Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. August 2012
Aktenzeichen: 6 U 27/12
(OLG Köln: Urteil v. 10.08.2012, Az.: 6 U 27/12)
Tenor
I.) Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.1.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 96/11 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern eine Sonderverkaufsaktion durchzuführen, bei der der Kunde die Gelegenheit hat, innerhalb eines festgelegten Zeitraums „Treuepunkte“ zu erwerben, die bei Erreichen einer bestimmten Anzahl zum Kauf eines Messers der Marke Y eingesetzt werden können, und diese Aktion vorzeitig abzubrechen, sofern in den Bedingungen auf eine mögliche Verkürzung des Aktionszeitraumes nicht hingewiesen wird.
2.) Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Verbot ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten angedroht.
II.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
III.) Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.) Die Revision wird zugelassen.
Gründe
B e g r ü n d u n g
Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Danach hat die Beklagte im Jahre 2011 in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Y eine Rabattmarkenaktion durchgeführt und diese vor Fristablauf beendet. Das hat dazu geführt, dass Kunden nicht wie ursprünglich vorgesehen bis zum 23.07.2011 beim Einkauf Rabattmarken erwerben und diese zum Vollkleben von Rabattheftchen nutzen sowie unter Vorlage dieser Rabattheftchen u.a. Messer der Marke Y zu stark herabgesetzten Preisen erwerben konnten. Grund für die vorzeitige Beendigung war die hohe Nachfrage, die über dem Erfolg früherer Rabattaktionen der Beklagten lag und die Kapazität des Messerherstellers erschöpft hat. Eine mögliche Verkürzung des ursprünglich festgelegten Aktionszeitraumes war in den Teilnahmebedingungen nicht erwähnt.
Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er behauptet, seit der Beendigung der Aktion am 28.5.2011 seien auch bis dahin bereits vollgeklebte Rabattheftchen nicht mehr zum preisgünstigen Erwerb von Messern der Marke Y entgegengenommen worden. Im übrigen hat er seine Rüge aus erster Instanz wiederholt, wonach (nur) ein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG deswegen vorliege, weil die Beklagte die Rabattaktion verkürzt habe, ohne sich dies in den ursprünglichen Teilnahmebedingungen vorbehalten zu haben. Auf den Hinweis des Senats, dass sein Begehren in dem Wortlaut des (mit dem Klageantrag übereinstimmenden) Berufungsantrags nicht hinlänglich zum Ausdruck komme, hat der Kläger diesen dahingehend neu formuliert, dass der Beklagten untersagt werden solle,
„… eine Sonderverkaufsaktion durchzuführen, bei der der Kunde die Gelegenheit hat, innerhalb eines festgelegten Zeitraums ‚Treuepunkte‘ zu erwerben, die später zum Kauf eines Messers eingesetzt werden können, und diese Aktion vorzeitig abzubrechen, sofern in den Bedingungen auf eine mögliche Verkürzung des Aktionszeitraumes nicht hingewiesen wird.“
Die Beklagte verteidigt das Urteil und hält auch den neu formulierten Klageantrag für unbegründet. Sie behauptet, die Einlösung bereits vollgeklebter Rabattheftchen zum Zwecke des verbilligten Erwerbs von Messern der Marke Y sei auch nach Abbruch der Aktion noch möglich gewesen.
Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Klageantrag aus § 5 UWG begründet sein könne.
Die Berufung ist zulässig und führt zur Verurteilung der Beklagten im oben tenorierten Umfange.
I. Die - von der Beklagten nicht bezweifelte - Klagebefugnis des Klägers, der in die gemäß § 4 UKlaG geführte Liste eingetragen ist, ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.
II. Der Anspruch folgt - wie das Landgericht zutreffend entschieden hat - nicht aus §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.
1.) Allerdings stellen sowohl die Ankündigung als auch die Durchführung der Rabattaktion eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, wie sie in § 3 Abs. 1 UWG vorausgesetzt ist.
2.) Die Rabattaktion ist auch eine Verkaufsförderungsmaßnahme im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Von diesem weit auszulegenden Begriff sind sämtliche geldwerten Vergünstigungen wie die im Gesetzeswortlaut beispielhaft aufgeführten Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke erfasst (vgl. z. B. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 4 UWG, Rz. 4.7). Bei der Rabattaktion handelte es sich um einen Sonderverkauf von Messern der Marke Y durch die Beklagte unter Gewährung von Preisnachlässen. Der Kunde kaufte zwar andere Waren bei der Beklagten ein, konnte aber die für diese Einkäufe gesammelten „Treuepunkte“ (nur) für einen Rabatt bei dem Einkauf von Messern (und anderen Produkten) der Marke Y nutzen.
3.) Die Bewerbung und Durchführung der Aktion stellt sich aber nicht als im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG unlauter dar. Das dort normierte Transparenzgebot verlangt, dass der Kaufmann die Bedingungen für die Inanspruchnahme derartiger Verkaufsförderungsmaßnahmen klar und eindeutig angibt. Der Kläger meint, dies sei deswegen nicht geschehen, weil die Beklagte sich die später vorgenommene Verkürzung des Aktionszeitraumes in den Teilnahmebedingungen für die Rabattaktion nicht vorbehalten habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
Zu den Teilnahmebedingungen gehören allerdings auch die Modalitäten von Verkaufsaktionen und insbesondere deren Befristungen (vgl. BGH GRUR 2009, 1064, Rz 13 - „Solange der Vorrat reicht“). Die Beklagte war aber nur verpflichtet, diejenigen Bedingungen vollständig, klar und eindeutig anzugeben, die während der Durchführung der Aktion tatsächlich bestanden. Für die Beurteilung eines Verstoßes gegen § 4 Nr. 4 UWG kommt es danach allein darauf an, ob sie schon bei Beginn der Aktion vorhatte, diese bei übergroßer Nachfrage oder bei Vorliegen sonstiger Gründe zu verkürzen, oder auch nur mit einer dahin gehenden etwaigen Notwendigkeit gerechnet hat, weil diese Option nur dann zu den Teilnahmebedingungen gehört hat. Das ist indes nicht der Fall. Nach dem von dem Kläger nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten hat sie im Gegenteil zu Beginn vorgehabt, die Aktion in jedem Falle wie vorgesehen durchzuführen, und ist die Beklagte von diesem Vorhaben später nur deswegen abgerückt, weil der Erfolg von ihr unvorhergesehen so durchschlagend war, dass das Unternehmen Y auch unter Auslastung aller Kapazitäten die Nachfrage nicht hätte befriedigen können. Der Beklagten kann danach entgegen der Meinung des Klägers nicht vorgeworfen werden, sie habe die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angegeben.
III. Der Anspruch folgt aber aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 , 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.
1.) Der Senat hat die etwaige Unlauterkeit der Aktion auch unter dem Gesichtspunkt der Irreführung zu prüfen und ist nicht deswegen auf die Norm des § 4 Nr. 4 UWG beschränkt, weil der Kläger sich bis zur Berufungsverhandlung nur auf diese Bestimmung gestützt hat.
a) Das folgt schon daraus, dass der Kläger in der Berufungsverhandlung auf den Hinweis des Senats, dass der - neugefasste - Antrag nicht aus § 4 Nr. 4 UWG begründet sei, aber ein Verstoß gegen § 5 UWG in Betracht komme, dem nicht widersprochen und sich so diese Auffassung zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat.
b) Ungeachtet dessen obliegt dem Senat die Prüfung auch eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot deswegen, weil die Frage von dem Streitgegenstand des Verfahrens umfasst ist. Es handelt sich insoweit - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht um einen eigenen Streitgegenstand, weswegen schon die Kammer zu Recht auch einen Verstoß gegen § 5 UWG geprüft hat, der entsprechende Hinweis des Senats gerechtfertigt war und die Zulässigkeit des Wechsels der Anspruchsnorm
nicht die - im übrigen aber auch zu bejahende - Sachdienlichkeit (§ 533 Nr. 1 ZPO) voraussetzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH GRUR 2012, 184 - „Branchenbuch Berg“ mit umfangreichen Nachweisen bei Rz 13). Ausgehend hiervon liegt im vorliegenden Verfahren nur ein Streitgegenstand vor. Der Kläger hat - wie sich aus der Klagebegründung und seinen weiteren Schriftsätzen ergibt und wie ihn auch die Beklagte verstanden hat - ungeachtet des dies nicht (hinreichend) zum Ausdruck bringenden Antragswortlautes vom Beginn des Verfahrens an verlangt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine derartige Rabattaktion vorzeitig zu beenden, sofern ein solcher Abbruch in den Teilnahmebedingungen nicht vorgesehen sei, und diesen Anspruch auf die konkrete Verletzungshandlung, nämlich die Durchführung der Aktion im Jahre 2011 und ihre vorzeitige Beendigung durch die Beklagte, gestützt. Der Kläger hat damit nur einen einzigen Lebenssachverhalt zur Begründung seines einzigen Begehrens vorgetragen und auch nur einen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen einer anderen als der von dem Kläger angeführten Verbotsnorm erfüllt, ist für die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, weil die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 164 Rz 17- „Aktivierungskosten II“; a.a.O. „Branchenbuch Berg“ Rz 15).
2.) Die Durchführung einer Rabattaktion unter den streitgegenständlichen Umständen stellt eine Irreführung der Verbraucher dar und verstößt gegen § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 UWG.
a) Die angesprochenen Verkehrskreise werden der Auslobung der bis zum 23.07.2011 befristeten Rabattaktion der Beklagten entnommen haben, dass sie bis zu jenem Tag an ihr würden teilnehmen, also insbesondere Rabattmärkchen erhalten und diese für den günstigen Erwerb (u.a.) eines Messers von Y würden verwenden können. Der Verbraucher ist an befristete Verkaufsaktionen im Einzelhandel gewöhnt und erwartet (vorbehaltlich allenfalls einer Insolvenz des Unternehmens), dass der angegebene Aktionszeitraum eingehalten wird. Insbesondere rechnet er - was die Beklagte auch selbst nicht vorträgt - nicht damit, dass derartige Rabattaktionen bei großem Erfolg verkürzt werden könnten. Irgendwelche Anhaltspunkte für eine Verkürzung bestanden auch im Streitfall für die angesprochenen Verkehrskreise nicht. Deren mithin hervorgerufene Vorstellung, dass die Aktion uneingeschränkt wie vorgesehen durchgeführt werden würde, war indes unzutreffend, weil die Beklagte tatsächlich die Aktion bereits (sogar wesentlich) früher als vorgesehen, nämlich am 28.5.2011, beendet hat. Auf die streitige Frage, ob und wie lange schon vorher erworbene Rabattmärkchen in vollen Rabattheften nach diesem Tag noch zum verbilligten Erwerb eines Messers werden konnten, kommt es insoweit nicht an, weil jedenfalls die Erwartung des Publikums enttäuscht worden ist, noch bis zum 23.7.2011 durch sein Einkaufsverhalten die Voraussetzungen für den günstigen Erwerb eines Messers schaffen zu können.
b) Der Senat sieht aus diesem Grunde den Irreführungsvorwurf als begründet an. Auf die Frage, ob die Beklagte mit der hohen Beteiligung Ihrer Kunden, die für die Verkürzung der Rabattaktion ursächlich war, hätte rechnen können, kommt es nicht an. Anders als unter Geltung des § 1 UWG 1909, der mit dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit ein subjektives Tatbestandsmerkmal enthielt, ist nach der (zweifachen) UWG-Novellierung ausschließlich die objektive Rechtslage maßgeblich (vgl. BGH GRUR 2007, 800, Rz. 21 - „Außendienstmitarbeiter“ sowie GRUR 2009, 1080, RZ 21 - „Auskunft der IHK“). Der Verstoß erfordert danach insbesondere nicht, dass der Schuldner die unlauterkeitsbegründenden Umstände gekannt hat (vgl. Köhler/Bornkamm UWG, 30. Aufl., § 3 Rz. 106).
c) Allerdings wäre der - hier nicht erhobene - Vorwurf einer Irreführung über die angemessene Bevorratung aus § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG nicht bei jedem Lieferausfall, sondern nur dann begründet, wenn die Ware nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten worden wäre, wobei dem Unternehmer insoweit ein Beurteilungsspielraum einzuräumen wäre (vgl. Bornkamm a.a.O. § 5 Rz 8.11). Die Rechtsprechung zum Vorratsmangel (BGH GRUR 2002, 1095 - „Telefonische Vorratsanfrage“; BGH GRUR 2003, 163 f - „Computerwerbung II“) ist indes im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Beklagten nicht eine mangelhafte Bevorratung, sondern vorzuwerfen ist, dass sie die Verbraucher durch die ausdrückliche Angabe eines später nicht eingehaltenen Aktionszeitraumes in die Irre geführt hat.
Ungeachtet dessen wäre der Anspruch aber auch begründet, wenn man mit Blick auf den Umstand, dass die vorzeitige Beendigung der Verkaufsförderungsmaßnahme in der begrenzten Lieferkapazität des Herstellers der Messer begründet war, die Grundsätze der Rechtsprechung zum Vorwurf des Vorratsmangels heranziehen würde. Danach kommt es für die Frage, welche Vorratsmenge angemessen ist, auf die Umstände des Einzelfalls und insbesondere auf die Verbrauchererwartung an (vgl. Bornkamm a.a.O., Rz 8.16). Indes erwartet der Verbraucher, dass der Einzelhändler, der eine befristete Rabattmarkenaktion durchführt, vorher Vereinbarungen mit dem Lieferanten trifft, durch die sichergestellt wird, dass die Rabattmarken auch in dem gesamten vorgesehenen Zeitraum erworben und eingelöst werden können. Die Erwartungen sind diesbezüglich hoch (vgl. auch Fezer/Steinbeck, UWG, 2. Aufl., § 4 - 4 Rz 47). Denn der Verbraucher benötigt einen gewissen Zeitraum, um durch Einkäufe genügend Rabattmarken erwerben und das jeweilige Rabattheftchen vollkleben zu können. Er wird aus diesem Grunde dem Händler ein gesteigertes Vertrauen darauf entgegenbringen, dass die Aktion auch bis zum Ende durchgeführt wird. Dabei erwartet er, dass der Veranstalter sich an dem Erfolg vergleichbarer früherer Maßnahmen orientiert und gerade bei besonders attraktiven Angeboten wie dem vorliegend zu beurteilenden auch mit einer sehr hohen Nachfrage rechnet (vgl. zu letzterem für den Fall der Vorratshaltung Bornkamm a.a.O., Rz 8.16). Das gilt hier umso eher, als der Verbraucher annehmen wird, dass die Beklagte die Aktion unmittelbar mit der Fa. Y vereinbart habe und diese als Herstellerin in großem Umfang lieferfähig sei. Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht gerecht geworden.
Die Beklagte hätte - wie sich aus den von ihr selbst vorgelegten Zahlen ergibt - für das besonders attraktive Angebot mit einer Gesamtnachfrage in der Größenordnung von nach ihren Angaben hochgerechnet bis zu 4,5 Mio. Stück rechnen müssen, die sie im Mai 2011 zur Verkürzung der Aktion veranlasst hat. Schon bevor sie die Verkaufsaktion mit der Fa. Y vereinbart hatte, hatte im Jahre 2008 eine „Treueaktion“, bei der Pfannen von Silit erworben werden konnten, mit nahezu drei Mio. Stück einen großen Erfolg gehabt. Auch wenn die Beklagte diesen als „Ausreißer“ angesehen haben will, zeigte bereits dieser Umsatz ihr doch, dass Erfolge derartiger Aktionen in solchem Umfang möglich waren. Es kommt hinzu, dass im Jahre 2010 nicht nur in einer Aktion für Handtücher der Marke „Möwe“ über drei Mio. Stück, sondern auch in einer weiteren Aktion 4,2 Mio. WMF-Kochtöpfe verkauft worden sind. Die Beklagte hätte spätestens aus diesen Erfolgen erkennen können, dass auch die in Rede stehende Aktion erneut eine sehr hohe Nachfrage nach sich ziehen und zumindest bei der zu verlangenden Berücksichtigung eines angemessenen Sicherheitszuschlags die Lieferung von bis zu 4,5 Mio. Messern notwendig machen konnte. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass vier Jahre vorher lediglich gut zwei Mio. Produkte der Fa. Y abgesetzt worden waren. Wenn auch trotz dieser Aktionsergebnisse nicht feststeht, dass es zu den (ungeschriebenen) Bedingungen der Beklagten gehörte, notfalls die Aktion abzubrechen (vgl. oben II.), belegen sie doch, dass die Beklagte für größere Lieferkapazitäten hätte Sorge tragen oder der drohenden Irreführung anderweitig - etwa durch einen geeigneten Hinweis - hätte entgegentreten müssen. Das hätte auch noch nach Vereinbarung der streitgegenständlichen Aktion mit der Fa. Y geschehen können, weswegen auch die großen Erfolge der Aktionen mit den Möve-Handtüchern und insbesondere den WMF-Kochtöpfen im Jahre 2010 in die Beurteilung einzubeziehen ist.
d) Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung geäußert, eine Anwendung von § 5 UWG scheide deswegen aus, weil den Kunden allenfalls unter dem vertragsrechtlichen Gesichtspunkt der Leistungsstörung Ansprüche zustehen könnten. Der Fall sei vergleichbar mit demjenigen, dass ein Kunde ein beworbenes Produkt nicht kaufen könne, weil es - etwa durch große Nachfrage, Lieferengpässe oder ähnliches - aktuell nicht (mehr) lieferbar sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Ob dem durch das Irreführungsverbot geschützten Kunden im Einzelfall ein vertragsrechtlicher Anspruch zusteht, ist für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs.1 UWG, der (nur) den in § 8 Abs. 3 UWG aufgeführten Personen und Institutionen zusteht, ohne Bedeutung. Von § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist die unrichtige Angabe über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils erfasst. Dazu gehört auch die hier zu beurteilende Bewerbung einer Verkaufsaktion, die entgegen der Ankündigung nicht vollständig durchgeführt wird.
e) Die Irreführung ist auch von wettbewerblicher Relevanz. Die angesprochenen Verbraucher werden in nicht unerheblichem Umfang gerade deswegen an der Aktion teilgenommen haben, weil sie durch die Rabattmärkchen in den Genuss kommen konnten, Messer der Marke Y günstig zu erwerben. Dabei kann (weiterhin) offenbleiben, ob - wie die Beklagte behauptet - alle bis zum 28.5.2011 vollgeklebten Rabattheftchen eingelöst worden sind. Jedenfalls für diejenigen Kunden, deren
Heftchen nicht voll geworden sind, hat sich die Täuschung realisiert. Die Beklagte behauptet nicht, dass auch alle Heftchen eingelöst worden seien, die nur teilweise gefüllt gewesen seien. Es kommen ohnhin die Kunden noch hinzu, die ihr gesamtes Einkaufsverhalten über den ausgelobten Aktionszeitraum so eingerichtet hatten, dass sie sogar das ganze Sortiment des Angebotes hätten ausschöpfen können.
f) Der im Termin neu gefasste Antrag ist danach aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 , 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG begründet. Die Einfügung der Worte „der Marke Y“ in den Tenor zu I 1 dient der (noch) genaueren Erfassung der konkreten Verletzungsform durch Benennung der Marke der streitgegständlichen Messer und hat - wie die gesamte Neufassung des Antrags - keine Kostenfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Irreführung durch den Abbruch einer Verkaufsförderungsmaßnahme - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen ist.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000 €
OLG Köln:
Urteil v. 10.08.2012
Az: 6 U 27/12
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