Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 37/02
(BPatG: Beschluss v. 06.11.2003, Az.: 23 W (pat) 37/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Dezember 2001 aufgehoben und das Patent 199 04 327 mit folgenden Unterlagen erteilt:
Ansprüche 1 bis 4, Beschreibungsseiten 1 bis 7 und Zeichnung, Figuren 1 bis 3, sämtliche Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2003.
Anmeldetag: 28. Januar 1999 Bezeichnung: Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten mit Bauteilen.
Gründe
I Die Patentanmeldung 199 04 327.2-34 wurde unter der Bezeichnung "Verfahren zur Plazierung von Bauteilen auf Leiterplatten" am 28. Januar 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K hat die Anmeldung in dem Anhörungstermin vom 12. Dezember 2001 durch Beschluss zurückgewiesen, weil das Verfahren gemäß dem weiterverfolgten Patentanspruch 1 vom 27. Juni 2000 im Hinblick auf die Entgegenhaltungen 1) US-Patentschrift 5 235 407 und 2) japanische Offenlegungsschrift 9-61 116 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am 6. November 2003 hat der Senat noch auf die 2a) vom japanischen Patentamt im Internet zur Verfügung gestellte englischsprachige, maschinelle Übersetzung der Entgegenhaltung 2)
hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2003 hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 4 mit angepasster Beschreibung und Zeichnung überreicht und die Auffassung vertreten, dass dem Verfahren gemäß dem neugefassten Patentanspruch 1 der im Prüfungsverfahren ermittelte Stand der Technik auch bei Einbeziehung der Übersetzung gemäß 2a) nicht patenthindernd entgegenstehe.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Dezember 2001 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibungsseiten 1 bis 7 und Zeichnung, Figuren 1 bis 3, sämtliche Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2003.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten (LP) mit Bauteilen (B), bei dem das von einer Kamera (1) aufgenommene Bild eines Teilbereiches (T) einer Leiterplatte (LP) auf einem Monitor (6) wiedergegeben wird, wobei auf dem Teilbereich (T) ein Bauteil (B) unter Ausrichtung der Anschlußelemente (11) des Bauteiles (B) zu den Kontaktpads (10) des Teilbereiches (T) zu plazieren ist, dadurch gekennzeichnet, daß in dem von der Kamera (1) wiedergegebenen Bild des Teilbereiches (T) als eine künstliche Markierung (R) von einem Rechner die Mittellinien (M1, M2) des Teilbereiches (T) und die Mittellinien (m1, m2) des in das Bild geschobenen Bauteiles (B) erzeugt und zur Plazierung des Bauteiles (B) Deckung gebracht werden."
Zu den Unteransprüchen 2 bis 4 und bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde hat auch Erfolg, weil nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung das Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 sich als patentfähig erweist.
1) Ausweislich der geltenden Beschreibung betrifft die vorliegende Erfindung ein Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten mit Bauteilen gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, wie es aus der Entgegenhaltung 1) bekannt ist, vergleiche geltende Beschreibung Seite 1, Absatz 1. Dort wird die Leiterpad-Matrix auf der Leiterplatte abgebildet und die Bauteile werden mittels eines Monitors (viewing station 70) derart ausgerichtet, dass in dem mittels eines geteilten und verstellbaren Spiegels (adjustable, split reflecting member 42) erzeugten Bild zwei diagonal entgegengesetzte Ecken des Bauteils (IC device 17) und die zugehörigen überstehenden Anschlusselemente (IC device leads 46) und die entsprechenden Leiterpads (bonding pad matrix (placement site 16)) abgebildet und sodann beim Plazieren zur Deckung gebracht werden, vergleiche dort Figuren 4 bis 7 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 9, Absatz 2 bis Spalte 13, Absatz 1.
Dieses bekannte Verfahren ist wegen des geteilten Spiegels (42) aufwendig und darüber hinaus für die Bestückung von Leiterplatten mit BGA-Bauteilen (BGA = Ball Grid Array) ungeeignet, da deren Anschlusselemente in Form von Lotkügelchen auf der Bauteil-Unterseite beim Plazieren von dem Bauteil selbst verdeckt werden.
Weiter geht ausweislich der geltenden Beschreibung die vorliegende Erfindung von einem Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten gemäß dem Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 aus, wie es in der älteren, nachveröffentlichten Anmeldung DE 198 26 555.7 der Anmelderin beschrieben ist, im Folgenden als Entgegenhaltung 3) bezeichnet, vergleiche geltende Beschreibung Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, 2. Absatz. Bei diesem Verfahren werden Videoaufnahmen des zu platzierenden Mikro-BGA-Bauteils (8) sowie von Teilbereichen der Leiterplatte (Kontaktpad-Reihen 10'-1 bis 10'-3) unterhalb des Bauteils von zwei, um 180¡ verschwenkten Positionen der Videokamera (1) aus einem zur Leiterplattenebene schräggestellten Winkel (= 45¡) vorgenommen, vergleiche dort Figuren 1 bis 3 in Verbindung mit zugehöriger Beschreibung.
Aufgrund der Videoaufnahme des Positionierungsvorganges aus einem schräggestellten Winkel können sich Abbildungsfehler mit entsprechenden Positionierungsungenauigkeiten ergeben, wenn sich z.B. der schräggestellte Winkel zwischen Drehachse und der Aufnahmerichtung der Videokamera ändert. Schließlich sieht es die Anmelderin als nachteilig an, dass die von den beiden Positionen nacheinander aufgenommenen Bilder gleichzeitig projiziert und vom Anwender beim Verschieben des zu plazierenden Bauteils fortlaufend auf Übereinstimmung verglichen werden müssen, vergleiche geltende Beschreibung Seite 2, Absatz 2.
Daher liegt der vorliegenden Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein vergleichsweise einfaches Verfahren zum Plazieren von Bauteilen auf einer Leiterplatte anzugeben, vergleiche geltende Beschreibung Seite 2, vorletzter Absatz.
Die Lösung dieses Problems ist im einzelnen im geltenden Anspruch 1 angegeben.
Dabei kommt es wesentlich darauf an, daß in das von der Videokamera aufgenommene und auf einem Monitor dargestellte Bild von einem Teilbereich einer Leiterplatte zusammen mit dem zu plazierenden Bauteil zusätzlich auf dem Monitor als künstliche Markierungen von einem Rechner die Mittellinien (M1, M2) des Teilbereiches (T) der Leiterplatte und die Mittelinien (m1, m2) des in das Bild geschobenen Bauteiles (B) erzeugt und zur Plazierung des Bauteiles zur Deckung gebracht werden. Vorteilhaft dabei ist, dass sich dadurch ein besonders einfaches, von der Größe der Bauteile unabhängiges Positionierungsverfahren zum Bestücken von Leiterplatten ergibt (geltende Beschreibung S 3 Abs 2).
2) Die geltenden Patentansprüche 1 bis 4 sind zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 3 und 5 in Verbindung mit dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1, 2A und 3 mit zugehöriger Beschreibung zurück, wobei die künstlich erzeugten Markierungen auf Seite 3, Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung als zur Erfindung gehörend offenbart sind.
Der geltende Anspruch 2 findet seine inhaltliche Stütze im ersten Teilmerkmal des ursprünglichen Anspruchs 4.
Die Merkmale des geltenden Anspruchs 3 bzw 4 sind in der ursprünglichen Beschreibung Seite 4, vorletzter Absatz bzw Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, 1. Absatz offenbart.
3) Das Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten mit Bauteilen gemäß dem verteidigten Anspruch 1 ist gegenüber demjenigen nach der Entgegenhaltung 1) und gegenüber demjenigen gemäß der nachveröffentlichten, älteren Anmeldung entsprechend der Entgegenhaltung 3) deshalb neu, weil gemäß den beiden Schriften keine künstlichen Markierungen von einem Rechner in dem von der Kamera wiedergegebenen Bild erzeugt und zur Plazierung des Bauteiles herangezogen werden.
Das Verfahren gemäß der Entgegenhaltung 2) betrifft ein Kontrollverfahren für bereits bestückte Leiterplatten und nicht ein Verfahren zum Bestücken von Leiterplatten so dass das Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 gegenüber demjenigen gemäß der Entgegenhaltung 2) schon deshalb neu ist, vergleiche das Abstract sowie die englischsprachige Übersetzung der Entgegenhaltung 2), insbesondere Abschnitt [0001] und [0036].
4) Das zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Verfahren gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns - hier ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Bestückungsverfahren von Bauteilen auf Leiterplatten befasster Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss.
Bei dem Kontrollverfahren gemäß der Entgegenhaltung 2) werden zwar künstliche Markierungen 126A und 126B in das auf einem Monitor (display 101) dargestellte Bild eines Teilbereichs der Leiterplatte (printed wiring board 11) mit einem Bauteil (predetermined electronic parts 21) erzeugt, die kreuzförmig oder L-förmig sind und deren Schenkellängen den Seitenlängen des zu kontrollierenden Bauteils (21) angepasst sind, vergleiche in der englischsprachigen Übersetzung 2a) insbesondere Ansprüche 1 bis 5 in Verbindung mit den Figuren 3 bis 5 mit zugehöriger Beschreibung.
Die kreuzförmigen bzw L-förmigen künstlichen Markierungen (126A und 126B) entsprechen in ihren Kreuzungs- bzw in ihren Eckpunkten der Sollposition einer ausgewählten Ecke (criteria part 21A) des zu untersuchenden Bauteils (21), so dass mit der Abbildung des Bauteils (21) und der künstlich erzeugten, der Sollposition entsprechenden Markierung (126 A und 126B) festgestellt werden kann, ob ein Bauteil (21) korrekt oder abweichend von seiner Sollposition positioniert worden ist, vergleiche dort die Beschreibung gemäß 2a) Abschnitt [0015], [0036] und [0037].
Diese letztgenannte Druckschrift enthält jedoch keinen Hinweis darauf, von einem Rechner zwei künstliche Markierungen in dem Bild des Teilbereichs und des Bauteils zu erzeugen, die einerseits den Mittellinien (M1, M2) des Teilbereichs der Leiterplatte, auf dem das Bauteil plaziert werden soll und andererseits den Mittellinien (m1, m2) des in das Bild geschobenen Bauteils entsprechen, und diese Mittellinien dann zur Plazierung des Bauteils zur Deckung zu bringen, um so ein von der Größe der Bauteile unabhängiges Positionierungs- und Bestückungsverfahren zu schaffen.
Weil auch das Verfahren gemäß der Entgegenhaltung 1) überhaupt keine künstlichen Markierungen von einem Rechner zur Positionierung vorsieht, beruht das Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
5) Die Unteransprüche 2 bis 4 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1. Deren Patentfähigkeit wird von derjenigen des Hauptanspruchs mitgetragen.
6) Die Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen, weil diese den Stand der Technik angibt, von dem die Erfindung ausgeht, und die Erfindung anhand der Figuren ausreichend erläutert.
Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Lokys Be
BPatG:
Beschluss v. 06.11.2003
Az: 23 W (pat) 37/02
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