Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 9. Januar 2006
Aktenzeichen: 20 W 124/05
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 09.01.2006, Az.: 20 W 124/05)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Antrag des Antragstellers zulässig ist.
Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert : 200.000,-- EUR.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin und die A AG, ein börsennotiertes Unternehmen, welches nicht vinkulierte Namensaktien ausgegeben hat, schlossen am 22.Juni 2004 einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, der nach Zustimmung der Hauptversammlung der A AG mit Beschluss vom 30./31. Juli 2004 am 2. August 2004 in das Handelsregister eingetragen und am 18. August 2004 im Bundesanzeiger als letztem Veröffentlichungsorgan bekannt gemacht wurde.
Neben vielen anderen Personen stellte der Antragsteller am 30. September 2004 Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Spruchverfahren gegen die Antragsgegnerin über die Angemessenheit der Barabfindung und des Ausgleiches und machte hierbei unter Vorlage einer Bescheinigung der Depotbank geltend, Aktionär der A AG zu sein.
Die Antragsgegnerin führte in ihrer Antragserwiderung vom 14. Januar 2005 im wesentlichen aus, der Antrag sei unzulässig, weil innerhalb der Antragsfrist nicht der urkundliche Nachweis der Antragsberechtigung zum Zeitpunkt der Antragstellung erbracht worden sei. Des weiteren machte sie bezüglich einzelner anderer namentlich benannter Antragsteller geltend, dass diese zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Aktienregister der A AG eingetragen waren, obwohl dies bei Namensaktien nach dem auch im Spruchverfahren anwendbaren § 67 Abs. 2 SpruchG als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung zu fordern sei.
Das Landgericht wies mit Beschlüssen vom 10. März 2005 die Anträge einer Vielzahl von Antragstellern, zu denen auch der hiesige Antragsteller gehört, als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, weil es an der Zulässigkeitsvoraussetzung des innerhalb der Antragsfrist zu führenden urkundlichen Nachweises der Antragsberechtigung fehle; dieser hätte hier wegen § 67 Abs. 2 AktG nur durch Vorlage einer schriftlichen Auskunft aus dem Aktienregister geführt werden können.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, für die Zulässigkeit des Antrages reiche die Darlegung der Antragsberechtigung innerhalb der Antragsfrist aus, während deren urkundlicher Nachweis auch danach erbracht werden könne. Das Landgericht hätte jedenfalls darauf hinweisen müssen, wenn es die Vorlage einer Auskunft aus dem Aktienregister für erforderlich halte.
Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sie macht insbesondere geltend, der Antrag sei unzulässig, weil innerhalb der Antragsfrist keine vollständigen Angaben zur Art der Strukturmaßnahme gemacht worden seien und weder eine Darlegung noch ein Urkundsnachweis über die Eintragung in das Aktienregister erfolgt seien.
II.
Die sofortige Beschwerde, mit der sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung seines Antrages auf Durchführung eines Spruchverfahrens wendet, ist gemäß § 12 Abs. 1 SpruchG zulässig. Sie wurde formgerecht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SpruchG durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung der landgerichtlichen Entscheidung gemäß §§ 11 Abs. 3, 12 Abs. 1 Satz 1 SpruchG, 22 Abs. 1 Satz 1 FGG eingelegt. Unabhängig von der Frage der Antragsberechtigung im Ausgangsverfahren ist der Antragsteller jedenfalls deshalb beschwerdebefugt, weil sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom erstinstanzlichen Gericht als unzulässig zurückgewiesen wurde (vgl. BGH NJW 1989, 1860; Keidel/Kuntze/ Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 FGG Rn. 10 m. w. N.).
Die sofortige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, da der Antragsteller seine Antragsberechtigung dargelegt hat und der Senat keinen Anlass hat, einen über die vorgelegte Urkunde hinausgehenden Nachweis zu fordern.
Der Senat vertritt in Übereinstimmung mit dem OLG Stuttgart (Beschluss vom 13. September 2004 - ZIP 2004, 1907 = NZG 2004, 1161 = Konzern 2004, 108 = DB 2004, 2092 = BB 2004, 2151) und dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09. Februar 2005 -ZIP 2005, 1369) die Auffassung, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG für die fristgerechte Antragsbegründung entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung (Klöcker/Frowein, SpruchG, § 4 Rn. 21; Fritzsche/Dreier/Verfürth, a.a.O., § 4 Rn. 16; Koppensteiner/Köln Komm. AktG, 3. Aufl., Anh. § 327 f. Rn. 17; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 3 SpruchG Rn. 7; Lutter/Krieger, UmwG, 3. Aufl., Anh. I § 3 SpruchG Rn. 8; Bungert/Mennicke, BB 2003, 2021/2026; Wasmann, WM 2004, 819/822) nicht den Nachweis der Antragsberechtigung, sondern lediglich deren Darlegung fordert (so bereits Senatsbeschlüsse vom 10. Oktober 2005 20 W 244/05 u.a.; ebenso Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., § 3 SpruchG Rn. 14; Luttermann, EwiR 2005, 51).
Dies folgt vor allem aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG, welcher als Bestandteil der Antragsbegründung nur die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3 SpruchG fordert. Unter Darlegung ist nach üblichem juristischen Sprachgebrauch die Darstellung der Aktionärseigenschaft in dem für die Antragsberechtigung nach § 3 Satz 1 SpruchG im Einzelnen maßgebenden Zeitpunkt zu verstehen, nicht jedoch deren Nachweis oder Beweis.
Eine Nachweispflicht innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme des § 4 Abs.2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG, der auf § 3 SpruchG Bezug nimmt. § 3 SpruchG regelt in Satz 1 und 2 zunächst den antragsberechtigten Personenkreis sowie den hierfür maßgeblichen Zeitpunkt und beschränkt in Satz 3 für die Fälle, in denen es für die Antragsberechtigung auf die Stellung als Aktionär ankommt, deren Nachweis ausschließlich auf Urkunden. Dem gegenüber bestimmt § 4 Abs. 2 SpruchG, welche Bestandteile die innerhalb der Antragsfrist des § 4 Abs. 1 SpruchG einzureichende Antragsbegründung enthalten muss. Da § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG ausdrücklich nur die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3 SpruchG verlangt, wird hiermit nicht der in § 3 Satz 3 SpruchG auf das Beweismittel der Urkunde beschränkte Nachweis der Aktionärsstellung zum obligatorischen Inhalt der Antragsbegründung erhoben.
Des Weiteren haben bereits das OLG Stuttgart und das OLG Düsseldorf (jeweils a.a.O.) mit überzeugenden Begründungen, welchen sich der Senat anschließt, im Einzelnen ausgeführt, dass der Entstehungsgeschichte des SpruchG keine zwingenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Nachweis der Antragsberechtigung bereits mit der Antragsbegründung oder jedenfalls innerhalb der Antragsfrist erbracht werden muss. Zwar ist in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 SpruchG ausgeführt, dass der Aktionär in der Lage sei, in allen Fällen seine Aktionärsstellung durch Depotauszug seiner Bank oder Vorlage der effektiven Aktienstücke auf einfache Weise innerhalb der Antragsfrist nachzuweisen. Inhaltlich regelt § 3 Satz 3 SpruchG jedoch nur die Beschränkung dieses Nachweises auf das Beweismittel der Urkunde. Hierzu ist in der Regierungsbegründung lediglich ausgeführt, dass dies auf die Anregung der gerichtlichen Praxis zurück geht und hierdurch langwierige Beweisaufnahmen zur Aktionärsstellung etwa durch Zeugenvernehmungen vermieden werden sollen.
Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Antragsgegnerin auch nicht aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG). Die dortige Anregung des Bundesrates, in § 4 Abs. 2 SpruchG eine ausdrückliche Regelung aufzunehmen, wonach der Nachweis der Antragsberechtigung gemäß § 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 SpruchG innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist in der Form des § 3 Satz 3 SpruchG zu erbringen ist, wurde mit praktischen Schwierigkeiten in Bezug auf den Nachweis der Anteilsinhaberschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung begründet. Dies mag zwar auf eine Interpretation des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG durch den Bundesrat im Sinne einer fristgebundenen Nachweispflicht hindeuten. Die Bundesregierung hat einer diesbezüglichen Gesetzesänderung allein mit dem Hinweis darauf widersprochen, dass das Spruchverfahren erst im Jahre 2003 durch das SpruchG grundlegend novelliert worden sei und deshalb für eine erneute Änderung derzeit kein Bedürfnis bestehe (vgl. BT-Drucks. 15/3656 S. 7 und 10). Aus diesen Erwägungen, die im SEEG keinen gesetzlichen Niederschlag gefunden haben, können keine zwingenden Rückschlüsse auf den Inhalt des ein Jahr zuvor in Kraft getretenen SpruchG gezogen werden.
Die dem Wortlaut der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 2 SpruchG entsprechende Auslegung steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Ziel des SpruchG sowie dem Zweck gerade dieser Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte durch die Schaffung einer besonderen Verfahrensordnung die in der Vergangenheit als übermäßig lang gerügte Dauer der Spruchverfahren durch verbesserte Verfahrensstrukturen erheblich verkürzen, insbesondere indem durch die Auferlegung von Verfahrensförderungspflichten an die Verfahrensbeteiligten der Amtsermittlungsgrundsatz beschränkt und die Verfahrensregeln des Streitverfahrens intensiviert werden (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BTDrucks. 15/371 S. 1 und 11 ff.). Diesem Gesetzesziel würde eine unbedingte Nachweispflicht der Antragsberechtigung durch Urkunden eher widersprechen. Auch wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, begründet dies keine unbedingte Pflicht des Gerichtes, in jedem Fall bezüglich aller Zulässigkeitsvoraussetzungen einen konkreten Nachweis zu verlangen, auch wenn keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit bestehen und der Gegner diese ebenfalls nicht bestreitet. Dies kommt insbesondere für die Frage der Antragsberechtigung im Spruchverfahren in Betracht, da die dortige gerichtliche Entscheidung nur zu einer allerdings mit inter-omnes-Wirkung ausgestatteten Feststellung führt, aber selbst keinen vollstreckbaren Anspruch der Antragsteller begründet (§§ 13 und 16 SpruchG), so dass eine Antragstellung durch Nichtberechtigte wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre. Eine Verfahrensbeschleunigung lässt sich hier eher dadurch erreichen, dass das Gericht in ihm geeignet erscheinenden Fällen einen Nachweis der vom Antragsteller dargelegten Antragsberechtigung nur dann verlangt, wenn es hieran ernstliche Zweifel hegt oder diese vom Antragsgegner ausdrücklich bestritten wird. Eine kurzfristige und endgültige Klärung der Antragsberechtigung kann das Gericht dann durch die Anwendung der §§ 10 Abs. 4 und 7 Abs. 4 Satz 2 SpruchG im Zusammenspiel mit der Beschränkung der Nachweismöglichkeit durch Urkunden in § 3 Satz 3 SpruchG erreichen. Auch der spezielle Regelungszweck des § 4 Abs. 2 SpruchG stützt die hier vertretene Gesetzesauslegung. Mit den geforderten Mindestangaben zur Antragsbegründung sollte verhindert werden, dass Antragsteller € wie in der Vergangenheit € praktisch mit einem Satz und ohne jede sachliche Erläuterung ein aufwändiges und kostenträchtiges Überprüfungsverfahren in Gang setzen können (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 15/371 S. 13). Diesem Gesetzesziel dienen die Nr. 1 bis 3 der Vorschrift durch die dort geforderten konkreten Angaben über die Verfahrensbeteiligten und den Verfahrensgegenstand, ohne dass es hierzu einer konkreten Nachweispflicht bedarf. Ihre wichtigste Ausprägung findet die Verfahrensbeschleunigung jedoch in der Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG mit der Einführung des Erfordernisses konkreter Bewertungsrügen bezüglich der der Strukturmaßnahme zugrunde liegenden Unternehmensbewertung, die in der Vergangenheit insbesondere für die lange Verfahrensdauer verantwortliche "flächendeckende" Überprüfung durch Einholung umfassender neuer Gutachten verhindern soll.
Im Übrigen haben bereits das OLG Stuttgart und das OLG Düsseldorf (jeweils a.a.O.) zutreffend auch darauf hingewiesen, dass eine Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG im Sinne eines jedenfalls notwendigen urkundlichen Nachweises der Antragsberechtigung innerhalb der Antragsfrist des § 4 Abs. 1 SpruchG für die Fälle, in welchen die Aktionärseigenschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung gegeben sein muss, zu ganz erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen würde, weil diesbezügliche taggenaue Bankbestätigungen einem Antrag nach Kenntnis des Eingangsdatums in aller Regel nur nachgereicht werden könnten und diese umständliche Verfahrensweise eine Ausschöpfung der Frist verhindert.
Aus diesen Gründen folgt der Senat mit den OLG Stuttgart und Düsseldorf der Auffassung, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG in Übereinstimmung mit seinem ausdrücklichen Wortlaut innerhalb der Antragsfrist nur die Darlegung der Antragsberechtigung, nicht jedoch deren urkundlichen Nachweis erfordert.
Eine Vorlage an den BGH nach §§ 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG, 28 Abs. 2 FGG wegen der vom OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 14. Juni 2004 ( AG 2004, 622) geäußerten abweichenden Rechtsauffassung ist nicht geboten, da dessen Entscheidung nicht auf der Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG beruht, sondern ein Altverfahren betraf, auf welches das SpruchG hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des erstinstanzlichen Antrages nicht anwendbar ist. Im übrigen ist das OLG Hamburg in einer neueren Entscheidung vom 9. Juni 2005 (AG 2005, 853), in der das SpruchG anzuwenden war, von seiner bisherigen strengen Auffassung abgerückt, indem es nunmehr offen lässt, ob zur Zulässigkeit des Antrages die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, die entsprechend § 3 Abs. 3 SpruchG den Nachweis der Aktionärseigenschaft erbringt und es ausreichen lässt, dass ein Schriftstück vorgelegt wird, welches die Antragsberechtigung immerhin wahrscheinlich macht.
Im Falle eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages ist zur Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Nr. 1 SpruchG die Angabe notwendig, im Zeitpunkt der Antragstellung außenstehender Aktionär der betroffenen Gesellschaft gewesen zu sein. Dies ist vorliegend mit dem Antrag erfolgt, im welchem der Antragsteller sich ausdrücklich auf seine Aktionärsstellung berufen hat.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die zusätzliche Angabe, auch im Aktienregister der A AG eingetragen zu sein, nicht zwingend erforderlich. Allerdings bestimmt § 67 Abs. 2 AktG, dass im Falle der hier gegebenen Namensaktien im Verhältnis zur Gesellschaft nur als Aktionär gilt, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist. Diese Vorschrift ist auch auf das Spruchverfahren anzuwenden. Für den Fall, dass der Inhaber einer Aktie trotz materieller Berechtigung nicht in das bei Namensaktien nach § 67 Abs. 1 AktG zu führende Aktienregister eingetragen ist, haben das Kammergericht (ZIP 2000, 498) und das OLG Hamburg (NJW-RR 2004, 125) eine Antragsberechtigung zur Einleitung eines Spruchverfahrens abgelehnt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (Lieder NZG 2005, 159; Leuering EwiR 2003, 1165; Bayer/MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 67 Rn. 37;a.A.: Dißars BB 2004, 1293), an. Zwar hat die Eintragung in das Aktienregister für die materielle Berechtigung keine konstitutive Wirkung, sondern nur deklaratorische Bedeutung. Sind Namensaktien ausgegeben, so gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär jedoch nur, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist. Damit wird eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung für die Aktionärseigenschaft der eingetragenen Person sowohl zu deren Gunsten als auch zu deren Lasten begründet (vgl. Hüffer, AktG, a.a.O., § 67 Rn. 12 ff; Geßler, AktG, § 67 Rn. 13; Bayer/Münch Komm, a.a.O., § 67 AktG Rn. 39; Lutter/KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 67 Rn. 12 jeweils m.w.N., OLG Jena AG 2004, 268; OLG Zweibrücken AG 1997, 140; OLG Celle AG 1984, 266). Diese Legitimationswirkung des § 67 Abs. 2 AktG bezieht sich nach ihrem Sinn und Zweck auf die Ausübung aller mitgliedschaftlichen Rechte, die sich aus der Aktionärsstellung ergeben. Nicht erfasst werden sollen im Unterschied hierzu die Rechtsbeziehungen zu Dritten, für die es allein auf die materielle Rechtslage ankommt. Auch wenn sich das Spruchverfahren in formeller Hinsicht nach der klarstellenden neuen Regelung des § 5 SpruchG bei einem Squeeze-out gegen den Hauptaktionär, bei einem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag gegen den anderen Vertragsteil und bei einer Umwandlung gegen den übernehmenden oder neuen Rechtsträger richtet, hat es seine Grundlage doch in dem mitgliedschaftsrechtlichen Verhältnis des Aktionärs zu der Gesellschaft, die die Namensaktien ausgegeben hat. Deshalb ist § 67 Abs. 2 AktG nicht nur auf die Anfechtungsklage, sondern auch auf die Berechtigung zur Einleitung eines Spruchverfahrens anwendbar, da hiermit ein höherer Anspruch auf Ausgleich oder Abfindung gerade wegen des Verlustes oder der Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechtes angestrebt wird. Dies ist jedoch nur dann von Bedeutung, wenn ein Auseinanderfallen von Aktienregistereintragung und materieller Aktionärsstellung gegeben ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Aus der Anwendbarkeit des § 67 Abs. 2 AktG auf die Antragsberechtigung im Spruchverfahren kann jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht geschlossen werden, dass für Spruchverfahren, die nach dem 1. September 2003 beginnen und deshalb dem neuen Verfahrensrecht des SpruchG unterliegen, sich bereits die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SpruchG bei Namensaktien allein auf die Behauptung des Antragstellers zu beziehen hat, zum maßgeblichen Zeitpunkt im Aktienregister eingetragen zu sein.
Eine solche Gesetzesinterpretation liefe dem Regelungszweck der §§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Satz 3 SpruchG ebenso zuwider wie der Bedeutung des § 67 Abs. 2 AktG. Darauf deutet bereits der Wortlaut des § 3 SpruchG hin, der für die Antragsberechtigung jeweils auf die materielle Stellung als außenstehender oder ausgeschiedener Aktionär abstellt, ohne hier eine Differenzierung zwischen Inhaber- und Namensaktien zu treffen. Die Problematik einer möglichen Anwendung des § 67 Abs. 2 AktG in Spruchverfahren war dem Gesetzgeber offenbar nicht bewusst, da sie an keiner Stelle in den Gesetzgebungsmaterialien Erwähnung findet. Die Vorschrift des § 67 AktG geht von dem Grundsatz aus, dass die materielle Anteilsinhaberschaft mit der Eintragung im Aktienregister übereinstimmt, da nach § 67 Abs. 3 AktG der Übergang der Namensaktie auf Mitteilung und Nachweis im Aktienregister einzutragen ist. Der in § 67 Abs. 2 AktG geregelte Fall des Auseinanderfallens von materieller Rechtsstellung und Aktienregistereintragung stellt demgegenüber die Ausnahme dar, zu dem es entweder wegen der nachfolgenden Eintragung im Aktienregister nur während einer kurzen Zeitspanne oder in den seltenen Fällen eines unwirksamen Aktienerwerbes kommen kann. Dies alles spricht dafür, es für die Antragstellung bei börsennotierten Gesellschaften ausreichen zu lassen, wenn der Antragsteller darlegt, zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Antragstellung Aktionär zu sein, ohne dass er zusätzlich noch ausdrücklich hervor heben muss, dass dies entsprechend den gesetzlichen Verpflichtungen von seiner Depotbank auch der Gesellschaft mitgeteilt und von dieser in das von ihr zu führende Aktienregister eingetragen wurde. Dies muss jedenfalls für solche Anträge auf Einleitung eines Spruchverfahrens gelten, die wie hier in der Anfangsphase der Anwendbarkeit des neuen SpruchG gestellt wurden, da sich bisher zu dieser vom Gesetzgeber wohl nicht gesehenen Rechtsproblematik eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht herausgebildet hat und deshalb nicht gefordert werden kann, dass die Antragsteller von sich aus bereits mit der Antragstellung vortragen, dass in ihrer Person ein Ausnahmefall im Sinne des § 67 Abs. 2 SpruchG nicht vorliegt. Hierfür spricht zusätzlich, dass auch nach dem Regelungsinhalt und dem Wortlaut der §§ 3 und 4 Abs. 2 Nr. 2 SpruchG für die Antragsteller die Notwendigkeit eines solchen Vortrages innerhalb der Antragsfrist nicht erkennbar war und deshalb nicht erwartet werden kann. Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ergibt sich, dass diese offenbar die Überprüfung des Aktienregisters in Bezug auf die jeweiligen Antragsteller durch die von ihr beherrschte Gesellschaft veranlasst und auf dieser Grundlage eine fehlende Eintragung zum maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung konkret nur für einige wenige andere Antragsteller, nicht jedoch in Bezug auf den hiesigen Antragsteller beanstandet hat. Des weiteren hat der Antragsteller eine Bestätigung seiner Depotbank vom 11. November 2004 vorgelegt, wonach er bereits seit 30. Juli 2004 Aktionär war und eine Aktie bis Ende November 2004 gesperrt hatte. Darüber hinaus reichte er im Beschwerdeverfahren eine Bestätigung vom 21. Juli 2005 nach, wonach er seit 16. April 2004 ununterbrochen in das Aktienregister eingetragen ist. Damit ist der Nachweis der Antragsberechtigung lückenlos erbracht.
Des Weiteren sind auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 SpruchG erfüllt. Insbesondere hat der Antragsteller in seiner Antragsschrift die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 3 SpruchG erforderlichen Angaben zur Bezeichnung des Antragsgegners sowie der vom Gericht zu bestimmenden Kompensation gemacht und auch konkrete Einwendungen im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert erhoben. Die Antragsbegründung enthält auch die von § 4 Abs. 2 Nr. 3 SpruchG geforderte Angabe zur Art der Strukturmaßnahme. Entgegen der von der Antragsgegnerin erstmals mit Beschwerdeverfahren geäußerten Auffassung ist hierzu nicht zwingend erforderlich, dass die Antragsbegründung bei einem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag kumulativ Aufzählung der Art des Vertrages, seiner Parteien, sowie das Datum des Vertragsabschlusses, der Zustimmungsbeschlüsse und der Registereintragung enthält (so wohl Widmann/Mayer/Vollrath, UmwG, Anh. 13 § 4 SpruchG Rn. 18). Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Antragsbegründung entnommen werden kann, auf welche konkrete Strukturmaßnahme sich der Antrag bezieht (vgl. Koppensteiner, a.a.O., Anh. § 327 f Rn. 16; Emmerich/Habersack, a.a.O., § 4 Rn. 11;Vollhard/MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 4 SpruchG Rn. 6; Klöcker/Frowein, a.a.O., § 4 Rn. 22; Lutter/Krieger, a.a.O., § 4 SpruchG Rn. 13). Dies ist hier gegeben.
Deshalb war unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung die Feststellung über die Zulässigkeit des Antrages des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung im Spruchverfahren zu treffen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SpruchG. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten entspricht auch unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens im Hinblick auf die umstrittenen und bisher obergerichtlich noch nicht abschließend geklärten Rechtsprobleme nicht der Billigkeit.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG, da der dort angegebene Mindestwert von 200.000,-- EUR auch für solche Verfahren maßgeblich ist, die die Zulässigkeit eines Antrages betreffen.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 09.01.2006
Az: 20 W 124/05
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