Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2006
Aktenzeichen: 34 W (pat) 338/02
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2006, Az.: 34 W (pat) 338/02)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Gegen das am 15. Juni 1999 angemeldete und am 4. Juli 2002 veröffentlichte deutsche Patent 199 64 255 mit der Bezeichnung "Transportbehälter" hat die Einsprechende am 27. September 2002 Einspruch eingelegt.
Der erteilte Anspruch 1 lautet:
Transportbehälter (1), insbesondere Mehrwegtransportbehälter aus Kunststoff mit einem Boden (2) und einer materialeinheitlich mit dem Boden (2) ausgebildeten, umlaufenden Seitenwand (3) sowie über die Außenkontur der Seitenwand (3) um die gesamte Behälteraußenseite umlaufend vorstehenden Flanschen (4, 7), dadurch gekennzeichnet, dass die Flansche (4, 7) an ihrer Unterseite (5, 8) mit der Seitenwand (3, 3a) einen Winkel () einschließen, der kleiner als 90¡ ist.
Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergebe sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik. Nach Fortfall des Anspruchs 1 würden auch die Ansprüche 2 und 3 fallen.
Zur Begründung hat die Einsprechende zunächst auf folgende Druckschriften verwiesen:
D1 DE 41 37 287 A1 D2 DE-AS 2 321 999, D3 DE 295 11 964 U1 D4 DE 93 11 184 U1 und D5 DE 31 15 689 A1.
Die Druckschrift D1 wurde bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt, des Weiteren die Druckschriften D6 DE-GM 1 997 260 und D7 DE-GM 1 835 366.
Außerdem hat die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht und dazu die Ablichtung einer Bestellung der Fa. A... AG in B..., vom 2. Juni 1992 sowie Fotografien des vorbenutzten Gegenstan- des und zusätzlich eine Skizze vorgelegt.
Die Einsprechende beantragtdas Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragtdas Patent aufrechtzuerhalten.
Er ist der Auffassung, der Einspruch sei hinsichtlich der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungshandlung nicht zulässig, denn die zum Gegenstand der Vorbenutzung vorgelegten Beweismittel ließen dessen genauen Aufbau nicht erkennen und hat im Übrigen dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen.
Wegen des Wortlauts der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 sowie der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 PatG, weil die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist.
2. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig. Er ist auch insoweit ausreichend substantiiert, als er ursprünglich auf eine öffentlich zugängliche Benutzung gestützt wurde, die ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt worden war, in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht weiter verfolgt wurde.
3. Der Einspruch hat keinen Erfolg.
3.1 Bezüglich der Offenbarung des Gegenstands des Anspruchs 1 bestehen keine Bedenken. Das Streitpatent beruht auf einer Teilanmeldung aus der früheren deutschen Patentanmeldung 199 27 069.4, und die erteilten Ansprüche lassen sich aus den ursprünglich dazu eingereichten Unterlagen ohne weiteres herleiten (vgl. insbesondere die am Anmeldetag eingereichten Ansprüche 1, 2 und 4 bis 6).
Die Zulässigkeit der Ansprüche wurde von der Einsprechenden nicht bestritten.
3.2 Die Klarheit der Lehre des angegriffenen Patents ist nicht zu beanstanden. In der Beschreibung der Patentschrift ist zwar ausgeführt, dass der oberste Flansch beim Stapeln der Behälter mit der Oberseite des darunter angeordneten Flansches in Kontakt kommt (vgl. Sp. 1, Z. 55 bis 61). Diese offensichtlich fehlerhafte, im Widerspruch zu den übrigen Darlegungen stehende Angabe stellt der fachkundige Leser jedoch richtig. In den ursprünglich zur Prüfung der Stammanmeldung eingereichten Unterlagen steht zutreffend an dieser Stelle des Textes, dass der oberste Flansch beim Stapeln der Behälter mit der Unterseite des darüber angeordneten Flansches in Kontakt kommt (vgl. S. 2, Z. 8 bis 10 der am 15. Juni 1999 eingegangenen ursprünglichen Beschreibung).
Die Einsprechende hat in dieser Hinsicht ebenfalls keine Bedenken geäußert.
3.3 Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
Transportbehälter, insbesondere Mehrwegtransportbehälter aus Kunststoff sind gemäß dem Stand der Technik mit einem Boden und einer materialeinheitlich mit dem Boden ausgebildeten, umlaufenden Seitenwand sowie über die Außenkontur der Seitenwand um die gesamte Behälteraußenseite umlaufend vorstehenden Flanschen versehen. Bekannte Behälter dieser Art sollen mit Nachteilen verbunden sein, wie sie die Beschreibung des Streitpatents schildert. So sei bei den aus dem Stand der Technik hervorgehenden Ausgestaltungen eine staub- und spritzwassergeschützte Lagerung der einzelnen Behälter übereinander nicht erreichbar. Sie wiesen nicht die erforderliche Dichtigkeit auf, und des Weiteren könnten bekannte Ausgestaltungen ein aufwändiges Herstellungsverfahren bedingen (vgl. die Absätze 0004 bis 0006 in der Patentschrift).
Der Patentinhaber hat sich die Aufgabe gestellt, die aus dem Stand der Technik bekannten Transportbehälter, insbesondere Mehrwegtransportbehälter mit materialeinheitlich mit dem Boden ausgebildeten umlaufenden Seitenwänden kostengünstig herzustellen und damit zu erreichen, dass die Behälter staub- und spritzwasserdicht gestapelt werden können und gleichzeitig eine Sicherung der Seitenwände gegen von innen wirkende Drücke wirksam erreicht wird (vgl. Abs. 0007 in der Patentschrift).
Die Aufgabe wird durch einen Transportbehälter mit den im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Merkmalen gelöst.
3.3.1 Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Transportbehälter nach dem Anspruch 1 ist unstreitig neu. Wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt, offenbart keine der genannten Druckschriften sämtliche in diesem Anspruch enthaltenen Merkmale. Dies gilt auch für den als offenkundig vorbenutzt dargestellten Transportbehälter.
3.3.2 Der Transportbehälter gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Druckschrift D1 (DE 41 37 287 A1) beschreibt einen Transport- und/oder Lagerkasten, der zwar eine Stapelung ermöglicht, aber nicht die erforderliche Dichtigkeit zwischen den Kästen bewirkt, denn die um die Seitenwand umlaufenden Flansche, dort als Bodenrand 8 mit Kragen 11 bzw. Stapelränder 24 bezeichnet, stehen entweder waagerecht von der Seitenwand ab (vgl. insb. Fig. 2 bis 7 und Sp. 5, Z. 44 bis 58 der Beschreibung) oder sind winkelförmig profiliert (vgl. insb. Fig. 8, 10 bis 12 und 15 und Sp. 7, Z. 50 bis 57).
Die Druckschrift D3 (DE 295 11 964 U1) betrifft einen stapelbaren Transportbehälter aus Kunststoff zur lagegesicherten Aufnahme von Gegenständen, die gegen Feuchtigkeit und Verschmutzung geschützt werden sollen (vgl. S. 1, erster Abs.).
Dem aus der Druckschrift D3 bekannten Behälter fehlt schon das Merkmal aus dem Oberbegriff das Anspruchs 1 des angefochtenen Patents, wonach über die Außenkontur um die gesamte Behälteraußenseite umlaufend vorstehende Flansche vorgesehen sind.
Ein oberer Flansch ist zwar bei dem Stand der Technik gemäß der D3 auch vorhanden; dieser steht aber nicht über die Außenkontur des Transportbehälters hervor (vgl. in Fig. 1 dieser Druckschrift das mit Bezugszeichen 17 bzw. 24 versehene Detail). Vielmehr sind - gemäß der Beschreibung S. 2, dritter Abs. in der Druckschrift D3 - alle Flansche oder Ringschultern gegenüber den Seitenwänden nach innen zurückversetzt angeordnet. Sie sollen - damit der Behälter einen geringeren Platzbedarf hat - ausdrücklich innerhalb der Grundfläche des Transportbehälters liegen.
Hinsichtlich der Teilaufgabe eine staub- und spritzwassergeschützte Ausbildung zu schaffen, löst der Stand der Technik gemäß der Druckschrift D3 dieses Problem mit anderen Mitteln als die Erfindung, nämlich durch einen am oberen Ende der Seitenwand zurückversetzt angeordneten Flansch, der an seiner Oberseite eine Wulst (Rippe 25) aufweist, die passgenau in eine komplementäre, nach unten offene Nut 19 eingreift, welche an der Außenseite des Behälterbodens angeordnet ist.
Derart ineinander greifende Komponenten erfordern gegenüber dem patentgemäß ausgestalteten Transportbehälter eine sorgfältigere Fertigung, so dass hinsichtlich der anderen Teilaufgabe, den Transportbehälter kostengünstig herzustellen, der Stand der Technik gemäß der D3 das Problem nicht löst. Zudem besteht der daraus bekannte Behälter aus zwei Schalen 12, 13, die zunächst separat in verschiedenen Werkzeugen gefertigt und anschließend miteinander zu einem Teil verschweißt werden (vgl. Beschreibung S. 4, vorletzter Abs.). Dagegen ist der Transportbehälter gemäß dem angefochtenen Patent als Ganzes komplett beispielsweise in einem Tiefzieh- oder im Spritzgussverfahren herstellbar (vgl. Abs. 0017 in der Patentschrift des angefochtenen Patents).
Die Druckschrift D5 (DE 31 15 689 A1) offenbart ein Gebinde aus Blech (vgl. Anspruch 1 in dieser Druckschrift) und nicht aus Kunststoff, dessen Ausgestaltung erkennbar nicht auf den Schutz von Gegenständen abzielt, die sich während des Transportes der ineinander gestapelten Behälter darin befinden, sondern dient dem Schutz gestapelter leerer Gebinde (vgl. insb. S. 12, letzter Abs. in dieser Druckschrift). Ein außen um die Seitenwand umlaufender Flansch wird dabei zwar in einen an der Oberseite der Seitenwand angeordneten einfachen Flansch eingesetzt. Dieser obere Flansch wird aber durch einen trichterförmig sich nach oben öffnenden Kragen gebildet (vgl. insb. Fig. 1 und 2 sowie S. 11, Z. 5 bis 16 der Beschreibung). Der Winkel, den sowohl der obere als auch der untere Flansch der Außenseite der Seitenwand einschließen, ist daher größer als 90¡ (vgl. insb. in der Fig. 5 die Gegenwinkel 1 und 2) und die Dichtheit der ineinander steckenden Gebinde gegen Staub und Spritzwasser nicht gewährleistet.
Von dem aus den Druckschriften D1, D3 und D5 sich ergebenden Stand der Technik kann somit selbst in der Zusammenschau kein Hinweis in Richtung auf den Patentgegenstand ausgehen.
Einen solchen Hinweis erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften D2 (DE-AS 2 321 999), D4 (DE 93 11 184 U1), D6 (DE 1 997 260 U1) und D7 (DE 1 855 366 U1), deren Gegenstände weiter abliegen als die vorstehend diskutierten Entgegenhaltungen D1, D3 und D5. Gleiches gilt für den Gegenstand der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung.
Die Vorteile eines Transportbehälters mit den im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Merkmalen sind darin zu sehen, dass mit einfachen Mitteln beim Stapeln ein staub- und spritzwasserdichter Anschluss der einzelnen Behälter erreicht wird. Zudem ist eine Fertigung der Behälter im Tiefziehverfahren oder im Spritzgussverfahren möglich, was die Kosten senkt. Gerade bei Massenartikeln, zu denen der Gegenstand des Streitpatents zweifelsohne zählt, können die aufgezeigten Verbesserungen neben den technischen Vorteilen somit auch einen besonderen wirtschaftlichen Erfolg herbeiführen.
Der erteilte Anspruch 1 des angefochtenen Patents hat daher Bestand.
3.3.3 Zusammen mit dem Anspruch 1 bleiben auch die unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 bestehen, da sie keine selbstverständlichen Ausgestaltungen des Transportbehälters nach dem Anspruch 1 betreffen.
Das Patent war daher aufrechtzuerhalten.
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2006
Az: 34 W (pat) 338/02
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