Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. August 2005
Aktenzeichen: 3 U 55/04
(OLG Köln: Urteil v. 30.08.2005, Az.: 3 U 55/04)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 04.03.2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (12 O 533/01) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger beauftragte den Beklagten am 26.03.2001 mit dem Abtransport einer in seinem Sicherungseigentum stehenden, vormals fest im Boden verankerten H. Postforming-Maschine aus der geschlossenen Halle eines Betriebsgeländes in I.. Bei dem Transport kippte die Maschine um und wurde erheblich beschädigt.
Mit der Klage macht der Kläger restlichen Schadensersatz geltend; er wirft dem Beklagten qualifiziertes Verschulden vor und behauptet, er habe die Maschine zu einem Preis von 64.000,00 DM verkauft. Gegenstand der Klage ist dieser Kaufpreis zuzüglich Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.108,42 DM abzüglich eines von der Haftpflichtversicherung des Beklagten gezahlten Betrages von 35.000,00 DM.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 373 ff. GA) Bezug genommen.
Das Landgericht hat zunächst den Beklagten durch Versäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 15.905,48 € verurteilt und auf seinen Einspruch hin nach Einholung von Gutachten und Vernehmung von Zeugen die Klage bis auf einen Betrag von 1.337,54 € (= 2.616,00 DM) nebst Zinsen abgewiesen. Es hat - gestützt auf ein von ihm eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 23.01.2003 - den Wert der beschädigten Maschine mit 37.616,00 DM bemessen. Es hat ausgeführt, aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Beklagten lediglich einfache Fahrlässigkeit, nicht jedoch grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz in Sinne des § 435 HGB vorgeworfen werden könne, so dass weiterer Schaden nicht zu ersetzen sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Nach seiner Auffassung beruht das Urteil auf einem Verfahrensfehler. Die vom Landgericht beauftragten Sachverständigen H. und C. seien für die Beurteilung des Transports der Maschine nicht geeignet. Es müsse ein weiterer Gutachter bestellt werden; die Kosten für die bisher eingeholten Gutachten seien wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. Sein Beweisangebot, ein Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einzuholen, sei durch die Verfahrensweise des Landgerichts übergangen worden. Zu Unrecht habe das Gericht auch grobe Fahrlässigkeit verneint. Bei dem Format der Maschine und der Transportart hätte jede Rolle ständig überwacht werden müssen und auf eine Richtungsänderung einer Transportrolle unverzüglich reagiert werden müssen. Dass dies nach eigenem Bekunden des Beklagten nicht geschehen sei, stelle grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten bzw. seiner Leute dar. Auch sei der Gegenstand auf dem Hallenboden infolge grober Fahrlässigkeit übersehen worden. Dem Beklagten sei ferner vorzuwerfen, dass die Maschine nicht mittig auf den Transportfahrwerken gelagert worden sei. Grob fahrlässig sei es auch, bei einer solchen Transportweise die Ware nicht gegen Umkippen zu sichern, z. B. durch einen Gabelstapler. Er - der Kläger - habe die Maschine für 64.000,- DM verkauft; dieser Betrag sei der Schadensberechnung zugrunde zu legen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 04.03.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Aachen (12 O 533/01) dessen Versäumnisurteil vom 27.11.2003 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Die Rollen seien ständig beobachtet worden; auf eine Positionsänderung sei unmittelbar reagiert worden, ohne dass das Umkippen der Maschine hätte verhindert werden können. Sollte die Gewichtsverteilung der Maschine zu erhöhten Sorgfaltspflichten führen, träfen diese zuvorderst den Kläger, der darauf durch Kennzeichnung hätte hinweisen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Dem Kläger steht wegen der Beschädigung der Postforming-Maschine, die während des Transports aus der Halle des Klägers eingetreten ist, kein über die gezahlte Summe (35.000,00 DM) und den vom Landgericht zuerkannten Betrag (2.616,00 DM) hinausgehender Schadensersatzanspruch aus § 425 Abs. 1 HGB zu.
Der Umfang des vom Beklagten zu leistenden Schadensersatzes bemisst sich nach § 429 HGB, da ein qualifiziertes Verschulden im Sinne des § 435 HGB als Voraussetzung für eine weitergehende Haftung nicht festgestellt werden kann.
Die Beschädigung der Maschine ist nicht leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, verursacht worden.
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als innere Tatsache ist erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen, zudem kann der Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe nahe liegen (BGHZ 158, 322).
Der Senat geht aufgrund des Parteivortrages und der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme von folgendem Hergang aus: Nach dem Ausfegen der Halle wurde die Maschine mittels Wagenheber auf die vom Beklagten mitgebrachten drei Panzerrollen gesetzt, wobei die zwei kleineren hinten - ohne Verbindungsstangen - und die größere vorne untergesetzt wurden. Die Maschine wurde dann mit einem Gabelstapler gezogen, wobei eine der Rollen unter der Maschine herausrutschte und diese auf die Seite umkippte. Was letztendlich die maßgebende Ursache war, lässt sich nicht genau feststellen. Die in Betracht kommenden Ursachen rechtfertigen nicht den Vorwurf qualifizierenden Verschuldens gemäß § 435 HGB.
Die Aussage des Zeugen D. spricht dafür, dass die Ursache für das Kippen der Maschine darin lag, dass eine der Transportrollen an einem auf dem Boden befindlichen Bolzen hängen geblieben ist; dieser ist nach dem Umfallen der Maschine entdeckt worden. Auch der Zeuge L. vermutet einen kleineren Gegenstand auf dem Boden, der offensichtlich beim Ausfegen der Halle vor Transportbeginn übersehen worden sein muss, als Ursache.
Das Übersehen eines kleineren Gegenstandes beim Ausfegen der Halle erreicht nach Auffassung des Senats noch nicht die Schwelle der Leichtfertigkeit. Es handelt sich bei dem Übersehen des Bolzens bzw. eines ähnlich kleinen Gegenstandes lediglich um einfache Fahrlässigkeit in Gestalt eines Augenblicksversagens.
Die Verwendung der Transportrollen und eines Gabelstaplers stellte sich angesichts der Gegebenheiten als grundsätzlich geeignete Transportart dar; dies wird vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt.
Soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, die Maschine sei nicht genau mittig auf den Transportfahrwerken gelagert gewesen, kann dies nicht festgestellt werden. Der Sachverständige C. hat in seinem Gutachten vom 22.08.2002 sowie in seiner Anhörung 27.11.2003 eine außermittige Schwerpunktlagerung lediglich als mögliche Ursache in Betracht gezogen, eine solche aber nicht als tatsächliche Ursache festgestellt; er führt zusammenfassend aus, der genaue Schadensverlauf lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Angesichts des Umstandes, dass der Sachverständige C. u.a. für die Bereiche "Transport und Ladungssicherung" bestellt ist und in seinem Gutachten ausgeführt hat, Schwer- und Sondertransporte seien ihm aus der Praxis geläufig, vermag der Senat den Einwand des Klägers, das Landgericht habe einen aufgrund seines Aufgabenbereichs ungeeigneten Sachverständigen hinzugezogen, nicht nachzuvollziehen. Vor diesem Hintergrund war weder die Auswahl des Sachverständigen verfahrensfehlerhaft; noch war ein weiterer Sachverständiger zu bestellen; das Landgericht durfte sich auf die ergänzende Anhörung des Sachverständigen beschränken. Durch die Anhörung hat das Landgericht dem Kläger Gelegenheit gegeben, seine mit Schriftsatz vom 14.2.2003 gegen die Feststellungen des Sachverständigen C. vorgebrachten Einwände dem Sachverständigen vorzuhalten. Auch die Zeugenaussagen haben nicht ergeben, dass eine nicht mittige Lagerung der Maschine schadensursächlich war; vielmehr hat der vom Kläger benannte Zeuge D., auf eine nicht mittige Lagerung angesprochen, alleine den Bolzen auf dem Boden für ursächlich gehalten. Es kann daher dahinstehen, ab welcher Abweichung des Aufsetzpunktes von der Mitte überhaupt von einer schweren Pflichtverletzung die Rede sein könnte.
Soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, er habe die Rollen während der Fahrt nicht ständig beobachtet, ist dies nicht nachgewiesen; derartiges ist weder vom Zeugen D., noch vom Zeugen L. bekundet worden. Daher bedurfte es auch nicht der vom Kläger beantragten Einholung eines Gutachtens zu seinem Vortrag, die Rollen hätten ständig beobachtet werden müssen; dies kann nämlich als zutreffend unterstellt werden. Auch kann nicht festgestellt werden, dass das Umkippen der Maschine durch eine ständige Beobachtung der Rollen überhaupt zu vermeiden war; es ist nämlich nicht auszuschließen, dass sich der Vorgang so schnell ereignete, dass das Umkippen der Maschine in dem Zeitpunkt, als ein Verrutschen einer Rolle bemerkbar wurde, überhaupt noch durch ein Anhalten des Gabelstaplers hätte vermieden werden können.
Dass der Beklagte die hinteren beiden Rollen nicht mit den dafür vorgesehenen Verbindungsstangen verbunden hat, kann ihm ebenfalls nicht als Leichtfertigkeit vorgeworfen werden; es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die Verwendung der Verbindungsstangen in der konkreten Situation überhaupt möglich war. Der Zeuge L. hat in diesem Zusammenhang bekundet, die Auflagepunkte hätten den Einsatz der Verbindungsstangen räumlich nicht zugelassen; die Maschine sei hinten nicht gleichmäßig gewesen. Dies hat der Kläger nicht entkräftet.
Es stellt sich ferner nicht als Leichtfertigkeit dar, dass der Beklagte keinen weiteren Gabelstapler zur seitlichen Absicherung der Maschine eingesetzt hat. Eine derartige Verfahrensweise ist nämlich unüblich, wie übereinstimmend die Zeugen L. und U. bekundet haben; ihre Unterlassung kann daher nicht als schwerer Pflichtenverstoß angesehen werden.
Der Beklagte hat mithin nur nach § 429 Abs. 2, 3 HGB Wertersatz zu leisten. Den Wert der Maschine hat das Landgericht zutreffend auf der Grundlage des Gutachtens H. bemessen, in welchem als gemeiner Wert ein Zeitwert von 37.616,00 DM festgestellt worden ist. Das Gutachten ist nachvollziehbar und plausibel. Auch ist der Sachverständige H. in diesem Zusammenhang kompetent; er hat pflichtgemäß entsprechend § 407 a Abs. 1 ZPO mitgeteilt, dass die Frage nach dem Wert der Maschine in seinen Aufgabenbereich fällt.
Der vom Kläger vorgetragene Verkaufspreis kann der Wertbemessung nicht zugrunde gelegt werden. § 429 Abs. 3 Satz 2 HGB stellt nämlich lediglich eine Vermutung dafür auf, dass der maßgebliche Marktpreis dem Verkaufspreis entspricht. Diese Vermutung ist aber widerlegbar; im Streitfall ist sie zur vollen
Überzeugung des Senats durch das Wertgutachten des Sachverständigen H. widerlegt. Aufgrund dessen kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kläger mit seinem Abnehmer für die Maschine einen Einzelpreis vereinbart hatte.
Den Ersatz von Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht verlangen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts ist der Kläger nicht entgegengetreten. Abgesehen davon sind weder die Zusammensetzung der Anwaltskosten, noch der Anfall der einzelnen Gebühren - auch unter Berücksichtigung des § 118 Abs. 2 BRAGO - noch die Zahlung des Klägers an seinen Prozessbevollmächtigten als Voraussetzung für einen entsprechenden auf Zahlung gerichteten Schadensersatzanspruch dargetan.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Es begegnet keinen Bedenken, dass das Landgericht dem Antrag des Klägers, die Sachverständigenkosten niederzuschlagen, nicht gefolgt ist; die Auswahl und Beauftragung der beiden Sachverständigen stellte - wie ausgeführt - keine unrichtige Sachbehandlung dar (§ 8 GKG a.F.).
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu; noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Streitwert für das Berufungsverfahren: 14.567,94 €
OLG Köln:
Urteil v. 30.08.2005
Az: 3 U 55/04
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