Bundesgerichtshof:
Urteil vom 23. Oktober 2006
Aktenzeichen: II ZR 162/05
(BGH: Urteil v. 23.10.2006, Az.: II ZR 162/05)
Tenor
Die Revisionen gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Mai 2005 werden auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin und die Beklagte zu 2 gründeten am 30. März 2000 zu notarieller Urkunde die Beklagte zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Bereich der Telekommunikation tätig werden sollte. Von dem Grundkapital in Höhe von 3 Mio. €, eingeteilt in 3 Mio. vinkulierte Namensaktien, übernahmen die Klägerin 750.001 und die Beklagte zu 2 die übrigen Aktien. Die Einlagen waren bar zu leisten und sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig, sind aber nicht einbezahlt worden. Die - nach wie vor nicht im Handelsregister eingetragene - Beklagte zu 1 nahm ihre Geschäftstätigkeit auf. In der Folgezeit erklärte sich die Beklagte zu 2 zur Leistung ihrer Einlage außerstande. Im August und September 2000 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2 unter Fristsetzung vergeblich zur Leistung der Einlage auf. Wie vorher angedroht, erklärte sie schließlich mit Schreiben vom 7. Oktober 2001 die Kündigung der Vor-Gesellschaft gegenüber beiden Beklagten aus wichtigem Grund und verlangte von dem Vorstand der Beklagten zu 1, dessen Vorsitzender der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2 ist, die Liquidation der Vor-Gesellschaft durchzuführen.
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellungen begehrt, dass die Beklagte zu 1 als AG i.Gr. durch die Kündigung vom 7. Oktober 2001 aufgelöst worden ist (Antrag zu 1) und ihre Vorstandsmitglieder verpflichtet sind, die Liquidation zu besorgen (Antrag zu 2). Nach Rechtshängigkeit hat die Beklagte zu 1 die Klägerin und die Beklagte zu 2 zur Leistung der Einlagen aufgefordert. Beide Beklagte meinen, die Vor-AG könne nicht durch Kündigung, sondern nur in entsprechender Anwendung der §§ 262 ff. AktG aufgelöst werden. Jedenfalls sei bei der Frage eines wichtigen Grundes für die Kündigung zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats und Vertreter der Mehrheitsaktionärin der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2 zugesagt habe, das für die Gründung der Beklagten zu 1 erforderliche Kapital darlehensweise zur Verfügung zu stellen, diese Zusage aber zurückgezogen habe. Zudem sei in einer Aufsichtsratssitzung der Beklagten zu 1 vom 19. Juli 2000 beschlossen worden, den Weg ihrer Gründung zu ändern.
Das Landgericht hat der Klage entsprochen; die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die - von dem Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Klageantrag zu 1:
I. Der Klageantrag ist, wie auch das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet annimmt, gegenüber beiden Beklagten zulässig.
1. Die Beklagte zu 1 besteht zwar mangels Eintragung im Handelsregister nicht als juristische Person (§ 41 Abs. 1 AktG); sie ist aber als Vor-Gesellschaft ein von ihren Gründern bzw. Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und Pflichten (BGHZ 117, 323, 326) und als solches rechtsfähig sowie im Rechtsstreit parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 28. November 1997 - V ZR 178/96, ZIP 1998, 109). Die etwaige Auflösung der Beklagten zu 1 (aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 7. Oktober 2001) ließe ihre Rechts- und Parteifähigkeit als Vor-Gesellschaft in Liquidation unberührt (vgl. BGH, Urt. v. 28. November 1997 aaO).
2. Der Antrag auf Feststellung der Auflösung der Beklagten zu 1 betrifft Rechtsverhältnisse der Klägerin gegenüber beiden Beklagten im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Gesellschafter einer Vor-Gesellschaft stehen in Rechtsbeziehungen sowohl zu ihr als auch untereinander. Sie schulden der Vor-AG insbesondere die Leistung der versprochenen Einlagen (§ 54 Abs. 2 AktG; vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl. § 54 Rdn. 3); weiter sind sie untereinander verpflichtet, die Entstehung der Aktiengesellschaft zu fördern (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I/2 Die juristische Person § 5 III 2 Seite 157 f.; MünchKommAktG/Pentz, 2. Aufl. § 41 Rdn. 41; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 11 Rdn. 43) und bei der Anmeldung zum Handelsregister gemäß § 36 Abs. 1 AktG mitzuwirken (vgl. Pentz aaO § 36 Rdn. 19; Röhricht in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 36 Rdn. 8). Diese Verpflichtungen entfallen naturgemäß mit der Auflösung der Vor-Gesellschaft. An die Stelle ihrer ursprünglichen Zwecksetzung (vgl. dazu BGHZ 80, 129, 139) tritt der Abwicklungszweck (vgl. Hüffer aaO § 262 Rdn. 2) mit der Folge, dass ihr Anspruch auf Leistung ausstehender Einlagen sich nach allgemeinen Grundsätzen auf das für die Abwicklung Erforderliche beschränkt (vgl. MünchKommAktG/Hüffer, 2. Aufl. § 264 Rdn. 22; Kraft in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. Vorbem. § 262 Rdn. 19; Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 69 Rdn. 6 f.; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. vor § 723 Rdn. 6). Daraus ergibt sich zugleich, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO gegenüber beiden Beklagten hat.
II. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht die Auflösung der Beklagten zu 1 aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 7. Oktober 2001 festgestellt. Eine andere zumutbare Form der Beendigung der Vor-Gesellschaft besteht für die Klägerin nicht.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die - einer Kapitalgesellschaft vorgelagerte - Vor-Gesellschaft eine Organisationsform eigener Art, welche den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag statuierten Gründungsvorschriften sowie dem Recht der angestrebten Gesellschaftsform unterliegt, soweit es mit ihrem besonderen Zweck vereinbar ist und nicht die Eintragung im Handelsregister voraussetzt (vgl. Senat, BGHZ 21, 242, 246; 51, 30, 32; 80, 212, 214).
a) Das Aktiengesetz sieht zwar eine Auflösung der eingetragenen Gesellschaft durch Kündigung nicht vor (vgl. § 262 Abs. 1 AktG), was aber nicht zwangsläufig auch für eine Vor-Gesellschaft gelten muss, deren Rechtsverhältnisse an sich zur Regelungsmaterie der Gründungsvorschriften gehören, dort aber nur bruchstückhaft geregelt sind (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl. § 41 Rdn. 7). Anders als die im Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft ist die Vor-Gesellschaft nicht auf einen dauerhaften Bestand als Unternehmensträgerin, sondern darauf ausgerichtet, als Vorstufe der juristischen Person deren Entstehung durch Einziehung der Mindesteinlagen (§ 36 a AktG) und durch Anmeldung zum Handelsregister (§ 36 Abs. 1 AktG) zu bewirken (Senat, BGHZ 80, 129, 132 ff.). Ob es tatsächlich zur Entstehung der juristischen Person kommt oder die Gründung schließlich scheitert, ist in dieser Phase noch offen. Der Vor-Gesellschaft fehlt damit die verfestigte, auf Dauer angelegte Struktur und Verselbständigung, welche der juristischen Person eigen ist (vgl. Barz in GroßkommAktG 3. Auf. § 29 Rdn. 13; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG § 11 Rdn. 53) und die enge Auswahl der Auflösungsgründe in §§ 262 AktG, 60-62 GmbHG rechtfertigt.
b) Zu Recht wird deshalb im Schrifttum angenommen, dass der zwingende Charakter der Vorschriften des Aktiengesetzes (§ 23 Abs. 5) der Wirksamkeit einer Satzungsbestimmung, welche die Auflösung der Gesellschaft durch Kündigung vorsieht, im Stadium der Vor-Gesellschaft nicht entgegensteht (MünchKommAktG/Hüffer aaO § 262 Rdn. 24). Im vorliegenden Fall fehlt zwar eine entsprechende Satzungsregelung. Das schließt aber eine Kündigung der Vor-Gesellschaft aus wichtigem Grund nicht aus.
Ein entsprechendes Kündigungsrecht findet sich in § 723 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BGB und ist Ausdruck eines allgemeinen, nunmehr in § 314 BGB kodifizierten Rechtsgrundsatzes, nach dem ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden kann, wenn dem kündigenden Teil eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (vgl. MünchKommBGB/Ulmer aaO § 723 Rdn. 26). In Anlehnung hieran billigt der Senat in ständiger Rechtsprechung dem Gesellschafter einer (eingetragenen) GmbH ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu, wenn Umstände vorliegen, die ihm den weiteren Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar machen (BGHZ 9, 157, 162 f.; 116, 359, 369). Dieses Austrittsrecht, das der Sache nach auf eine Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses hinausläuft, führt allerdings nicht zur Auflösung der GmbH, sondern bedarf einer Umsetzung dadurch, dass der Geschäftsanteil eingezogen (§ 34 GmbHG) oder von einem anderen Gesellschafter oder von einem Dritten übernommen wird (vgl. BGHZ 88, 320; Sen.Urt. v. 2. Dezember 1996 - II ZR 243/95, NJW-RR 1997, 606). Das setzt die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraus, weil Geschäftsanteile vorher nicht bestehen (vgl. Senat BGHZ 21, 242, 245; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 14 Rdn. 2; § 15 Rdn. 2).
Im Ergebnis ebenso ist auch das Ausscheiden aus einer Vor-AG nur auf dem Wege einer einstimmigen Satzungsänderung möglich (vgl. § 41 Abs. 4 AktG; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 41 Rdn. 30; Kraft in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 41 Rdn. 112; zur Vor-GmbH BGHZ 21, 242, 246). Diesen Weg eröffnet die Beklagte zu 2 der Klägerin aber nicht. Ihr geht es vielmehr, wie das Berufungsgericht feststellt, gerade darum, dass die Klägerin die ihr obliegende Einlageverpflichtung erfüllt, obwohl sie, die Beklagte zu 2, ihrerseits nicht leistungsbereit ist. Andererseits ist die Beklagte zu 1 weder willens noch überhaupt in der Lage, die Anteile der Beklagten zu 2 gemäß § 64 AktG zu kaduzieren, weil diese Vorschrift ebenfalls die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraussetzt (vgl. Lutter in Kölner Komm.z.AktG § 63 Rdn. 8, § 64 Rdn. 12; Gehrlein in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 64 Rdn. 15). Ebenso wenig ist die Klägerin (als Minderheitsgesellschafterin) in der Lage, einen Auflösungsbeschluss herbeizuführen, zumal nach der Satzung der Beklagten zu 1 das Stimmrecht erst mit Zahlung der Einlage beginnt.
c) Ist sonach ein Ausscheiden aus der Vor-Gesellschaft nicht möglich, muss der allgemeine Grundsatz des § 723 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BGB zum Zuge kommen. Auf eine Auflösungsklage in entsprechender Anwendung der §§ 61 GmbHG, 133 HGB kann die Klägerin entgegen der Ansicht der Revision nicht verwiesen werden. Das Fehlen eines Austrittsrechts im Stadium der Vor-Gesellschaft legitimiert zwar für sich allein noch nicht den Rückgriff auf das weitergehende Kündigungsrecht mit Auflösungsfolge entsprechend § 723 BGB. Umgekehrt beruht aber der Umstand, dass dem Gesellschafter einer GmbH nur eine "Austrittskündigung" anstelle einer "Auflösungskündigung" entsprechend §§ 314, 723 BGB zugebilligt wird, darauf, dass § 61 GmbHG im Interesse der Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens eine Auflösung nur im Klagewege und nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Derselbe Gedanke der Unternehmenserhaltung liegt auch der Neufassung des § 131 Abs. 3 HGB (durch HRefG vom 22. Juni 1998) im Verhältnis zu § 133 HGB zugrunde (vgl. Baumbach/Hopt, 32. Aufl. § 131 Rdn. 1; § 133 Rdn. 1). Aus dem gleichen Grund sieht das Aktiengesetz eine Auflösungsklage einzelner Aktionäre erst gar nicht vor. Wie eingangs ausgeführt, ist jedoch die Vor-Gesellschaft nicht auf dauerhaften Bestand als Unternehmensträgerin, sondern nur darauf angelegt, die Entstehung der juristischen Person zu ermöglichen. Sie ist auch keine OHG (Senat, BGHZ 51, 30, 32), sofern ihre Geschäftstätigkeit nicht nach Aufgabe der Eintragungsabsicht fortgesetzt wird (vgl. BGHZ 22, 240, 244; 152, 293, 294 f.). Aus diesen Gründen wird im Schrifttum die Anwendbarkeit des allgemeinen Grundsatzes des § 723 BGB auf die Vor-Gesellschaft weit überwiegend befürwortet (vgl. Barz in Großkomm.z.AktG 3. Aufl. § 29 Anm. 13; Eckardt in Geßler/Hefermehl, AktG § 29 Rdn. 38, 41; Flume aaO Seite 158; MünchHdb GesR IV/Hoffmann-Becking, 2. Aufl. § 3 Rdn. 31; zur Vor-GmbH vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 11 Rdn. 30; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 11 Rdn. 17; U. Huber in FS R. Fischer S. 263, 293 sowie insbesondere Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 11 Rdn. 39; ders. in Großkomm. GmbHG § 11 Rdn. 53; a.A. OLG Hamm, GmbHR 1994, 706; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 11 Rdn. 64, 66; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 41 Rdn. 123; ders. in Scholz, GmbHG 9. Aufl. § 11 Rdn. 55; wohl auch Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 11 Rdn. 63).
Zuzustimmen ist dieser Auffassung zumindest für den hier relevanten Fall, dass ein Gründer trotz Aufforderung nicht die notwendige Mitwirkung bei der Vollendung der juristischen Person leistet, so dass diese endgültig zu scheitern droht oder schon als gescheitert anzusehen ist (vgl. Flume aaO S. 158). Soweit darüber hinaus die Auffassung vertreten wird, das endgültige Scheitern der Gesellschaftsgründung führe schon kraft Gesetzes entsprechend § 726 Alt. 2 BGB zur Auflösung der Vor-Gesellschaft (Röhricht in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 36 Rdn. 116; Schmidt-Leithoff aaO § 11 Rdn. 66; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG aaO § 41 Rdn. 123), mag dem für den exemplarisch genannten Fall rechtskräftiger Ablehnung des Eintragungsantrags zuzustimmen sein, während aber ansonsten der Zeitpunkt der Auflösung infolge eines "Scheiterns" der Gründung für die Gesellschaftsorgane schwer zu beurteilen ist und deshalb der Fixierung durch eine Kündigung (oder durch einen Auflösungsbeschluss) bedarf, wenn der betreffende Gesellschafter nicht Gefahr laufen will, durch eine Fortführung der Geschäfte der Vor-Gesellschaft in eine unbeschränkte Außenhaftung nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu geraten (vgl. BGHZ 152, 290). Mit der Kündigung, die zur Auflösung der Vor-Gesellschaft führt, unternimmt er von seiner Seite aus das, was der Senat (aaO) von sämtlichen Gesellschaftern einer Vor-Gesellschaft zur Vermeidung einer solchen Außenhaftung verlangt, nämlich bei erkennbarem Scheitern der Gründung die werbende Geschäftstätigkeit sogleich zu beenden und die Vor-Gesellschaft abzuwickeln. Schon aus diesem Grund sowie zur Beschleunigung der Abwicklung im Falle eines Scheiterns der Gründung muss einem Vor-Gesellschafter das besagte Kündigungsrecht und nicht nur der langwierige Weg einer Auflösung durch Gestaltungsurteil entsprechend §§ 61 GmbHG, 133 HGB zu Gebote stehen. Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erzwingen - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Notwendigkeit einer Auflösungsklage entsprechend §§ 61 GmbHG, 133 HGB. Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung kann es auch im Falle einer zulässigen Kündigungsklausel in der Satzung geben. Ebenso kann die Wirksamkeit eines Auflösungsbeschlusses streitig sein. Endgültige Rechtsklarheit wird hier wie dort erst durch die gerichtliche Entscheidung geschaffen.
d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte zu 1 nicht schon deshalb als OHG zu qualifizieren (mit der Folge der Anwendbarkeit der §§ 131 Abs. 3 Nr. 3, 133 HGB), weil sie nach ihrer Gründung eine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat. Abgesehen davon, dass die Beklagte zu 1 gemäß dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils eine Geschäftstätigkeit nur "in Form von Akquisition, Administration und Organisation aufgenommen" hat, gelten für die (zulässige) Geschäftstätigkeit im Rahmen einer Vor-Gesellschaft besondere Grundsätze (vgl. BGHZ 80, 129, 139). Dass die Prozessparteien schon geraume Zeit vor der Kündigung der Klägerin im Oktober 2001 ihre Eintragungsabsicht aufgegeben hatten und die Beklagte zu 1 damit schon zur Zeit der Kündigung in eine "unechte Vor-Gesellschaft" in Form einer OHG umqualifiziert war (vgl. Senat BGHZ 152, 290; MünchKommAktG/Hüffer aaO § 262 Rdn. 24; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 11 Rdn. 32), ist nicht vorgetragen. Vielmehr wurde nach dem Vortrag der Beklagten über Ersatzlösungen für die Finanzierung der Gründung verhandelt (vgl. unten 2 c).
2. Ohne Rechtsfehler erachtet das Berufungsgericht einen wichtigen Grund für die Kündigung der Klägerin für gegeben.
a) Entgegen der Ansicht der Revision scheitert die Annahme eines wichtigen Grundes wegen fehlender Bereitschaft der Beklagten zu 2 zur Einlageleistung nicht daran, dass die Einlagen zur Zeit der Kündigung der Klägerin noch nicht vom Vorstand der Beklagten zu 1 eingefordert (§ 63 AktG), sondern nur von der Klägerin angemahnt waren. Dahinstehen kann, ob es angesichts der in der Satzung der Beklagten zu 1 bestimmten sofortigen Fälligkeit der Einlage (vgl. dazu MünchKommAktG/Bayer 2. Aufl. § 63 Rdn. 38; vgl. auch BGHZ 110, 47, 76) und der dem Vorstand der Beklagten zu 1 durch ihren Vorsitzenden, den Geschäftsführer der Beklagten zu 2, bekannten Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu 2 einer "Aufforderung" im Sinne von § 63 Abs. 1 AktG überhaupt bedurfte oder ob dies unter den vorliegenden Umständen nicht eine pure Förmelei wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Leistung effektiv außerstande war und die Klägerin deshalb nach den ergebnislosen Fristsetzungen und den sich hinziehenden Verhandlungen schließlich von einem Scheitern der Gründung ausgehen durfte, wie bereits ausgeführt.
b) Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, kann der Klägerin unter den vorliegenden Umständen nicht vorgehalten werden, dass auch sie ihre Einlage nicht an die Beklagte zu 1 geleistet hat. Denn nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatten sich beide Beklagte hoher Aufwendungen in Form von "Gründungskosten" (mehr als 1 Mio. DM) berühmt, darunter Gehaltsforderungen von 330.000,00 DM für den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1 und Geschäftsführer der Beklagten zu 2. Die Klägerin musste deshalb befürchten, dass ihre Einlageleistung sofort zur Deckung der von ihr bestrittenen Aufwendungen verbraucht würde, ohne dass damit - schon wegen fehlender Mindesteinlage der Beklagten zu 2 - die Voraussetzungen für eine Registeranmeldung der Beklagten (§§ 36 f. AktG) herbeigeführt werden könnten.
c) Entgegen der Ansicht der Revision scheitert die Kündigung der Klägerin auch nicht daran, dass die Beklagte zu 2 eine "Anpassung" der Gründungsvereinbarungen wegen "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" verlangen konnte, weil die angeblich von einem Aufsichtsratsmitglied der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 erteilte Finanzierungszusage nicht eingehalten worden sein soll. Abgesehen davon, dass die "Zusage" nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohnehin sehr vage war, kann sie der Klägerin - als Erklärung eines Dritten - jedenfalls nicht zugerechnet werden. Wenn sich die Beklagte zu 2 trotz Unbestimmtheit der genannten Zusage zu ihrer Beteiligung an der Gründung der Beklagten zu 1 bereit fand, so war das ihr Risiko. Selbst wenn dies Geschäftsgrundlage gewesen wäre, so wäre die Klägerin aus diesem Grund erst recht zu der Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB berechtigt, weil die von der Beklagten zu 2 angebotene Alternativlösung keine der Klägerin zumutbare Anpassung gewesen wäre. Danach sollte die Beklagte zu 1 unter Herabsetzung ihres Grundkapitals auf eine erst noch zu erwerbende (bereits eingetragene) Vorrats-AG verschmolzen, also eine zweite AG ins Spiel gebracht werden. Das geht über eine bloße Anpassung hinaus und lässt auch nicht erkennen, welche Vorteile sich aus einem derartigen - mit erheblich höheren Gründungskosten verbundenen - Vorgehen hätten ergeben sollen. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb nunmehr ein geringeres Grundkapital für eine erfolgreiche Unternehmensführung ausreichen sollte. Die Klägerin musste darauf nicht eingehen. Aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht folgt auch nicht, dass sie ihre eigenen Interessen gegenüber denjenigen der Beklagten zu 2 zurückzustellen und ihr eine gleich bleibende Beteiligung trotz geringen Kapitaleinsatzes einzuräumen hatte. Vielmehr durfte die Klägerin nach den sich hinziehenden Verhandlungen die Gründung der Beklagten zu 1 als gescheitert ansehen und kündigen.
B. Klageantrag zu 2:
I. Der Antrag auf Feststellung, dass die Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1 deren Liquidation "zu besorgen" haben, ist gegenüber beiden Beklagten zulässig.
1. Zwar fehlt es insoweit an einem Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien, weil die von der Klägerin postulierte Abwicklungsverpflichtung der Vorstandsmitglieder gemäß § 265 Abs. 1 AktG gegenüber der Gesellschaft besteht. Jedoch kann auch ein Drittrechtsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dessen Klärung hat. Ein entsprechendes Interesse hat der Senat zuletzt im Urteil vom 10. Oktober 2005 (II ZR 90/03, BGHZ 164, 249 = ZIP 2005, 2207) angenommen, soweit es um die Verletzung von Mitgliedschaftsrechten eines Aktionärs durch pflichtwidriges Vorstandshandeln geht. So liegt der Fall auch hier, weil der Vorstand der Beklagten bisher aus der Kündigung der Klägerin keine Abwicklungskonsequenzen gezogen hat.
2. Zulässig ist der Feststellungsantrag - entgegen der Meinung der Revision - auch gegenüber der Beklagten zu 2. Denn insoweit geht es hier um die Befugnisse der beiden Gesellschafterinnen untereinander im Verhältnis zum Vorstand der Beklagten zu 1, weil dieser im Stadium der Vor-Gesellschaft noch an Weisungen der Gründer gebunden ist, § 76 Abs. 1 AktG hier also noch nicht gilt (vgl. K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 41 Rdn. 57). Mit der begehrten Feststellung wird im Verhältnis zwischen den beiden Gründungsgesellschafterinnen geklärt, dass eine Abwicklungsanweisung gegenüber den Vorstandsmitgliedern rechtens ist und eine gegenteilige Weisung der Beklagten zu 2 Grundlage für Schadensersatzansprüche der Klägerin sein kann.
3. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO ist nicht, wie die Revision meint, "aus tatsächlichen Gründen" bzw. deshalb zu verneinen, weil die Beklagten eine Abwicklungsverpflichtung der Vorstandsmitglieder für den Fall der Auflösung der Beklagten zu 1 nicht in Abrede genommen hätten. Schon dadurch, dass die Beklagten eine Auflösung der Beklagten zu 1 überhaupt bestreiten und die Abweisung des Antrags begehren, stellen sie zwangsläufig eine Abwicklungsverpflichtung der Vorstandsmitglieder in Abrede. Darüber hinaus berufen sie sich darauf, dass gemäß der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht die Vorstandsmitglieder einer Vor-AG, sondern analog §§ 730 ff. BGB deren Gesellschafter zur Abwicklung berufen seien (mit Hinweis auf BGHZ 51, 30, 34; 86, 122, 127 zur Vor-GmbH).
II. Der Antrag auf Feststellung der Abwicklungspflicht der Vorstandsmitglieder ist begründet. Wie die Revision selbst ausführt, ist der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 28. November 1997 (V ZR 178/96, ZIP 1998, 109) in Übereinstimmung mit dem neueren Schrifttum (vgl. MünchKommAktG/Hüffer 2. Aufl. § 265 Rdn. 3; MünchKommAktG/Pentz aaO § 41 Rdn. 49) davon ausgegangen, dass für die Abwicklung einer Vor-Gesellschaft die Vorstandsmitglieder entsprechend §§ 60 ff., 66 GmbHG, 265 Abs. 1 AktG zuständig sind. Dem tritt der Senat bei, weil die Kompetenzverteilung der §§ 730 ff. BGB zu der - durch Fremdorganschaft geprägten - körperschaftlichen Struktur der Vor-Gesellschaft nicht passt und die Haftungsverhältnisse der Gründer vom Eintritt in das Liquidationsstadium unberührt bleiben. Die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des § 723 BGB auf den vorliegenden Fall steht dazu nicht in Widerspruch. Dieser Grundsatz betrifft nur die Voraussetzungen der Auflösung, nicht die Modalitäten der Abwicklung.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 19.03.2003 - 3/13 O 5/02 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 10.05.2005 - 5 U 59/03 -
BGH:
Urteil v. 23.10.2006
Az: II ZR 162/05
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