Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 323/05

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2006, Az.: 21 W (pat) 323/05)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent aufrechterhalten.

Gründe

I Auf die am 17. Januar 2001 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 101 02 056 mit der Bezeichnung "Satellitenkamera und Führungsvorrichtung" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 10. März 2005 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Dem Einspruchsverfahren liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 zugrunde.

Die Einsprechende hat in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 18. März 2005 zum Stand der Technik auf folgende Entgegenhaltungen verwiesen:

E1 DE 197 45 497 A1 E2 DE 198 15 579 C1 E3 JP 11-125386 A1.

Im Prüfungsverfahren wurden noch folgende Druckschriften genannt:

D1 DE 42 29 787 A1 D2 DE 198 00 670 A1.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 weder neu noch erfinderisch sei. Die Einsprechende führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass das Merkmal "Außenumriss der Satellitenkamera" in Merkmalsgruppe M4 im Anspruch 1 unklar sei und z. B. auf das Kameragehäuse klargestellt werden müsste.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 neu sei, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und auch keiner Klarstellung bedürfe.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:

M1 Satellitenkamera zur Inspektion und/oder Sanierung von Nebenkanälen, M2 wobei die Satellitenkamera am vorderen, freien Ende eines Verbindungsstrangs (7) angeordnet ist, der an einer Untersuchungseinheit befestigt ist, und M3 wobei an der Satellitenkamera (8) und/oder am Verbindungsstrang (7) mindestens eine Leitvorrichtung (13, 15, 28, 30, 37, 39, 43, 50) angeordnet ist, die zur Umlenkung der Satellitenkamera (8) zwecks Richtungsänderung geeignet ist, dadurch gekennzeichnet, dass M4 die Leitvorrichtung (13, 15, 28, 30, 37, 39, 43, 50) als eine über den Außenumriss der Satellitenkamera hinaus in einen Arbeitszustand und in einen funktionslosen Ruhezustand verfahrbare oder klappbare (Offenbarung: Seite 3, Zeile 30) mechanische Abdrückvorrichtung zum Abdrücken von der Rohrwandung des Kanals (1, 3) ausgebildet ist.

Hinsichtlich der weiteren Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können.

Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

Der Einspruch ist jedoch nicht begründet, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sowie die weiteren Patentansprüche 2 bis 14 als patentfähig.

Mit ihrem Schriftsatz vom 18. März 2005 hatte die Einsprechende zwar zunächst einen Teilwiderruf des Patents für die Ansprüche 1, 3, 13 und 14 beantragt und erst in der mündlichen Verhandlung den Antrag auf vollumfänglichen Widerruf des Patents erweitert. Dies steht einer uneingeschränkten Überprüfung des Streitpatents jedoch nicht entgegen, da im Einspruchsverfahren nach § 59 PatG keine Antragsbindung bei einem gegenständlich beschränktem Einspruch besteht und deshalb vorliegend das Streitpatent unabhängig von der Zulässigkeit einer nachträglich erfolgten Antragserweiterung einer umfassenden Prüfung des gesamten Patentgegenstandes zu unterziehen war (Beschluss des Senats vom 25. April 2006 - Kalibrierverfahren - zur Veröffentlichung bestimmt, Az. 21 W (pat) 339/03).

2. Die patentierten Ansprüche sind zulässig. Der patentierte Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 und Seite 11, Absatz 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Anspruch 2 und 3 ergeben sich aus Seite 4, Absatz 1 und Seite 3, letzter Absatz. Die Ansprüche 4 bis 12 gehen auf die Ansprüche 5 bis 13 zurück und die Ansprüche 13 und 14 auf die Ansprüche 16 bzw. 17.

Der Streitpatentgegenstand betrifft eine lenkbare, in Kanäle verfahrbare Kamera. Der Erfindung liegt gemäß der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, eine Leitvorrichtung für eine Satellitenkamera so auszubilden, dass es möglich ist, die Kamera besser in einen Nebenkanal zu lenken oder in einen vom Nebenkanal abzweigenden Kanal umzulenken (siehe Patentschrift, Absatz [0009]).

3. Dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 stehen Schutzhindernisse nicht entgegen.

Fachmann ist ein mit der Herstellung von Führungsvorrichtungen für Kameras zur Inspektion oder Sanierung von Kanälen vertrauter Dipl.-Ing. der Fachrichtung Maschinenbau.

3.1 Gemäß dem Anspruch 1 (siehe auch Fig. 1 und 2) besteht die Vorrichtung aus einer Satellitenkamera 8, die über einen Verbindungsstrang 7 mit einer Untersuchungseinheit (nicht dargestellt) verbunden ist. Weiterhin ist am Verbindungsstrang und/oder an der Satellitenkamera eine Leitvorrichtung 13 angeordnet, die gemäß der Merkmalsgruppe M4 ausgestaltet ist. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 umfasst somit vier, für den Fachmann eindeutig verständliche, klar definierte und voneinander unterscheidbare Teile.

Gemäß der Merkmalsgruppe M4 ist die Leitvorrichtung als über den Außenumriss der Satellitenkamera verfahrbare oder klappbare mechanische Abdrückvorrichtung ausgebildet. Die Leitvorrichtung ist somit über die Funktion des mechanischen Abdrückens von einer Wand definiert, welches dem Fachmann aber eine klare, wenn auch breite Lehre über die räumlichkörperliche Ausgestaltung der Leitvorrichtung vorgibt. Aufgrund der klar definierten unterschiedlichen Teile ist auch der Außenumriss der Satellitenkamera eindeutig definiert. Der Anspruch 1 gibt deshalb klar an, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. Nr. 3 PatG).

3. 2 Der - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt, gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften eine Satellitenkamera mit sämtlichen, im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen offenbart. Die beanspruchte Satellitenkamera wird dem Fachmann durch den genannten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt.

Aus der Druckschrift E1 (siehe insbesondere die Fig. 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine M1= Satellitenkamera (Kamera 18) zur Inspektion und Sanierung von Nebenkanälen (siehe Spalte 2, Zeilen 44 bis 48) bekannt, M2= wobei die Satellitenkamera am vorderen, freien Ende eines Verbindungsstrangs (Außengehäuse 1) angeordnet ist, der an einer Untersuchungseinheit (siehe Leitungen 21, 22) befestigt ist, und M3= wobei am Verbindungsstrang eine Leitvorrichtung (Arm 7) angeordnet ist, die zur Umlenkung der Satellitenkamera zwecks Richtungsänderung geeignet ist (siehe Schwenkachse 9).

Eine Leitvorrichtung, die über den Außenumriss der Satellitenkamera hinaus in einen Arbeitszustand und in einen funktionslosen Ruhezustand verfahrbar oder klappbar ist gemäß der Merkmalsgruppe M4, ist aus der Druckschrift E1 nicht bekannt, da die Kamera 18 fest mit dem Arm 7 verbunden ist.

Aus der Druckschrift D1 (siehe insbesondere die Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine M1= Satellitenkamera (Kamerasonde 24) zur Inspektion und Sanierung von Nebenkanälen 12 bekannt, M2= wobei die Satellitenkamera am vorderen, freien Ende eines Verbindungsstrangs (Schlauch 36) angeordnet ist, der an einer Untersuchungseinheit (Kamerawagen 14) befestigt ist, und M3= wobei an der Satellitenkamera eine Leitvorrichtung (Lafette 26) angeordnet ist, die zur Umlenkung der Satellitenkamera zwecks Richtungsänderung geeignet ist (siehe Spalte 5, Zeilen 13 bis 25).

Gemäß der Druckschrift D1 wird die Satellitenkamera also mit einer Lafette auf den Nebenkanal ausgerichtet und dann geradlinig in den Nebenkanal verfahren (siehe Spalte 5, Zeilen 45 bis 61). Eine Leitvorrichtung oder Abdrückvorrichtung, die über den Außenumriss der Satellitenkamera hinaus in einen Arbeitszustand und in einen funktionslosen Ruhezustand verfahrbar oder klappbar ist gemäß der Merkmalsgruppe M4, ist somit aus der Druckschrift D1 ebenfalls nicht bekannt.

Die verbleibenden, im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen vom Streitpatentgegenstand - wie der Senat im Einzelnen geprüft hat - weiter ab und liefern keine weiteren Hinweise auf die Ausgestaltung einer Leitvorrichtung gemäß Merkmalsgruppe M4. Da aus keiner der Druckschriften die Merkmale der Merkmalsgruppe M4 bekannt sind, legt auch eine Zusammenschau der Druckschriften den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahe.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist nach alledem patentfähig. Die Unteransprüche und die weiteren Unterlagen haben Bestand, da gegen sie ebenfalls keine Einspruchsgründe vorliegen.






BPatG:
Beschluss v. 25.07.2006
Az: 21 W (pat) 323/05


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