Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 149/02
(BPatG: Beschluss v. 10.12.2003, Az.: 28 W (pat) 149/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. vom 6. Mai 2002 aufgehoben.
Der IR-Marke IR 638 663 wird der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland entzogen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 17. Januar 1996 der nachfolgend wiedergegebenen, unter der Nummer IR 638 663 international registrierten Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endefür die Waren
"Rasoirs electriques, parties et accessoires pour les produits precites, y compris unites de rasage, composees de supports avec têtes de rasage" (auf deutsch: elektrische Rasierapparate, Teile und Zubehörteile für die vorgenannten Produkte, einschließlich Rasiersets bestehend aus Haltern mit Rasierköpfen)
der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden.
Gegen die IR-Marke ist am 6. Dezember 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Schutzentziehung nach §§ 115, 107, 50 Abs 1 Nr 1 u 3 in Verbindung mit §§ 3 Abs 2 Nr 2, Abs 2 Nr 1 u 2 MarkenG gestellt und im wesentlichen damit begründet worden, der angegriffenen Marke fehle als bloßer Wiedergabe des Kopfes eines elektrischen Rasierapparates nicht nur bereits die Markenfähigkeit, sondern ihr sei letztlich auch mangels Unterscheidungskraft bzw eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zu Unrecht Schutz bewilligt worden.
Die Markeninhaberin hat dem Schutzentziehungsantrag rechtzeitig widersprochen und beruft sich auf tellequelle-Schutz, so dass Markenfähigkeit unterstellt werden müsse und insbesondere die Vorschrift des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG als Ausfluß der Markenfähigkeit auf die angegriffene Marke überhaupt nicht geprüft werden dürfe.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass im Hinblick auf § 113 MarkenG in Verbindung mit Art 5 MMA und 6 quinquies PVÜ wegen des tellequelle-Privilegs weder eine ursprüngliche noch nachträgliche Prüfung der angegriffenen Marke auf Markenfähigkeit möglich sei und ihr der Schutz mithin schon deshalb nicht wegen fehlender Markenfähigkeit aufgrund technischer Formbedingtheit verweigert werden könne. Insbesondere habe Art 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG keine Entsprechung in Art 6 quinquies PVÜ und gehöre daher nicht zu den Schutzversagungsgründen, aufgrund derer die Schutzausdehnung auf Deutschland versagt werden könne. Die erst im Laufe des Verfahrens geltend gemachten Schutzentziehungsgründe der mangelnden Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses könnten als unzulässige Erweiterung des Verfahrens nicht mehr berücksichtigt werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, dass die tellequelle-Klausel nur bei einem Streitgegenstand Anwendung finden könne, der seinem Wesen nach keine Marke nach nationalem Recht sein könne, was bei Bildmarken mit der Wiedergabe ausschließlich technisch bedingter Merkmale nicht in Frage stehe, da insoweit die in Art 6 quinquies B PVÜ genannten Schutzverweigerungsgründe nicht erschöpfend seien. Wie sich aus der zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidung des EuGH (GRUR 2002, 604 - Philips) ergebe, sei eine Produktform dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn ihre wesentlichen funktionellen Merkmale lediglich einer technischen Wirkung zuzuschreiben seien. Das sei vorliegend der Fall, denn es handele sich lediglich um die naturgetreue bildliche Wiedergabe eines Scherkopfes des mit der Marke geschützten Produkts (Rasierapparate), der in seiner besonderen Anordnung zur Erreichung der technischen Wirkung erforderlich sei. Dies werde im übrigen nicht nur die hieran begründeten technischen Produktschutzrechte der Widersprechenden belegt, sondern sei auch vom Europäischen Gerichtshof für die Darstellung eines Scherkopfes bereits ausdrücklich und damit für alle nachgeordneten Instanzen bindend bejaht worden, was nicht nur das britische Vorlagegericht, sondern inzwischen auch Gerichte in Frankreich und Schweden veranlasst hätte, die Marke zu löschen. Das Eintragungshindernis nach Art 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG könne schließlich auch nicht aufgrund von Verkehrsdurchsetzung überwunden werden. Darüber hinaus hält die Antragstellerin die Berufung auf weitere Schutzversagungsgründe zumindest im Beschwerdeverfahren als zweiter Tatsacheninstanz für zulässig und macht erneut geltend, dass der IR-Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft fehle und ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gemäß Art 6 quinquies B Abs 2 Nr 3 PVÜ vorliege, da die vorliegenden Gestaltung nicht mit der Herkunftsfunktion zu vereinbaren sei.
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem deutschen Teil der IR-Marke 638 663 den Schutz zu entziehen.
Die IR-Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zum tellequelle-Privileg an und beruft sich lediglich hilfsweise darauf, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG bei der angegriffenen Marke ohnehin nicht erfüllt seien, da deren Gestaltung nicht ausschließlich technisch formbedingt sei, sondern zB auch Designelemente enthalte. Weiter hilfsweise macht sie Verkehrsdurchsetzung geltend, und zwar gestützt auf Art 6 quinquies C PVÜ, der gegenteiliges nationales Recht sowie Art 3 Abs 3 der europäischen Markenrechtsrichtlinie ausschließe. Der Europäische Gerichtshof habe in der Sache Philips/Remington schließlich nur Vorlagefragen zu beantworten gehabt, in der Sache selbst aber keine und vor allem nicht in irgendeiner Weise bindende Entscheidung getroffen, was sich schon daran zeige, dass die Widersprechende gegenüber der Antragstellerin in einem danach ausgetragenen Verletzungsstreit vor dem OLG Köln aus der Streitmarke obsiegt habe. Soweit sich die Antragstellerin auf weitere Schutzversagungsgründe berufe, handele es sich um eine unzulässige Erweiterung des Löschungsverfahrens nach Anhängigkeit.
Beide Beteiligten regen hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof an.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und auch begründet, denn entgegen der Auffassung der Markenabteilung liegen die Voraussetzungen für die Schutzentziehung der angegriffenen Marke vor, weil der angegriffenen Bildmarke sowohl im Zeitpunkt der Schutzerstreckung wie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzentziehungsantrag das Schutzhindernis der lediglich technisch bedingten Form entgegenstand bzw noch entgegensteht (§§ 115 Abs 1 S 1, 50 Abs 1 Nr 1, Abs 2 S 1 iVm 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG).
Die Antragstellerin hat ihr Begehren vorrangig auf § 50 Abs 1 Nr 1 MarkenG gestützt, also auf fehlende Markenfähigkeit der angegriffenen Marke. Dabei ist zu beachten, dass die Bezugnahme des Gesetzes auf § 3 MarkenG zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte umfaßt, nämlich einmal die sog. abstrakte Markenfähigkeit nach § 3 Abs 1 MarkenG, dh die Beurteilung von Zeichen, die ihrem Wesen nach keine Marke sein können, und das in Absatz 2 normierte gesetzliche, nicht widerlegbare Freihaltebedürfnis an Produktformen (vgl BPatG BlPMZ 2002, 228 - Schmuckring), das von der Gesetzsystematik her - wie Artikel 3 MRRL deutlich zeigt - eigentlich in den Kontext und Katalog der absoluten Eintragungshindernisse nach Art 8 Abs 2 MarkenG gehört, allerdings mit der Besonderheit, dass dieses Hindernis nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann. Um eine Umgehung der Gesetzesnorm zu vermeiden, sind vom Gesetzeswortlaut nach der insoweit verbindlichen Auslegung des EuGH zu Art 3 Buchst e) MRRL (GRUR 2002, 604 - Philips - Rdnr 76) auch zweidimensionale (Bild-)Marken umfaßt, wenn sich die bildliche Gestaltung in der weitgehend naturgetreuen Wiedergabe ausschließlich technischer Formelemente erschöpft.
Diesen gesetzessystematischen Zusammenhang verkennt die Markenabteilung, wenn sie den Löschungsantrag bereits daran scheitern lässt, dass sie die Frage des Vorliegens der in § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG normierten Voraussetzungen im Hinblick auf den von der Widersprechenden geltend gemachten tellequelle-Schutz nach Art 6 quinquies Abschn A Abs 1 S 1 PVÜ erst gar nicht prüft, weil es sich auch bei dem Eintragungshindernis nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG um einen Fall der mangelnden Markenfähigkeit handele, nach der PVÜ aber eine IR-Marke "so wie sie ist" bei der Schutzerstreckung zu behandeln sei, soweit keine der unter Art 6 quinquies Abschn B PVÜ genannten Vorbehalte eingreife, wo indes nicht die Markenfähigkeit aufgeführt sei; das habe zur Folge, dass IR-Marken bei der Schutzerstreckung für Deutschland grundsätzlich nicht auf fehlende Markenfähigkeit nach Art 3 Abs 1 und 2 MarkenG geprüft werden könnten.
Diese Auffassung steht weder im Einklang mit der Gesetzeslage noch der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs. Nach seinem Normzweck sollte der tellequelle-Schutz (ursprünglich) verhindern, dass einer Basismarke bei der Schutzerstreckung in einem Verbandsland andere Eintragungshindernisse entgegengehalten werden als die in Art 6 quinquies Abschn B Ziff 1-3 PVÜ aufgeführten Versagungsgründe, die gewissermaßen als "Prüfungsstandards" bei der Auslegung der grundsätzlich maßgeblichen nationalen Normen - hier §§ 113 Abs 1 S 1, 37 in Verbindung mit §§ 3, 7, 8 etc. MarkenG - dienen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl 2003, § 113 Rdn 4). In der Vergangenheit kam dem tellequelle-Schutz beispielsweise Bedeutung im Zusammenhang mit dem alten Warenzeichengesetz zu, wo durch § 4 Abs 2 Nr 1 2. Alt. WZG Buchstaben und Zahlen generell vom Markenschutz ausgeschlossen waren, einem Erstreckungsgesuch von IR-Buchstaben-Marken in Deutschland diese Vorschrift im Hinblick auf Art 6 quinquies PVÜ aber nicht in dieser Allgemeinheit, sondern nur dann entgegengehalten werden konnte, wenn der Buchstabenkombination die Unterscheidungskraft fehlte oder ein konkretes Freihaltungsbedürfnis vorlag (vgl BGH GRUR 1991, 838, 839 - FE). Nach Inkrafttreten des neuen MarkenG, unter dessen Geltung das Schutzerstreckungsgesuch der vorliegenden IR-Marke eingereicht wurde, bedarf es der Berücksichtigung derartiger PVÜ-Prüfungsmaßstäbe jedoch nicht mehr. Denn das Markengesetz stellt lediglich die Umsetzung der Europäischen Markenrechtsrichtlinie (MRRL) vom 21. Dezember 1988 (89/104/EWG) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken dar, die sich ihrerseits im 12. Erwägungsgrund ausdrücklich auf die völlige Übereinstimmung ihrer Bestimmungen mit der PVÜ beruft, was bei richtlinienkonformer Auslegung zunächst einmal nur die Schlussfolgerung zuläßt, dass die Eintragungshindernisse des MarkenG umfassend denen der PVÜ entsprechen.
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings der Einwand, dass die PVÜ selbst den Begriff der Markenfähigkeit nicht erwähnt, sondern nur von Vorbehalten spricht, unter denen die Marke in den Verbandsländern geschützt werden soll. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur umfasst der durch den tellequelle-Schutz quasi für "unantastbar" erklärte Bereich indes nur die allgemeine abstrakte Markenfähigkeit, die bei der Schutzerstreckung nicht mehr in Frage gestellt werden soll. Die um Erstreckung ersuchte nationale Behörde darf mithin nicht mehr prüfen, ob es sich bei dem Zeichen seinem Wesen nach überhaupt um eine Marke handelt (vgl Fezer, Markenrecht, 3. Aufl 2001, Art 6 quinquies PVÜ, Rdn 4 mwN). Das wäre etwa der Fall, wenn es einem Anmelder gelänge, in einem Verbandsland Markenformen zur Eintragung zu bringen, die nach europäischem Recht der Markenfähigkeit entbehren (zB Tast-, Geschmacks- oder Riechmarken), eine Problematik, die mit dem Beitritt der Vereinigten Staaten von Amerika zum Protokoll des Madrider Markenabkommens wieder an Aktualität gewinnen dürfte und letztlich wahrscheinlich nur über den Ordre Public gelöst werden kann. Was die Dreidimensionalität von Marken betrifft, war diese lediglich nach dem alten WZG dem Schutz als Marke nicht zugänglich, während § 3 Abs 1 MarkenG nunmehr ausdrücklich "dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form der Ware" für markenfähig erklärt.
Eine darüber hinausgehende Anwendung der tellequelle-Klausel, etwa auf die Tatbestände des § 3 Abs 2 MarkenG, hält der Senat nicht für vertretbar. So besagt, wie schon angedeutet, die gesetzessystematische Einordnung des Ausschlussgrundes der waren- oder technikgebundenen Form durch den nationalen Gesetzgeber nichts über die Zuordnung dieses Tatbestands in den Kontext der allgemeinen Markenfähigkeit, da bei der Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie auch anderweitig von deren Systematik abgewichen worden ist. In Artikel 2 MRRL wird die allgemeine Markenfähigkeit insbesondere unter Einbeziehung der grafischen Darstellbarkeit geregelt, die sich im deutschen Recht in § 8 Abs 1 MarkenG wiederfindet. Die in § 3 Abs 2 MarkenG geregelten Tatbestände finden sich in Art 3 MRRL im Kontext der konkreten Eintragungshindernisse unter Buchstabe e), was deutlich macht, dass auch diese Versagungsgründe nicht zum Regelungsgehalt der allgemeinen Markenfähigkeit gehören, die den tellequelle-Schutz der PVÜ genießt. Die abweichende redaktionelle Ausformung im MarkenG rechtfertigt auch nicht die Schlussfolgerung, dass der deutsche Gesetzgeber sich bewusst von der europäischen Regelung absetzen wollte. Hierfür wäre ein detaillierter und unmissverständlicher Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfes zum MarkenG geboten gewesen, der aber unterblieben ist. Zudem stände ein solches Vorgehen auch im Widerspruch zum 12. Erwägungsgrund der MarkenRL, nach welchem sich die europäische Regelung in Übereinstimmung mit der PVÜ befindet, die gerade auch mit der europäischen Harmonisierung des Markenrechts erreicht werden sollte.
In systematischer Sicht hat damit die Regelung in § 3 Abs 2 MarkenG den Charakter einer unwiderleglichen Vermutung für den Mangel der Schutzfähigkeit von Formmarken, um - wie der EuGH (GRUR 2002, 804 - Philips) ausgeführt hat - Monopole für technische Lösungen im Interesse der Mitbewerber zu verhindern, nachdem die allgemeine Markenfähigkeit sehr weit gefasst und auch so weit zu verstehen ist (vgl Ströbele/Hacker, aaO § 3 Rdn 96). Die Frage der Technizität nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG unterliegt damit auch bei einer auf Deutschland erstreckten IR-Marke grundsätzlich einer unbeschränkten Prüfung im Erstreckungs- wie Löschungsverfahren (so auch inzident BGH GRUR 2001, 418 - Montre).
Nach Auffassung des Senats unterliegt die angegriffene Marke diesem Schutzhindernis, denn sie besteht ausschließlich aus der Darstellung einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Nach den vom EuGH in seiner bereits genannten Entscheidung vom 18. Juni 2002 (GRUR 2002, 804 ff), die allerdings entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin keine eindeutige Aussage zur Frage der Technizität der dort streitigen Marke enthält, verbindlich festgelegten Auslegungskriterien zur inhaltlich identischen europäischen Regelung ist die Form der Ware als Marke dann nicht markenschutzfähig, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale dieser Form nur ihrer technischen Wirkung zuzuschreiben sind, wobei Alternativformen mit gleicher technischer Wirkung unbeachtlich sind. Für den Senat erschöpft sich die angegriffene Marke in diesem Sinne in der bloßen Reproduktion der zur Erreichung eines technischen Effekts erforderlichen Anordnung der Elemente der Ware, ohne dass weitere, über die technische Gestaltung hinausgehende Merkmale ersichtlich sind.
Gegenstand der angegriffenen Marke ist die exakte zeichnerische Wiedergabe des Aufsatzes für einen Rasierapparat, die sogenannte Schereinheit, bestehend aus drei, auf einer Platte befindlichen Köpfen, die in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordnet sind und ringförmige Perforierungen erkennen lassen, die - unstreitig - als Durchlass für die Barthaare dienen, so dass sie an die jeweiligen Schermesser gelangen und dort gekürzt werden. Dieser Aufsatz verfügt ferner über einen erhöhten Rand (zur besseren Befestigung auf dem Unterteil) mit abgerundeten Ecken, während die Köpfe zusätzlich in eine umlaufende Linienmarkierung (Erhöhung) eingebunden sind, die das Bild der Kopfeinheit in ihrer Dreiecksanordnung betonen. Diese Formelemente ergeben sich zwingend aus technischen Notwendigkeiten für die Konstruktion eines elektrischen Rasierers mit rotierenden Messern, wenn zur Erhöhung der Rasiergeschwindigkeit und zur Erzielung einer sauberen und angenehmen Rasur 3 Scherköpfe eingesetzt werden. Will man keine Lücke in der Scherspur hinterlassen, müssen diese 3 Köpfe in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordnet werden, was im übrigen auch die optimale Lösung für den Antrieb ist, der dann über eine zentrale Antriebachse geführt werden kann. Die Köpfe müssen zwangsläufig Schlitze aufweisen, durch die die Barthaare an die darunter verlaufenden Messer gelangen, wobei Form und Anordnung der Schlitze zu den Messern passen muß. Ein optimales Rasierergebnis wird man nur mit rotierenden Messern erreichen, so dass die Anordnung auch kreisförmig sein muß. Die Anordnung muß sich aus mehreren Gründen auf einer Trägerplatte befinden, wobei die Form eines Aufsatzes (dh hier der erhöhte Rand) die Befestigung auf dem Unterteil ermöglicht, während die Platte bzw genauer der durch die herz- oder kleeblattförmigen Linien angedeutete fassettenförmige Absatz selbst dazu dient, eine kleine Hautplatte zu erzeugen und vor dem Scherkopf herzuschieben, um die Barthaare optimal in die Öffnungen der Scherköpfe zu führen, wie das seit langem aus der britischen Patentschrift PS-836 346 bekannt ist. Die Abrundungen der Trägerplatte bzw die Einbuchtungen des fassettenförmigen Absatzes optimieren nicht nur den Rasurvorgang, sondern dienen auch dem besseren Handling und wirken der Gefahr von Verletzungen entgegen. Damit verbleiben entgegen der Auffassung der Markeninhaberin bei der als Marke beanspruchten Gestaltung keine weiteren Formmerkmale, die ggfls. als nichttechnisch oder als Designelemente einzustufen wären.
Diesen Feststellungen des Senats zur technischen Formbedingtheit der angegriffenen Marke, kann nicht mit dem Einwand begegnet werden, der Europäische Gerichtshof fordere einen besonderen "Nachweis" der Technizität etwa in Form eines Sachverständigengutachtens oder sonstiger amtlicher Ermittlungen Diese Formulierung in der vorgenannten Entscheidung zu Philips/Remington ist ersichtlich darauf zurückzuführen, dass die Vorlage im Zuge eines Verletzungsverfahrens erfolgt ist, in dem entsprechende Ermittlungen prozessual möglich waren. Im vorliegenden Registerverfahren findet die Beurteilung der Schutzfähigkeit hingegen unter Fortgeltung des Amtsermittlungsprinzips im Wege einer summarischen Prüfung unter Heranziehung von allgemein zugänglichen Quellen, Erfahrungssätzen und Würdigung der von den Beteiligten eingereichten Unterlagen statt. Danach liegen dem Senat hinreichende Nachweise vor, um die Technizität der Streitmarke selbst zu beurteilen. Ein starkes Indiz für eine ausschließlich technisch bedingte Form der angegriffenen Marke ist der Umstand des Bestehens von Produktschutzrechten an dieser Form, denn die Markeninhaberin hat sich unstreitig diese Anordnung durch Patente schützen lassen, auch wenn diese inzwischen durch Ablauf der Schutzdauer erloschen sind. Des weiteren sind von den Beteiligten diverse Parteigutachten zu den Akten gereicht worden, die sich mit der Technizität des Streitgegenstandes befassen und vom Senat entsprechend gewürdigt werden können. Darüber hinaus sind aber von verschiedenen nationalen Gerichten, die sich mit der Frage der Schutzfähigkeit der vorliegenden Streitmarke bzw vergleichbarer Warenformmarken zu befassen hatten, unabhängige Sachverständige bemüht worden, die übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen sind, dass diese ausschließlich aus einer Form bestehe, die erforderlich sei, um eine technische Wirkung zu erreichen. Das ergibt sich etwa aus den zu den Akten überreichten Entscheidungen des schwedische Oberlandesgericht Svea vom 28. Januar 2004 sowie des Tribunal de Grande Instance de Paris (3ème Chambre - 2ème Section) vom 13. Juni 2003, sowie aus dem für den britischen High Court of Justice erstellten Gutachten des Sachverständigen P. Turner vom 13. Oktober 1997. Stets wurde hier betont, dass die wesentlichen Elemente der Marke die in einem gleichseitigen Dreieck angeordneten Scherköpfe und das diese umfassende dreieckige Gehäuse umfassten und die Anordnung der Scherköpfe in einem gleichseitigen Dreieck gewählt worden sei, um eine kompakte Rasiereinheit zu schaffen und gleichzeitig die Voraussetzung dafür zu schaffen, die beste Rasurwirkung zu erzielen. Da es bei der Ausgestaltung keinen Spielraum der Willkür gegeben habe, sei das Formelement ausschließlich auf seine technische Wirkung zurückzuführen. Diese Feststellungen entsprechen der Einschätzung des Senats hinsichtlich des vorliegend zu beurteilenden technischen Sachverhalts, der damit keine Veranlassung sieht, weitere Ermittlungen zur Frage der Technizität der vorliegend beanspruchten Warenform vorzunehmen.
Nach alledem war der angegriffenen Marke der Schutz zu entziehen, da sie lediglich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist (§ 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG).
Soweit die Markeninhaberin weiterhin hilfsweise geltend macht, der angegriffenen Marke könne auch deshalb der Schutz nicht entzogen werden, weil sie sich zwischenzeitlich beim Verkehr durchgesetzt habe, steht diesem Vorbringen der Wortlaut des § 8 Abs 3 MarkenG bzw Art 3 Abs 3 MRRL entgegen, wonach nur Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 MarkenG im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden können, nicht aber der Ausschlussgrund des § 3 Abs 2 MarkenG (bzw Art 3 Abs 1 Buchst e) MRRL), der wie der EuGH festgestellt hat, Monopole für technische Lösungen im Interesse der Mitbewerber verhindern soll. Wenn sich die Markeninhaberin in diesem Zusammenhang erneut auf den tellequelle-Schutz beruft, und zwar dieses Mal auf Art 6 quinquies Abschn C PVÜ, führt das ebenfalls zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung bzw einem anderen Ergebnis. Nach dieser Bestimmung sind zwar für die Würdigung der Schutzfähigkeit einer IR-Marke alle Tatumstände zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer des Gebrauchs der Marke, was indes zunächst einmal nichts anderes bedeutet, als daß abweichend von dem im markenrechtlichen Registerverfahren geltenden Grundsatz, dass die Benutzung regelmäßig keine Berücksichtigung findet, sondern lediglich ein Papierrecht geprüft wird, im Rahmen des tellequelle-Privilegs ausnahmsweise auch die Benutzung eine Rolle spielen kann. Nach Entstehungsgeschichte und Normzweck (vgl etwa BGH Bl 1974, 285 - Lemonsoda) gewährt diese Vorschrift jedoch keinen materiellen Anspruch auf Schutzerlangung kraft Durchsetzung. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Art 6 quinquies Abschn C PVÜ nur von "Würdigung der Schutzfähigkeit" spricht, ohne sich im einzelnen mit den in Abschnitt B Nr 1-3 aufgeführten Vorbehalten auseinander zu setzen oder auf diese konkret Bezug zunehmen, was den Schluß nahe legt, dass insoweit dem nationalen Gesetzgeber bezüglich der Detailregelung zur Berücksichtigung von Benutzungstatbeständen ein entsprechender Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, der im Einzelfall (hier: Art 3 Abs 3 MRRL) bis zur Schutzverweigerung gehen kann. Hinzukommt, dass die Vorbehalte des Abschnitts B Nr 1-3 Tatbestände regeln, die wie die relativen Versagungsgründe nach Ziffer 1 oder die Täuschungsgefahr nach Ziffer 3 nach international anerkannter Praxis nicht der Durchsetzung zugänglich sind, was gleichermaßen für die in Artikel 6 ter PVÜ aufgeführten Fallkonstellationen gilt. Für den Senat besteht daher kein Anlaß zu der Annahme, dass, wie die Markeninhaberin meint, Art 3 Abs 3 MRRL etwa in Widerspruch zu Art 6 quinquies Abschn C PVÜ steht oder die im 12. Erwägungsgrundsatz zur Markenrechtsrichtlinie getroffene Aussage zur vollständigen Übereinstimmung von PVÜ und MRRL in Frage gestellt werden müsste. Auch wenn Art 3 Abs 1 Buchst e MRRL bzw § 3 Abs 2 MarkenG im Sinne eines speziellen Ausschließungsgrundes zu verstehen ist, der ggfls. die Vorbehalte in Art 6 quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ erweitert, ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn dieser Tatbestand von einer Überwindung durch Verkehrsdurchsetzung grundsätzlich ausgenommen ist.
Die Beschwerde der Antragstellerin hatte damit Erfolg. Die Frage, ob die weiter geltend gemachten Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG von der Markenabteilung zurecht nicht berücksichtigt worden sind und zudem in ihren Voraussetzungen vorliegen, brauchte bei dieser Sach- und Rechtslage nicht mehr entschieden werden.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 MarkenG), zumal die IR-Markeninhaberin ihren Kostenantrag im Verfahren vor der Markenabteilung nicht mehr weiterverfolgt hat.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war veranlasst, da die Entscheidung hinsichtlich der harmonisierten Auslegung von § 50 Abs 1 Nr 1, Abs 2 Nr 2, § 3 Abs 1 und 2 MarkenG sowie des Verhältnisses von MRRL und PVÜ im Rahmen des tellequelle-Schutzes Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betrifft und eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Pü
Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/D20767.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 10.12.2003
Az: 28 W (pat) 149/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5e147fed2fe7/BPatG_Beschluss_vom_10-Dezember-2003_Az_28-W-pat-149-02