Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2008
Aktenzeichen: 20 W (pat) 38/04

(BPatG: Beschluss v. 17.03.2008, Az.: 20 W (pat) 38/04)

Tenor

1. Der Beschluss des Patent- und Markenamts vom 1. April 2004 wird aufgehoben.

2. Das Patent 195 10 484 wird widerrufen.

Gründe

I.

Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden. Das Patent- und Markenamt hat das Patent beschränkt aufrechterhalten.

Die Beschwerdeführerin bestreitet weiterhin die Patentfähigkeit und beruft sich dabei darauf, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unter anderem gegenüber dem Stand der Technik nach der Firmenschrift

(D1) TIB - Technische Information - Betriebsanleitung: Puls-Radar-Sensor VEGAPULS 64 DV, VEGA Grieshaber KG, Schiltach, Juli '94, 4 Seitenals nicht mehr neu gelte.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende I beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent 195 10 484 zu widerrufen.

Die ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin ist - wie schriftsätzlich angekündigt - nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Sie hält - ebenfalls schriftsätzlich - die Beschwerde für unzulässig.

Der Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügten Aufzählungszeichen):

a) Verwendung eines Füllstandsmessers, der nach dem Radarprinzip arbeitet, b) mit einem ein Mikrowellensignal erzeugenden Mikrowellengenerator, c) mit einer das Mikrowellensignal und ein mindestens an einem Medium (2) reflektiertes Meßsignal führenden, vorzugsweise zylindrischen Oberflächenwellenantenne, die gleichzeitig als Sendeantenne und als Empfangsantenne dient und oberhalb einer vorbestimmten Füllstandshöhe des Mediums (2) teilweise in dieses eintaucht, d) mit einem das Meßsignal über die Oberflächenwellenantenne detektierenden Mikrowellendetektor, zur Bestimmung der Füllstandshöhe des Mediums (2) in einem Behälter (4) aus der für das Meßsignal ermittelten Laufzeit, wobei, e) wenn die Oberflächenwellenantenne in das Medium eintaucht, als Meßsignal die sich entlang der Oberfläche der Oberflächenwellenantenne ausbreitenden und an der Grenzschicht zwischen dem luft- oder gasgefüllten Volumen des Behälters (4) und dem mit dem Medium (2) gefüllten Volumen des Behälters (4) reflektierten Oberflächenwellen bestimmt werden.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Die am Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt als "Einsprechende I" Beteiligte, die seinerzeitige E... GmbH + Co., heute firmierend als E... GmbH + Co. KG, hat gegen den am 23. April 2004 zugestellten Beschluss der Patentabteilung 52 vom 1. April 2004 mit Schriftsatz vom 6. Mai 2004, eingegangen per Fax am gleichen Tag, mithin fristgerecht, die Beschwerde eingelegt. Im Gegensatz zur Vermutung der Beschwerdegegnerin war die Beschwerde auch formgerecht, insbesondere ist sie von der richtigen Beteiligten eingelegt worden. Der Beschwerdeschriftsatz ist zwar auf einem Briefbogen der "E... (Deutschland) Holding" verfasst worden und trägt außerdem den Zusatz "E... PatServe". Gleichzeitig trägt aber die Unterschrift der fürdie Einsprechende handelnden unterzeichnenden Patentanwältin A... den Zusatz "AV 500/99". Dieser Zusatz war für den Empfänger des Beschwerdeschriftsatzes, das Deutsche Patent- und Markenamt, als eindeutiger Hinweis auf die dort registrierte Allgemeine Vollmacht der Einsprechenden zu verstehen. Damit war aus den innerhalb der Einspruchsfrist eingegangenen Unterlagen eindeutig ersichtlich, wer als Einsprechende auftreten wollte, nämlich die seinerzeitige E... GmbH + Co, die nunmehr als E... GmbH + Co. KG firmierende Beschwerdeführerin. Demgegenüber ist die gelegentliche Verwendung anderer Briefköpfe und Adresszusätze unbeachtlich. Im Einspruchsverfahren nach § 59 Absatz 1 Satz 2 PatG bedarf es der verfahrensrechtlichen Klarstellung der Person des Einsprechenden, weil nur derjenige am weiteren Verfahren beteiligt ist, der rechtzeitig Einspruch eingelegt hat (BGH GRUR 1988, 809 - Geschoß). Bei der anhand der Einspruchsschrift und der sonstigen zu den Akten gelangten Unterlagen vorzunehmenden Auslegung der verfahrensrechtlichen Erklärung der Bezeichnung des Einsprechenden ist maßgeblich, welcher Sinn der Erklärung aus der Sicht des Empfängers, nämlich des Deutschen Patent- und Markenamts und der Patentinhaberin, beizulegen ist. Danach ist bei einer äußerlich unrichtigen Bezeichnung grundsätzlich derjenige als Einsprechender anzusehen, der erkennbar durch die fehlerhafte Bezeichnung nach deren objektiven Sinn betroffen ist. Dies gilt auch für denjenigen Verfahrensbeteiligten, der sich selbst fehlerhaft bezeichnet hat (BGH GRUR 1990, 348, 349 - Gefäßimplantat; s. auch BPatG, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - 6 W (pat) 705/02). Der Senat geht davon aus, dass jedenfalls bei Firmen, die in einem Firmenverbund stehen, derartige Zusätze auf schriftlichen Erklärungen jedenfalls dann lediglich als interne Organisationskennzeichen anzusehen sind, wenn das Organisationskennzeichen des Empfängers - hier: die beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegte Allgemeine Vollmacht der seinerzeitigen Einsprechenden I - eindeutig kenntlich gemacht wird.

2. Die Beschwerde ist begründet und führt zum Widerruf des Patents, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht mehr neu gilt.

Die D1 offenbart dem Fachmann, einem Messtechnik-Ingenieur, der auf dem Gebiet der Füllstandsmessung tätig ist und über besondere Kenntnisse der berührungslosen Abstandsmessung verfügt, einen handelsüblichen Füllstandsmesser, der nach dem Radarprinzip arbeitet (vgl. Bezeichnung) - Merkmal a).

Wie aus der Beschreibung S. 2, linke Spalte, letzter Absatz und der dazugehörigen Darstellung hervorgeht, ist das üblicherweise aus Sende- und Empfangsantenne bestehende Antennensystem in seiner Funktion als dielektrische Oberflächenwellenantenne in einem zylindrischen Stielstrahler (auch Stabantenne) angeordnet. Auf Seite 2, linke Spalte, 4. Absatz, ist des Weiteren ausgeführt, dass eine Überflutung der Antenne keinen Einfluss auf die Messgenauigkeit hat, da der Füllstand auch über dem Antennensystem sicher erfasst werden kann. Der Fachmann entnimmt daraus die Lehre, dass der Stielstrahler konstruktiv so ausgestaltet ist, dass er auch bei teilweisem Eintauchen in das Medium eine sichere und genaue Messwerterfassung gewährleistet - Merkmal c). Dies ist unter den gegebenen Randbedingungen nur dadurch möglich, dass funktionsnotwendigerweise allein die sich entlang der Oberfläche der Oberflächenwellenantenne ausbreitenden, an der Grenzschicht zwischen dem luft- oder gasgefüllten Volumen des Behälters und dem mit dem Medium gefüllten Volumen des Behälters reflektierten Oberflächenwellen einen Beitrag für eine verlässliche Bestimmung des Messsignals und damit der Füllstandshöhe liefern können - Merkmal e).

Die für die Mikrowellensignalerzeugung und Mikrowellendetektion erforderlichen Schaltungskomponenten des Füllstandsmessers nach den geltenden Merkmalen b) und d) des Patentanspruchs 1 sind in der D1 zwar explizit nicht erwähnt, sie werden aber vom kundigen Fachmann als für die Funktion des Messprinzips unerlässliche Bestandteile vorausgesetzt und daher mitgelesen (vgl. auch BGH GRUR 1995, 330-333 - Elektrische Steckverbindung).

Somit sind sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 aus der Firmenschrift D1 als bekannt entnehmbar, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist mangels Neuheit nicht patentfähig.

3. Bei dieser Sachlage kann die Frage, inwieweit mit den Änderungen in der geltenden Anspruchsfassung gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 eine Schutzbereichserweiterung vorgenommen wurde, dahingestellt bleiben.

Dr. Bastian Dr. Hartung Dr. van Raden Gottstein Pr






BPatG:
Beschluss v. 17.03.2008
Az: 20 W (pat) 38/04


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