Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. September 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 7/00

(BPatG: Beschluss v. 28.09.2000, Az.: 25 W (pat) 7/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Für die am 29. November 1996 in das Markenregister eingetragene Bezeichnung OD werden von der Inhaberin der angegriffenen Marke nach Teillöschung noch die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Pflaster, Verbandmaterial" beansprucht.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 7. November 1985 für "Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Mund- und Rachenpflegemittel; Zahnpasten, Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Stärke und Stärkeerzeugnisse für kosmetische Zwecke" eingetragenen Marke 1 084 091 ODOL, deren Benutzung bestritten ist, ausgenommen Mund- und Rachenpflegemittel. Die Widersprechende macht eine weitergehende Benutzung auch für Zahnpasta geltend und hat insoweit Unterlagen zur Glaubhaftmachung im Beschwerdeverfahren vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar seien aufgrund der möglichen Warenidentität und der mangels anderer liquider Umstände anzunehmenden normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an den Markenabstand durchschnittliche Anforderungen zu stellen. Diese halte die jüngere Marke aber sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht ein, da es sich bei den gegenüberstehenden Marken um Kurzwörter handele, bei denen bereits geringfügige Abweichungen stärker ins Gewicht fielen als bei längeren Worten. So könne bereits die Abweichung in einem Buchstaben den jeweiligen Gesamteindruck der Marke entscheidend beeinflussen und ein sicheres Auseinanderhalten der Marken auch aus der Erinnerung gewährleisten. Schriftbildlich unterschieden sich die Marken schon dadurch unübersehbar, daß die Widerspruchsmarke doppelt so lang wie die angegriffene Marke sei. Im Klang gewährleiste die dunkel klingende Endung "ol" in "Odol" auch bei einer Benennung der angegriffenen Marke wie "Ode" einen ausreichenden Abstand und ein sicheres Auseinanderhalten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Widersprechende macht geltend, daß es sich bei der Widerspruchsmarke um eine berühmte Marke mit einem hohen Schutzumfang handele. Die vorgelegten Unterlagen belegten, daß die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Mundwässer für die Jahre 1997 bis 1999 einen Marktanteil von ca 80% aufwiesen, was auch von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt werde. Es seien deshalb erhöhte Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, die die jüngere, häufig wie "Ode" gesprochene Marke wegen ihrer Übereinstimmung in der Silbenanzahl, im Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der Lautfolge "Od" nicht erfülle, zumal sich selbst bei einer Sprechweise wie "Ode" der Endvokal "e" dem Klang des Vokals "o" in der Endung "ol" der Widerspruchsmarke in nicht unerheblichem Maße annähere.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Markenstelle habe zu Recht in dem angegriffenen Beschluß festgestellt, daß zwischen den Marken keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr bestehe. Nicht nur im Schriftbild, sondern auch im Klangvergleich weise die wie "Od" oder "Odee" gesprochene jüngere Marke wegen der abweichenden und deutlich wahrgenommenen Endung "ol" der Widerspruchsmarke einen deutlichen Markenabstand auf. Eine Verwechslungsgefahr bestehe deshalb selbst nicht im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, bei der es sich trotz der angegeben Marktanteile im Bereich der Mundwässer jedenfalls nicht um eine berühmte Marke handele. Soweit sich die Widersprechende auf eine Benutzung der Widerspruchsmarke auch für die Waren "Zahnpasta" berufe, gründe sich die Einrede der Nichtbenutzung darauf, daß in der Verwendung der Bezeichnung "Odolmed 3" keine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu sehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Der Senat unterstellt seiner Entscheidung, daß die Widerspruchsmarke aufgrund ihrer langjährigen, intensiven Benutzung und der nicht im Streit stehenden Marktstellung für Mundwässer über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft und einen überdurchschnittlichen Schutzumfang verfügt (vgl auch PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 30 W (pat) 194, 96 AUDOR = ODOL und 25 W (pat) 145/97 ARTHRODOL ­ ODOL). Soweit die Widersprechende sich darüber hinaus darauf beruft, bei der Widerspruchsmarke handele es sich um eine berühmte Marke mit einem sehr weiten Schutzumfang, ist die insoweit vorauszusetzende Verkehrsbekanntheit weder gerichtsbekannt noch sind die hierzu erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte aufgrund der vorgelegten Unterlagen oder sonstiger nicht im Streit stehender Tatsachen liquide (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 116; BPatG GRUR 1997, 840, 842, 843 - Lindora/Linola).

Die insoweit von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen über die in den Jahren 1997 bis 1999 erzielten "Marktanteile (Wert)" für Mundwässer sowie die für den Zeitraum 1992 bis 1998 angegebenen Waren- und Werbeumsätze bilden jedenfalls keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine abweichende Beurteilung und die von der Widersprechenden hieraus abgeleitete Rechtsansicht, wenn die erzielten Umsätze und die getätigten Werbeaufwendungen auch durchaus beachtlich erscheinen.

So stellen Umsatzzahlen bereits regelmäßig keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer Marke dar, da selbst umsatzstarke Marken nicht besonders bekannt sein müssen, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsätze mit den gekennzeichneten Produkte sehr bekannt sein können. Auch lassen die für die Jahre 1997 bis 1999 für Mundwässer vorgelegten Angaben über erzielte Marktanteile keinen hinreichenden Rückschluß darauf zu, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer hieraus ableitbaren Erhöhung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke in diesem Warenbereich bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke bestanden haben, also am 15. Februar 1995, wie auch im Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehen, was jedoch erforderlich gewesen wäre (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 21; BPatG GRUR aaO, - Lindora / Linola). Im übrigen sind auch prozentuale Angaben von Marktanteilen um so weniger aussagekräftig, je enger der Warenbegriff gezogen wird (vgl auch PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 30 W (pat) 312/93 - REDUCHOL ­ RECATOL N) und erfordern auch die Angabe der zugrundeliegenden sonstigen Bezugsgrößen, insbesondere wenn - wie vorliegend - erst eine nähere Bestimmung der Art und des Wertes der in Bezug gesetzten Konkurrenzprodukte der hierauf bezogenen Angabe von Marktanteilen eines Produkts (hier ca 76 % bis 80 %) Aussagekraft für die hieraus resultierende Bekanntheit einer Marke verleihen kann. Auch hier kann im übrigen nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden, bei welchem Prozentsatz etwa die Bejahung einer hohen Kennzeichnungskraft gerechtfertigt ist (vgl EUGH MarkenR 1999, 236, 239 Lloyds / Loints).

Dies gilt auch hinsichtlich der ohne nähere Spezifizierung angegebenen Werbeaufwendungen, die nicht erkennen lassen, auf welche einzelnen Werbemaßnahmen sie sich beziehen und welche Auswirkung ihnen auf die Verkehrsauffassung zukommen soll und deshalb nur begrenzte Rückschlüsse auf die durch Werbung erzielte Verkehrsbekanntheit der Marke zulassen.

Die Widersprechende hat auch keine weiteren Unterlagen vorgelegt hat, die eher Rückschlüsse auf die maßgebliche Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke zulassen, wie insbesondere amtliche oder von neutralen Institutionen erstellte Statistiken oder Verkehrsbefragungen demoskopischer Unternehmen zum Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke in konkreten Prozentzahlen und bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 Lloyds / Loints).

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke zulässig gemäß § 43 Abs 1 MarkenG die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme für "Mund- und Rachenpflegemittel" bestritten hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren auszugehen. Wenn sich danach die Marken zwar nicht mehr auf identischen Waren begegnen können, bleiben jedoch insbesondere enge Berührungspunkte der "Mund- und Rachenpflegemittel" als spezielle "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" zu den gegenüberstehenden "pharmazeutischen Erzeugnissen" und "Präparaten für die Gesundheitspflege" möglich (vgl auch PA-VIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 228/98 Musan = Mouson). Dahingestellt bleiben kann, ob darüber hinaus die Benutzung der Widerspruchsmarke auch für die weitere Ware "Zahnpasta" als rechtserhaltend anzuerkennen ist, da sich insoweit keine abweichende Beurteilung des Ähnlichkeitsbereichs der sich gegenüberstehenden Waren ergibt. Für diese stehen bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr als maßgebliche Verkehrsreise Endverbraucher uneingeschränkt im Vordergrund. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Auch wenn danach an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken auch nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht einen zur Vermeidung von Verwechslungen noch ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke jedenfalls dann ein, wenn nicht von einer Einordnung als berühmte Marke ausgegangen werden kann.

Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr besteht trotz strenger Anforderungen an den Markenabstand nach der im Widerspruchsverfahren für den Markenvergleich allein maßgeblichen registrierten Form der Markenwörter sowie ihrer verkehrsüblichen Schreibweisen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 64; BGH GRUR 1996, 775, 777 - Sali Toft) nicht. Denn die angegriffene Marke unterscheidet sich von der doppelt so langen Widerspruchsmarke bereits deutlich durch die erheblich abweichende Wortlänge, zumal es sich vorliegend um kurze Markenwörter handelt, bei denen bereits geringfügige Abweichungen stärker ins Gewicht fallen, und das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

In klanglicher Hinsicht sieht der Senat die Entscheidung knapper als bei der schriftbildlichen Gegenüberstellung der Markenwörter. Dennoch reichen auch insoweit die in der zweiten Worthälfte der Widerspruchsmarke begründeten deutlichen Klangunterschiede zur jüngeren Marke unter Berücksichtigung der vorliegend maßgebenden Anforderungen an den Markenabstand noch aus, eine hinreichend sichere Unterscheidung der Wörter zu gewährleisten. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß die übereinstimmenden Wortanfänge erfahrungsgemäß eher beachtet werden als die weiteren Wortbestandteile und die angegriffene Marke wohl eher nicht nur als einsilbiges Wort wie "Od", sondern insbesondere als ein aus den Einzelbuchstaben "O" und "D" bestehendes Zeichen wie "O-dee" mit betontem Auslaut gesprochen wird. Insoweit ergibt sich trotz größerer klanglicher Annäherung der angegriffenen Marke zu der wie "O-dol" gesprochenen Widerspruchsmarke ein immer noch deutlich differierender klanglicher Gesamteindruck. Denn die zweite Sprechsilbe "dee" der jüngeren Marke klingt merklich heller als die durch den dunkleren Vokal "o" bestimmte Silbe "dol" der Widerspruchsmarke, wobei der Klangunterschied durch die betonte und gedehnte Sprechweise der jeweiligen Vokale sowie die in der Widerspruchsmarke hinzukommende vokalische Wiederholung "O-o-" noch stärker zum Tragen kommt. Zusammen mit der weiteren Abweichung des nur in der Widerspruchsmarke vorhandenen konsonantischen Auslauts "l" werden deshalb die klanglichen Unterschiede in ihrer Gesamtheit selbst bei einer undeutlicheren Aussprache der Wörter oder schlechteren Übermittlungsbedingungen nicht unbemerkt bleiben und auch im eher undeutlichen Erinnerungsbild der Verbraucher einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr hinreichend entgegenwirken.

Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß es sich bei der Endung "ol" der Widerspruchsmarke um eine auf Alkoholverbindungen hinweisende, insbesondere im Arzneimittelbereich häufig verwendete (vgl auch BGH GRUR 1998, 924, 925 salvent / Salventerol) und deshalb auch nicht unerheblichen Teilen der allgemeinen Verkehrskreisen geläufige Endung handelt. Denn unabhängig davon, daß auch kennzeichnungsschwache oder selbst schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und deshalb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 129, 161 mit weiteren Hinweisen) ist hier in tatsächlicher Hinsicht zu berücksichtigen, daß der Bestandteil "ol" nicht der natürlichen Silbengliederung der Widerspruchsmarke entspricht und deshalb auch klanglich nicht eigenständig in Erscheinung tritt, zumal es sich bei der Widerspruchsmarke um ein einheitliches, als Phantasiewort erscheinendes Gesamtwort und nicht um eine erkennbar zusammengesetzte Wortverbindung handelt.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 28.09.2000
Az: 25 W (pat) 7/00


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