Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 28/01
(BPatG: Beschluss v. 21.01.2003, Az.: 27 W (pat) 28/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke POPOLINO WINDELMAUS für "Webstoffe und Textilwaren (soweit in Klasse 24 enthalten), Bett- und Tischwäsche, Decken; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen insbesondere für Kleinkinder, Windeln aus natürlichen und synthetischen Textilfasern; Spielzeug, Spiele, Turn- und Sportgeräte" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren IR-Marke 563 695 POCOLINO, eingetragen unter anderem für "vêtements pour bebe".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Selbst bei der Anlegung strengster Maßstäbe hielten die Marken den erforderlichen Abstand ein, um Verwechslungen zu vermeiden. Trotz gewisser Übereinstimmungen der Marken in den Bestandteilen "POPOLINO" bzw. "POCOLINO" unterscheide sich die angegriffene Marke aufgrund des weiteren Markenworts "WINDELMAUS" im Gesamteindruck deutlich von der Widerspruchsmarke. Beide Bestandteile bildeten einen einheitlichen, fantasievollen Gesamtbegriff, den zu trennen die angesprochenen Verbraucher keinerlei Veranlassung hätten. Optisch und klanglich weiche die angegriffene Marke insgesamt aber so klar und deutlich von der Widerspruchsmarke ab, dass dem Publikum auch bei nur flüchtiger Wahrnehmung eine hinreichend sichere Abgrenzung der beiden Kennzeichnungen möglich sei. Eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken bestehe daher nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt.
Ihrer Auffassung nach besteht angesichts der Identität eines Großteils der beiderseitigen Waren und der Ähnlichkeit der Marken eine hochgradige Verwechslungsgefahr. Der Abstand zwischen der Widerspruchsmarke "POCOLINO" und der jüngeren Marke, welche die Widersprechende als durch den Bestandteil "POPOLINO" geprägt ansieht, sei nicht ausreichend. Gegenüber dem allein phantasievollen Markenbestandteil "POPOLINO" werde der weitere Bestandteil "WINDELMAUS" vom Verkehr als bloße Beschreibung für ein Kind, das Windeln trage, bei der Benennung außer Acht gelassen, so dass sich die nahezu identischen Markenwörter "POPOLINO" und "POCOLINO" gegenüber stünden. Sie weist darauf hin, dass der Markeninhaber wiederholt versucht habe, sich an den guten Ruf der Marke "POCOLINO", der sie einen hohen Bekanntheitsgrad beimisst, anzuhängen, was schon frühere ähnlich lautende Markenanmeldungen zeigten, die der Markeninhaber auf ihren Widerspruch hin zurückgenommen habe. Darüber hinaus sei eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil der Verkehr die angegriffene Marke aufgrund ihres Bestandteils "POPOLINO" als Serienmarke aus dem Unternehmen der Widersprechenden auffasse oder annehme, die Marken stammten aus wirtschaftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke, tritt der Ansicht der Widersprechenden entgegen und verweist auf zahlreiche Kinderartikel mit Bezeichnungen wie "PALOMINO", "POCOLINO", "TOPOLINO" oder "PAMPOLINA", was den Verkehr zum genaueren Beachten der Unterschiede veranlasse. Seiner Auffassung sei es nicht gerechtfertigt, die aus zwei Wörtern gebildete Marke auf das erste Wort zu verkürzen, denn diese Marke stelle ein untrennbares Ganzes dar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben ist.
Wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, besteht selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe, wie sie bei identischen Waren geboten sind, keine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken.
Soweit die Widersprechende geltend macht, dass die ältere Marke in der jüngeren Marke weitgehend gleichlautend enthalten sei, verkennt sie, dass nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr grundsätzlich unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehenden Zeichen allein auf ihren Gesamteindruck abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. - RAUSCH/ELFI RAUCH). In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Marken aber schon deshalb, weil die Widerspruchsmarke den zusätzlichen Bestandteil "WINDELMAUS" der jüngeren Marke nicht enthält.
Die Beurteilung anhand des Gesamteindrucks schließt zwar nicht aus, dass einem einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen ist, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, dass sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl. BGH, a.a.O., S. 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Für eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil "POPOLINO" sind hier aber keine Anhaltspunkte erkennbar.
Im Gegensatz zur Ansicht der Widersprechenden ergeben die beiden Bestandteile der jüngeren Marke einen einheitlichen Gesamtbegriff, zu dem beide Wörter gleichermaßen beitragen. Keines der Markenwörter ist als üblich oder rein beschreibend anzusehen, wenngleich, wie der Inhaber der angegriffenen Marke zu Recht anmerkt, nicht nur "WINDELMAUS", sondern auch "POPOLINO" deutliche Assoziationen zu Gegenstand und Inhalt der von ihm angebotenen Waren nahe legt. Der Auffassung der Widersprechenden, "POPOLINO" sei der eigentlich phantasievolle Bestandteil, während der Verkehr dem Bestandteil "WINDELMAUS" als gängiger Bezeichnung für ein kleines Kind, das Windeln trage, kein für die Kennzeichnung beachtliches Gewicht beimesse, vermag der Senat nicht zu folgen. Auch wenn der Ausdruck "Maus" ein beliebter Kosename ist, entsteht durch die Kombination mit dem Begriff "WINDEL" doch eine keineswegs alltägliche individuelle Bezeichnung, die der Verkehr in der Regel als besonders liebenswert empfindet und die er sich daher ebenso einprägt wie das Wortelement "POPOLINO". Das gilt um so mehr, als auch "POPOLINO" aus einer Kose- bzw Verniedlichungsform besteht, die von ihrem Sinngehalt her auf ein Kleinkind bezogen ist, das Windeln trägt.
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht auch keine Gefahr, daß die angegriffene Marke aufgrund ihres Bestandteils "POPOLINO" mit der Widerspruchsmarke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs 2 MarkenG gedanklich in Verbindung gebracht wird. Diese Art der Verwechslungsgefahr kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden, um nicht über die Alternative der gedanklichen Verbindung zu der Gewährung eines Elementenschutzes zu kommen, der im Ergebnis eine Umgehung des Grundsatzes der Beurteilung der Marken nach ihrem Gesamteindruck bedeuten würde (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rdn. 212). Vor allem ist zu berücksichtigen, daß die gedankliche Zuordnung einer Marke zu dem Geschäftsbetriebs des Inhabers einer anderen Marke aufgrund eines gemeinsamen Bestandteils schon eine größere Aufmerksamkeit des Verkehrs und eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Marken erfordert. Verwechslungen sind daher im allgemeinen nur bei einem identischen oder wesensgleichen Bestandteil zu befürchten, sofern noch weitere Umstände hinzukommen, wie die Gewöhnung des Verkehrs an eine Markenserie oder eine erhöhte Verkehrsgeltung der in die jüngere Marke als Bestandteil übernommenen älteren Marke (stRspr., vgl. Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn. 212, 213). Im vorliegenden Fall fehlt es schon an der Voraussetzung der Wesensgleichheit, weil der Bestandteil "POPOLINO" der jüngeren Marke in Verbindung mit Babykleidung und Windeln einen für den aufmerksameren Verbraucher deutlich anklingenden signifikanten Begriffsgehalt besitzt, der ihm aus der Widerspruchsmarke "PICOLINO" nicht bekannt ist. Die Widersprechende hat auch keine Tatsachen vorgetragen, die für eine infolge langjähriger umfangreicher Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marke "PICOLINO" oder das Vorliegen einer Zeichenserie mit dem Bestandteil "PICOLINO" sprechen könnten, so daß möglicherweise trotz des Begriffsunterschieds von "POPOLINO" eine irrtümliche Zuordnung der angegriffenen Marke zu ihrem Geschäftsbetrieb nicht auszuschließen wäre.
Erst recht ist nicht zu erkennen, deshalb der Verkehr zu der Annahme organisatorischer oder wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Unternehmen der Inhaber der Vergleichsmarke kommen sollte, denn auch diese Art der Verwechslungsgefahr kommt nur unter besonders strengen Voraussetzungen in Betracht, wie etwa der Übernahme eines bekannten Unternehmenskennzeichens in die jüngere Marke (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 228).
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Na
BPatG:
Beschluss v. 21.01.2003
Az: 27 W (pat) 28/01
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