Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juni 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 249/03

(BPatG: Beschluss v. 20.06.2005, Az.: 30 W (pat) 249/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte Marke 712 082 PINLOCK Nach unter anderem für folgende Waren Scientific, nautical, surveying, electric, photographic, cinematographic, optical, weighing, measuring, signalling, checking (supervision), lifesaving and teaching apparatus and instruments; apparatus for recording, transmission or reproduction of sound or images; magnetic data carriers, recording discs; automatic vending machines and mechanisms for coinoperated apparatus; cash registers, calculating machines, data processing equipment, computers; fireextinguishing apparatus; synthetic visors for helmets.

Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Schutz teilweise verweigert, nämlich für die oben genannten Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft. Die Marke beschreibe die Waren der Klasse 9 als solche, die mittels einer persönlichen Identifikationsnummer eine Verschlußmöglichkeit bieten. So seien externe oder interne Geräte mit einer solchen Vorrichtung naheliegend, insbesondere für eine Zugangs- oder Zugriffskontrolle.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Für den Begriff PIN seien eine Vielzahl von Übersetzungsmöglichkeiten gegeben. In der Bedeutung von persönliche Identifikationsnummer werde der Begriff üblicherweise in Alleinstellung verwendet, es werde nie von einem PIN-Verschluß gesprochen, der mittels der Geheimzahl oder PIN geöffnet werde. Jedenfalls für lebensrettende Geräte oder Feuerlöscher oder Helmvisiere sei ein PIN-Verschluß nicht vorstellbar.

Zu dem Hinweis des Gerichts auf die Bedeutung "PIN-Verschluß im Sinne von "Zapfenarretierung" hat die Anmelderin ausgeführt, bei "PINLOCK" handele es sich um eine Suggestivmarke, die angemeldete Bezeichnung beschreibe aber insbesondere kein Helmvisier und auch keine Verschlußmethode. Erst die Produktbeschreibung mache klar, wo und was arretiert werde.

Zum anderen sei "LOCK" im Sinne von Schloß zu verstehen, nicht aber in der Bedeutung als Befestigung.

Sie beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 IR vom 13. Mai 2003 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie die der Anmelderin übersandten Internetrechercheergebnisse Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg, da die schutzsuchende Marke "PINLOCK" hinsichtlich der für Klasse 9 beanspruchten Waren als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG unterliegt.

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmißverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 380).

Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen, oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int 2004, 500, 507 - Postkantoor).

Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG grundsätzlich nicht an. Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten oder für Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können". Ein Wortzeichen ist demnach von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl EuGH aaO S 410, 412 - BIOMILD; EuGH aaO S 500, 507 - Postkantoor).

Die angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus den beiden Bestandteilen "PIN" und "LOCK" zusammen.

Das englische Wort "pin" bedeutet neben der Abkürzung "PIN" für "persönliche Identifikationsnummer" auch "der Pin, Anschlußstift, Bolzen, Kontakt, Steckerstift, Zapfen, Zwecke".

Das englische Wort "lock" bedeutet "Arretierung, Schloß, Verschluß". Zusammensetzungen aus beiden Bestandteilen sind belegbar wie ua "lock pin" für "Arretierbolzen, Arretierstift, Verriegelungsbolzen und "wire pin lock" für "Drahtstiftverschluß" (vgl LEO Onlinewörterbuch Englisch der TU München).

Die eingetragene Bezeichnung "PINLOCK" bedeutet daher in wörtlicher Übersetzung "Verschlußvorrichtung mit Geheimzahl, Zugangssicherung mit Geheimzahl oder Stiftverschluß, Zapfenarretierung".

Die Kombination "PINLOCK" ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar. Angesichts der Fülle möglicher Wortkombinationen mit einem ohne weiteres erkennbaren und sinnvollen Bedeutungsgehalt kommt diesem Umstand für sich allein bezüglich der Schutzfähigkeit jedoch wenig Bedeutung zu. Ebenso wie die oben genannten unter Verwendung beider Bestandteile üblichen Zusammensetzungen ist auch die Kombination "PINLOCK" eine sprachübliche und naheliegende Wortverbindung. Beide Einzelbestandteile werden dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff.

Der Gesamtbegriff "PINLOCK" wird bereits - wie auch aus den der Anmelderin übersandten Rechercheergebnissen ersichtlich - in beiden Bedeutungen in verschiedenen Warenbereichen verwendet.

So wie bei Handys oder Notebooks Zugangssicherungen mit PIN (Geheimzahl) üblich sind, so sind diese auch für die im Warenverzeichnis der Markeninhaberin beanspruchten elektrischen Apparate und Instrumente sinnvoll, um diese gegen unbefugte Benutzung zu schützen. Dies gilt auch für die beanspruchten Lebensrettungsgeräte oder Feuerlöschgeräte, da auch hier ein Sicherungsmechanismus gegen mißbräuchliche Verwendung sinnvoll ist.

Daneben steht die weitere Bedeutung "Zapfenarretierung, Bolzen/Stiftbefestigung" insbesondere für die von der Markeninhaberin vorrangig beanspruchten Helmvisiere im Vordergrund. Diese Bedeutung gibt aber auch für die übrigen Waren einen sinnvollen Hinweis, da sie deren Verwendung bzw. Ausstattung für eine bestimmte Art der Befestigungsmöglichkeit zB an einer Wand oder Stange beschreibt.

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin bleibt die Bezeichnung "PINLOCK" nicht nur im Bereich des Suggestiven, sondern gibt für die Helmvisiere an, dass diese über eine Arretierung, Befestigungsvorrichtung oder Einrastvorrichtung mittels Zapfen, Bolzen oder Stift verfügen. Ebenso wie beispielsweise bei einem Visier mit Druckknopfverschluß - also einer Befestigung mit Druckknöpfen - handelt es sich bei "PINLOCK" nicht nur um die Beschreibung einer Methode oder eines Systems, sondern um den beschreibenden Hinweis auf die konkrete Vorrichtung am Visier, die aus dem "pin" - also dem Stift auf der einen Seite - und - wie beim Ansteckpinverschluß auch - aus dem Einrast- oder Arretiermechanismus bzw Verschluß auf der Gegenseite besteht. Dieser Verschluß im Sinne von Befestigungsvorrichtung mittels Pins bietet durch den Einrastmechanismus gerade beim Helmvisier eine schnelle und problemlose Montage (vgl http://www.heldbikerfashion.de/index.php€plink=pinlock&alink=material&fs=&l=1.

Ein Pin-Verschluß (Stiftverschluß) ist - neben Befestigungsvorrichtungen mittels Sicherheitsnadel und Nadel mit Spitzenschoner - insbesondere bei Ansteckern und Buttons für Kleidungsstücke bekannt.

Wie aus vergleichbaren Wortzusammensetzungen wie "Klebverschluß, Karabinerverschluß" erkennbar, wird bei der Kombination entweder ein Bestandteil der Befestigung oder die Wirkungsweise der Befestigung beschrieben, so dass es sich bei "PINLOCK" um eine sinnvolle beschreibende Wortverbindung handelt.

Es liegt für den Verkehr im Bezug auf die beanspruchten Waren deshalb nahe, die Zusammensetzung "PINLOCK" als Hinweis auf eine Zugangssicherung mittels PIN (Geheimzahl) oder auch auf einen Befestigungsmechanismus zu verstehen.

Unter Bezugnahme auf die beanspruchten Waren ergibt "PINLOCK" die zur Beschreibung geeignete Sachaussage, dass es sich nach Art, Beschaffenhei, oder Bestimmung um Waren handelt, die mit einer Zugangssicherung mittels PIN (Geheimzahl) ausgestattet sind oder für eine solche Vorrichtung Verwendung finden bzw mit einer Stift-/Zapfenarretierung ausgestattet sind.

Auch ein möglicher weiterer zusätzlicher Begriffsgehalt der angemeldeten Bezeichnung kann eine Schutzfähigkeit nicht begründen, da ein Wortzeichen von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bezeichnet (vgl EuGH MarkenR, 2003, 450 DOUBLEMINT).

Die Angabe dieses Ausstattungsmerkmals mit "PINLOCK" ist eine wichtige Sachinformation, die unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und davon, dass andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind, den Mitbewerbern zur Beschreibung ihrer Waren zur Verfügung stehen muß (vgl EUGH aaO - Postkantoor; Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 295).

Soweit sich die Anmelderin auf eine ausländische Voreintragung bezieht, vermag dies keinerlei Bindungswirkung zu entfalten (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 264).

Zudem ist für die markenmäßige Beurteilung fremdsprachiger Ausdrücke allein das inländische Publikum maßgeblich, so dass es nicht auf das Sprachverständnis ausländischer Verkehrskreise und einen möglicherweise darauf beruhenden Markenschutz im Ausland ankommt (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 116, 359 ff).

Wegen des in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden Begriffsgehalts sowohl der Einzelelemente als auch der daraus gebildeten Kombination, die über den Sinngehalt der Einzelelemente nicht hinausgeht, handelt es sich um eine beschreibende Angabe, ohne begriffliche Ungenauigkeit, die zu einer konkreten beschreibenden Bezeichnung dienen kann.

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 20.06.2005
Az: 30 W (pat) 249/03


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