Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Juli 2013
Aktenzeichen: 38 O 123/12 U.
(LG Düsseldorf: Urteil v. 19.07.2013, Az.: 38 O 123/12 U.)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Werbung für Kerzen
a)
die Angaben  Klimaneutrale Kerzen: Die X  H 
und/oder
b)
die Angabe  Alle von X produzierten Kerzen sind klimaneutral  zu verwenden, wenn dies geschieht wie in Anlage HL 2 wiedergegeben;
2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet aufzuschlüsseln sind.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziff. I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.780,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 00.00.0000 zahlen.
Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Kerzen. In der Ausgabe 0/0 0000 der Zeitschrift "E" ließ die Beklagte eine Werbeanzeige veröffentlichen, in der es unter anderem heißt:
"Klimaneutrale Kerzen: Die X "H". Alle von X produzierten Kerzen sind klimaneutral. X strebt Null-CO2-Emission an und sorgt in seinem Unternehmen konsequent für Klimaneutralität, vor allem durch Kompensation von CO2-Belastung".
Wegen der weiteren Einzelheiten der Werbung wird auf die Anlage HL 2 Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Meinung, die Bezeichnung der Kerzen als klimaneutral sei irreführend, weil die aus Paraffin hergestellten Kerzen beim Abbrennen das Treibhausgas CO2 freisetzten. Es werde nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass lediglich eine Kompensation durch Erwerb von Zertifikaten gemeint sei. Tatsächlich sei auch noch nicht einmal eine derartige Kompensation ordnungsgemäß dargelegt und prüfbar nachgewiesen.
Neben der Unterlassung verlangt die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten, die Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskünfte. Ferner macht sie eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 Euro geltend, die verwirkt sei, weil die Beklagte nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung betreffend ein "H Siegel" sowohl in einem Internetkatalog wie aber auch - hilfsweise geltend gemacht - im Magazin E 00/00 diese Angabe verwendet hat.
Die Klägerin beantragt,
I.
Die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Werbung für Kerzen
a)
die Angaben "Klimaneutrale Kerzen: Die X "H"
und/oder
b)
die Angaben "Alle von X produzierten Kerzen sind klimaneutral"
zu verwenden, wenn dies wie in Anlage HL 2 wiedergegeben geschieht;
2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet aufzuschlüsseln sind;
II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
III.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.222,80 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine Irreführung sei ausgeschlossen. Da jedermann wisse, dass bei Produktion und Abbrennen von Kerzen CO2 ausgestoßen werde, verstünden die angesprochenen Verkehrskreise die Angabe zur Klimaneutralität von vornherein im Sinne einer Kompensation, worauf im Folgetext dann auch noch zusätzlich hingewiesen werde. Diese Kompensation bezogen auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit erfolge durch den Erwerb von Zertifikaten entsprechend den geprüften und bescheinigten Anforderungen der U GmbH.
Soweit Abmahnungen überhaupt berechtigt gewesen seien, werde ebenso wie im vorliegenden Verfahren ein zu hoher Streitwert angenommen.
Gegen die vertragliche Unterlassungsverpflichtung habe die Beklagte jedenfalls nicht schuldhaft verstoßen. Zudem sei die geforderte Vertragsstrafe überhöht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung des im Urteilstenor beschriebenen Verhaltens gemäß den §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbwerbsverhältnis. Sie sind Mitbewerber bei Absatz von Kerzen.
Die Werbeaussagen: "Die X H und alle von X produzierten Kerzen sind klimaneutral", sind als geschäftlich unterlautere Handlungen anzusehen, weil es sich um unwahre Angaben über wesentliche Merkmale der angebotenen Waren handelt.
Durch die überschriftartig verwendete Schlagwortbezeichnung "Klimaneutrale Kerzen" wird nach üblichen Grammatik- und Verständnisregeln die Behauptung aufgestellt, es gebe solche Kerzen. Eine solche Kerze stelle die nach dem Doppelpunkt aufgeführte "H" der Beklagten dar.
Diese Behauptung mag den angesprochenen Leser vor dem Hintergrund des von der Beklagten beschriebenen Allgemeinwissens verblüffen. Andererseits besteht kein Anlass zur Annahme, es handele sich um eine Scherzerklärung. Neue Materialien oder Verbrennungstechniken sind nicht auszuschließen. Die gesonderte Erwähnung klimaneutraler Kerzen unter Hervorhebung eines ganz bestimmten Produkts, nämlich der "H" vermittelt gerade den Eindruck, es handele sich hierbei um ein Produkt, das sich von anderen durch die Eigenschaft der Klimaneutralität unterscheide. Im folgenden Fließtext wird diese Eigenschaftszuweisung auf "alle von X produzierten Kerzen" ausgedehnt. Weder dieser Satz noch die sodann folgenden Ausführungen lassen eine Einschränkung oder Rücknahme der Produktbeschreibung in Bezug auf die Klimaneutralität deutlich werden. Dargestellt wird vielmehr in allgemeiner Weise die Unternehmensphilosophie der Beklagten. Dem Leser wird vermittelt, welch großer Stellenwert die Verminderung der CO2-Belastung für das Unternehmen der Beklagten darstellt. Eine Erläuterung etwa dahingehend, dass die zuvor als klimaneutral beschriebenen Kerzen im Prinzip austauschbar sind, weil sich das Unternehmen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzt, erfolgt nicht. Damit verbleibt es bei der produktbezogenen Irreführung, die Beklagte vertreibe klimaneutrale Kerzen.
Aus der von der Beklagten bemühten Entscheidung des Oberlandesgerichts L ergeben sich keine Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung. Die Kammer schließt sich den Ausführungen insoweit an, als dort ausgeführt wird, umweltbezogene Werbeaussagen hätten eine starke emotionale Werbekraft und unterlägen wegen des im Hinblick auf die Komplexität von Fragen des Umweltschutzes meist nur geringen sachlichen Wissensstandes des Publikums über die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen strengen Anforderungen. Eben solchen Anforderungen wird nur entsprochen, wenn Produkteigenschaften und Unternehmensphilosophie deutlich voneinander getrennt werden.
Auf die von der Beklagten vorgelegten Zertifikate und die Einzelheiten ihrer Erteilung kommt es nicht an.
Da sich die hier fraglichen Werbeaussagen nicht damit befassen, dass die Beklagte behauptet, einen sogar über die Kompensation hinausgehenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, indem sie "die Voraussetzungen entsprechend dem U Standard CMS 41 Klima Neutralität 00/0000 erfüllt, bedarf es keiner Prüfung, welche Bedeutung eine so definierte Klimaneutralität hat und ob die Voraussetzungen sowohl auf Seiten des Zertifikatserwerbers als auch auf Seiten der ausführenden Stellen erfüllt waren und werden.
Gemäß § 9 UWG schuldet die Beklagte neben der Unterlassung die Leistung von Schadensersatz. Ihr ist mindestens Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Da der Umfang der Werbemaßnahmen nicht feststeht, ist die Beklagte gem. § 242 BGB zur Auskunft verpflichtet und die Ersatzpflicht dem Grunde nach festzustellen.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat die Beklagte ferner die Kosten der anwaltlichen Abmahnung vom 00.00.0000 zu erstatten. Auf die Frage, ob die Klägerin bereits eine Zahlung an ihren Bevollmächtigten geleistet hat, kommt es nicht an (vgl. OLG Hamm Beck RS 2012, 25117).
Der angenommene Streitwert von 80.000,00 Euro erscheint ebenso angemessen wie der Ansatz einer 1,3 Gebühr. Maßgeblich ist das Interesse der Klägerin an der geforderten Unterlassung. Da Umweltaspekte gegenüber Verbrauchern zunehmend an Bedeutung gewinnen und die Beklagte als Herstellerin für einen erheblichen Vertrieb zu sorgen in der Lage ist, liegt keine offensichtlich fehlerhafte Bewertung durch die Klägerin vor. Der insoweit geforderte Betrag von 1.580,00 Euro ist auch als Schadensersatz zu erstatten und ab Rechtshängigkeit, also dem 00.00.0000 antragsgemäß wegen Verzuges zu verzinsen.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat die Beklagte ferner die erforderlichen Kosten der Abmahnung vom 00.00.0000 , betreffend die Beanstandung "H" zu erstatten.
Den diesbezüglichen Wettbewerbsverstoß stellt die Beklagte nicht in Abrede. Auf die Frage, ob der Betrag bereits an den Bevollmächtigten gezahlt wurde, kommt es, wie bereits erwähnt, nach der Rechtsprechung nicht an. Das Vorbringen, es sei bereits Klageauftrag erteilt worden, ist insofern unbeachtlich, als der Entwurf der Klageschrift, der der Abmahnung beigefügt war, nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens geworden ist. Da die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, ist die Klage nicht dem Entwurf entsprechend eingereicht worden.
Die Berechnung mit einem Streitwert von 50.000,00 Euro erscheint angemessen. Die Werte im Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht L betrafen nicht das Interesse der jetzigen Klägerin. Die Belange der Beklagten sind bei der Streitwertbemessung für die Unterlassungsansprüche regelmäßig ohne Bedeutung. Da die Klägerin im Klageentwurf insgesamt ihr Interesse mit 150.000,00 Euro beziffert hat, als sie über den Ausgang etwaiger Verfahren noch nicht sicher sein konnte, und die Klage drei unterschiedliche Beanstandungen zum Gegenstand hatte, ist eines der drei Unterlassungsbegehren mit 50.000,00 Euro zu bewerten. Hinsichtlich dieses Begehrens, das nicht gerichtlich anhängig gemacht zu werden brauchte, ist eine 0,8 Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen. Der nebst Kostenpauschale somit zu erstattende Betrag beträgt 856,80 Euro, abzüglich 349,60 Euro, die bereits gezahlt worden sind. Auch dieser Betrag ist antragsgemäß ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Ein Anspruch auf Zahlung von 2.000,00 Euro als Vertragsstrafe gem. § 339 BGB in Verbindung mit der Unterlassungsvereinbarung vom 00./00. 00.0000 besteht dagegen nicht. Zwar ist zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen, nach dessen Inhalt die Beklagte sich verpflichtet hat, mit dem sogenannten "H Siegel für Kerzen" nicht zu werben. Für den Fall einer Zuwiderhandlung hat sie sich zur Zahlung einer von der Klägerin zu bestimmenden Vertragsstrafe verpflichtet. Auch hat die Beklagte gegen die Unterlassungspflicht verstoßen. Unstreitig war am 00.00.0000 noch eine Internetpräsenz der Beklagten abrufbar, bei der mit dem Siegel geworben wurde. Die Unterlassungspflicht beinhaltet auch ein aktives Tun insoweit, als es um die Beseitigung bestehender Störungszustände geht.
Allerdings hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 00.00.0000 zum Ausdruck gebracht, wegen dieses ihr bekannten Verstoßes keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe geltend zu machen, wenn bis zum 00.00.0000 eine Änderung der Internetseite vorgenommen wird. Diese Bedingung hat die Beklagte erfüllt, so dass die Klägerin jedenfalls gem. § 242 BGB gehindert ist, nachträglich noch eine Vertragsstrafe für diesen Verstoß festzusetzen und zu fordern.
Ein Zahlungsanspruch besteht auch nicht hinsichtlich der Anzeige in dem Magazin "E" I 0 aus 0000. Unstreitig wurde die Werbeanzeige vor Abschluss des Unterlassungsvertrages in Auftrag gegeben. Die Beklagte hat ohne substantiiertes Gegenvorbringen der Klägerin vorgetragen, die Zeitschrift sei bereits am 00.00.0000 fertiggestellt und am 00.00.0000 erschienen, eine Änderung der Anzeige sei bei Abgabe der Unterlassungserklärung nicht mehr möglich gewesen. Dass die Klägerin dieses Vorbringen in allgemeiner Form bestreitet, reicht insoweit nicht aus, als sie für die Voraussetzungen des geltend gemachten Zahlungsanspruches darlegungs- und beweisbelastet ist. Dazu gehört auch, dass ein Verstoß schuldhaft erfolgt ist. Angesichts der vorgetragenen Daten waren auch erfolgversprechende Versuche zur Verhinderung des Erscheinens des fraglichen Inserats nicht mehr möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf bis zu 125.000,00 Euro festgesetzt. Maßgeblich ist das Interesse der Klägerin. Angesichts des erheblichen Umfangs der wirtschaftlichen Tätigkeit der Parteien erscheint es angemessen, die Unterlassungsanträge mit je 50.000,00 Euro, den Auskunftsantrag mit 5.000,00 Euro und den Schadensersatzfeststellungsantrag mit 15.000,00 Euro zu bewerten.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 19.07.2013
Az: 38 O 123/12 U.
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