Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 11. November 2010
Aktenzeichen: I-28 U 34/10
(OLG Hamm: Urteil v. 11.11.2010, Az.: I-28 U 34/10)
Eine Gesetzesumgehung des § 3a RVG kann vorliegen, wenn der Anwalt einen Vertrag entwirft, in dem der Mandant gegenüber einem Nichtmandanten anwaltliche Vergütungsansprüche im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter (des Anwalts) anerkennt und der Nichtmandant ein Garantieversprechen zugunsten Dritter (des Anwalts) abgibt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Januar 2010 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Partner einer anwaltlichen Partnerschaftsgesellschaft. Er nimmt den Beklagten, der nicht Mandant der Partnerschaftsgesellschaft war, aus abgetretenem Recht der Partnerschaftsgesellschaft aus einem Garantievertrag zugunsten Dritter auf der Grundlage eines Schuldanerkenntnisses zugunsten Dritter auf Zahlung von Anwaltshonorar in Anspruch.
Mandantin der Partnerschaftsgesellschaft war die O GmbH (nachfolgend nur: GmbH) unter ihrem Geschäftsführer L. Grundlage war ein sogenannter "Beratervertrag" vom 1./2. Oktober 2002 mit der - damals anders firmierenden - GmbH auf der Basis von Stundenhonorar (Anlage TW 21). Zwischen dem 12. März 2009 und 20. Juli 2009 erteilte die Partnerschaftsgesellschaft der GmbH acht Anwaltsrechnungen über insgesamt 46.892,44 €, überwiegend für außergerichtliche Beratung im Gesellschaftsrecht, IT-Recht, Arbeitsrecht und öffentlichen Recht (Anlagen TW 7 bis 14). Die GmbH beglich die Forderungen nicht.
Der Beklagte war Geschäftsführer zwei anderer Gesellschaften mit beschränkter Haftung ("Zwei M Gesellschaft für elektronische Publikationen"; "Vereinte W"), von denen eine 90 % der Anteile der GmbH hielt.
Durch Notarverträge vom 13. August 2009 (UR-Nr. ... und UR-Nr. ... des Notars Dr. T2 in E) regelten der Beklagte und die beiden von ihm vertretenen Gesellschaften sowie die GmbH und deren Geschäftsführer L unter anderem die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Abberufung von L als Geschäftsführer der GmbH und der Veräußerung des von ihm an der GmbH gehaltenen Geschäftsanteils von 10 % an eine der vom Beklagten vertretenen Gesellschaften. Der Beklagte wurde zum neuen Geschäftsführer der GmbH bestellt.
Die Notarverträge vom 13. August 2009 beruhten auf einem Vertragsentwurf, der am selben Tag von einem Partner der Partnerschaftsgesellschaft, Rechtsanwalt Dr. T, gefertigt worden war (Bl. 47 ff. d.A). Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Abberufung von L als Geschäftsführer der GmbH bestand zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen, dass das Mandatsverhältnis zwischen der GmbH und der Partnerschaftsgesellschaft beendet ist, damit Rechtsanwalt Dr. T nunmehr die persönlichen Interessen des abzuberufenden Geschäftsführers L vertreten konnte.
Zum Beurkundungszeitpunkt waren außer den bereits abgerechneten Leistungen, die die Partnerschaftsgesellschaft für die GmbH erbracht hatte, weitere Leistungen noch nicht abgerechnet worden. Rechtsanwalt Dr. T, der an dem Notartermin als Rechtsbeistand des Geschäftsführers L teilnahm, teilte nach Rücksprache mit seinem Sekretariat mit, dass die GmbH noch rund 10.000 € zu zahlen habe. Es wurde dann, weil die Sache umfassend erledigt werden sollte, vereinbart, dass die noch nicht abgerechneten Honorare mit 7.000 € in Ansatz gebracht werden, woraus sich eine Gesamtsumme von 53.892,44 € ergab. Ziffer III. des Notarvertrages mit der UR-Nr. ... lautet:
"1. Die … GmbH erkennt hiermit im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft (…) an, aus erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen insgesamt einen fälligen Betrag in Höhe von 53.892,44 € zu schulden. Die Mehrwertsteuer ist in diesem Betrag enthalten.
Die GmbH verpflichtet sich, diese Forderung in sieben gleichen Monatsraten, beginnend ab dem 20. August 2009 zu zahlen.
2. Der Erschiene zu 1) [der Beklagte] übernimmt hiermit persönlich die Garantie im Sinne eines selbständigen Garantieversprechens gemäß § 311 Abs. 1 BGB, dass die GmbH ihre Zahlungsverpflichtungen gemäß Ziff. 1 erfüllt. Der Erschiene zu 1) [der Beklagte] kann aus dieser Garantie unabhängig und ohne vorherige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der GmbH in Anspruch genommen werden.
Auch dieses Garantieversprechen ist als Vertrag zu Gunsten Dritter anzusehen."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Notarvertrages mit der UR-Nr. ... wird auf die Anlage TW 2 Bezug genommen. Mit einer Kostenrechnung vom 14. August 2009 stellte die Partnerschaftsgesellschaft der GmbH 7.000 € in Rechnung (Anlage TW 5). Mit Abtretungsvereinbarung vom 1. Oktober 2009 trat die Partnerschaftsgesellschaft, vertreten durch einen ihrer Partner, die unter Ziffer III. der notariellen Vereinbarung vereinbarte Honorarforderung von 53.892,44 € gegen die GmbH und den Beklagten an den Kläger ab (Anlage TW 3).
Der Kläger hat Klage im Urkundenprozess erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, dass der Beklagte aufgrund der von ihm übernommenen Garantie ohne vorherige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der GmbH in Anspruch genommen werden könne.
Der Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen: Vor dem Notartermin seien ihm anwaltlichen Honorarverpflichtungen nur etwa rund 25.000 € bekannt gewesen, da der zu diesem Zeitpunkt noch als Geschäftsführer verantwortliche L die Rechnungen nicht in voller Höhe habe buchen lassen. Er, der Beklagte, habe die Berechtigung der Honorarforderungen sachlich nicht mehr prüfen können.
Das Landgericht hat die Klage, die in erster Instanz zuletzt auf Zahlung der bis dahin fälligen Raten in Höhe von insgesamt 38.494,60 € für die Monate August bis einschließlich Dezember 2009 nebst Zinsen und künftige Zahlung von jeweils 7.698,92 € am 20. Januar 2010 und 20. Februar 2010 gerichtet worden war, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei im Urkundenprozess unstatthaft, weil nicht alle zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen seien. Das unter Ziffer III. 1 des Notarvertrags abgegebene Schuldanerkenntnis, auf das sich die unter Ziffer III. 2 des Notarvertrags gewährte Garantie beziehe, sei nicht schuldbegründend, sondern nur schuldbestätigend und stelle damit keinen neuen Schuldgrund dar. Da die Klage auch unbegründet sei, sei sie insgesamt abzuweisen. Das Garantieversprechen unter Ziffer III. 2 schaffe keinen unmittelbaren Leistungsanspruch der Partnerschaftsgesellschaft. Der Beklagte habe sich nur gegenüber der GmbH verpflichtet, deren Honorarverbindlichkeiten bei der Partnerschaftsgesellschaft zu tilgen.
Mit der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Klage sei im Urkundenprozess gemäß § 592 ZPO statthaft. Die notarielle Vereinbarung belege die Zahlungspflicht der GmbH gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft. Das Anerkenntnis sei schuldbegründend. Nach dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden Parteiwillen sei beabsichtigt gewesen, der Partnerschaftsgesellschaft die Rechtsverfolgung zu erleichtern, ihr namentlich eine Klage gegebenenfalls im Urkundenprozess zu ermöglichen. Mit dem Ausscheiden von L als Geschäftsführer der GmbH und der Veräußerung seiner Geschäftsanteile habe festgestanden, dass das Mandatsverhältnis zur GmbH zukünftig nicht fortgeführt werden würde. Daher sei es L und der Partnerschaftsgesellschaft darauf angekommen, die gegenüber der GmbH bestehenden Ansprüche abstrakt festzustellen. Aus der notariellen Vereinbarung ergebe sich auch, dass das Anerkenntnis als Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB ausgestaltet worden sei. Selbst wenn man dem Anerkenntnis lediglich deklaratorische Wirkung beimesse, stehe dies einer Klage im Urkundenprozess nicht entgegen. Es sei ausreichend, wenn die Urkunde den Anspruch stütze. Nicht erforderlich sei, dass sie ihn selbst verbriefe.
Die Partnerschaftsgesellschaft habe einen unmittelbaren Leistungsanspruch gegen den Beklagten erworben. Der Beklagte habe unter Ziffer III. 2 des Vertrags die persönliche Garantie dafür übernommen, dass die GmbH ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft gemäß Ziffer III. 1 nachkomme. Vereinbart worden sei auch, dass der Beklagte aus dieser Garantie unabhängig und ohne vorherige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der GmbH in Anspruch genommen werden könne. Da es sich um Vergütungsansprüche der Partnerschaftsgesellschaft gehandelt habe und diese nicht Vertragspartei der notariellen Vereinbarung gewesen sei, habe das vom Beklagten abgegebene selbständige Garantieversprechen nur dann einen Sinn gehabt, wenn die Partnerschaftsgesellschaft das Recht erwerbe, den Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Andernfalls wären der Partnerschaftsgesellschaft durch die vom Beklagten abgegebene Garantie keine Rechte eingeräumt worden, die ihre Rechtsposition verbessert hätten.
Mit Rücksicht darauf, dass inzwischen alle Monatsraten fällig geworden sind, beantragt der Kläger,
das am 7. Januar 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 53.892,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 7.698,92 € seit dem 21. August 2009, 21. September 2009, 21. Oktober 2009, 21. November 2009, 21. Dezember 2009, 21. Januar 2010 und 21. Februar 2010 zu zahlen;
2. hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Essen vom 7. Januar 2010 aufzuheben und die Sache an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin Bezug genommen.
II.
Die Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage im Urkundenprozess statthaft (§ 592 Satz 1 ZPO). Der Kläger beruft sich zur Begründung seines Zahlungsanspruchs auf die vom Beklagten unter Ziffer III. 2 der notariellen Vereinbarung vom 13. August 2009 übernommene Garantie, die auf das unter Ziffer III. 1 geregelte Anerkenntnis einer Zahlungspflicht der GmbH gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft Bezug nimmt. Die notarielle Urkunde ist geeignet, den vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruch zu stützen. Dabei kommt es auf die Frage, ob dem Anerkenntnis unter Ziffer III. 1 der notariellen Urkunde konstitutive Wirkung zukommt, nicht an, denn es ist nicht erforderlich, dass das geltend gemachte Recht selbst urkundlich verkörpert ist (BGH, Urteile vom 13. Februar 2006 - II ZR 62/04, WM 2006, 691, Rn. 16; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01 NJW 2002, 2777, unter III; vom 12. Juli 1985 - V ZR 15/84, WM 1985, 1244, unter II 2a; Hk-ZPO/Eichele, 3. Aufl., § 592 Rn. 4).
2. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten aus Ziffer III. 2 in Verbindung mit Ziffer III. 1 der notariellen Vereinbarung vom 13. August 2009 zu.
Der Beklagte hat zwar unter Ziffer III. 2 mit Wirkung gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft eine Garantie für die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen der GmbH gemäß Ziffer III. 1 übernommen (dazu unter a). Eine Zahlungsverpflichtung der GmbH aus Ziffer III. 1, die Voraussetzung für die vom Beklagten übernommene Garantie ist, besteht aber nicht (dazu unter b).
a) Die vom Beklagten unter Ziffer III. 2 übernommene Garantie stellt, anders als das Landgericht gemeint hat, keine bloße Erfüllungsübernahme im Sinne von § 329 BGB dar. Diese Annahme berücksichtigt nicht, dass der Beklagte gemäß Ziffer III. 2 Satz 2 aus der Garantie unabhängig und ohne vorherige Geltendmachung gegenüber GmbH in Anspruch genommen werden kann. Da derjenige, der sich gemäß § 329 BGB zur Befriedigung des Gläubigers seines Vertragspartners verpflichtet hat, die Schuldbefreiung ohne Rücksicht darauf schuldet, ob sein Vertragspartner vom Gläubiger bereits in Anspruch genommen worden ist, ergibt die in Ziffer III. 2 Satz 2 getroffene Regelung nur dann einen Sinn, wenn Leistungsansprüche der Partnerschaftsgesellschaft sowohl gegenüber der GmbH als auch gegenüber dem Beklagten begründet werden. Gegen eine Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB, die nur Rechte der GmbH gegenüber dem Beklagten begründen würde, spricht auch Ziffer III 2 Satz 3, wonach (auch) das Garantieversprechen als Vertrag zugunsten Dritter anzusehen ist. Als Dritter im Sinne des § 328 BGB kommt nach dem Vorstehenden nur die an der notariellen Vereinbarung als Vertragspartei nicht beteiligte Partnerschaftsgesellschaft in Betracht.
b) Eine Zahlungsverpflichtung der GmbH aus Ziffer III. 1 besteht indes nicht, weil das Anerkenntnis nicht den - unter den besonderen Umständen der gegebenen Fallgestaltung anzulegenden - Maßstäben genügt, die nach § 3a Abs. 1 RVG für eine Vergütungsvereinbarung gelten. Diese Bestimmung wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vom 12. Juni 2008 (BGBl. I S. 1000) mit Wirkung vom 1. Juli 2008 eingeführt.
aa) Die unter Ziffer III. 1 getroffene Vereinbarung betrifft anwaltliche Vergütungsansprüche der Partnerschaftsgesellschaft gegenüber der GmbH. Die sich aus dem von der GmbH erklärten Anerkenntnis der anwaltlichen Vergütungsansprüche ergebenden Ansprüche sollen im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter der Partnerschaftsgesellschaft als Inhaberin der anwaltlichen Vergütungsansprüche zustehen. Bei dieser Fallgestaltung ist der Schutzzweck des § 3a RVG betroffen, auch wenn die Partnerschaftsgesellschaft nicht Partei des Vertrags war.
(1) Der Schutzzweck der Bestimmung geht dahin, den Mandanten davor zu schützen, dass er unüberlegt, leichtfertig oder ohne sich überhaupt dessen bewusst zu werden, Gebührenvereinbarungen eingeht (BGHZ 57, 53, 57 = juris Rn. 20, zu § 3 BRAGO). Hätte die Partnerschaftsgesellschaft die unter Ziffer III. 1 des Notarvertrages getroffenen Regelungen selbst mit der GmbH getroffen, hätten sich diese an § 3a RVG messen lassen müssen. Wirtschaftlich entspricht die Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter einer neuen Vergütungsvereinbarung der GmbH mit der Partnerschaftsgesellschaft. Daher handelt es sich um eine Gesetzesumgehung des § 3a Abs. 1 RVG, weil bei dieser, von einem anwaltlichen Partner der Partnerschaftsgesellschaft vorbereiteten rechtsgeschäftlichen Gestaltung die Anforderungen der vorgenannten Bestimmung vermieden werden, obwohl sie sich nach ihrem Sinn und Zweck darauf erstrecken. Eine Umgehungsabsicht ist dabei nicht erforderlich, denn eine Gesetzesumgehung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits dann vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 85/05, NJW 2006, 1006, Rn. 12, unter Hinweis auf BGHZ 110, 230, 233 f. m.w.N.)
(2) Wenn die Partnerschaftsgesellschaft im eigenem Interesse dafür Sorge trägt, dass die GmbH als zahlungspflichtige Mandantin Vergütungsansprüche in bestimmter Höhe gemäß § 328 BGB zu ihren Gunsten anerkennt, ist der Schutzbereich des § 3a RVG in gleicher Weise betroffen als wäre das Anerkenntnis unmittelbar gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft und nicht lediglich zu ihren Gunsten abgegeben worden.
(a) Die unter Ziffer III. des notariellen Vertrags getroffenen Vereinbarungen zwischen der GmbH und dem Beklagten liegen ausschließlich im Interesse der Partnerschaftsgesellschaft. Diese war durch ihren Partner Rechtsanwalt Dr. T, der den vorgenannten Vertrag entworfen hat, maßgeblich am Zustandekommen dieser Vereinbarungen beteiligt. Der Entwurf sah ursprünglich (unter der dortigen Ziffer VII.) eine Regelung vor, die sich nur auf die bereits abgerechneten Tätigkeiten der Partnerschaftsgesellschaft bezog. Rechtsanwalt Dr. T hat am Beurkundungstermin vom 13. August 2009 teilgenommen. Er hat während des Beurkundungstermins Rücksprache mit seinem Sekretariat gehalten, um die ungefähre Höhe der noch nicht abgerechneten Vergütung zu erfragen, damit auch diese im Sinne der angestrebten Gesamterledigung zum Gegenstand der unter Ziffer III. des notariellen Vertrags getroffenen Vereinbarungen gemacht werden können.
Weder die GmbH noch der Beklagte hatten ein Interesse daran, Vergütungsansprüche der Partnerschaftsgesellschaft gegenüber der GmbH anzuerkennen. Eine weitere Zusammenarbeit zwischen der GmbH und der Partnerschaftsgesellschaft nach Ausscheiden des Geschäftsführers L ist unstreitig nicht in Erwägung gezogen worden. Das Anerkenntnis zugunsten der Partnerschaftsgesellschaft war somit kein Entgegenkommen der GmbH im Hinblick auf eine angestrebte weitere Zusammenarbeit. Für den ausscheidenden Geschäftsführer L war das Zustandekommen der unter Ziffer III. des Vertragswerkes getroffenen Regelungen ebenfalls nicht von Interesse. Bei den hier in Rede stehenden Vergütungsansprüchen der Partnerschaftsgesellschaft handelte es sich unstreitig um Verbindlichkeiten der GmbH und nicht um solche des ausscheidenden Geschäftsführers L persönlich. Das Interesse des ausscheidenden Geschäftsführers L an den unter Ziffer III. des notariellen Vertrags getroffenen Regelungen ergibt sich also nicht aus einer etwaigen Besorgnis, persönlich auf Begleichung der anwaltlichen Vergütungsansprüche in Anspruch genommen zu werden.
(b) Unbeachtlich ist, dass das noch nicht abgerechnete Anwaltshonorar teilweise reduziert wurde, nämlich von rund 10.000 € auf 7.000 €. Bei dem unter Ziffer III. 1 des notariellen Vertrags abgegebenen Anerkenntnis ging es nicht in erster Linie und jedenfalls nicht nur um eine Reduzierung verdienter Honoraransprüche. Das Anerkenntnis hatte nach eigenem Vorbringen des Klägers auch den Sinn und Zweck, die Berechtigung der aufgrund der schriftlichen Vergütungsvereinbarung angefallenen Honoraransprüche nach Grund und Höhe dem Streit zu entziehen und hierdurch eine Honorarklage zu vermeiden oder eine solche zumindest im Wege des Urkundenprozesses führen zu können. Im Hinblick auf diese weitreichenden Wirkungen, die zum Nachteil der GmbH und mittelbar auch zum Nachteil des Beklagten mit dem Anerkenntnis angestrebt worden sind, ist der Schutzzweck des § 3a RVG, der dahin geht, den Mandanten davor zu schützen, dass er unüberlegt, leichtfertig oder ohne sich überhaupt dessen bewusst zu werden, Vereinbarungen über Vergütungsansprüche eingeht, betroffen.
bb) Den Maßstäben des § 3a Abs. 1 RVG trägt die Vereinbarung aus mehreren Gründen nicht Rechnung.
(1) Eine anwaltliche Vergütungsvereinbarung muss als solche oder in vergleichbarer Form bezeichnet sein (§ 3a Abs. 1 Satz 2 RVG). Eine solche Bezeichnung findet sich in Ziffer III des Vertragswerkes nicht, obwohl alle anderen Ziffern bezeichnet sind. Der Bezeichnung muss sich entnehmen lassen, dass eine Vergütung abweichend von den gesetzlichen Gebühren vereinbart werden soll (AnwK-RVG/Onderka, 5. Aufl., § 3a Rn. 39; Henke, AnwBl 2007, 611, m.w.N.). Auch daran fehlt es, denn wenn es in der Urkunde heißt, die GmbH erkenne an, aus erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen insgesamt einen fälligen Betrag von 53.892,44 € zu schulden, kann das auch so verstanden werden, dass sich dies auf den gesetzlichen Gebührenanspruch bezieht.
Zwar wird der Anwalt bei einer fehlerhaften Vergütungsvereinbarung nicht honorarlos gestellt, sondern behält den gesetzlichen Vergütungsanspruch (§ 4b Satz 1 RVG). Dieser richtet sich jedoch nicht gegen den Beklagten, sondern gegen die Mandantin der Partnerschaftsgesellschaft, die GmbH. Der Beklagte hat gemäß Ziffer III. 2 des notariellen Vertrages eine Verpflichtung nur im Hinblick auf "Zahlungsverpflichtungen gemäß Ziff. 1" übernommen, also nur im Hinblick das Anerkenntnis der GmbH, nicht im Hinblick auf gesetzliche Gebührenansprüche.
(2) Ziffer III. 1 des Notarvertrages enthält des Weiteren kein wirksames abstraktes (konstitutives) Schuldanerkenntnis.
(a) Ein solches wäre unwirksam. Der Schutzzweck des § 3a RVG verbietet es, ein abstraktes Schuldanerkenntnis des Mandanten für die in dieser Vorschrift geforderte Schriftform genügen zu lassen. Die schriftliche Erklärung des Mandanten muss einen konkreten Hinweis darüber enthalten, für welche anwaltliche Tätigkeit des Rechtsanwalts der Mandant das Versprochene zahlen will (BGHZ 57, 53, 57 = juris, Rn. 23). Es kommt nicht darauf an, ob die GmbH oder der Beklagte gewusst haben, welche Tätigkeit der Partnerschaftsgesellschaft mit dem Schuldanerkenntnis über 53.892,44 € vergütet werden sollte. Da es sich darum handelt, wie das gesetzliche Erfordernis der Schriftform abstrakt abzugrenzen ist, haben in diesem Zusammenhang die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls - wie zum Beispiel die Kenntnis des Mandanten davon, auf welche anwaltliche Tätigkeit sich das Schuldanerkenntnis bezieht - außer Betracht zu bleiben (BGHZ, aaO, 59 = juris, Rn. 24).
(b) Unbeschadet dessen liegt hier kein abstraktes Schuldversprechen im Sinne der §§ 780, 781 BGB vor. Ein solches verlangt, dass die übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck kommenden Leistungswillen gestellt werden soll (BGH, Urteile vom 14. Januar 2008 - II ZR 245/06, NJW 2008, 1589, Rn. 15; vom 19. November 2008 - IV ZR 293/05, NJW-RR 2009, 382, Rn. 9). Der Urkundeninhalt verweist hier jedoch auf Verbindlichkeiten aus erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen. Es ist unerheblich, dass die erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen nicht näher aufgeschlüsselt worden sind. Dies gilt umso mehr, weil die noch im Entwurf vorgesehene Aufschlüsselung der Einzelpositionen nach eigenem Vortrag des Klägers lediglich "zur Vereinfachung" weggelassen worden ist, nachdem man sich unter Einbeziehung der noch nicht abgerechneten Anwaltstätigkeit auf eine Gesamtsumme von 53.892,44 € einigte.
(3) Ziffer III. 1 des notariellen Vertrags enthält ein deklaratorisches (bestätigendes) Schuldanerkenntnis (a). Jedoch kann der Kläger auch unter diesem Gesichtpunkt keinen Anspruch herleiten (b).
(a) Unter einem deklaratorischen Anerkenntnis ist ein Vertrag zu verstehen, der im Unterschied zum konstitutiven Schuldanerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage hebt, sondern den Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, dass er ihn Einwänden des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht (BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 - VI ZR 64/82, NJW 1984, 799, unter II 1). Entzogen werden dem Anspruchsgegner solche Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete (BGHZ 69, 328, 331; BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 94/05, NJW 2006, 903, Rn. 15, m.w.N.). Zweck eines solchen Vertrages ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen.
Die Annahme eines solchen Vertrages ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass für seinen Abschluss hatten. Ein solcher Anlass besteht nur, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte geherrscht haben (BGHZ 66, 250, 255; BGH, Urteile vom 10. Januar 1984 - VI ZR 64/82, aaO; vom 18. Mai - IX ZR 43/99, NJW 2000, 2501, unter I 1; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 781 Rn. 3). Ein solches Schuldanerkenntnis setzt daher voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530, Rn. 8).
Gemessen daran, ist hier ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gegeben. Im vorliegenden Fall bestand ein besonderer Anlass, weil L als Geschäftsführer der GmbH abberufen werden sollte; es bestand infolgedessen eine Unsicherheit im Hinblick auf die Beurteilung der Honoraransprüche durch die neue Geschäftsleitung. Eine Ungewissheit bestand zudem insoweit, als ein Teil der anwaltlichen Tätigkeit der Partnerschaftsgesellschaft noch gar nicht abgerechnet worden war.
(b) Das deklaratorische Anerkenntnis in Ziffer III. 1. des notariellen Vertrags ist unwirksam. Ein Anerkenntnis mit einem schuldbestätigenden Inhalt bedarf der gesetzlichen Form des § 3a RVG zwar nicht, wenn es bereits eine dadurch bestätigte Honorarabrede gibt, die diese Form wahrte (BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386, unter II 3 b cc). Unbeschadet dessen gilt aber beim deklaratorischen Anerkenntnis - ebenso wie beim abstrakten Schuldanerkenntnis - das Bestimmtheitserfordernis, wonach die unterzeichnete Urkunde konkrete Angaben dazu enthalten muss, für welche anwaltliche Tätigkeit das Versprochene gezahlt werden soll (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 855 = juris, Rn. 12). Hieran fehlt es. Die im Vertragsentwurf nach Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Betrag bezeichneten acht Rechnungen sind nicht in den notariellen Vertrag übernommen worden. Außerdem sind weitere Honoraransprüche einbezogen worden, über die eine Abrechnung noch gar nicht erteilt worden war. Ob der GmbH oder dem Beklagten die bereits erstellten Rechnungen bekannt waren und sie wussten, für welche noch nicht abgerechneten anwaltlichen Tätigkeiten ein Betrag von 7.000 € gezahlt werden soll, ist im Hinblick auf die abstrakt vorzunehmende Abgrenzung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses unerheblich (BGHZ 57, 53, 59 = juris, Rn. 24; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 855 = juris, Rn. 10, Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 3a RVG Rn. 16).
(4) Die in Ziffer III. 1 des Notarvertrags getroffenen Regelungen sind auch nicht als wirksamer außergerichtlicher Vergleich im Sinne (§ 779 BGB) anzusehen. Ein solcher ist einem einwendungsausschließenden Anerkenntnis ähnlich, weil dieses ebenso wirkt wie ein Vergleich (BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - IX ZR 43/99, NJW 2000, 2501, unter I 1). Nach dem Schutzzweck des § 3a RVG gilt das Bestimmtheitserfordernis nicht nur für konstitutive und deklaratorische Schuldanerkenntnisse, sondern auch für außergerichtliche Vergleiche.
c) Ein Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten ergibt sich auch nicht deshalb, weil die von der Partnerschaftsgesellschaft vorgenommene Abtretung von Honorarforderungen in Höhe von 53.892,44 € aus Ziffer III. des notariellen Vertrags auch die zugrunde liegenden Einzelforderungen umfasst hat. Die der Ziffer III. zugrunde liegenden Einzelforderungen richten sich nicht gegen den Beklagten, sondern gegen die Mandantin der Partnerschaftsgesellschaft, die GmbH. Wie ausgeführt, hat der Beklagte gemäß Ziffer III. 2 des notariellen Vertrags nur eine Garantie im Hinblick auf "Zahlungsverpflichtungen gemäß Ziff. 1" übernommen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).
OLG Hamm:
Urteil v. 11.11.2010
Az: I-28 U 34/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/60bfe9701869/OLG-Hamm_Urteil_vom_11-November-2010_Az_I-28-U-34-10