Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 27. Januar 2004
Aktenzeichen: 13 A 3253/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 27.01.2004, Az.: 13 A 3253/01)

Tenor

Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 51.129,19 EUR (100.000,00 DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin teilte Ende 1998 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) ihre Absicht mit, ein Angebot über ortsnetzüberschreitende Verbindungen im Sprachtelefondienst an Diensteanbieter zum Zweck des Wiederverkaufs am Markt (Resale) einzuführen und später entsprechende Angebote für den Ortsnetzbereich nebst Telefonanschlüssen folgen zu lassen; sie halte das Angebot nicht für genehmigungspflichtig, weil sie auf dem maßgeblichen Markt für Verbindungsleistungen im Sprachtelefondienst für Diensteanbieter/Wiederverkäufer nicht marktbeherrschend sei. In § 1 Abs. 1 des hierzu vorgelegten Entwurfs eines Vertrages "über Reselling/Vermarktung von Sprachtelefondienstleistungen" heißt es:

"Der RESELLER beabsichtigt, Sprachtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs (Resale) im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und der Telekommunikations- Kundenschutzverordnung (TKV 1997) vom 11. Dezember 1997 von der Deutschen Telekom zu erwerben und auf dem deutschen Markt anzubieten. Der RESELLER wird hierzu von der Deutschen Telekom Sprachtelefondienstleistungen beziehen und diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an eigene Kunden (End-Kunden) weiter verkaufen. ..."

Nach § 6 Abs. 6 des Vertragsentwurfs hat der Reseller sicherzustellen, dass Kunden, deren Teilnehmernetzbetreiber nicht die Klägerin (DTAG) ist, eine für die Inanspruchnahme entsprechender Angebote des Resellers notwendige Preselection auf diese beantragt haben. Nach Anlage 1 und 2 des Vertragsentwurfs ermöglicht die Klägerin dem Reseller den Weiterverkauf von T-Net-Verbindungen und verpflichtet sie sich zur Herstellung von T-Net-Verbindungen nach einer Preselection im Netz des Anschlussanbieters, insbesondere Verbindungen zu Anschlüssen der Klägerin und Anschlüssen anderer Anbieter von Inland-Sprachtelefondienst sowie sonstigen Verbindungen. Nach der weiteren Leistungsbeschreibung dort dienen die T-Net-Verbindungen der Vermittlung von Sprache, können aber auch zur Übermittlung von Nicht-Sprach-Signalen (z.B. zur Telefax- und Datenkommunikation) genutzt werden, wird eine bestimmte Durchlasswahrscheinlichkeit hergestellt, ein werktägliches Sammeln der Kommunikationsfälle und Meldung an den Reseller sowie eine unverzügliche Störungsbeseitigung erfolgen.

In dem hierauf von der Regulierungsbehörde eingeleiteten förmlichen Verfahren zur Feststellung der Endgeltgenehmigungspflichtigkeit von Resale-Angeboten der Klägerin wandte sich diese gegen eine solche Genehmigungspflicht, weil die geplanten Resale-Angebote weder "Sprachtelefondienst für die Öffentlichkeit" i.S.d. § 3 Nr. 15 TKG beträfen noch sie auf den in Betracht zu nehmenden Märkten für Resale-Vorprodukte über eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 GWB verfüge.

Mit Bescheid vom 23. November 1999 stellte die Beklagte die Entgeltgenehmigungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG für Angebote der Klägerin über Fernverbindungen im Sprachtelefondienst an Diensteanbieter/Wiederverkäufer zum Zwecke des Wiederverkaufs (Resale-Angebote) mit der Begründung fest: Bei dem Resale-Angebot handele es sich um Sprachtelefondienst i.S.d. § 3 Nr. 15 TKG. Zwar verwende der Wiederverkäufer das an den Netzabschlusspunkt angeschlossene Endgerät nicht selbst zur Kommunikation und sei deswegen auch nicht selbst Nutzer von Sprachtelefondienst. Er werde jedoch auf der Grundlage seiner vertraglichen Beziehungen mit dem Netzbetreiber in die Lage versetzt, von diesem Sprachtelefondienst Leistungen zu beziehen und diese als eigene Sprachtelefondienstleistungen anzubieten. Die Klägerin sei marktbeherrschend unabhängig davon, wie der maßgebliche Markt abzugrenzen sei. Das ergebe sich aus dem Verbindungsanteil der Klägerin im Sprachtelefondienst von insgesamt etwa 70 %, bei Ortsnetzverbindungen etwa 95 % und der Vermutungsregel des § 19 Abs. 3 GWB sowie aus der bedeutenden Finanzkraft der Klägerin, die ihr die Erlangung einer überragenden Marktstellung nach Einführung des geplanten Angebots ermögliche, und dem ihr als dem weitaus größten Anbieter möglichen Angebot aller Dienstleistungen aus einer Hand.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Bei den beabsichtigten Resale-Angeboten handele es sich nicht um Sprachtelefondienstleistungen gegenüber dem zur Veräußerung ihrer Leistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung ermächtigten Reseller. Sprachtelefondienstleistungen würden nur im Verhältnis des Resellers zu seinen Endkunden erbracht, nicht aber im Verhältnis von ihr zum Reseller. Es fehle auch an einer gewerblichen Bereitstellung dieser Leistungen für die Öffentlichkeit, denn ihr Resale-Angebot richte sich nicht an einen unbestimmbar großen Kreis von Endkunden, sondern nur an einen eng begrenzten Kreis möglicher Reseller. Aus der Entstehungsgeschichte des § 25 Abs. 1 TKG ergebe sich, dass von dem Erfordernis einer exante-Genehmigung nur der zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes vorgefundene ehemalige Monopolbereich des Sprachtelefondienstes und der Übertragungswege erfasst werden sollte. Zu dieser Zeit hätten Resale-Angebote aber noch nicht existiert, weshalb sie auch nicht von dem seinerzeit vorgefundenen Begriff des Sprachtelefondienstes erfasst würden. Sie habe auch auf dem in Betracht zu nehmenden Markt für Resale-Leistungen im Fernverbindungsbereich keine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB. Sie sei auf diesem Markt bislang noch gar nicht tätig und die Frage der Marktbeherrschung stelle sich erst nach ihrem Markteintritt und könne nicht im Wege einer Prognose vorab entschieden werden. Ihre marktbeherrschende Stellung könne nicht aus ihrer gegenwärtigen Stellung im Markt für Verbindungsleistungen an Endkunden geschlossen werden. Diese Stellung werde auf den Resale-Markt nicht durchschlagen. Sie strebe auf den Resale-Märkten keinen hohen Marktanteil an, weil die Reseller mit ihr im Wettbewerb stünden und ihren eigenen Vertrieb von Sprachtelefondienstleistungen an Endkunden schwächten. Auch sei der Vorleistungsmarkt wesentlich stärker vom Wettbewerb geprägt als der Endkundenmarkt, was einen unmittelbaren Vergleich beider Märkte verbiete. Schließlich seien der erhebliche und zunehmende Wettbewerbsdruck auf sie und das Absinken ihrer Marktanteile in der Vergangenheit im Endkundenmarkt zu berücksichtigen. Die Regulierungsbehörde hätte deshalb eine genaue Marktanalyse für Resale-Angebote durchführen müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beschluss der Beklagten vom 23. November 1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Klageabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, abgewiesen.

Nach Zulassung der Berufung hiergegen trägt die Klägerin - fristwahrend -wiederholend und vertiefend vor: Fälschlich habe das Verwaltungsgericht den Sprachtelefondienst rein technisch betrachtet und es als unbeachtlich angesehen, ob die technische Leistung unmittelbar dem Reseller als Vertragspartner oder einer Vielzahl von Endkunden erbracht werde, und die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Reseller und ihr als Netzbetreiberin im Rahmen der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 15 TKG unberücksichtigt gelassen. Beim Resale sei aber zwischen den technischen und rechtlichen Leistungen zu unterscheiden. Tatsächlich liege die Leistung des Resellers in einem mit Anreicherungen wie Auskünften, customer care oder Rechnungsleistungen versehenen Vertrieb einer Telekommunikationsdienstleistung, die er rechtlich dem Endkunden im eigenen Namen und für eigene Rechnung anbiete. Die rechtliche Leistung des Netzbetreibers beschränke sich in der Einräumung des Rechts an den Reseller, diese Telekommunikationsdienstleistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung den Endkunden anzubieten und damit selbst Sprachtelefondienst zu erbringen, und in der Lieferung fakturierungsnotwendiger Kommunikationsdaten. Ihre Leistung als Netzbetreiberin an den Reseller erfülle die Voraussetzungen des § 3 Nr. 15 TKG nicht. Auch bei rein technischer Sicht erbringe sie Sprachtransport und -vermittlung nicht gegenüber dem Reseller, sondern dem Endkunden. Nicht etwa werde der technische Vorgang zunächst dem Zwischenhändler und von ihm an den Endkunden verkauft, weil der Zwischenhändler mit der Ware nicht gegenständlich in Berührung komme und auch keine Verkürzung des Lieferweges ein und desselben Vertragsgegenstandes vorliege, sondern die Vertragsgegenstände beider Rechtsbeziehungen andere seien und Sprachtransport und -vermittlung ausschließlich zum Endkunden erfolgen könne. Sprachtelefondienst erbringe nur der Reseller dem Endkunden, wobei der Netzbetreiber als Erfüllungsgehilfe für den vom Reseller geschuldeten technischen Vorgang fungiere. Dies schließe bereits einen Sprachtelefondienst auch des Netzbetreibers an den Reseller aus. Das folge auch aus dem Bedeutungsgehalt des § 25 Abs. 1 TKG, der die zivilrechtliche Gegenleistung nach dem jeweiligen Vertrag, wenn sie als Sprachtelefondienst einzustufen sei, der Genehmigungspflicht unterwerfe. Insoweit sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die rechtliche Beziehung, also die Vertragsausgestaltung zwischen ihr und dem Reseller sehr wohl von Bedeutung. Im Verhältnis zwischen ihr und dem Reseller fehle es an dem für Sprachtelefondienst notwendigen Merkmal der "Bereitstellung ... für die Öffentlichkeit", das von seinem Wortsinn eine Zielrichtung der technischen Leistung anzeige und zwar zum teilnehmeroffenen Endkundenkreis. Ihre vertragliche Leistung an den Reseller richte sich jedoch nicht an diesen offenen Kreis, sondern an den individuellen Vertragspartner als Groß- bzw. Zwischenhändler. Die Umschreibung ihrer Leistung im Vertragsentwurf als Sprachtelefondienst ändere an der richtigen rechtlichen Qualifizierung nichts; sie entspringe einem nur undifferenzierten Sprachgebrauch für die Herstellung von Sprachtransport und -vermittlung. § 25 Abs. 1 TKG sei schließlich unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte anzuwenden. Nach den Gesetzesmaterialien hätten Telekommunikationsdienstleistungen einer Entgeltgenehmigung unterworfen werden sollen, für die sie bereits bei der Marktliberalisierung eine Monopolstellung eingenommen habe und über deren Gewinne sie Wettbewerb in anderen Produktbereichen durch Preisunterbietung hätte beeinträchtigen können; alle übrigen Telekommunikationsdienstleistungen hätten erst nach ihrer Markteinführung einer Entgeltkontrolle unterzogen werden sollen. Sprachtelefondienst in Form des Resale habe es bei der Marktöffnung jedoch nicht gegeben; erst recht habe sie diesbezüglich keine Monopolstellung eingenommen.

Sie sei nicht marktbeherrschend auf dem vom Verwaltungsgericht richtig erkannten maßgeblichen Markt für Resale-Leistungen. Ein Rückschluss von ihrer Position im Endkundenmarkt auf den Resale-Markt verbiete sich, weil hier der Reseller als Kunde im sachlichen Unterschied zum Endkundenmarkt eine pauschale Lieferung mit der Erlaubnis zum Abschluss von Einzelverträgen mit Endkunden bei Anreicherung mit eigenen Zusatzleistungen beziehe. Dieser spezifische neue Vertriebsmarkt habe mit dem Markt für Sprachtelefondienstleistungen für Orts- und Fernverbindungen funktionell nichts gemein. Es könne eine marktbeherrschende Stellung, hier im Fernverbindungsbereich, auch nicht im Wege einer Prognose ermittelt werden. Die Frage der Marktbeherrschung stelle sich erst ab Markteintritt. Sie (die Klägerin) sei aber in einem solchen Markt bisher nicht tätig. Der auf eine wirksame Preiskontrolle bereits bei ihrem Marktzutritt zielende Ansatz des Verwaltungsgerichts sei systematisch und sachlich falsch. Wie bei § 19 GWB komme es auf eine tatsächliche, gegenwärtige marktbeherrschende Stellung an; sie sei Voraussetzung für deren Missbrauch sowie dessen Kontrolle. Ziel des Telekommunikationsgesetzes sei die Verhinderung des Missbrauchs einer bestehenden marktbeherrschenden Stellung, nicht aber im Vorgriff der Erlangung von Marktanteilen. Mangels ihrer Präsenz im Resale-Markt sei auch die Beweislastregel des § 19 Abs. 3 GWB nicht anwendbar. Einem Durchschlagen ihrer Position im Endkundenmarkt auf den Resale-Markt stehe bereits entgegen, dass mit dem Resaling ihre Stellung beim Vertrieb von Sprachtelefondienstleistungen in gleichem Maße geschwächt werde, der Vorleistungsmarkt wesentlich stärker vom Wettbewerb geprägt sei als der Endkundenmarkt und sie in diesem im Jahre 2000 erhebliche Verluste an Verbindungsminuten erlitten habe. Warum sich beim Resaling bei 47 konkurrierenden Unternehmen, die die Vorleistungen von mehreren anderen Verbindungsnetzbetreibern erhielten, eine andere Entwicklung eintreten solle, sei nicht ersichtlich. Die ihr mögliche "Vollsortimenter- Leistung" aus einer Hand vermittle keinen Wettbewerbsvorteil. Hierzu seien auch ihre Wettbewerber in der Lage; über Zusammenschaltungsverträge könnten sie auf alle Dienste und Netze zugreifen und im Regelfall ein komplettes Leistungsangebot bieten. Sie habe auch keinen Wettbewerbsvorteil durch ein flächendeckendes Netz. Ihre Wettbewerber mieteten gerade im Fernbereich die Netze anderer Betreiber, erzielten günstige Interconnectiontarife und betrieben zum Teil auch eigene Netze. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, sie werde einen Marktanteilsverlust im Endkundenbereich durch einen wesentlichen Anteil im Resale-Markt auszugleichen versuchen, sei widersprüchlich und falsch. Wenn Verluste hier zu einem Gewinn dort mit Marktbeherrschung führten, könne nicht von einem Durchschlagen einer Marktbeherrscherstellung hier auf eine eben solche dort im Sinne einer Anteileverschiebung gesprochen werden. Ihr mangelndes Interesse an umfangreicher Tätigkeit im Resale-Markt, eben weil ein umfangreiches Resaling sie im Endkundenmarkt schwäche, sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts von entscheidender Bedeutung. Entwickle sie keine entsprechende Geschäftsstrategie, werde sie auch keinen wesentlichen Marktanteil und erst recht keine Marktbeherrscherposition im Resale erlangen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Endkunden des Resellers hätten eine Voreinstellung auf dem jeweiligen Netzbetreiber zu akzeptieren, sei falsch und stelle für sie keinen Marktvorteil dar. Es sei ihr durch vollziehbare Entscheidung der Regulierungsbehörde untersagt, Resale- Angebote den Interessen von callbycall- oder Preselection-Anbietern widersprechend und damit auch mit der Verpflichtung zur Preselection auf sie zu gestalten. Diese materiellrechtlich bereits im maßgeblichen Prüfungszeitpunkt bestehende Verpflichtung sei in die Prognose ihrer künftigen Stellung im Resale-Markt einzustellen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte hat im Zulassungsverfahren das angefochtene Urteil verteidigt, im Berufungsverfahren aber keine Stellung genommen.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der RegTP vom 23. November 1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ist nach der Rechtsprechung des Senats,

vgl. Beschlüsse vom 27. November 2001 - 13 A 2940/00 - und vom 20. November 2003 - 13 A 2869/01 -,

ermächtigt, durch feststellenden Bescheid über die Entgeltgenehmigungspflicht einer Telekommunikationsdienstleistung der Klägerin zu entscheiden.

Die von ihr getroffene Feststellung der Genehmigungspflicht für das Angebot von Fernverbindungen im Sprachtelefondienst für Reseller ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 TKG vorliegen.

Bei der für entgeltregulierungspflichtig erklärten Leistung, nämlich der zum Zwecke des Wiederverkaufs angebotenen Lieferung von Sprachtelefondienstverbindungen zu Anschlüssen der Klägerin und anderer Anbieter im ortsüberschreitenden Inland sowie zu sonstigen Anschlüssen, handelt es sich um Sprachtelefondienst. Nach § 3 Nr. 15 TKG ist Sprachtelefondienst die gewerbliche Bereitstellung für die Öffentlichkeit des direkten Transports und der Vermittlung von Sprache in Echtzeit von und zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes, wobei jeder Benutzer das an solch einem Netzabschlusspunkt angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit einem anderen Netzabschlusspunkt verwenden kann. Der Senat versteht diese Regelung als Beschreibung eines rein technischen Vorgangs und rein technischer Eigenschaften. Ein solcher technischer Vorgang, soweit er die beschriebenen Eigenschaften erfüllt, ist unabhängig davon, auf welcher rechtlichen Grundlage und zu welchem Zweck der erfolgt. Das rein technische Verständnis folgt aus den Erwägungen der § 3 TKG zugrundeliegenden Richtlinie der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (90/388/EWG), ABl. Nr. L 192/10, nach deren Erwägung (32) u.a. für einen gemeinschaftsweiten Telekommunikationsdienstleistungsmarkt die technischen Voraussetzungen durch Richtlinien festzulegen sind; diese Festlegung für den Sprachtelefondienst ist in Art. 1 Abs. 1 der v.g. Richtlinie nahezu wortgleich mit § 3 Nr. 15 TKG erfolgt. Zudem ist Sprachtelefondienst eine Telekommunikationsdienstleistung und wird das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen in der Literatur

vgl. Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 3 Rdn. 31,

als "technische" Dienstleistung bezeichnet.

Die Klägerin bietet an, Sprachtransport und -vermittlung von und zu Netzabschlusspunkten des öffentlichen vermittelnden Netzes von und zu den Endkunden zu erbringen. Dass letztere Öffentlichkeit darstellen und für sie Sprachtransport und -vermittlung bereit gestellt werden soll sowie ihnen als Benutzern mit einem Gerät ihrer Wahl Kommunikationsmöglichkeiten gegeben sein sollen, wird auch von der Klägerin nicht angezweifelt. Die Bereitstellung von Transport und Vermittlung von Sprache ist gewerblich. Diese Motivation der Leistung ist bereits dann erfüllt, wenn sie zum Zweck der Gewinnerzielung erfolgt, gleichgültig worin der Gewinn konkret liegt oder ob er tatsächlich eintritt oder durch wen - den Endkunden oder einen Dritten - er aufgebracht wird.

Der Umstand, dass auch der Reseller im Rahmen der von ihm dem Endkunden vertraglich geschuldeten Telekommunikationsdienstleistung Sprachtelefondienst erbringt, indem er den von der Klägerin erbrachten technischen Vorgang an den Endkunden im eigenen Namen vermarktet, steht der Wertung des von der Klägerin erbrachten Vorgangs als Sprachtelefondienst nicht entgegen. Denn der Reseller erbringt gegenüber dem Endkunden schon deshalb eine andere Leistung als die Klägerin an den Endkunden, weil er beim Wiederverkauf den bloßen Sprachtransport und die bloße Sprachvermittlung mit anderen Produkten anreichert oder verarbeitet und so ein anderes neues Produkt schafft. Auch der Umstand, dass die Klägerin lediglich zum Reseller in vertraglichen Beziehungen steht und diese den Rechtsgrund für die Bereitstellung von Transport und Vermittlung von Sprache an den Endkunden bilden, steht der Qualifizierung dieses technischen Vorgangs als Sprachtelefondienst nicht entgegen. Zwar bildet das im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages erhobene Entgelt regelmäßig die vereinbarte Gegenleistung ab und ist deshalb die Entgeltgenehmigungspflicht mit Blick auf die abgebildete Leistung zu beantworten. Hier ist nach dem vorgelegten Vertrag die Klägerin dem Reseller gegenüber verpflichtet, u.a. den technischen Vorgang des Sprachtelefondienstes in der Relation zwischen Klägerin und Endkunde zu erbringen. Als ein rein technischer Vorgang bleibt aber dieser Transport und diese Vermittlung von Sprache zum Endkunden tatsächlich und nach der rechtlichen Qualifikation unverändert. Als rein technischer Vorgang ist es gleichgültig, an wen der Transport und die Vermittlung von Sprache adressiert ist, wenn der Adressat nur nicht zu einem geschlossenen Benutzerkreis gehört und freie Gerätewahl besteht. Um die einem Reseller gegenüber bestehende schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbringung von Sprachtelefondienst zu erfüllen, muss daher nicht der Reseller selbst Adressat des Sprachtelefondienstes sein. Zivilrechtlich handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Reseller um ein Austauschverhältnis mit Zügen eines Kauf-, Dienstleistungs- und Werkvertrags sowie einer Abrede der unechten Drittbegünstigung und Erfüllungsübernahme. Das ergibt eine Auslegung des Vertrags, insbesondere des Umstandes, dass der Reseller gegenüber dem Endkunden (Dritten) selbst als Vermarkter auftreten will und der Endkunde nur ihm gegenüber Rechte geltend machen können und mit Blick auf die Klägerin nur faktisch in den Genuss des von ihr erbrachten Sprachtransports und der Sprachvermittlung kommen soll. Auch wenn die aus einem solchen Vertrag zu erbringende Leistung tatsächlich einem Dritten zufließt, wird damit die Leistungsverpflichtung des Netzbetreibers gegenüber dem Reseller als Vertragspartner erfüllt mit der Konsequenz, dass der Netzbetreiber dem Reseller gegenüber - in welcher Richtung auch immer ausgebrachten - Sprachtelefondienst geleistet hat.

Der Qualifizierung des technischen Vorgangs des Transports und der Vermittlung von Sprache an einen Dritten in Erfüllung der Leistungspflicht gegenüber einem Wiederverkäufer als Sprachtelefondienst steht nicht entgegen, dass es diese Form der Erbringung von Sprachtelefondienst zur Zeit des Inkrafttretens des Telekommunikationsgesetzes auf dem von der Klägerin beherrschten Telekommunikationsmarkt noch nicht gab. Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe diese Form des Sprachtelefondienstes nicht mit dem Begriff "Sprachtelefondienst" des § 25 Abs. 1 TKG erfassen wollen. Dass ein als technischer Vorgang dem Endkunden vom Netzbetreiber erbrachter und vom Wiederverkäufer vermarkteter Sprachtelefondienst der Vorstellung des Normgebers bereits seinerzeit jedenfalls als eine künftige Darbietungsform entsprach, wird dadurch belegt, dass er die Grundlage hierfür mit der Ermächtigung zum Erlass der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung gelegt hat und diese Verordnung in § 4 Abs. 1 Satz 1 die Verpflichtung des Netzbetreibers zur Ausgestaltung seiner Leistungen, mithin auch von Sprachtelefondienstleistungen, in einer deren Wiederverkauf durch andere Diensteanbieter ermöglichenden Weise ausspricht.

Die Klägerin verfügt auf dem Markt, dem die zu betrachtende Leistung zuzuordnen ist, über eine marktbeherrschende Stellung.

Sachlich relevanter Markt ist nach der auch im Telekommunikationsrecht anerkannten Bedarfsmarktbetrachtung derjenige der Sprachtelefondienstleistungen für Resaleprodukte (vorliegend) im Fernbereich. Dieser Markt ist zum einen vom Endkundenmarkt der entsprechenden Sprachtelefondienstleistungen durch von der Rechtsprechung anerkannte abgrenzungsgeeignete Merkmale und Erscheinungen deutlich abgesetzt. Die Angebote der entsprechenden Endkundenprodukte und der zugehörigen Vorleistungsprodukte erfolgen nach unterschiedlichen Marktstrategien und zu unterschiedlichen Preisen. Der Kreis der Nutzer bzw. Abnehmer dieser Leistungen ist jeweils ein anderer und das Nachfrageverhalten der Nutzer ist in mehrfacher Hinsicht unterschiedlich. Schließlich ist das dem Endkunden angebotene Produkt schon allein hinsichtlich des Vertragspartners und seiner Annexleistungen ein anderes als das Rohprodukt des Vorleistungsmarkts. Zum anderen benötigt der Reseller für die Erbringung eigener, neu gestalteter und unter eigenem Namen angebotener Sprachtelefondienstleistungen für den Endkunden nur ein Großhandels- oder Rohprodukt des Vorleistungsmarkts, das er nicht etwa gegen ein von einem anderen Diensteanbieter erbrachtes Endkundenprodukt des Sprachtelefondienstes austauschen könnte. Räumlich relevanter Markt ist die Bundesrepublik Deutschland. Die von der Klägerin beabsichtigten Angebote von Sprachtelefondienst im Ortsbereich und im überörtlichen Bereich für den Wiederverkauf sollen bundesweit gelten. Das gebietet die Betrachtung ihrer Marktposition bezogen auf das gesamte Deutschland.

Es kommt nicht darauf an, ob in dem für die Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung die Klägerin in einem Vorleistungsmarkt für Sprachtelefondienst für Reseller - jeweils im Ortsbereich und im Fernbereich - bereits präsent und ein solcher überhaupt existent war. Ausreichend ist, dass mit dem beabsichtigten Angebot auf eine entsprechende Nachfrage ein solcher Markt ins Leben gerufen wird und die Klägerin sich in ihm betätigt . Das folgt aus Sinn und Zweck der Entgeltregulierung, die die Herstellung von Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt durch maßstabsgerechte Entgelte des früheren Monopolisten bezweckt. Dieses Gesetzesanliegen gilt auch im Fall eines sich künftig erst konstituierenden Marktes, und zwar von seinem Anbeginn. Deshalb ist ein Entgelt für Sprachtelefondienstleistungen für den Wiederverkauf bereits dann genehmigungspflichtig, wenn mit hinreichender Sicherheit prognostizierbar die Position des anbietenden Netzbetreibers im künftigen entsprechenden Vorleistungsmarkt (hier für Resale-Sprachtelefondienst im Fernbereich) marktbeherrschend sein wird. Es ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, das Aufleben eines solchen Marktes und die Einnahme einer Marktbeherrscherposition eines gleichzeitig in den Markt eintretenden Unternehmens abzuwarten und sodann im expost Regulierungsverfahren auf maßstabsgerechte Entgelte hinzuwirken.

Vorliegend war im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung hinreichend sicher prognostizierbar, dass sich, wie vom TKV-Normgeber gewollt, ein Markt für Sprachtelefondienst für Wiederverkäufer (hier im Fernbereich) herausbilden und die Klägerin in diesem Markt eine beherrschende Stellung nach § 19 GWB einnehmen wird. Es lagen an die Klägerin gerichtete Nachfragen der Wettbewerber nach Vorleistungsprodukten für Resale-Sprachtelefondienstleistungen vor dem Hintergrund des § 4 TKV seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes vor. Ferner war auch nach Überzeugung des Senats mit hinreichender Sicherheit zu erkennen, dass die Klägerin das Wettbewerbsgeschehen des hier zu betrachtenden Markts schon deshalb dominieren würde, weil sie als nahezu alleiniger Lieferant der Vorleistungsprodukte auftreten und keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sein würde (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB). Die Klägerin ist Eigentümerin und Betreiberin eines bundesweit flächendeckenden Verbindungsnetzes für Sprachtelefondienst im Fernbereich. Zurzeit des angefochtenen Bescheids nahm sie deutlich über 60 % der Marktanteile dieses Marktes in Verbindungsminuten ein; gegenwärtig hat sie immerhin noch einen Anteil von etwa 50 %. Die restlichen Marktanteile verteilten sich seinerzeit auf wenige und verteilen sich zurzeit auf über 40 Wettbewerber, die teilweise mit eigener Infrastruktur, teilweise aber auch mit angemieteten Leitungen der Klägerin operieren. Als wesentlicher Lieferant von Sprachtelefondienstleistungen für Reseller im Fernbereich wird gleichwohl nahezu ausschließlich die Klägerin in Betracht kommen. Sie verfügt nicht nur über ein flächendeckendes Verbindungsnetz und ein Vollsortiment im Sprachtelefondienst, was jedenfalls bei dem größten Teil der übrigen Wettbewerber nicht der Fall ist, so dass der Reseller seinen Endkunden dasselbe uneingeschränkte Sortiment an Sprachtelefondienstleistungen wie das der Klägerin anbieten kann, wenn er diese bei entsprechender Preselection von der Klägerin bezieht. Der Reseller wird auch aller Voraussicht nach keinen oder jedenfalls nur in geringem Umfang Resale- Sprachtelefondienst von anderen Verbindungsnetzbetreibern beziehen, weil diese Netzbetreiber zum großen Teil selbst als Diensteanbieter Endkunden mit Sprachtelefondienst beliefern und ihre Konkurrenz nicht mit dem notwendigen Vorprodukt versorgen wollen sowie mangels marktbeherrschender Stellung auch keiner Kontrahierungspflicht mit dem Reseller unterliegen. Die Sprachtelefondienst im Fernbereich für Endkunden anbietenden alternativen Verbindungsnetzbetreiber werden sich daher aller Voraussicht nach im hier zu betrachtenden Vorleistungsmarkt nicht betätigen. Die restlichen ausschließlichen Verbindungsnetzbetreiber bedienen zum großen Teil spezielle lukrative Relationen und kommen für einen bundesweit angebotenen Resale-Sprachtelefondienst allenfalls in Ausnahmesituationen als Lieferanten entsprechender Vorleistungsprodukte in Betracht. Sie sind daher als Wettbewerber der Klägerin im zu betrachtenden Vorleistungsmarkt von nicht nennenswerter Bedeutung; von ihnen wird ein wesentlicher Wettbewerb im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht ausgehen.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie beabsichtige im hier zu betrachtenden Vorleistungsmarkt keine starke Wettbewerbstätigkeit zu entwickeln, ändert das an der für ihre Marktstellung entscheidenden Anbieterstruktur des relevanten Markts nichts. Dasselbe gilt für ihre bisherigen Verluste im Endkundenmarkt des Sprachtelefon- dienstes im Fernbereich. Wenn sie schon durch Reseller im Endkundenmarkt gewisse Verluste wird hinnehmen müssen, wird sie als ein am bestmöglichen Gewinn ausgerichtetes Unternehmen jedenfalls versuchen, eventuelle Wettbewerber im Vorleistungsmarkt, hier alternative Verbindungsnetzbetreiber im Fernbereich, als Konkurrenten auszuschalten. Dazu wird sie ihre deutlich stärkere Finanzkraft, ihr Vollsortiment aus einer Hand, ihre Beschaffungsvorteile, ihren Knowhow-Vorsprung und weiteres mehr mit guter Erfolgsaussicht einsetzen können. Auf diese Weise wird die Klägerin bei einer Gesamtschau im Vorleistungsmarkt des Resale- Sprachtelefondienstes im Fernbereich zudem eine ihre Wettbewerber in diesem Markt überragende Marktstellung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB) einnehmen, so dass es auf die Vermutungsregel des § 19 Abs. 3 GWB nicht ankommt. Ebenfalls kommt es nicht auf die Frage an, ob von einem Durchschlagen der Position der Klägerin auf dem Endkundenmarkt hin zum Vorleistungsmarkt ausgegangen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Vollstreckbarkeitsregelung aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO und die Nichtzulassung der Revision aus dem Fehlen der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 27.01.2004
Az: 13 A 3253/01


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