Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 16. Juli 2010
Aktenzeichen: I-20 U 166/08

(OLG Hamm: Urteil v. 16.07.2010, Az.: I-20 U 166/08)

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 29.08.2008 verkündete Teil- und Grundurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 27.10.2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufungen, an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird für die Beklagten zugelassen.

Streitwert: bis 4.200.000,00 EUR (Berufung der Klägerinnen bis zu 1.300.000,00 EUR, Berufung des Beklagten zu 1) bis zu 2.900.000,00 EUR EUR).

Gründe

I.

Die Klägerinnen schlossen im Februar/März 2006 für sich und ihre jeweiligen Tochterunternehmen einen Transport- und Geldbearbeitungsvertrag mit der Fa. B GmbH mit Sitz in Essen (im Folgenden: Fa. B), die die Geldversorgung und -entsorgung durchführen sollte. Über deren Vermögen wurde sodann ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte zu 2) und die D3 Versicherer D Syndicate ... Zertifikat SX ...#/..., deren Prozessstandschafter gemäß § 110 b VAG der Beklagte zu 1) ist (im Folgenden einheitlich: Beklagter zu 1)), waren Versicherer der Fa. B.

Die Klägerin begehrt Ersatz für Fehlbeträge, zu den es nach ihrem Vortrag durch das Verhalten der Fa. B sowohl im Rahmen der Bargeldversorgung als auch der Bargeldentsorgung gekommen sein soll.

Organe der Fa. B verwendeten seit dem Jahr 2001 einen Teil der - auch für eine Vielzahl anderer Auftraggeber - transportierten Gelder zweckwidrig zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Fa. B. Sie verschleierten dies, indem sie die dabei jeweils entstehenden Fehlbeträge durch Gelder aus den Abholungen der jeweils nächsten Tage ausglichen. Jedenfalls aus Guthaben auf dem Konto der Fa. B bei der Bundesbank wurden Beträge für eigene Zwecke der Fa. B verwandt; Überweisungen an die Hausbank der Auftraggeber der Fa. B erfolgten erst später aus "neuem Guthaben". Die Geschäftsführer der Fa. B wurden später durch Urteile des Landgerichts Essen vom 07.03.2007 und 25.04.2007 (21 KLs 2/07) wegen Untreue zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Am 28./29.08.2006 fand auf Anordnung der Fa. D GmbH, der Korrespondentin des Beklagten zu 1), bei der Fa. B eine Überprüfung durch Sachverständige der Fa. C mbH mit Sitz in C3 (nachfolgend Fa. C) statt. Mit Beschluss vom 01.09.2006 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. B eröffnet (Anlage K 7). Mit Beschluss vom 01.10.2006 eröffnete das AG Essen das Insolvenzverfahren (Anlage K 8).

In dem zwischen der Fa. B und den Beklagten zu 1) und 2) - vermittelt durch die Fa. D5 Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienste GmbH mit Sitz in N - im Februar 2005 geschlossenen Versicherungsvertrag "Geld- und Werttransportversicherung Transport-Police Nr. ..." heißt es u.a.:

"2 Gegenstand der Versicherung und versicherte Sachen

2.1 Versichert sind unter anderem, aber nicht ausschließlich, alle Sachen wie z.B. [...], Bezugsrechte, [...], Geld, Geldanweisungen, Geldscheine, […], Hartgeld, […], Münzen […],Rechte, [...], Schecks (insbesondere Euro-, LZB- und Reiseschecks), […],

die dem Versicherungsnehmer übergeben oder von ihm übernommen, befördert, bearbeitet oder verwahrt werden;

2.1.2 die Eigentum des Versicherungsnehmers sind und als Poolgelder in den eigenen Räumlichkeiten verwahrt werden.

[...]

3 Umfang der Versicherung Versichert sind die in Ziffer 2 beschriebenen Sachen gegen

3.1 alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, denen sie ausgesetzt sind und soweit der Versicherungsnehmer dem Auftraggeber vertraglich oder gesetzlich für die versicherten Sachen haftet. Insbesondere besteht Versicherungsschutz für:

3.1.2 Schäden durch Veruntreuung, Unterschlagung oder Diebstahl, die von Mitarbeitern des Versicherungsnehmers, seinen ehemaligen Mitarbeitern oder dem Versicherungsnehmer selbst oder seinen Repräsentanten [...] verursacht werden;

[...]

4 Ausschlüsse

4.1. Ausgeschlossen sind die Gefahren:

[...]

4.1.4 der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand;

[...]

5 Beginn und Ende der Versicherung

5.1 Der Versicherungsschutz beginnt mit der Übergabe oder Übernahme der versicherten Sachen an bzw. durch den Versicherungsnehmer und endet, wenn dieselben in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben worden sind. Bei Einwurf von Nachttresorkassetten oder ähnlichen Geldbomben endet der Versicherungsschutz mit der Gutschrift der zum Zwecke der Einzahlung beförderten Gelder auf dem Konto des bestimmungsgemäßen Empfängers wie bei der direkten Verbuchung der Gelder nach erfolgter Bearbeitung durch den Versicherungsnehmer.

[...]

8 Obliegenheiten

[...]

8.11.2 Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bis zu einem Betrag von EUR 10.000.000,00 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden.

[...]

9 Bestimmungen für den Schadenfall

9.1 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Schäden nach Möglichkeit abzuwenden oder zu mindern und den Versicherungsfall unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb 120 Stunden nach Feststellung des Schadens, anzuzeigen, wobei Samstage sowie Sonn- und Feiertage nicht mitgerechnet werden. Für Schäden, die vorsätzlich oder grob fahrlässig nach dieser Frist angezeigt werden, besteht keine Ersatzpflicht des Versicherers, sofern der Verstoß Einfluss auf die Klärung des Schadens hat. [...]

9.2 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Auskunft über abhandengekommene, beschädigte oder vernichtete Sachen zu geben und Schadensnachweise zu erbringen, welche der Versicherer billigerweise verlangen kann und die beschaffbar sind. [...]

[...]

9.3.3 Schadenzahlungen können mit befreiender Wirkung nur direkt an den Auftraggeber des Versicherungsnehmers erfolgen. [...] Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer u. dem Versicherer bis zu einem Betrag i.H.v. EUR 10.000.000 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden. Das gilt insbesondere für die Berufung auf Leistungsfreiheit, auf mangelnde Haftung des Versicherungsnehmers und Nichtzahlung der Prämie.

[...]

15 Beteiligte Versicherer

[...]

15.4 Im Falle eines Prozesses wird der Versicherungsnehmer nur gegen den führenden Versicherer bezüglich dessen Anteils Klage erheben, sofern nicht zum Zwecke des Erreichens von Streitwertgrenzen [...]. Die Mitversicherer erkennen die gegen den führenden Versicherer ergehende Entscheidung als auch für sie verbindlich an.

[...]"

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen (Anlage K 1). Die Beklagte zu 2) ist Versicherer mit einem Anteil von 30 %, der Beklagte zu 1) führender Versicherer mit einem Anteil von 70 %.

Die Klägerin erhielt eine "Versicherungsbestätigung zur Geld- und Wertpapiertransportversicherung", wegen deren Inhalt auf die Anlage K 16 Bezug genommen wird.

Die Beklagten zu 1) und 2) erklärten die Anfechtung ihrer Vertragserklärung. Sie machten geltend, die Fa. B habe arglistig getäuscht, indem sie verschwiegen habe, dass bereits vor Vertragsschluss die o.g. Verschiebungen stattfanden.

Die Klägerinnen haben Schäden sowohl aus dem Bereich der Geldentsorgung wie auch der Geldversorgung geltend gemacht, wobei hinsichtlich der Versorgung mit Hartgeld unterschiedliche Verfahren praktiziert worden seien. Die weiteren Schäden der Klägerinnen beruhten darauf, dass ihnen in der Anlaufphase der Zusammenarbeit mit der Fa. B Tageseinnahmen nicht gutgeschrieben worden seien; gleiches gelte hinsichtlich der unmittelbar vor dem Zusammenbruch der Fa. B abgeholten Tageseinnahmen.

Nach teilweiser Klagerücknahme haben die Klägerinnen zuletzt beantragt

den Beklagten zu 1) kostenpflichtig zu verurteilen,

an die Klägerin zu 1) 1.961.318,63 EUR sowie Zinsen in Höhe von 69.056,42 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 4.104,80 EUR vom 29.08.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 531.527,50 EUR vom 31.08.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 462.783,77 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2007,

aus einem Betrag von 332.281,66 EUR seit dem 11.09.2007,

aus einem Betrag von 549.885,00 EUR seit dem 31.08.2006,

aus einem Betrag von 476.297,50 EUR seit dem 31.08.2006,

aus einem Betrag von 566.861,09 EUR seit dem 01.09.2006,

aus einem Betrag von 24.439,17 EUR seit dem 01.09.2006, sowie

aus einem Betrag von 11.553,50 EUR seit dem 01.09.2006,

an die Klägerin zu 2) 626.129,00 EUR sowie Zinsen in Höhe von 12.686,60 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 777,00 EUR seit dem 17.07.2006 sowie

aus einem Betrag von 625.352,00 EUR seit dem 01.09.2006,

an die Klägerin zu 3) 237.007,79 EUR sowie Zinsen in Höhe von 1.141,80 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 53.334,24 EUR vom 09.03.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 50.001,85 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2006

aus einem Betrag von 49.664,53 EUR seit dem 11.09.2006,

aus einem Betrag von 79.565,52 EUR seit dem 09.03.2006,

aus einem Betrag von 30.251,22 EUR seit dem 09.03.2006,

aus einem Betrag von 5.669,84 EUR seit dem 21.03.2006,

aus einem Betrag von 5.826,94 EUR seit dem 23.03.2006,

aus einem Betrag von 2.496,39 EUR seit dem 03.04.2006,

aus einem Betrag von 6.630,30 EUR seit dem 05.07.2006, sowie

aus einem Betrag von 72.698,50 EUR seit dem 01.10.2006,

an die Klägerin zu 4) 84.758,80 EUR sowie Zinsen in Höhe von 695,07 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 3.510,50 EUR seit dem 24.03.2006 sowie

aus einem Betrag von 81.248,30 EUR seit dem 01.10.2006,

an die Klägerin zu 5) 740,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 56,00 EUR vom 18.04.2006 bis zum 03.09.2006,

aus einem Betrag von 731,50 EUR vom 15.05.2006 bis zum 03.09.2006,

aus einem Betrag von 402,97 EUR seit dem 04.09.2006,

aus einem Betrag von 540,40 EUR seit dem 22.05.2006 bis zum 31.07.2006, sowie

aus einem Betrag von 337,40 EUR seit dem 01.08.2006,

an die Klägerin zu 6) Zinsen

aus einem Betrag von 2.100,00 EUR vom 01.09.2006 bis zum 04.09.2006, sowie

aus einem Betrag von 1.453,63 EUR vom 05.09.2006 bis zum 07.09.2006,

die Beklagte zu 2) kostenpflichtig zu verurteilen,

an die Klägerin zu 1) 840.565,13 EUR sowie Zinsen in Höhe von 29.595,61 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 1.759,50 EUR vom 29.08.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 227.797,50 EUR vom 31.08.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 198.336,20 EUR vom 05.09.2007 bis zum 10.09.2007,

aus einem Betrag von 142.406,72 EUR seit dem 11.09.2007,

aus einem Betrag von 235.665,00 EUR seit dem 31.08.2006,

aus einem Betrag von 204.127,50 EUR seit dem 31.08.2006,

aus einem Betrag von 242.940,47 EUR seit dem 01.09.2006,

aus einem Betrag von 10.473,93 EUR seit dem 01.09.2006, sowie

aus einem Betrag von 4.951,50 EUR seit dem 01.09.2006,

an die Klägerin zu 2) 268.341,00 EUR sowie Zinsen in Höhe von 5.437,11 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 333,00 EUR seit dem 17.07.2006, sowie

aus einem Betrag von 268.008,00 EUR seit dem 01.09.2006,

an die Klägerin zu 3) 101.574,77 EUR sowie Zinsen in Höhe von 489,34 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 22.857,53 EUR vom 09.03.2006 bis zum 04.09.2006,

aus einem Betrag von 21.429,36 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2006,

aus einem Betrag von 21.284,80 EUR seit dem 11.09.2006,

aus einem Betrag von 34.099,50 EUR seit dem 09.03.2006,

aus einem Betrag von 12.964,80 EUR seit dem 09.03.2006,

aus einem Betrag von 2.429,93 EUR seit dem 21.03.2006,

aus einem Betrag von 2.497,26 EUR seit dem 23.03.2006,

aus einem Betrag von 1.069,88 EUR seit dem 03.04.2006,

aus einem Betrag von 2.841,56 EUR seit dem 05.07.2006, sowie

aus einem Betrag von 31.156,50 EUR seit dem 30.09.2006,

an die Klägerin zu 4) 36.325,20 EUR sowie Zinsen in Höhe von 297,88 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 1.504,50 EUR seit dem 24.03.2006, sowie

aus einem Betrag von 34.820,70 EUR seit dem 01.10.2006,

an die Klägerin zu 5) 317,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag von 24,00 EUR vom 18.04.2006 bis zum 03.09.2006,

aus einem Betrag von 313,50 EUR vom 15.05.2006 bis zum 03.09.2006,

aus einem Betrag von 172,70 EUR seit dem 04.09.2006,

aus einem Betrag von 231,60 EUR vom 22.05.2006 bis zum 31.07.2006, sowie

aus einem Betrag von 144,60 EUR seit dem 01.08.2006,

an die Klägerin zu 6) Zinsen

aus einem Betrag von 900,00 EUR vom 01.09.2006 bis zum 04.09.2006, sowie

aus einem Betrag von 622,99 EUR vom 05.09.2006 bis zum 08.09.2006,

zu zahlen.

3. hilfsweise für den Fall,

dass die Verurteilung der Beklagten zu 2) aufgrund des Eingreifens von Haftungshöchstsummen der Erstversicherung (Police Nr. ...) betreffend die Bearbeitungs- und Verwahrorte, J-Straße, ...3 L und/oder P-Straße, I2 und/oder N-Straße, ... F und/oder H-Weg, ...2 P hinter dem Antrag zu 2. zurückbleiben sollte,

festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerinnen über die Verurteilung zur Zahlung gemäß dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1. hinaus den Betrag zu zahlen, um den die Verurteilung der Beklagten zu 2) wegen des Eingreifens von sich aus der Erstversicherung (Police Nr. ...) ergebenden Haftungshöchstsummen, hinter dem in erster Instanz zuletzt gestellten Zahlungsantrag zu 2. zurückbleibt, jedoch nur bis zur Höhe der sich aus den Exzedentenverträgen Nachtrag Nr. 3 zum Exzedentenvertrag ...# und ...# ergebenden Haftungshöchstsummen.

Die Klägerin zu 1) hat darüber hinaus den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 230.350,64 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 87.150,28 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 3) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 303.669,71 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 1.572,73 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 5) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 384,53 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 164,80 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 6) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 2.100,00 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 900,00 EUR für erledigt erklärt.

Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Im Übrigen haben sie beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben insbesondere geltend gemacht, ein versicherter Schaden sei nicht eingetreten und erst recht nicht nachgewiesen; der Versicherungsvertrag sei aufgrund ihrer Anfechtungserklärungen nichtig, was auch den Klägerinnen entgegengehalten werden könne.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 1) gegen "die Beklagte zu 1)" in Höhe von 34.913,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abgewiesen und ausgesprochen, dass die Klage gegen "die Beklagte zu 1)" im Übrigen dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat das Landgericht abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei unzulässig, weil sich aus Ziffer 15.4 des Versicherungsvertrages ein pactum de non petendo ergebe und deshalb allein der führende Versicherer in Höhe des auf ihn entfallenden Risikoanteils verklagt werden könne. Zudem habe die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2008 und im darauf folgenden Schriftsatz ausdrücklich erklärt, dass sie eine Entscheidung gegen den Beklagten zu 1) gegen sich gelten lassen wolle.

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) sei dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit es sich nicht um den Ersatz von Beträgen handele, die die Klägerin zu 1) im Rahmen der Hartgeldversorgung an die Fa. B überwiesen habe. Die Aktivlegitimation ergebe sich aus der Abtretung der Ansprüche durch die Fa. B und aus § 75 VVG. Auch die Klägerinnen zu 2) bis 5) seien aktivlegitmiert, weil sie nachgewiesen hätten, dass sie Tochterunternehmen der Klägerinnen zu 1) und 6) seien.

Der Beklagte zu 1) sei aus dem Versicherungsvertrag zum Ersatz der Schäden der Klägerinnen verpflichtet, weil dieser Vertrag Bestand habe und nicht wirksam angefochten worden sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1) schon aufgrund seiner Kenntnis von den kriminellen Vorgängen bei der Fa. B das Anfechtungsrecht nicht mehr habe ausüben dürfen. Denn Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber könnten vereinbarungsgemäß keine Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis gleich welcher Art entgegen gehalten werden; dieser Begriff sei umfassend zu verstehen und beinhalte auch die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung.

Die von den Klägerinnen behaupteten Schäden unterfielen auch ganz überwiegend dem Schutzbereich des Versicherungsvertrages. Angesichts der nicht abschließenden Aufzählung der versicherten Risiken sei es ohne Bedeutung, dass das von den Klägerin der Fa. B übergebene Geld nicht auf dem Transportweg abhanden gekommen, sondern der Schaden erst dadurch entstanden sei, dass die Gelder von den Bundesbankkonten der Fa. B nicht auf Konten der Klägerinnen weitergeleitet worden seien.

Das Problem der Haftungshöchstsummen stelle sich nicht, weil jede einzelne Verletzungshandlung einen eigenen Schadensfall darstelle.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerinnen scheitere weder an einer Obliegenheitsverletzung noch an Mitverschulden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen vor dem Erhalt des Schreibens der Fa. D vom 29.08.2006 positive Kenntnis davon gehabt hätten, dass die Fa. B zu ihrem Nachteil Gelder veruntreue. Allein aus dem Umstand, dass es der Fa. B nicht gelungen sei, bis zum Insolvenzantrag eine vollständige Abarbeitung der rückständigen Buchungen zu erreichen, hätten die Klägerinnen nicht folgern müssen, dass zu ihrem Nachteil Straftaten begangen würden.

Dem Grunde nach seien alle Schäden ersatzpflichtig, die dadurch entstanden seien, dass die Klägerinnen der Fa. B Geldscheine oder Geldmünzen anvertraut hätten, ohne dass der entsprechende Gegenwert auf ihren Konten gutgeschrieben worden sei. Dies betreffe sämtliche Schäden im Bereich der Geldentsorgung.

Im Bereich der Geldversorgung seien diejenigen Schäden nicht erfaßt, die die Klägerin zu 1) in Höhe von 34.913,01 EUR geltend gemacht habe. Denn dieser Betrag sei der Fa. B überwiesen worden, so dass gegenständliches Geld nicht in den Verantwortungsbereich der Fa. B gelangt sei. Das Risiko, dass an die Fa. B überwiesene Beträge abrede widrig verwendet würden, sei vom Versicherungsvertrag nicht abgedeckt. Erforderlich sei stets, dass die geltend gemachten Beträge zunächst einmal gegenständlich in den Verantwortungsbereich der Fa. B gelangt seien.

Soweit im Rahmen der Hartgeldversorgung bezüglich der Klägerinnen zu 2) bis 6) bestritten worden sei, dass eine Übergabe von Geld erfolgt sei, betreffe dies zwar auch den Grund des Anspruchs, hindere gleichwohl nicht den Erlass eines Grundurteils. Denn die Klägerinnen hätten dargestellt, welche Beträge wann unter welchen Umständen der Fa. B im Rahmen der Hartgeldversorgung übergeben worden sein sollen. Soweit die Beklagten behauptet hätten, dass Geld auch im Rahmen der Hartgeldversorgung von den Klägerinnen zu 2) bis 6) überwiesen worden sei, werde dies nicht mehr Gegenstand der Beweisaufnahme sein, weil es um die konkret von den Klägerinnen behaupteten Geldübergaben gehen werde. Insofern handele es sich nur noch um eine Beweisaufnahme zur Höhe, nicht mehr zum Grund des Anspruchs. Die Möglichkeit, dass sich bei einer Beweisaufnahme herausstellen könnte, dass tatsächlich kein Geld zum Zwecke der Hartgeldversorgung übergeben worden sei, stehe dem Erlass eines Grundurteils nicht entgegen, weil hierfür eine gewisse Schadenswahrscheinlichkeit ausreiche, die bestehe.

Eine Entscheidung über den Schadensumfang sei noch nicht möglich, weil die Schadenshöhe bestritten sei und es hierzu einer Beweisaufnahme bedürfe. Diese sei auch nicht durch die Feststellung der Forderungen der Klägerinnen zur Tabelle entbehrlich.

Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Sie steht auf dem Standpunkt, dass die Beklagte zu 2), soweit sie sich auf die Führungsklausel im Versicherungsvertrag berufe, gegen den auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Die Beklagte zu 2) verhalte sich widersprüchlich, wenn sie sich einerseits auf eine ex tunc wirkende Vernichtung des Versicherungsvertrages berufe und andererseits Vorteile aus dieser vertraglichen Regelung ableiten wolle. Es träfe auch nicht zu, dass die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung und im darauf folgenden Schriftsatz erklärt habe, dass sie eine Entscheidung gegen den Beklagten zu 1) gegen sich geltend lassen wolle. Im Übrigen könne eine solche Erklärung nach Klageerhebung auch nicht die nachträgliche Unzulässigkeit der Klage zur Folge haben.

Hinsichtlich der seitens des Landgerichts abgewiesenen Klage der Klägerin zu 1) gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 34.913,01 EUR nebst Zinsen steht die Klägerin zu 1) auf dem Standpunkt, dass das auch zur Hartgeldversorgung überwiesene Geld vom Versicherungsschutz umfaßt sei. Denn der Versicherungsvertrag zeige deutlich, dass auch alle Buchgelder, die auf Veranlassung der Auftraggeber in den Verantwortungsbereich der Fa. B gelangt seien, vom Versicherungsschutz erfaßt sein sollten. Im Übrigen habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Klage der Klägerin zu 1) insoweit auch auf einen Schadensersatzanspruch gestützt gewesen sei, der sich daraus ergebe, dass die Beklagten bzw. die Fa. D, deren Kenntnisse sich die Beklagten zurechnen lassen müßten, bereits im ersten Quartal Kenntnis von den Fehlbeständen bei der Fa. B und den zur Verschleierung verübten Straftaten gehabt hätten.

Die Klägerinnen zu 1) bis 6) beantragen,

für die Klägerin zu 1) unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage gegen den Beklagten zu 1) auch insoweit dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären, als diese Klage in Höhe von 24.439,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abgewiesen wurde,

für die Klägerinnen zu 1) bis 6) unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils, der Klage gegen die Beklagte zu 2) gemäß den zuletzt gestellten Anträgen erster Instanz stattzugeben.

Hilfsweise für den Fall,

dass die Verurteilung der Beklagten zu 2) aufgrund des Eingreifens von Haftungshöchstsummen der Erstversicherung (Police Nr. ...) betreffend die Bearbeitungs- und Verwahrorte, J-Straße, ...3 L und/oder P-Straße, I2 und/oder N-Straße, ... F und/oder H-Weg, ...2 P hinter dem Antrag zu 2. zurückbleiben sollte,

festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerinnen über die Verurteilung zur Zahlung gemäß dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1. hinaus den Betrag zu zahlen, um den die Verurteilung der Beklagten zu 2) wegen des Eingreifens von sich aus der Erstversicherung (Police Nr. ...) ergebenden Haftungshöchstsummen, hinter dem in erster Instanz zuletzt gestellten Zahlungsantrag zu 2. zurückbleibt, jedoch nur bis zur Höhe der sich aus den Exzedentenverträgen Nachtrag Nr. 3 zum Exzedentenvertrag ...# und ...# ergebenden Haftungshöchstsummen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen,

hilfsweise

die Sache aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte zu 2) hält daran fest, dass die gegen sie gerichtete Klage unzulässig sei. Es könne der Beklagten zu 2) nicht verwehrt sein, sich einerseits auf die von ihr angenommene Nichtigkeit des Vertrages zu berufen und zugleich weitere Einreden und Einwendungen vorzutragen, die dem behaupteten Anspruch auf die Versicherungsleistung entgegenstünden.

Der Beklagte zu 1) erstrebt mit seiner Berufung die Abweisung der Klage insgesamt. Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er steht auf dem Standpunkt, dass das Grundrecht der Versicherer auf freie Selbstbestimmung missachtet werde, wenn das Landgericht der ausgesprochenen Anfechtung keine Wirksamkeit gegenüber der Klägerin zuspreche. Auch habe das Landgericht verkannt, dass die vermeintlichen Schäden der Klägerinnen nicht unter das versicherte Risiko fielen. Unter Verkennung der Beweislast habe das Landgericht einen Versicherungsschaden der Klägerinnen angenommen, ohne dass dieser hinreichend dargelegt und bewiesen sei. Er rügt ferner, dass die von den Klägerinnen begangenen Obliegenheitsverletzungen, die bei unterstellter Leistungspflicht zur Leistungsfreiheit führen würden, nicht berücksichtigt worden seien. Aufgrund von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen leitende Angestellte der Klägerinnen sei davon auszugehen, dass die Klägerinnen bereits lange vor dem Jahr 2006 positive Kenntnis von dem bei der C2 betriebenen Schneeballsystem gehabt habe, welches auch bei der Fa. B zum Einsatz gekommen sei. Die seitens der Klägerin gegenüber der Fa. B ausgebrachte Androhung der Meldung eines Versicherungsfalls zeige, dass sich die Klägerinnen ihrer versicherungsvertraglichen Obliegenheiten bewußt gewesen seien.

Ebenfalls zu Unrecht habe das Landgericht den vermeintlichen Schaden nicht als sog. gedehnten Schadensfall mit einem Beginn vor dem Deckungszeitraum gewertet. Auch habe das Landgericht die Höchsthaftungssumme von 10 Mio. EUR unberücksichtigt gelassen.

Die Beklagten vertiefen ihren Standpunkt, dass ein Versicherungsschutz für die behaupteten Schäden der Klägerin weder im Rahmen der Geldversorgung noch der Geldentsorgung bestünde. Ebenfalls bestünden keine Schadensersatzansprüche der Klägerinnen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihrer Anlagen Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufungen haben vorläufigen Erfolg.

A.

Bei dem angefochtenen Urteil handelt es sich um ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 BGB ergangenes Teilurteil.

I.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 1) wegen eines Betrages von 34.913,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 ebenso wie die Klage sämtlicher Klägerinnen gegenüber der Beklagten zu 2) abgewiesen und die Klage im Übrigen gegenüber dem Beklagten zu 1) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, ohne dass die Voraussetzungen des § 301 ZPO für den Erlass eines Teilurteils vorlagen.

Zwar kann nach § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, nur dann durch Teilurteil entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

Das Landgericht hat zwar ein solches Grundurteil erlassen; dies war jedoch verfahrensfehlerhaft, weil die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils nicht vorlagen.

1.

Nach § 304 ZPO kann ein Grundurteil ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist, was hier erstinstanzlich der Fall war. Allerdings muss die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale im Grundverfahren geklärt und durch Grundurteil entschieden werden (Musielak 6. Aufl. § 304 ZPO Rz 16). Wie der Versicherungsvertrag zeigt (z.B. Ziffer 3 und Ziffer 9) ist Voraussetzung der seitens der Klägerinnen erhobenen Ansprüche das Vorliegen eines Schadens. Allerdings wird bei Schadensersatzklagen aus prozesswirtschaftlichen Gründen eine Ausnahme von dem vorbezeichneten Grundsatz zugelassen und es reicht für die Zulässigkeit eines Zwischenurteils über den Grund aus, dass die hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass irgendein Schaden entstanden ist (vgl. Zöller/Vollkommer27. Aufl., § 304 ZPO Rz 6; Musielak § 304 ZPO Rz 22). Zum Grund eines Schadensersatzanspruchs gehört deshalb die Feststellung, dass ein aus dem geltend gemachten Haftungsgrund resultierender Schaden entstanden sein kann, so dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner rechnerischen Höhe besteht (BGH NJW 2004, 2526, 2527).

2.

Hier ist weder vom Landgericht dargelegt noch ist es anderweitig ersichtlich, dass wenigstens die Wahrscheinlichkeit eines (versicherten) Schadens besteht. Das angefochtene Urteil lässt jede Darlegung vermissen, dass für jede Klage der Klägerinnen die Wahrscheinlichkeit einer Schadensentstehung gegeben ist. Es beschränkt sich auf die Wendung, dass eine gewisse Schadenswahrscheinlichkeit bestehe. Im Hinblick darauf, dass sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen die Klägerinnen das Vorliegen eines versicherten Schadens ableiten, streitig sind, kann - ohne Vorwegnahme einer Beweiswürdigung, die vor Erhebung der Beweise nicht zulässig ist - erst nach Beweisaufnahme eine Aussage über das Vorliegen eines Schadens getroffen werden.

3.

Vorliegend kann für keinen Bereich der erhobenen Klageansprüche, die das Landgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat, bereits derzeit die Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Schadens getroffen werden:

a) Komplex Entsorgung und Versorgung (außerhalb der sog. nicht abgearbeiteten Rückstände)

Die Klägerinnen beziehen sich zu sämtlichen Positionen - die allesamt seitens der Beklagten bestritten worden sind (Bl. 794 ff) - zum Beweis auf vorgelegte Unterlagen und auf Zeugen. Die Beklagten haben bereits erstinstanzlich bestritten, dass die Safebags der Fa. Arnold übergeben worden sind (mit Ausnahme der in der Anlage K 28 in der oberen Quittung genannten 2 Safebags, vgl. Bl. 796) und dass die Safebags den von den Klägerinnen vorgetragenen Inhalt hatten. Desweiteren haben die Beklagten die Authentizität der Belege bestritten und wegen der von ihnen behaupteten Möglichkeit von nachträglich vorgenommenen Eintragungen die Vorlage der Originale verlangt. Hinsichtlich der Umsatzmeldungen haben die Beklagten ebenfalls bestritten, dass diese von der Fa. B herrühren (Bl. 798). Hinsichtlich der SAP-Buchungen haben die Beklagten in Abrede gestellt (Bl. 798), dass die dort zugrunde gelegten Safebag-Übergaben stattgefunden haben.

b) Komplex der nicht vollständig aufgearbeitete Rückstände

Auch hinsichtlich der geltend gemachten Schäden, die im Rahmen der Entsorgung von Tageseinnahmen in der "Anlaufphase" bei der Klägerin zu 1) in Höhe von 809.801,57 EUR und bei der Klägerin zu 2) in Höhe von 893.360,00 EUR entstanden sein sollen, hat sich die Klägerinnen zum einen auf das Anlagenkonvolut K 27 sowie auf die Zeugen G und G2 (Bl. 57 und 70) bzw. G3 (Bl. 69) und auf Sachverständigenbeweis bezogen.

Nach ihrem System (Bl. 25 f) haben die Klägerinnen "nach der Erstellung eines Safebags an die B GmbH" den Betrag als "Offener Posten" als Soll-Buchung zugunsten der Klägerinnen erfaßt. Glattgestellt wurde diese Soll-Buchung bei Eingang einer Umsatzmeldung mit dem Betrag der Soll-Buchung und entsprechender Gutschrift des Betrages auf dem Konto der jeweiligen Klägerin. Aus der exakten Übereinstimmung der Beträge haben die Klägerinnen geschlossen, dass sich die von der Fa. B veranlasste Zahlung auf diese Umsatzmeldung und den darin enthaltenen Safebag bezogen habe.

Damit kann allein mittels dieser Buchungslisten nicht der urkundliche Beweis geführt werden, dass die Klägerinnen der Fa. B bestimmte Safebags mit einem bestimmten Inhalt übergeben haben, ohne dass der Betrag an sie zurückgelangt wäre. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vortrag, die Soll-Buchung sei "nach der Erstellung eines Safebags an die B GmbH" erfolgt, schon nicht erkennen läßt, ob die Buchung stets erst nach Übergabe an die Fa. B vorgenommen worden ist oder bereits bei Erstellung des Safebags, also bei der Fertigstellung, ohne dass es für die Vornahme der Buchung auf die tatsächliche Abholung angekommen wäre. Hinzukommt, dass das Abstellen allein auf den exakt deckungsgleichen Betrag die Gutschrift hinsichtlich solcher Safebags nicht erfaßt, deren Betrag nach dem Auszählungsvorgang von dem seitens der Klägerinnen angenommen Betrag abwich. Zwar haben die Klägerinnen nicht zuordbare Zahlungseingänge schadensmindernd in Abzug gebracht (Bl. 26); die sich so ergebende Differenz kann aber auch darauf beruhen, dass die ausgezählten Safebags geringere Beträge als von der Klägerinnen angenommen enthielten.

Gegen eine Beweiskraft der Buchhaltungsunterlagen spricht auch, dass die Übernahme der Umsatzmeldungen in das SAP-System allein "weitgehend" automatisiert erfolgt ist, ohne dass die Klägerinnen den Anteil und die Bedeutung des nicht automatisierten Daten-Imports näher umrissen hätten.

4.

Ein weiterer Verfahrensfehler seitens des Landgerichts liegt darin, dass es zudem den seitens der Klägerin zu 1) erhobenen Schadensanspruch übergangen hat.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 1) wegen eines Betrages von 34.913,01 EUR abgewiesen, weil insoweit gegenständliches Geld nicht in den Verantwortungsbereich der Fa. B gelangt sei. Damit hat das Landgericht übersehen, dass die Klägerin zu 1) - wie alle Klägerinnen - zugleich gegenüber den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB geltend gemacht hatte und zwar gestützt auf das Verschweigen der angeblichen Kenntnisse der Beklagten von den Fehlbeträgen und der Praktizierung des Schneeballsystems bei der Fa. B (vgl. Bl. 84, 307, 652). Mit dieser alternativen Klagebegründung hat sich das Landgericht nicht befaßt.

Der Erlass des unzulässigen Teilurteils führt nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags der Parteien bedarf, § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Der Senat hat allerdings erwogen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von einer Aufhebung abzusehen; letztlich hatte es jedoch im Hinblick auf die noch durchzuführende umfangreiche Beweisaufnahme bei der Aufhebung zu verbleiben.

Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif:

B.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Beklagte zu 2) bereits jetzt gerichtlich in Anspruch genommen werden. Das pactum de non petendo aus der Führungsklausel in Ziffer 15.4 des Versicherungsvertrags greift vorliegend nicht, nachdem die Beklagte zu 2) (wie der Beklagte zu 1)) ihre Vertragserklärung angefochten hat.

I.

Dies gilt nach Auffassung des Senats schon aus folgendem Grund:

Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) haben jeweils eigene, wenn auch (bis auf den Haftungsanteil) inhaltlich identische Verträge mit der Fa. B geschlossen. Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) haben dementsprechend jeweils ihre Vertragserklärung angefochten.

Ob die Anfechtung der Beklagten zu 2) wirksam ist, ist nun aber eine Frage, welche allein das Verhältnis zwischen der Fa. B und der Beklagten zu 2) betrifft. In einem Prozess gegen den (führenden) Beklagten zu 1) stellt sich diese Frage nach der Wirksamkeit der Anfechtung der Beklagten zu 2) nicht und kann daher nicht beantwortet werden. Anders als der Beklagtenvertreter vor dem Senat gemeint hat, folgt Gegenteiliges hier nicht aus einer Anwendung des § 351 BGB, weil diese Norm auf die Anfechtung nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. MünchKomm/Gaier, 5. Aufl. § 351 BGB Rz 7).

Die Vereinbarung in der Führungsklausel, wonach der Mitversicherer eine Entscheidung gegen den führenden Versicherer akzeptiert, erfasst die hier in Rede stehende Frage somit nicht, weil in dem Prozess gegen den Beklagten zu 1) keine Entscheidung über die Anfechtungserklärung der Beklagten zu 2) ergeht. Die Frage nach der Wirksamkeit der Anfechtung unterscheidet sich wesentlich von anderen Fragen - etwa der nach der Auslegung des von beiden Versicherern geschlossenen Vertrages oder der nach Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung -, welche bei identischem Vertragsinhalt zwingend für beide Versicherer gleich beantwortet werden müssen.

Mangels Bindung der Beklagten zu 2) an eine Entscheidung gegen den Beklagten zu 1) gilt das pactum de non petendo daher im vorliegenden Zusammenhang nicht.

Vorstehendes gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, ob von den Parteien im Hinblick auf die beiden Anfechtungserklärungen tatsächlich verschiedene Umstände vorgetragen werden. Denn den Klägerinnen ist es schon von Anfang an nicht zuzumuten, in einer Konstellation wie der vorliegenden nur den führenden Versicherer in Anspruch nehmen zu dürfen; sie kann und muss jedenfalls bei Klageerhebung nicht wissen, was der führende Versicherer in Bezug auf die Anfechtungserklärungen vorträgt.

Schon aus den vorstehenden Erwägungen kann die Vereinbarung in Ziffer 15.4 des Versicherungsvertrags nach Auffassung des Senats auch nicht etwa dahin ausgelegt werden, dass gegen die Beklagte zu 2) lediglich eine Feststellungsklage bezüglich der Wirksamkeit des Vertrages zulässig wäre und die Zahlungsklage allein gegen den Beklagten zu 1) erheben wäre.

Da das pactum de non petendo nicht mehr gilt, hat die einseitige Erklärung der Beklagten zu 2), sie wolle eine Entscheidung gegen den Beklagten zu 1) gegen sich gelten lassen, keinen Einfluß auf die gegen sie gerichtete Klage.

II.

Unabhängig von dem Vorstehenden ist der Senat (im Anschluss an das den Parteien bekannte Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.11.2008 - 18 U 188/07, dort unter C I = Juris-Rn. 94 ff.; daran zweifelnd OLG Köln, Urteil vom 21.04.2009 - 9 U 140/08) der Auffassung, dass sich die Beklagte zu 2) nach Treu und Glauben nicht mehr auf die Führungsklausel berufen kann, nachdem sie den Vertrag angefochten und damit ihre Bindung an den Vertrag verneint hat.

C.

Die Klägerinnen sind jedenfalls im Hinblick auf die Abtretungserklärung des Insolvenzverwalters der Fa. B in seinem Schreiben vom 27.08.2007 (Anlage K 30) aktivlegitimiert. Hiergegen haben die Beklagten in der Berufungsinstanz auch keine Einwände mehr erhoben.

D.

Die von den Beklagten zu 1) und 2) erklärten Anfechtungen greifen im Verhältnis zu den Klägerinnen nicht durch.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Fa. B die beklagten Versicherer bei Vertragsschluss arglistig täuschte. Der Einwand der Anfechtung ist nach Auffassung des Senats durch Ziffer 9.3.3 des Vertrags im Verhältnis zu den Klägerinnen ausgeschlossen (vgl. ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2008 - 18 U 188/07, dort unter C V = Juris-Rn. 139 ff.; a.A. LG Köln mit. zustimmender Anmerkung Thiel VersR 2009, 1488 - in einer weiteren "Parallelsache").

Der Wortlaut dieser Bestimmung erfasst auch den Einwand der Nichtigkeit. Der Begriff "Deckungsverhältnis" bezeichnet das Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Dass es sich dabei um ein wirksames (Versicherungs-) Vertragsverhältnis handeln müsste, lässt sich dem Begriff (vgl. etwa auch den Sprachgebrauch bei Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 158 c Rn. 6, wobei der Senat nicht verkennt, dass im dortigen Zusammenhang die Rechtslage eindeutig ist) nicht entnehmen (anders, allerdings zu diesem Gesichtspunkt ohne Begründung, LG Köln a.a.O.). Auch der Einwand der Nichtigkeit des Versicherungsvertrages ist daher ein Einwand "aus dem Deckungsverhältnis", nämlich ein Einwand aus dem Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Die vorliegend gewählte Formulierung "Einwendung aus dem Deckungsverhältnis" geht weiter als z.B. die von den Vertragsparteien nicht verwendeten - Formulierungen "Einwendungen aus dem Vertrag" oder "versicherungsrechtliche Einwendungen" und beschränkt sich gerade nicht auf solche, die nach Vertragsschluß entstanden sind.

Dies gilt erst recht angesichts der verstärkenden Formulierung "Einwendungen, gleich welcher Art" (Hervorhebung hinzugefügt).

Die Beispiele in Satz 5 der Ziffer 9.3.3 schränken dies nicht ein. Es handelt sich nach dem klaren Wortlaut ("insbesondere") lediglich um Beispiele. Ihnen kann auch nicht etwa entnommen werden, dass nur ein Einwand ausgeschlossen sein soll, welcher in der Zeit nach Abschluss des Versicherungsvertrags entstanden ist. Dagegen spricht schon der Umstand, dass der ausdrücklich erwähnte Beispielsfall "Berufung auf Leistungsfreiheit" auch beruhen kann auf einer Obliegenheitsverletzung bei Vertragsschluss (vgl. die gesetzliche Regelung der §§ 16 bis 21 VVG a.F.).

Eine Einschränkung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass eine weitgehend gleichlautende Bestimmung in Ziffer 8.11.2 in Bezug auf Obliegenheitsverletzungen der Fa. B vereinbart worden ist. Der umfassende Verzicht in Ziffer 9.3.3 wird durch die Bestimmung in Ziffer 8.11.2, wonach gleiches auch für Obliegenheitsverletzungen gilt, nicht abgeändert.

An der vorstehenden, sich aus dem Wortlaut der Klausel ergebenden Auslegung ist auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarungen und der Interessen der Beteiligten festzuhalten.

Die Fa. B wollte, wie für die beklagten Versicherer ohne weiteres ersichtlich war, mit dem Vertrag gerade auch Schutz für ihre Auftraggeber schaffen. Auf die Interessen der Auftraggeber ist daher bei der Auslegung des Versicherungsvertrages Rücksicht zu nehmen. Diesen war an einem umfassenden Schutz gelegen. Das findet u.a. darin Ausdruck, dass die Versicherer auch bei Veruntreuung der Fa. B und deren Repräsentanten einstehen sollen (Ziffer 3.1.2 des Vertrages). Den Auftraggebern der Fa. B war, wie für die Versicherer ebenfalls ersichtlich war, auch an Schutz davor gelegen, dass der Versicherungsvertrag durch eine Anfechtung der Versicherer nichtig wird. Die Auftraggeber waren an den Vertragsverhandlungen zwischen der Fa. B und den Versicherern und der Risikoprüfung durch die Versicherer nicht beteiligt; sie hatten anders als die Versicherer, welche die Angaben der Fa. B und deren Geschäftstätigkeit überprüfen konnten, (gar) keine Möglichkeit sich davor zu schützen, dass die Fa. B die Versicherer bei Vertragsabschluss täuschte.

Wenn die Versicherer - bei dieser für sie erkennbaren Interessenlage - in Ziffer 9.3.3 des Vertrages, begrenzt durch die dort genannte Höchstsumme, auf "Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis" verzichteten, so durften die Auftraggeber der Fa. B dies als umfassenden Einwendungsverzicht in dem zuvor dargestellten Sinne verstehen, auch wenn damit eine sehr weitgehende Haftung der Versicherer verbunden ist. Wollten die Versicherer einen weitgehenden Schutz, wie er nach Ziffer 9.3.3 des Vertrages vereinbart ist, nicht gewährleisten, hätten sie diese Klausel anders fassen müssen.

Es ist daher nach Auffassung des Senats auch nicht etwa so, dass ein umfassender Einwendungsverzicht unbillig wäre. Die Versicherer hatten - freilich nur - in gewissen Grenzen die Möglichkeit, sich vor einer Täuschung durch die Fa. B zu schützen. Sie übernahmen ein kalkulierbares Risiko.

An dem Vorstehenden ändert sich nichts durch den Umstand, dass das Bedingungswerk möglicherweise von dem Makler der Fa. B gestellt wurde (vgl. dazu BGH VersR 2009, 1477). Die Klausel ist, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, nicht etwa unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht Köln die Klausel anders verstanden hat (a.a.O.); denn dort ist nach Auffassung des Senats (weitgehend) unbeachtet geblieben, dass der Begriff "aus dem Deckungsverhältnis" ein wirksames Vertragsverhältnis nicht vor-

aussetzt.

Die von den Beklagten angeführten - verfassungsrechtlichen - Überlegungen zur Freiheit der Willensentschließung stehen dem gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Das Selbstbestimmungsrecht der Versicherer hindert diese nach Auffassung des Senats nicht, gegenüber Dritten (hier den Auftraggebern der Fa. B) auf den Einwand der Anfechtung im Voraus zu verzichten. Nur gegenüber dem arglistig Täuschenden selbst ist ein solcher Verzicht - auch von Verfassungs wegen - ausgeschlossen. Die Nichtbeachtlichkeit einer Anfechtung im Verhältnis zu einem Dritten hat die Rechtsordnung in anderem Zusammenhang ausdrücklich anerkannt, nämlich in § 158 c Abs. 2 VVG a.F..

Nicht entscheidend ist für den Senat, ob und - wenn ja - mit welchen Folgen es für Auftraggeber (wie die Klägerinnen) und Versicherer auch möglich gewesen wäre, jeweils besondere Versicherungsverträge zu schließen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.2008 - 18 U 188/07, dort unter C V = Juris-Rn. 143). Auch wenn man annimmt, dass dies - auch praktisch - möglich gewesen wäre, ändert dies nichts an dem vorstehenden Ergebnis.

Der Einwendungsausschluss greift auch, soweit die Klägerinnen aus abgetretenem Recht der Fa. B (bzw. des Insolvenzverwalters) vorgehen. Ziffer 9.3.3 Satz 4 des Versicherungsvertrages bezieht sich gerade auch auf diesen Fall; ein originäres Klagerecht der Klägerinnen gegen die Beklagten besteht nach dem Vertrag ohne weiteres nicht, wie gerade auch die Beklagten geltend gemacht haben.

Die - den Parteien bekannte, nur scheinbar abweichende - Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (vgl. zuletzt etwa Urteil vom 26.03.2009 - 8 U 170/08; ferner etwa VersR 2008, 1532) in den sog. C2-Verfahren ist auf den hier zu beurteilenden Vertrag nicht übertragbar. Dort war, anders als hier, kein Verzicht auf "Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis" vereinbart.

Es kann hiernach (auch an dieser Stelle) dahingestellt bleiben, ob die Beklagten bereits deutlich vor Eintritt der hier in Rede stehenden Versicherungsfälle von der Handlungsweise der Fa. B erfahren hatten und ob es den Versicherern (zudem) deshalb verwehrt wäre, sich gegenüber der Klägerin auf eine Anfechtung zu berufen.

E.

Aus dem Bereich der Bargeldentsorgung (definiert als Transport von Bargeld "weg vom Aufraggeber") geht es um folgende Ansprüche:

der Klägerin zu 1): 3.057.471,57 EUR

(vollständiger Anspruch; allein die oben bereits behandelten 34.913,11 EUR betrafen den Bereich der Bargeldversorgung)

der Klägerin zu 2): 840.470,00 EUR

(vollständiger Anspruch)

der Klägerin zu 3): 343.824,98 EUR

(vollständiger Anspruch; zwar bezieht sich der Teilbetrag von 81.290 EUR in seinem Ausgangspunkt auf die Hartgeldversorgung. Allerdings war es nach dem bei der Klägerin zu 3) praktizierten System der Hartgeldversorgung (vgl. Bl. 546) so, dass die Filialen nach jeweiligem Hartgeldempfang Safebags mit Geldern im genauen Wert der zuvor angelieferten Hartgelder durch die Fa. B entsorgen ließen; um diese Safebags geht es hier).

der Klägerin zu 4): 5.015,00 EUR

(bei dem Teilbetrag von 116.069 EUR aus der Hartgeldversorgung geht es um Beträge "hin zum Auftraggeber", vgl. Bl. 559).

der Klägerin zu 5): 1.607,00 EUR

(vollständiger Anspruch; zwar bezieht sich dieser Betrag in seinem Ausgangspunkt auf die Hartgeldversorgung. Allerdings war es nach dem bei der Klägerin zu 5) praktizierten System der Hartgeldversorgung (vgl. Bl. 646) so, dass die Filialen nach jeweiligen Hartgeldempfang Safebags mit Geldern im genauen Wert der zuvor angelieferten Hartgelder durch die Fa. B entsorgen ließen; um diese Safebags geht es hier).

Der Klägerin zu 6): nur Zinsen

(vollständiger Anspruch; zwar bezieht sich dieser Betrag in seinem Ausgangspunkt auf die Hartgeldversorgung. Nach dem Vortrag der Klägerin (Bl. 79) geht es hier jedoch um Geld, dass der Fa. B als Bargeld zur Auffüllung des Kassenbestandes übergeben worden ist. Es geht damit um Geld "weg vom Auftraggeber").

Hinsichtlich dieser Beträge kommt das Vorliegen eines Versicherungsfalls, für welchen die beklagten Versicherer Entschädigung zu leisten haben, in Betracht.

Allerdings ist - soweit hier von Interesse - nur Bargeld versichert, wie sich aus Nr. 2, 3 und 5 des Versicherungsvertrags ergibt (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.2008 - 18 U 188/07; OLG Köln, Urt. v. 21.04.2009 - 9 U 140/08; vgl. auch BGH, VersR 2008, 395). Nach Einzahlung bei der Bundesbank ("Umwandlung in Buchgeld") besteht kein Versicherungsschutz. Bargeldmengen aber sind nach Nr. 3.1 des Vertrages versichert gegen "alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, denen sie ausgesetzt sind und soweit [Fa. B] gegenüber [der Klägerin] vertraglich oder gesetzlich für die versicherten Sachen haftet". Ein solcher Versicherungsfall ist hier nach dem Vortrag der Klägerinnen hinsichtlich der vorgenannten Beträge eingetreten; die Versicherer müssten - sollte sich der Vortrag der Klägerinnen beweisen lassen - Ersatz leisten gemäß Nr. 9.3 des Vertrages.

Der - noch zu beweisende - Anspruch der Klägerinnen folgt aus zwei von einander unabhängigen Gründen:

I.

Der Versicherungsfall ist nach Auffassung des Senats bei jeder der vorbezeichneten, von der Klägerinnen übergebenen Geldmengen bereits eingetreten durch eine nach dem Vertrag zwischen der Fa. B und den Klägerinnen unzulässige Vermischung des Geldes der Klägerinnen mit Geldern anderer B-Auftraggeber ohne hinreichende Dokumentation. Mit dieser Vermischung trat eine Gefahr ein, gegen welche das Bargeld versichert war (Nr. 3.1 des Vertrages: gegen "alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, [...]"). Die Vermischung ist mitursächlich für den Schaden, der darin besteht, dass die Klägerinnen für die der Fa. B übergebenen Geldbeträge weder eine Forderung erhalten noch Bargeld zurückerhalten hat. Die Beklagten zu 1) und 2) haften dafür.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

1.

Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass die Fa. B die vorgenannten, ihr seitens der Klägerinnen übergebenen Beträge mit Geldern anderer Auftraggeber ohne eine entsprechende nachvollziehbare Dokumentation vermischt hat.

Das System der Vermischung ergibt sich aus den bereits erstinstanzlich vorgetragenen Feststellungen des Insolvenzverwalters (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 27.11.2006, dort S. 2 f. = Anlage K 66 sowie aus dem Schreiben des Insolvenzverwalters vom 06.02.2007 = Anlage K 67) sowie aus dem Bericht der F2 & T AG an den Insolvenzverwalter vom 14.11.2006 mit zwei Anlagen (Anlage K 67).

Danach waren bei der Fa. B Bargeldbestände vorhanden, ohne dass eine Zuordnung zu den Auftraggebern der Fa. B möglich gewesen wäre. Dies gilt sowohl für den Bereich der Hartgeldverarbeitung, bei der es zu umfangreichen Vermischungen gekommen ist, wobei separate Rollierungen nicht stattgefunden haben, als auch für den Bereich der Notengeldabwicklung. Auch hier ist es spätestens nach der Zählung zu Vermischungen gekommen, so dass Nachweise hinsichtlich der Berechtigung an den Geldern nicht mehr möglich waren.

Eine Zuordnung von Geldbeträgen zu einem bestimmten Auftraggeber war dementsprechend auch bei Übernahme der Kontrolle durch die Beauftragten der Beklagten oder des vorläufigen Insolvenzverwalters lediglich möglich, soweit sog. Safebags noch nicht geöffnet und ausgezählt waren (vgl. S. 13 des Berichts des Insolvenzverwalters vom 27.11.2006 = Anlage K 66).

Das pauschale Bestreiten der Beklagten ist demgegenüber unbeachtlich. Es genügt den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO nicht, zumal die Beklagten durch Beauftragung der Fa. C nähere Kenntnisse haben.

2.

Eine solche Vermischung ohne eine nachvollziehbare Dokumentation widersprach den Verpflichtungen der Fa. B.

Dies ergibt sich, auch wenn die schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Fa. B dies nicht festhielten, ohne weiteres aus der für die Fa. B - und im Übrigen auch für die Beklagten - erkennbaren Interessenlage der Klägerinnen.

Danach musste, wenn eine Vermischung stattfand, bis zur Übergabe der Gelder an die Bundesbank stets zumindest klar sein, mit welchem Bruchteil welcher B-Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmte Geldmenge war. Dies war aber nicht gewährleistet, weil Gelder verschiedener Auftraggeber und verschiedener Übergabezeitpunkte so vermischt wurden, dass auch nicht mehr nachvollziehbar war, in welchem Verhältnis welcher Auftraggeber an einer bestimmten Geldmenge beteiligt war (insoweit unterscheidet sich der Streitfall von den Gegebenheiten, welche in dem Urteil des OLG Hamburg v. 19.11.2009 - 6 U 249/07, dort Umdruck S. 25 = II 2 c, zugrunde gelegt wurden).

Das Interesse der Auftraggeber an einer klaren - auch im Nachhinein nachvollziehbaren - Dokumentation folgt zum Beispiel schon daraus, dass die B-Auftraggeber im Fall eines Diebstahls durch Dritte während des Transports zur Bundesbank erkennbar ein Interesse daran hatten, feststellen zu können, in wessen (Bruchteils-) Eigentum welche Geldmenge stand. Das gilt um so mehr, als bei Transporten bestimmte besondere Haftungsgrenzen galten; eine Dokumentation war also nicht etwa deshalb entbehrlich, weil bei ansonst ordnungsgemäßem Verhalten der Fa. B eine Entschädigung der Auftraggeber in jedem Fall sichergestellt gewesen wäre. Ebenso hatten die Auftraggeber aber ersichtlich auch ein Interesse an einer klaren Zuordnung des Eigentums an den übergebenen Geldmengen bis zur Übergabe an die Bundesbank, damit im Fall einer Insolvenz der Fa. B Aussonderungsrechte (u.ä.) erfolgreich geltend gemacht werden konnten.

Aber auch im Hinblick auf die Zeit nach Übergabe von Geldern an die Bundesbank und Einzahlung auf das auch von den Beklagten so bezeichnete und auch vom Insolvenzverwalter so behandelte Fremdgeldkonto (Treuhandkonto) der Fa. B bei der Bundesbank bestand ein erkennbares Interesse der Auftraggeber an einer nachvollziehbaren Dokumentation zuvor vorgenommener Bargeldvermischungen. Dies wird an folgendem vereinfachten Beispiel deutlich:

Auftraggeber A, B, C und D haben an einem Montag Bargeld von je 25.000 EUR an die Fa. B übergeben. Diese Gelder zahlt die Fa. B sogleich bei der Bundesbank auf das Fremdgeldkonto ein. A, B, C und D haben jeweils einen Anspruch gegen die Fa. B auf - verkürzt gesagt - eine Überweisung über 25.000 EUR. Die Fa. B überweist nun aber sogleich einen Betrag von 90.000 EUR für eigene Zwecke an ihre eigene Hausbank. Auf dem Fremdgeldkonto der Fa. B bei der Bundesbank befindet sich daher nur noch ein Guthaben von 10.000 EUR. Nun zahlt die Fa. B am Dienstag 50.000 EUR ein, vermischt aus einem Betrag von 10.000 EUR, welchen Auftraggeber E am Montag an die Fa. B übergeben hat, und einem Betrag von 40.000 EUR, welchen Auftraggeber F am Montag übergeben hat. Auf dem Fremdgeldkonto befinden sich nun 60.000 EUR. Wenn jetzt das illegale Verhalten der Fa. B "auffliegt" und - anders als tatsächlich geschehen - die Behandlung des Bargelds nachvollziehbar dokumentiert ist, so ergibt sich nach der Handhabung des Insolvenzverwalters, dass das Guthaben von insgesamt 60.000 EUR zu 10.000 EUR dem E, zu 40.000 EUR dem F und zu jeweils 2.500 EUR A, B, C und D zusteht. Wenn hingegen keine Dokumentation vorliegt, steht im Zweifel nur fest, dass am Montag von A, B, C und D jeweils 25.000 EUR, von E 10.000 EUR und von F 40.000 EUR übergeben wurden und dass von diesen 150.000 EUR lediglich 60.000 EUR noch auf dem Bundesbank-Konto vorhanden sind; dieses Guthaben muss im Zweifel quotal verteilt werden. Dass E und F vorrangige Rechte haben, wird dann nicht ersichtlich.

Dafür, dass die Klägerinnen von der durch die Fa. B vorgenommenen nichtdokumentierten Vermischung gewusst und diese genehmigt oder auch nur bewusst geduldet hätte, haben die Beklagten nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich.

3.

Der Schaden, welcher darin besteht, dass die Klägerinnen für die hier in Rede stehenden, nach ihrer Behauptung der Obhut der Fa. B überlassenen Geldbeträge weder eine Forderung gegen ihre Hausbank (oder die Bundesbank) erhalten noch Bargeld zurückerhalten haben, ist der Vermischung zuzurechnen.

a)

Dies gilt zum einen deshalb, weil der behauptete Schaden durch die erfolgte Vermischung mitverursacht ist.

Die nicht dokumentierte Vermischung war Teil des von den Geschäftsführern der Fa. B praktizierten "Schneeballsystems". Aus den an einem Tag von verschiedenen Auftraggebern übergebenen Geldern zahlte die Fa. B Teilbeträge bei der Bundesbank ein, um so Auftraggeber befriedigen zu können, welche bereits früher Gelder an die Fa. B übergeben und noch nichts erhalten hatten. So war es der Fa. B möglich, Guthaben auf dem B-Konto bei der Bundesbank für eigene Zwecke an die eigene Hausbank zu überweisen. Es war nicht nachvollziehbar, wessen Geld jeweils bei der Bundesbank eingezahlt wurde; und es war daher auch nicht nachvollziehbar, ob der Gegenwert einer bestimmten Einzahlung unverzüglich an den jeweiligen - mangels entsprechender Dokumentation eben gar nicht identifizierbaren - B-Auftraggeber weitergeleitet wurde. Es lässt sich daher nicht feststellen, dass es auch ohne die von der Fa. B praktizierte Vermischung zu dem den Klägerinnen entstandenen Schaden gekommen wäre.

Dass der behauptete Schaden auch ohne Vermischung der hier in Rede stehenden, von der Klägerinnen übergebenen Geldmengen entstanden wäre, wäre im Übrigen ein hypothetischer Kausalverlauf, welcher von den beklagten Versicherern darzulegen wäre.

b)

Unabhängig von dem Vorstehenden ergibt sich eine Zurechnung aber auch aus Folgendem:

Jedenfalls wegen der Vermischung ohne nachvollziehbare Dokumentation ist es den Klägerinnen unmöglich, nachzuweisen, dass die von den Klägerinnen an die Fa. B übergebenen Gelder nicht bei der Bundesbank eingezahlt wurden, dass Bargeld, welches bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung noch vorhanden war, im Eigentum der Klägerinnen stand oder dass den Klägerinnen Sonderrechte bezüglich eines bestimmten Teil-Guthabens auf einem Bundesbank-Konto der Fa. B der Klägerinnen zustehen. Der Versicherungsvertrag ist daher nach Auffassung des Senats jedenfalls dahin auszulegen (vgl. dazu noch unten 3), dass das sich hieraus ergebende Risiko zu Lasten der beklagten Versicherer geht und diese im Zweifelsfall zumindest darlegen müssten, dass den Klägerinnen durch die Vermischung kein Schaden entstanden sei. Nur so kann die Zusage der Versicherer in Ziffer 3.1 des Versicherungsvertrages erfüllt werden, dass Bargeld gegen "alle Gefahren" versichert ist.

4.

Für den seitens der Klägerinnen behaupteten Schaden müssen die Versicherer einstehen.

Die Vermischung stellt einen körperlichen Zugriff auf die versicherten Bargeldmengen (vgl. BGH, VersR 2008, 395 Tz 14) dar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt Versicherungsschutz nicht etwa vor-

aus, dass die Organe der Fa. B mit der Vermischung eine Straftat begingen. Die Versicherer haben mit Ziffer 3.1 des Vertrages Versicherungsschutz zugesagt nicht nur für den Fall von Straftaten, sondern gegen "alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, denen sie [die in Ziffer 2 beschriebenen Sachen] ausgesetzt sind und soweit der Versicherungsnehmer dem Auftraggeber vertraglich oder gesetzlich für die versicherten Sachen haftet". Die in Ziffer 3.1.2 genannten Straftaten der Veruntreuung und Unterschlagung, auch durch Organe der Fa. B, sind lediglich Beispiele ("Insbesondere").

Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Geschäftsführer der Fa. B mit der Vermischung eine Unterschlagung (möglicherweise in mittelbarer Täterschaft) begangen haben oder ob mit der in Ziffer 3.1.2 genannten "Veruntreuung" auch der Straftatbestand der Untreue als Beispiel einer versicherten Gefahr erwähnt ist (vgl. etwa den Sprachgebrauch in §§ 19 a BNotO, 51 BRAO) und jedenfalls eine Untreue vorliegt, wofür schon eine Vermögensgefährdung genügen kann.

Die Beklagten können den Klägerinnen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass bei dem Insolvenzverwalter aus Bargeldern und Bundesbankguthaben insgesamt Fremdgelder von mehr als 1,9 Mio. EUR noch vorhanden seien (Bl. 1311, 1537). Nach Auffassung des Senats ist der Versicherungsvertrag dahin auszulegen, dass die beklagten Versicherer im vorliegenden Zusammenhang die versicherten B-Auftraggeber - welche insgesamt Ansprüche von etwa 20 bis 23 Mio. EUR gegen die Versicherer erheben - nicht zunächst auf Klagen gegen den Insolvenzverwalter verweisen können, sondern uneingeschränkt zum Ersatz verpflichtet sind. Die Versicherer schulden Entschädigungsleistung (so etwa Ziffer 9.3.2 des Versicherungsvertrages), nachdem aus dem Bereich der Bargeldentsorgung hinsichtlich der von den Klägerinnen behaupteten Beträgen der Versicherungsfall eingetreten ist. Mangels anderweitiger Festlegung in dem Versicherungsvertrag bedeutet dies Zahlung der behaupteten und noch zu beweisenden Beträge. Im Übrigen entspricht auch allein dieses Auslegungsergebnis angemessenem Versicherungsschutz. Den Versicherern ist es nach Entschädigung der versicherten B-Auftraggeber durchaus zumutbar, bei dem Insolvenzverwalter (Gesamt-) Rückgriff wegen der dort noch vorhandenen Fremdgelder zu nehmen; demgegenüber hätten Klagen der einzelnen Auftraggeber gegen den Insolvenzverwalter nach Lage der Dinge Aussicht auf Erfolg allenfalls in Höhe einer geringen Quote. Erst Recht können die Versicherer die Klägerinnen nicht darauf verweisen, dass diese zunächst ihre Insolvenzforderungen geltend zu machen oder von dem Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag abzusetzen habe, abgesehen davon, dass die Klägerinnen gemäß der als Anlage K 25 vorlegten Insolvenztabelle ihre Forderungen angemeldet haben.

Ziffer 4.1.4 des Versicherungsvertrages, wonach die Gefahren "der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand" vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, greift vorliegend nicht ein. Einem durchsetzbaren Zahlungsanspruch der Klägerinnen in Höhe des Betrages, welchen die Klägerinnen nach ihrem Vortrag der Fa. B bar übergeben hatten, steht nicht etwa die Insolvenzeröffnung als solche und der damit verbundene Eingriff entgegen, sondern lediglich der Umstand, dass das von der Klägerin übergebene Bargeld nicht mehr unterscheidbar vorhanden ist (und dass auch bei dem vom Insolvenzverwalter übernommenen Bundesbankguthaben die Voraussetzungen eines Auskehrungsanspruchs der Klägerin nicht zu beweisen sind). Der Insolvenzverwalter hat das übernommene Geld (und das übernommene Bundesbankguthaben) uneingeschränkt als Fremdgeld behandelt und ist zur Herausgabe an den Berechtigten bereit.

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerinnen im Verhältnis zur Fa. B besteht nicht. Dieses würde angesichts des vorsätzlichen Vorgehens der Geschäftsführer der Fa. B jedenfalls ganz zurücktreten.

II.

Ein Versicherungsfall ist aber auch eingetreten, wenn man dem Vorstehenden zu I. nicht folgt und zudem unterstellt (dazu noch sogleich unter III.), dass die hier in Rede stehenden, von den Klägerinnen nach ihrem Vortrag übergebenen Gelder auf ein Konto der Fa. B bei der Bundesbank eingezahlt wurden. Die so vorgenommene Einzahlung war nämlich vertragswidrig und stellt eine "Gefahr" dar, welche nach Ziffer 9.3.3 des Vertrages versichert war. Durch diese - hier wie gesagt zunächst unterstellte - vertragswidrige Einzahlung auf ein Konto der Fa. B wäre der von den Klägerinnen geltend gemachte Schaden eingetreten, für welchen die Versicherer daher einstehen müssen.

1.

Nach § 6 Ziffer 6 des "Transport- und Geldbearbeitungsvertrag" zwischen den Klägerinnen und der Fa. B in Verbindung mit Ziffer II 2 des Leistungsverzeichnisses (Anlage K 11) waren die Gelder einzuzahlen auf ein Konto der Klägerin zu 6). Nach dem Rundschreiben Nr. 6/2007 der Deutschen Bundesbank (Anlage BB 7) erfolgten dabei Einzahlungen im nichtkontogebundenen (Niko-)Verfahren nicht unmittelbar auf das Konto des Kunden, sondern zunächst auf ein bundesbankinternes technisches Konto (Asservatenkonto), von welchem sodann die Weiterleitung erfolgte. Hiernach war die Klägerin nach Einzahlung hinreichend geschützt; ein Zugriff der Fa. B war nicht mehr möglich.

Tatsächlich zahlte die Fa. B, wenn man dem Vortrag der Beklagten (vgl. Bl. 104) folgt, die von der Klägerin in die Obhut der Fa. B übergebenen Gelder auf ein eigenes Konto bei der Bundesbank ein, von welchem sie, was auch die Beklagten nicht in Abrede stellen, in der Vergangenheit bereits mehrfach Überweisungen zu eigenen Gunsten vorgenommen hatte und welches (anders als etwa ein Treuhandkonto, für welches mit der Bundesbank vereinbart gewesen wäre, dass die Fa. B zu Überweisungen auf eigenen Konten nicht befugt sei) keinen Schutz vor solchen Zugriffen bot. Das Konto (oder die Konten der Fa. B bei der Bundesbank) wies (wiesen), was auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, wegen des von den Geschäftsführern der Fa. B seit längerem praktizierten "Schneeballsystems" mit Überweisungen auf eigene Geschäftskonten der Fa. B in dem hier interessierenden Zeitraum stets eine "Unterdeckung" in dem Sinne auf, dass das Guthaben nicht genügte, um die Auftraggeber, deren Gelder jeweils eingezahlt waren und die (deren Hausbank) noch keine Gutschrift erhalten hatten, zu befriedigen.

2.

Mit diesem Vorgehen verletzte die Fa. B ihre Pflicht gegenüber den Klägerinnen. Die Klägerinnen waren damit nicht einverstanden; die Organe der Fa. B durften ein solches Einverständnis auch nicht etwa annehmen.

a)

Ein ausdrückliches Einverständnis mit dieser Vorgehensweise wird auch von den Beklagten nicht behauptet. Diese machen lediglich geltend, die Klägerinnen hätten "geduldet" (vgl. Bl. 820 d.A.), dass an die Fa. B übergebene Gelder auf ein auf den Namen der Fa. B laufendes Konto bei der Bundesbank eingezahlt und von dort Beträge an die Klägerinnen überwies worden seien und dass es zu verzögerten Gutschriften gekommen sei.

Aus einem - etwaigen - solchen Wissen der Klägerinnen und der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Fa. B folgt aber kein Einverständnis mit einer Abweichung von der schriftlich vereinbarten Vorgehensweise.

aa)

Dies gilt bereits deshalb, weil nach Auffassung des Senats das Dulden einer abweichenden Handhabung keine konkludente Vertragsänderung bedeutet. Das gilt umso mehr, als die Klägerinnen im Verhältnis zu der Fa. B - abgesehen von der Regelung des § 254 BGB (dazu bereits oben) - keine besondere Pflicht oder Obliegenheit traf, die Überweisungen an sie daraufhin zu kontrollieren, von welchem Konto die Überweisungen erfolgten.

bb)

Unabhängig davon kann aber jedenfalls aufgrund der konkreten Umstände im Streitfall nicht angenommen werden und durfte auch die Fa. B jedenfalls nicht annehmen, dass die Klägerinnen damit einverstanden seien, dass an die Fa. B übergebene Gelder - entgegen den schriftlichen Vereinbarungen, nach welchen die Klägerinnen weitgehend gesichert war - auf ein Konto der Fa. B eingezahlt würden.

(1)

Dies gilt zum einen schon deshalb, weil die Fa. B bereits vor den hier in Rede stehenden Einzahlungen Überweisungen von dem Konto auf eigene Geschäftskonten zu eigenen Zwecken vorgenommen hatte und nach den Gesamtumständen objektiv damit zu rechnen war, dass die Geschäftsführer der Fa. B auch weiterhin gelegentlich solche Überweisungen vornehmen würden. Es gilt zum anderen deshalb, weil, wie erwähnt, das Konto (oder die Konten) wegen des praktizierten "Schneeballsystems" eine "Unterdeckung" in dem Sinne aufwies (aufwiesen), dass das Guthaben nicht genügte, um die Auftraggeber, deren Gelder jeweils eingezahlt waren und die (deren Hausbank) noch keine Gutschrift erhalten hatten, zu befriedigen.

(2)

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Fa. B ein Einverständnis der Klägerinnen dann hätte annehmen dürfen, wenn zeitgleich mit der Einzahlung bei der Bundesbank Überweisungsaufträge zugunsten der B-Auftraggeber (oder deren Hausbanken) erteilt wurden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.2008 - 18 U 188/07, unter C II = Juris-Rn. 118 ff.).

Jedenfalls ohne derartige Anweisungen durften unter den gegebenen Umständen auch die Organe der Fa. B nicht annehmen, dass die Klägerinnen mit der Einzahlung auf das Konto der Fa. B bei der Bundesbank einverstanden wären. Dafür, dass die Klägerinnen von den früheren Zugriffen der Fa. B auf das Bundesbank-Konto und von der beschriebenen "Unterdeckung" gewusst hätten, ist nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich.

(3)

Es ist einem solchen Wissen nicht gleichzustellen, dass die Klägerinnen wussten, dass es zu verzögerten Überweisungen gekommen war. Daraus ergibt sich nicht etwa, dass die Fa. B von dem Bundesbank-Konto Beträge für eigene Zwecke auf ein eigenes Konto überwiesen hatte, von welchem die Fa. B Überweisungen zu eigenen Gunsten vornahm, oder dass die beschriebene "Unterdeckung" bestand. Eine Verzögerung konnte mannigfaltige Gründe haben, etwa ein verzögertes Auszählen im Bereich der Fa. B oder lediglich verspätete Überweisungsaufträge. Als ein solcher naheliegender Grund kommt hier insbesondere der Umstand in Betracht, dass im Dezember 2005 die Fa. X2 mit mehr als 600 Filialen von der Fa. C2 zu der Fa. B gewechselt war und zudem die Fa. B nach der Insolvenz der Fa. C2 Neukunden in großer Zahl gewann, so dass wegen der damit verbundenen besonderen Arbeitsbelastung - nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerinnen hat sich die Anzahl der Kunden der Fa. B verdoppelt - mit der Fa. B einen übergangsweise gültigen "Notfallplan" vereinbart worden war.

Im Übrigen hat die Klägerin als Anlagen K 72 bis K 75 Ausdrucke von an die Fa. B übersandten E-Mails vorgelegt, in denen sie auf eine Einhaltung der getroffenen Vereinbarung gedrungen hat. Anders als die Beklagten meinen (Bl. 821 d.A.) bringen diese E-Mails gerade nicht zum Ausdruck, dass sich die Klägerinnen mit der Überweisungspraxis der Fa. B abgefunden hätten. Vielmehr ist ein ausdrücklicher Widerspruch erklärt worden.

Soweit die Beklagten auf dem Standpunkt stehen (Bl. 1428 d.A.), dass aus den von ihnen angeführten Kontoauszügen folgen würde, dass die Überweisungen noch bis Ende August 2009 von anderen Konten als im Leistungsverzeichnis vereinbart erfolgt seien, so übersehen sie, dass die in den Gutschriftsbelegen genannten Konten mit den Endziffern 2608 gerade Asservatenkonten der Deutschen Bundesbank darstellten, die diese im Rahmen des NiKO-Verfahrens eingerichtet hatte, was durch das als Anlage BB 7 vorgelegte Rundschreiben der Deutschen Bundesbank vom 26.02.2007 belegt ist.

Diese konkreten objektiven Umstände dürfen nach Ansicht des Senats bei der Beurteilung eines etwaigen konkludenten Einverständnisses der Klägerinnen mit einer Abweichung von der schriftlichen vereinbarten Vorgehensweise nicht etwa ausgeblendet werden. Auch sie bestimmen, wie ein objektiver Betrachter aus Sicht der Fa. B das konkludente Verhalten der Klägerinnen verstehen durfte.

b)

Vorstehendes - unter a) - gilt nach Auffassung des Senats selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Vermischung der Gelder verschiedener Auftraggeber nicht stattgefunden hätte. Es gilt aber erst recht angesichts der von der Fa. B zuvor vorgenommenen Vermischung der Bargeldmengen verschiedener Auftraggeber. Wie bereits dargelegt, war hierdurch die Rechtsposition der Auftraggeber bezüglich der auf dem von den Beklagten ausdrücklich so bezeichneten und auch vom Insolvenzverwalter so behandelten Fremdgeldkonto der Fa. B bei der Bundesbank noch einmal schwächer. Auch deshalb kann nicht angenommen werden und durften die Organe der Fa. B nicht annehmen, dass die Klägerinnen mit Einzahlungen auf das Konto der Fa. B einverstanden gewesen wären.

c)

Die unter den genannten Umständen vorgenommene Einzahlung auf das Konto der Fa. B bei der Bundesbank stellt hiernach einen unzulässigen und nach Ziffer 3.1 des Versicherungsvertrags (gegen "alle Gefahren") versicherten Zugriff auf die von den Klägerinnen nach ihrem Vortrag übergebenen Geldmengen dar.

Damit wird nicht etwa der Versicherungsschutz auf "Buchgeld" erweitert. Ein Versicherungsfall liegt vor, weil die Fa. B übergebene Bargeldmengen unzulässigerweise auf ein eigenes Konto einzahlte und damit unzulässigen Zugriff auf versichertes Bargeld genommen hat. Die Geschäftsführer der Fa. B haben sich durch ihre entsprechende Anweisung an die Mitarbeiter unzulässigerweise an die Stelle der Klägerinnen gesetzt und entschieden, die Gelder nicht auf das Konto der Klägerin zu 6) einzuzahlen, sondern auf ein eigenes Konto der Fa. B; Zugriffsobjekt ist das Bargeld und nicht "Buchgeld" oder ein Guthaben. Soweit das Oberlandesgericht Hamburg in dem bereits zitierten Urteil in einem der sog. C2-Verfahren eine abweichende Auffassung vertreten hat (Urt. v. 19.11.2009 - 6 U 249/07, insbesondere Umdruck S. 28 = II 2 d vor cc), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es geht hier nicht darum, dass Guthaben an Dritte übertragen wurde.

Der vorbeschriebene Zugriff auf das Bargeld erfolgte nicht etwa nach Ende des Versicherungsschutzes. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts (Seite 15 des angefochtenen Urteils) endet der Versicherungsschutz für die Klägerinnen nicht erst dann, wenn "der entsprechende Gegenwert auf ihren Konten gutgeschrieben worden ist". Nach Ziffer 5.1 des Versicherungsvertrages endet der Versicherungsschutz, wenn die übernommenen Bargeldmengen "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben worden sind". Dies gilt selbst wenn man diese Klausel dahin auslegt, dass der Bundesbank-Bedienstete in jedem Fall berechtigter Empfänger sei. Denn der Zugriff - die Anweisung an die Bundesbank, das zu übergebende Geld auf das eigene Konto der Fa. B einzuzahlen - erfolgt bei der von der Fa. B befolgten Vorgehensweise vor oder allenfalls zeitgleich mit der Übergabe des Geldes an den Bundesbank-Bediensteten und somit nicht erst zu einem Zeitpunkt, als die Gelder bereits "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben worden sind". Diese, wie den Beklagten zuzugeben ist, recht genaue Betrachtungsweise stellt nach Auffassung des Senats nicht etwa eine Überinterpretation der Vereinbarung in Ziffer 5.1 des Versicherungsvertrages dar. Die Klausel gilt für alle Geldübergaben an - ggf. - "berechtigte Empfänger". Es entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der Vereinbarung, dass eine Übergabe, welche zugleich Unterschlagung oder Veruntreuung ist, vom Versicherungsschutz nicht ausgenommen sein soll.

Die unter den beschriebenen Umständen unzulässige Einzahlung auf ein Konto der Fa. B stellt auch einen körperlichen Zugriff auf die versicherten Bargeldmengen (vgl. BGH VersR 2008, 395 Tz 14) dar.

Dass es nicht darauf ankommt, ob das Verhalten der Organe und Mitarbeiter der Fa. B strafrechtlich alle Voraussetzungen einer Unterschlagung (möglicherweise der Geschäftsführer in mittelbarer Täterschaft) oder eines anderen Straftatbestandes erfüllt, ist bereits oben ausgeführt.

Die vorstehende Beurteilung geht auch nicht etwa dahin, eine unzulässige Erweiterung des Versicherungsschutzes durch die Klägerinnen zuzulassen (so aber wohl LG Köln VersR 2009, 1488). Vielmehr gilt, dass die Versicherer nach Ziffer 3.1 des Vertrages - bei Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - Bargeld gegen "alle Gefahren" versichert haben und dass sie für die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Fa. B und deren Auftraggebern nicht etwa vorgegeben haben, dass Gelder auf ein Konto der Fa. B bei der Bundesbank eingezahlt werden dürfen.

4.

Als Folge des versicherten, unzulässigen Zugriffs auf die den Klägerinnen nach ihrem Vortrag übergebenen Bargeldmengen haben die Versicherer Ersatz zu leisten. Die Versicherer schulden (zusammen) Zahlung in Höhe der hier unterstellten, unzulässig erfolgten Einzahlungen. Dies ist der bei der Klägerinnen entstandene Schaden; wären die Gelder vertragsgemäß auf das Konto der Hausbank der Klägerinnen bei der Bundesbank eingezahlt worden, so wären den Klägerinnen entsprechende Beträge gutgeschrieben worden. Die Versicherer müssen einstehen für den Schaden, welcher sich aus dem Zugriff auf das Bargeld ergibt. Der Senat verweist hierzu auch auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem den Parteien bekannten Urteil vom 05.11.2008 (18 U 188/07, dort bei Juris-Rn. 121).

F.

Hinsichtlich des von der Klägerin zu 4) verlangten Betrages von 116.069,00 EUR betreffend den Bereich der Bargeldversorgung "hin zur Auftraggeberin" hat das Landgericht zu Recht den Eintritt eines Versicherungsfalls bejaht, für welchen die beklagten Versicherer Entschädigung zu leisten haben.

Sollte es zu einer Vermischung dieser Beträge, die die Klägerin zu 4) nach ihrem Vortrag nicht zurückerhalten hat, mit anderen Bargeldbeträgen gekommen sein, gelten die Ausführungen oben unter D I hier entsprechend. Sollte es zu einer Einzahlung dieses Betrages auf ein Konto der Fa. B bei der Deutschen Bundesbank gekommen sein, gilt das oben unter D II Ausgeführte. Sollte eine anderweitige Bargeldunterschlagung durch Mitarbeiter oder Organe der Fa. B erfolgt sein, so ergäbe sich das Vorliegen eines Versicherungsfalles ohne weiteres aus den Ziffern 2.1., 2.1.1., 3.1. und 3.1.2. der Anlage K1.

G.

Die Versicherer sind nicht etwa leistungsfrei wegen Obliegenheitsverletzungen der Klägerin im Sinne von Ziffer 9.1 des Versicherungsvertrages.

Nach dem klaren Wortlaut von Ziffer 9.1 des Versicherungsvertrages kann eine verspätete oder unterbliebene Meldung eines Schadensfalls Leistungsfreiheit nur für diesen Schadensfall zur Folge haben ("Für Schäden, die [...] nach dieser Frist angezeigt werden, besteht keine Ersatzpflicht [...]").Etwaige Versäumnisse der Klägerin im Zusammenhang mit einem früheren Schadensfall führen schon deshalb nicht zur Leistungsfreiheit.

Nach der als Anlage K 17 vorgelegten Versicherungsbestätigung reichte es aus, gegenüber der Fa. B Anzeige zu erstatten.

Anders als die Beklagten meinen (Bl. 120 d.A.) setzte die Obliegenheit zur Schadensanzeige nicht bereits am 10.03.2006 bzw. am 31.03.2006 bzw. am 28.04.2006 ein. Denn an diesen Tagen haben die Klägerinnen nicht die Feststellung eines Schadens getroffen. Das im Anlagenkonvolut K 14 vorgelegte Schreiben der Fa. B vom 10.03.2006 kündigte gerade die kurzfristige Auszählung aller Gelder der Klägerinnen an und bot keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Rückführung von Geldern unterbleiben würde. Diese Rückführung ist tatsächlich in einem Umfang von 21 Mio. EUR (von 23 Mio. EUR) erfolgt, zuletzt durch Zahlungen von 523.000,00 EUR am 16.08.2006 und von 357.000,00 EUR am 23.08.2006. Auch am 28.04.2006 haben die Klägerinnen nicht die Feststellung eines Schadensfalls getroffen, sondern mit der Fa. B vereinbart, die Berechtigung der offenen Positionen zu prüfen (vgl. die Wiedergabe des Besprechungsinhalts im Schreiben der Fa. B vom 09.05.2006, Anlage K 51). Im Übrigen hätte in dem Rückführungsverlangen jeweils zugleich die nach der Versicherungsbestätigung ausreichende Schadensanzeige gegenüber der Fa. B gelegen. Auch dem nach ihrem Vortrag ihr seitens der Fa. B überlassenen "Sicherheitsgutachten" des M vom 30.03.2006, 31.03.2006, 01.04.2006 und vom 02.04.2006 (erstattet für D) konnten die Klägerinnen nichts für das Vorliegen eines Versicherungsfalles entnehmen, abgesehen davon, dass die beklagten Versicherer mittels der D von dem Inhalt dieses Gutachtens ohnehin Kenntnis hatten. Im Gegenteil empfahl der Sicherheitsgutachter den Versicherern ausdrücklich "das Risiko auch weiterhin in einem Versicherungsvertrag/Policy einzudecken".

Dem Antrag der Beklagten (Bl. 378 d.A.), der Klägerin die Vorlage eines Gutachtens von M2 aufzugeben, war nicht zu entsprechen, weil kein Anhaltspunkt gegeben ist, dass die Klägerin im Frühjahr 2006 ein solches Gutachten eingeholt hätte. Vielmehr hatte die Klägerin lediglich vorgetragen (Bl. 255 d.A), dass die am 28.04.2006 besprochene Prüfung der offenen Posten durch M2 habe begleitet werden sollen. Der Vortrag der Beklagten zeigt keine weitergehenden Gesichtspunkte dafür auf, dass eine Gutachtenerstattung in Auftrag gegeben worden sein könnte.

Im Übrigen tritt nach Ziffer 9.1 Satz 2 Halbsatz 2 Leistungsfreiheit nur ein, "sofern der Verstoß Einfluss auf die Klärung des Schadens hat". Nach diesem Wortlaut liegen Darlegung und Beweis einer solchen Kausalität bei den Beklagten. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Beklagten erstinstanzlich nichts dazu vorgetragen haben, dass eine etwaige verspätete Schadensanzeige oder eine verspätete Darlegung der Schäden einen Einfluss auf die Klärung der Schäden gehabt habe. Deshalb kann zweitinstanzlich hierzu gebrachter Vortrag der Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO keine Berücksichtigung finden; das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen der § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO wird von den Beklagten nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Auch enthält Ziffer 9.1. allein eine Obliegenheit zur Anzeige des Versicherungsfalls binnen der dort genannten Frist. Eine Frist für die Beibringung von Unterlagen ist in Ziffer 9.1. nicht enthalten. Die in Ziffer 9.2. geregelte Obliegenheit zur Erteilung von Auskünften und zur Beibringung von Nachweisen ist an keine Frist geknüpft.

H.

Entgegen ihrer Auffassung können die Beklagten der Klägerinnen auch nicht etwa ein "Mitverschulden" entgegenhalten. Im Verhältnis zur Fa. B, deren Organe vorsätzlich handelten, trifft die Klägerinnen, wie bereits erwähnt, kein anrechenbares Mitverschulden. Für das Verhältnis zwischen den beklagten Versicherern und den Klägerinnen aber ist die Vorschrift des § 254 BGB schon nicht anwendbar. Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalls im Sinne der allein anwendbaren Vorschrift des § 61 VVG a.F. bestehen nicht. Anders als die Beklagten meinen waren die Klägerinnen auch nicht etwa gehalten, bereits im Frühjahr 2006 jede Geschäftsbeziehung zu der Fa. B abzubrechen. Die Klägerinnen hatten auch keine Veranlassung, aus der noch ausgebliebenen Rückführung von Geldern auf das von den Organen der Fa. B praktizierte Schneeballsystem zu schließen. Einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass sich bei der Fa. B ähnliche Umstände zutrugen wie bei der Fa. C2, hatten die Klägerinnen nicht, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob und inwieweit die Klägerinnen nach dem Vortrag der Beklagten in die Vorgänge bei der Fa. C2 involviert waren. Überdies hatte selbst der für die Versicherer tätige Sicherheitsgutachter M, dem ausweislich seiner getroffenen Feststellungen das Vorhandensein mehrerer tausend unbearbeiteter Safebags und ebenso das Vorhandensein eines ungeklärten "zweistelligen Millionen Habensaldos", dem "noch Forderungen von Vertragskunden in Millionenhöhe, die noch geklärt werden müssen" gegenüber stünden, bekannt war, den Versicherern ausdrücklich empfohlen, "das Risiko auch weiterhin in einem Versicherungsvertrag/Policy einzudecken".

Die Klägerinnen haben auch keine Rettungsobliegenheit verletzt (§ 62 VVG a.F.). Dafür dass die Klägerinnen bei Übergabe der Gelder von einem eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall wussten, ist nichts ersichtlich. Die Klägerinnen hatten - wie erwähnt - auch keine Veranlassung, aus der noch ausgebliebenen Rückführung von Geldern auf das von den Organen der Fa. B praktizierte Schneeballsystem zu schließen. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf das Ergebnis der seitens der Versicherer eingeholten Gutachten des Sicherheitsgutachters M.

Auch greift, anders als die Beklagten meinen, kein Haftungsausschluss nach § 131 Abs. 1 VVG a.F.. Denn nach dem Vorstehenden fehlt jeder durchgreifende Anhaltspunkt, dass die Klägerinnen der Fa. B Geld anvertraut hätten, obwohl mit einem Verlust der Gelder habe gerechnet werden müssen.

I.

Die Einstandspflicht der Versicherer ist nicht durch die Vereinbarung der Höchstsumme von 10 Mio. EUR in Ziffer 9.3.3 des Versicherungsvertrages begrenzt. Diese Klausel ist, wie es bereits das Landgericht getan hat, ihrem Wortlaut entsprechend dahin auszulegen, dass die Grenze "je Schadenfall" gilt (vgl. auch bereits OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2008 - 18 U 188/07, bei Juris-Rn. 159 ff.). Dies ist jeweils der einzelne Versicherungsfall, also etwa die Nichteinzahlung einer von den Klägerinnen an die Fa. B übergebenen oder von der Fa. B separierten bestimmten Geldmenge. Die Grenze von 10 Mio. EUR ist vorliegend nicht erreicht.

Auch die Rechtsfigur des "gedehnten Schadensfalls" führt nicht zu einem Wegfall oder einer Einschränkung der Einstandspflicht der Versicherer. Versicherungsfall ist vorliegend jeweils der Zugriff auf eine bestimmte von den Klägerinnen übergebene oder von der Fa. B separierte Geldmenge. Ein gedehnter Versicherungsfall ist nicht gegeben (vgl. ebenso das den Parteien bekannte Urteil des OLG Düsseldorf v. 05.11.2008 - 8 U 188/07, dort unter B VII = Juris-Rn. 159 ff., worauf ergänzend Bezug genommen wird).

III.

Die Entscheidungen über die Kosten und über die Vollstreckbarkeit bleiben dem Endurteil überlassen. Die Revision ist für die Beklagten zuzulassen schon mit Rücksicht auf die erwähnten Urteile der Oberlandesgerichte Celle, Düsseldorf, Hamburg und Köln. Die Revision ist für die Beklagten zuzulassen schon mit Rücksicht auf die erwähnten Urteile der Oberlandesgerichte Celle, Düsseldorf, Hamburg und Köln. Für die Klägerin liegt ein Grund für eine Revisionszulassung nicht vor. Denn soweit der Senat an Stelle des von ihr beantragten Sachurteils auf Aufhebung und Zurückverweisung erkennt, beruht dies auf Umständen des Einzelfalles.






OLG Hamm:
Urteil v. 16.07.2010
Az: I-20 U 166/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5fce429637da/OLG-Hamm_Urteil_vom_16-Juli-2010_Az_I-20-U-166-08




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