 0 006 840 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die deutsche Offenlegungsschrift 28 04 703 beschreibt eine Höhen- und Wölbverstellvorrichtung für eine Rückenlehne mit einer dem Gesamtdruckelement gemäß Streitpatent in der einstückigen Ausführung entsprechenden elastischen Platte (1), der eine vertikale Mittelachse zugeordnet werden kann, und deren dem oberen und dem unteren Bereich der Platte zuzuordnende Kanten zwischen oberen (2) und unteren (3) Laschen eingespannt sind, wobei der Abstand der Laschen zur Erzielung einer horizontalen Verwölbung der Platte mittels eines Bowdenzugs (S 6 Z 10, 11) verstellbar ist (Patentanspruch 1 iVm Fig 1 u 2). Der Mantel (11) des Bowdenzugs ist an einer mit der unteren Lasche (3) fest verbundenen, vertikal verlaufenden Führungsschiene (5) fixiert und die Drahtseele (12) des Bowdenzugs ist mit ihrem oberen Ende an der Lasche (2) am oberen Ende einer mit ihr verbundenen, in der vertikalen Führungsschiene (5) längsverschieblichen Führungsschiene (4) befestigt. Mit einer am anderen Ende des Bowdenzugs angeordneten, eine Spannvorrichtung im Sinne des Streitpatents bildenden Drehgriffanordnung (6, 13, 14, 16) kann der obere Abschnitt der Drahtseele gegenüber dem oberen Ende des Mantels, also der Abstand zwischen oberer und unterer Lasche verkürzt oder verlängert und damit die Verwölbung der Platte vergrößert oder verkleinert werden (S 6 Z 10 bis 33 iVm S 5 Z 23 bis 28). Der Fachmann erkennt in der oberen Lasche (2) mit der senkrechten Führungsschiene (4) und in der unteren Lasche (3) mit der senkrechten Führungsschiene (5) vertikal verlaufende Druckelemente, da die Laschen beim Spannen des Bowdenzugs auf die Kanten der Platte eine vertikale Druckkraft ausüben. Ebenso erkennt der Fachmann in dem Bowdenzug zugleich ein vertikales Zugelement, das an oberen und unteren Bereichen der Platte - hier mittelbar - angreift.
Soweit der Patentgegenstand in der Ausführungsvariante mit einem einstückigen Gesamtdruckelement sich von der bekannten Wölbmechanik noch darin unterscheidet, dass Zug- und Druckelemente nicht zugleich zur Anwendung kommen, liegt darin jedenfalls keine erfinderische Tätigkeit. Der Fachmann erkennt beim Studium der entgegengehaltenen Druckschrift nämlich ohne weiteres, dass die Laschen samt Führungsschienen in Verbindung mit einer Grundplatte (6) und einem an dieser gelagertem Kipphebel (10) dem Zweck dienen, die Höhenlage der Platte (1) ohne Änderung der Wölbung verstellen zu können (S 5 Z 30 bis S 6 Z 8). Er erkennt darüber hinaus, dass die Laschenkonzeption den Vorteil bietet, an der Platte selbst keine Befestigungsstellen für die Zug- oder Druckelemente vorsehen zu müssen. Will er von den Vorteilen des Laschenkonzeptes jedoch keinen Gebrauch machen, liegt es für ihn nahe, die Druckelemente wegfallen zu lassen und für die Verwölbung der Platte ausschließlich den als Zugelement eingesetzten Bowdenzug anzuwenden, indem er die Enden von Drahtseele und Mantel zweckentsprechend an einem oberen Bereich und an einem unteren Bereich der Platte fixiert.
Die zweite im Patentanspruch 1 beanspruchte Ausführungsform unterscheidet sich von der bekannten Wölbmechanik durch das aus vertikalen Druckelementen und horizontalen Querverbindungsorganen gebildete Stützteil bzw Gesamtdruckelement. Dieser Unterschied kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da der Stand der Technik bereits gitterförmige und plattenförmige Stützelemente für Sitzlehnen als Aternativen aufzeigt (vgl die europäische Offenlegungsschrift 0 006 840 Fig 1 und Fig 29) und es somit im Belieben des Fachmannes steht, der Platte bei der Wölbmechanik nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 04 703 eine platten- oder gitterförmige Stützstruktur zu geben.
3. Die Wölbmechanik gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents dadurch, dass die Zugelemente durch einen Draht, einen Stab oder einen Bowdenzug gebildet sind und die Alternative mit Druckelementen entfallen ist. Auch die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie vorstehend ausgeführt, kommt bei der Wölbmechanik nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 04 703 schon ein Bowdenzug mit einer Drahtseele als Zugelement zum Einsatz. Es liegt im Griffbereich des Fachmannes, neben Bowdenzügen einfachere, dem Grundwissen des Fachmannes zuzurechnende, zugkraftübertragende Elemente, wie Drähte oder Stäbe, zu verwenden, wenn diese zB eine wirtschaftliche Lösung erwarten lassen oder sonstige konstruktive Vorgaben dies erfordern.
4. Die Wölbmechanik gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag1 durch Beschränkung der Zugelemente auf einen Bowdenzug. Die Lehre gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist schon von der Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst und ist daher ebenfalls nicht patentfähig.
5. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 durch Merkmale, die die Anbindung des Bowdenzugs am Gesamtdruckelement betreffen. Diese Merkmale können keine erfinderische Tätigkeit begründen, da die Hülse des Bowdenzugs entweder an dem oberen oder unteren Bereich des zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements, und der in der Hülse verlaufende Draht des Bowdenzugs an dem entsprechenden anderen Bereich des zu wölbenden Abschnitts des Gesamtdruckelements zumindest mittelbar angreifen müssen, wenn die angestrebte Wölbung durch einen Bowdenzug bewirkt werden soll. Auch der aus der deutschen Offenlegungsschrift 28 04 703 bekannte Bowdenzug ist in entsprechender Weise an der Stützplatte befestigt, weil man, wie der Fachmann unschwer erkennt, die Laschen wegen ihrer ortsfesten Lage gegenüber der Platte gedanklich den oberen und unteren Bereichen dieser Platte zurechnen kann. Die Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 beruht daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 durch Änderung der zweimal vorkommenden Worte "angreift" durch die Wortfolge "befestigt ist". Für den Fachmann, der in dem Begriff "angreift" im gegebenen Sinnzusammenhang bereits auch eine Befestigung mitliest, ergibt sich durch die Wortänderung kein neuer Sachverhalt, so dass die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit nicht anders als der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 zu beurteilen ist.
7. Weder konnte der Senat feststellen noch hat die Beklagte geltend gemacht, dass in den Ansprüchen 2 bis 13 nach Hilfsantrag 4 die erfinderische Tätigkeit begründende Merkmale enthalten sind.
Eine teilweise Versteifung eines Stützelements, zB gemäß Anspruch 2, wird der Fachmann stets vornehmen, wenn er einen Bedarf dafür erkennt und Aufwendungen für eine Neukonstruktion vermieden werden sollen. Die Gestaltung des Gesamtdruckelements als Wölbplatte (Ansprüche 3 und 4) ist bereits aus der nächstkommenden Entgegenhaltung (DE-OS 28 04 703) bekannt. Die Aufzählung einer großen Zahl von Abwandlungen einer Plattengestaltung hinsichtlich ihres Biegeverhaltens (Anspruch 4) begründet keine erfinderische Tätigkeit, weil derartig allgemeine Variationen dem Grundwissen des Fachmanns zuzurechnen sind. Die Verwendung eines Spannschlosses (Anspruch 5), das über ein Handrad betätigbar ist (Anspruch 6) offenbart ebenfalls schon die DE-OS 28 04 703. Das Spannschloss ist hier durch einen Gewindestift (13) mit Gegengewinde im Drehgriff (14) realisiert (S 6 Z 15-25). Die unterschiedlichen Möglichkeiten, Spannschlösser selbstsperrend, einrastbar, mit Federkraft (Anspruch 6) oder stufenlos verstellbar, selbsthemmend oder mit definierten Endstellungen (Anspruch 9) zu betreiben, sind dem Fachmann geläufig. Die bekannte Verwendung eines Bowdenzugs (DE-OS 28 04 703) erlaubt aufgrund der Biegeelastizität seiner Zugelemente ersichtlich auch die Anordnung des Spannschlosses an mehr oder weniger beliebiger Stelle der Vorrichtung (Anspruch 10). Die Maßnahmen gemäß Anspruch 7 sind schon als an sich bekannt gekennzeichnet. Die Merkmale des Anspruchs 8 sind im Kern darauf gerichtet, das Druckelement, gemeint ist das Gesamtdruckelement, über Gleitelemente an im wesentlichen vertikalen Führungselementen (zB Drähten oder Schienen) einer übergeordneten Rahmenkonstruktion während der Verwölbung gleitbeweglich zu führen (StrPS Fig 21 iVm Sp 8 Z 47 - Sp 10 Z 40). Führungsmaßnahmen dieser Art liegen im Griffbereich des Fachmannes, wenn bestimmte Positionen eines in sich beweglichen Elements in einer übergeordneten Konstruktion eingehalten werden sollen. Die Ausführung von Konstruktionen in Modulbauweise (Anspruch 11) und ihre Verbindung mit geeigneten Mitteln (Anspruch 12) gehören zum fachmännischen Grundwissen und können ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Da keiner der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 12 ein Merkmal enthält, das eine erfinderische Tätigkeit begründen kann, beruht auch eine beliebige Vorrichtung nach Patentanspruch 13, die mit einer Wölbmechanik nach einem dieser Ansprüche ausgerüstet ist, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 23.09.2003
Az: 3 Ni 46/01
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