Verwaltungsgericht Stuttgart:
Beschluss vom 12. März 2002
Aktenzeichen: A 5 K 11182/98
(VG Stuttgart: Beschluss v. 12.03.2002, Az.: A 5 K 11182/98)
Die für die Beratungshilfe in einem Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren dürfen nicht auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren anteilig angerechnet werden.
Tenor
Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.11.2000 (A 5 K 11182/98) geändert. Die Beklagte hat den Klägern weitere 276,00 DM (= 141,12 ¤) zu erstatten nebst Zinsen in Höhe von 4 % für die Zeit vom 28.11.2000 bis 30.09.2001 und ab 01.10.2001 in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 (BGBl. I S. 1242).
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Erinnerungsverfahrens.
Gründe
Die nach §§ 165, 151 VwGO zulässige Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Kläger ist begründet. Der Urkundsbeamte hat im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Unrecht die Hälfte der Gebühren der Beratungshilfe auf die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten angerechnet. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat mit Antrag vom 02.04.1998 beim Amtsgericht XXX Gebühren für Beratungshilfe in Höhe von jeweils 110,00 DM je Kläger (= 440,00 DM) nebst Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (40,00 DM) und 15 % Umsatzsteuer aus 480,00 DM (= 72,00 DM), insgesamt also 552,00 DM beantragt, die in dieser Höhe am 20.04.1998 vom Amtsgericht XXX festgesetzt worden sind. Als Zeit der gewährten Beratungshilfe ist im Antrag vom 02.04.1998 der Zeitraum vom 27.08.1997 bis 17.02.1998 genannt. Nach § 132 Abs. 2 Satz 1 BRAGO in der bis zum 31.12.2001 gültig gewesenen Fassung vor der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Änderung durch Art. 6 Nr. 24 des Gesetzes zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro vom 27.04.2001 (BGBl. I S. 751) erhält der Rechtsanwalt für die in § 118 BRAGO bezeichneten Tätigkeiten eine Gebühr von 110,00 DM. Auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren ist diese Gebühr zur Hälfte anzurechnen (§ 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO). Soweit der Urkundsbeamte im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausführt, die genannte hälftige Anrechnung ergebe sich aus § 118 Abs. 2 Satz 2 BRAGO, handelt es sich offenbar um ein Versehen (diese Vorschrift regelt die Frage der Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für ein erfolglos gebliebenes Vermittlungsverfahren nach § 52 a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Aus einer Gesamtschau des Kostenfestsetzungsverfahrens ergibt sich, dass der Urkundsbeamte als Rechtsgrundlage für die hälftige Anrechnung wohl von § 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO ausgegangen ist. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Die durchgeführte Anrechnung ist auf alle Fälle ohne Rechtsgrund erfolgt und daher rechtswidrig.
2Die Beratungshilfe ist im Rahmen des behördlichen Verfahrens der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erfolgt. Die Kläger stellten am 08.08.1997 Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte. Sie haben am 27.08.1997 - noch vor ihrer Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 08.09.1997 - dem Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf ihre Asylverfahren Vollmacht erteilt. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 20.10.1997 die Asylanträge weiter begründet. Ihm wurde schließlich am 03.03.1998 der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17.02.1998 zugestellt. Der im Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe vom 02.04.1998 genannte Zeitraum der geleisteten Beratungshilfe (27.08.1997 bis 17.02.1998) fällt vollständig in den Zeitraum des Asylverwaltungsverfahrens der Kläger. § 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO ist § 118 Abs. 2 BRAGO nachgebildet (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 132 RdNr. 8). In den Gesetzesmaterialien hierzu ist ausgeführt: "Wie allgemein nach § 118 Abs. 2 BRAGO, soll auch die für die Beratungshilfe gezahlte Gebühr auf die Gebühren des Rechtsanwalts für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren angerechnet werden." (vgl. BT-Drucks. 8/3311, S. 16). Nach § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ist die in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO bestimmte Geschäftsgebühr jedoch nur dann auf die entsprechenden Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren anzurechnen, wenn sie außerhalbeines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens entsteht. Nach dem Willen des Gesetzgebers ("Wie allgemein nach § 118 Abs. 2 BRAGO ...", vgl. BT-Drucks., a.a.O.) kommt daher nach § 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO eine hälftige Anrechnung der Gebühren der Beratungshilfe für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren nur in Betracht, wenn die Beratungshilfe außerhalb eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens erfolgt ist. Fand die Beratungshilfe wie hier in dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren statt, dürfen die Gebühren der Beratungshilfe nicht zur Hälfte auf die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens angerechnet werden (vgl. SG Hannover, Beschl. v. 03.04.1998 - S 34 SF 2/97 -, JurBüro 1999, 78 = Lappe, KostRspr, § 132 BRAGO Nr. 104 [Ls]; Enders, JurBüro 1999, 148 f.; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 118 BRAGO RdNr. 87 u. § 132 BRAGO RdNr. 14; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, a.a.O., § 118 RdNr. 27).
Die Rechtsgrundlage für die Zahlung von Zinsen in Höhe von 4 % ergibt sich aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der bis zum 30.09.2001 gültig gewesenen Fassung, für die Zeit danach aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Fassung des Art. 2 Nr. 13 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses - Zivilprozessreformgesetz (ZPO-RG) - vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887; vgl. zum Inkrafttreten insoweit Art. 53 Nr. 1 ZPO-RG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylVfG).
VG Stuttgart:
Beschluss v. 12.03.2002
Az: A 5 K 11182/98
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