Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juni 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 428/02
(BPatG: Beschluss v. 17.06.2003, Az.: 33 W (pat) 428/02)
Tenor
1) Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Patentamts vom 9. Juli 2002, berichtigt durch Beschluss vom 12. September 2002, teilweise aufgehoben und die Löschung der Marke 398 48 587 wegen des Widerspruchs aus den Gemeinschaftsmarken 107 110 und 791 558 für "Reise- und Handkoffer; Gürtel, soweit in Klasse 25 enthalten" angeordnet.
2) Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Waren
"Reise- und Handkoffer; Gürtel soweit in Klasse 25 enthalten; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten."
am 26. August 1998 angemeldeten und am 31. Mai 1999 registrierten Marke 398 48 587 GRITTI BELT aufgrund der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarken 107 110 siehe Abb. 1 am Endeund 791 558 GRITTI am 30. September 1999 Widerspruch erhoben worden. Beide Widerspruchsmarken sind für folgende Waren eingetragen:
"Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte und damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmeßgeräte.
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren.
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen".
Die Markenstelle für Klasse 18 hat die Widersprüche durch Beschluß vom 9. Juli 2002, berichtigt durch Beschluß vom 12. September 2002, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die angegriffene Marke nicht durch "GRITTI" allein geprägt werde. Der Markenbegriff stelle einen Gesamtausdruck dar, den der Verkehr nicht unnatürlich aufspalten werde. Die Wortfolge wirke in ihrer Zusammensetzung wie ein Name. Zudem seien gerade auf dem vorliegenden Mode- und Lifestylesektor aus Vor- und Nachnamen gebildete Marken typisch, was zusätzlich den Eindruck eines Namens unterstreiche.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, daß "BELT" das englische Wort für Gürtel, also einer Ware des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke, sei. Die angegriffene Marke setze sich damit aus einem Phantasiewort und dem nachgestellten Warennamen zusammen, was auf dem einschlägigen Warengebiet häufig vorkomme. Gerade auf dem Mode- und Lifestylesektor sei das Markenbewußtsein weit verbreitet und äußere sich durch das dem Warennamen vorangestellte Markenwort. Die Widersprechende verweist in diesem Zusammenhang beispielhaft auf Begriffe wie "Aigner-Taschen", "Gucci-Schuhe" oder "Dior-Kleider".
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Eintragung der Marke zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat sich schriftlich im Verfahren nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung hat er vorgetragen, daß er unter seinem Künstlernamen "Romano Gritti" seit 1978 insbesondere in Italien Marken angemeldet habe und umfangreich Waren vertreibe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Senat hält die Gefahr von Verwechslungen hinsichtlich der Waren "Reise- und Handkoffer sowie Gürtel" gemäß § 9 Abs 1 Nr 2, § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG für gegeben. Hinsichtlich der übrigen Waren hat die Markenstelle den Widerspruch zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen. Soweit der Markeninhaber sich auf ältere Namensrechte berufen hat, können diese im vorliegenden Kollisionsverfahren keine Berücksichtigung finden. Hierfür käme gegebenenfalls eine Eintragungsbewilligungsklage nach § 44 MarkenG in Betracht.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so daß zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen muß im vorliegenden Fall hinsichtlich der Waren "Reise- und Handkoffer sowie Gürtel" eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.
1. Nachdem Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für die Frage der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die Reise- und Handkoffer der angegriffenen Marke sind identisch in dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Die Gürtel der angegriffenen Marke werden von den Waren aus Leder der Widerspruchsmarken umfaßt. Hinsichtlich der "Turn- und Sportartikel" der angegriffenen Marke ist noch von einer Ähnlichkeit zu den Waren der Klasse 25 der Widerspruchsmarken auszugehen.
2. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken halten die sich gegenüberstehenden Marken den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand bezüglich der Waren "Reise- und Handkoffer" sowie "Gürtel" in klanglicher Hinsicht nicht ein. Dabei ist davon auszugehen, daß die jüngere Marke "GRITTI BELT" bezüglich dieser Waren durch den Bestandteil "GRITTI" geprägt wird.
Zwar ist es grundsätzlich nicht zulässig, aus einer angegriffenen jüngeren Marke ohne weiteres ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen (BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn einem der Markenteile eine so eigenständig kennzeichnende und insgesamt dominierende Bedeutung zukommt, daß darin der markenmäßige Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen werden kann (BGH GRUR 1996, 775 - Sali Toft; GRUR 1998, 930 - Fläminger). So verhält es sich im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der Waren "Reise- und Handkoffer" sowie "Gürtel".
"BELT" als englischer Begriff für "Gürtel", "Gurt" ist den angesprochenen Verkehrskreisen, hier dem allgemeinen Publikum als zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörender Ausdruck ohne weiteres geläufig. Hinsichtlich der Gürtel der Klasse 25 wird mit diesem Markenbestandteil somit die Ware selbst bezeichnet. Die Reise- und Handkoffer der Klasse 18 sind ebenfalls häufig mit Gurten, sei es zum Verschnüren der Koffer, sei es zum Erreichen eines höheren Tragekomforts versehen. Es handelt sich somit hinsichtlich dieser Waren um einen beschreibenden Bestandteil, der in Alleinstellung nicht schutzfähig wäre. Insgesamt ist daher davon auszugehen, daß die angegriffene Marke bezüglich dieser Waren lediglich von dem Bestandteil "GRITTI" geprägt wird. Dieser Bestandteil ist identisch mit beiden Widerspruchsmarken, so daß hinsichtlich beider Widerspruchsmarken zumindest von klanglicher Verwechslungsgefahr auszugehen ist.
Bezüglich der "Turn- und Sportartikel" der Klasse 28 der angegriffenen Marke kann zu dem Ausdruck "BELT" im Sinne von "Gürtel" ein allenfalls entfernter Bezug hergestellt werden. Zwar können in Einzelfällen derartige Artikel, die Geräte für verschiedene Sportarten und Spiele, nicht aber Gymnastik- und Sportbekleidung umfassen, mit "Gurten" oä ausgestattet sein; es handelt sich diesbezüglich allerdings nicht um eine so naheliegende entscheidende Produkteigenschaft, daß die angesprochenen Verkehrskreise, hier ebenfalls das allgemeine Publikum, ohne weiteres einen Bezug zwischen diesem Markenbestandteil und den vertriebenen Waren herstellen können. Die angesprochenen Verkehrskreise werden sich daher hinsichtlich dieser Waren regelmäßig an der Gesamtbezeichnung orientieren. Zwischen den Marken "GRITTI BELT" und "GRITTI" sind die Abweichungen in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht jedoch so erheblich, daß eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann. Auch für das Vorliegen einer assoziativen Verwechslungsgefahr gibt es diesbezüglich keine Anhaltspunkte.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Winkler Baumgärtner Dr. Hock Cl Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)428-02.2.3.gif
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