Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 8. August 2013
Aktenzeichen: 34 Sch 10/11
(OLG München: Beschluss v. 08.08.2013, Az.: 34 Sch 10/11)
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs verbleibt es für das Rechtsbeschwerdeverfahren bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG; eine entsprechende Anwendung des Unterabschnitts 2 (Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a), der die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel betrifft und Verfahrensgebühren nach Nr. 3206 mit Nr. 3208 zur Folge hätte, kommt nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Oberlandesgerichts München vom 30. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 14.11.2011 erklärte der Senat einen am 27.1.2011 in Zürich/Schweiz ergangenen Schiedsspruch, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung von 7.740.023,20 € nebst Zinsen verurteilt wurde, für vollstreckbar. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.9.2012 auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig und setzte den Beschwerdewert auf 7.740.023,20 € fest (Az. III ZB 75/11).
Am 31.10.2012 hat die Antragstellerin Kostenfestsetzung hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof beantragt und dabei eine 2,3-Verfahrensgebühr entsprechend Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Nrn. 3206, 3208 VV RVG geltend gemacht. Von dem mitsamt Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG sich errechnenden Betrag von 56.935,80 € hat die Antragsgegnerin bereits 32.189,80 € erstattet, so dass die Antragstellerin die Festsetzung in Höhe von noch 24.746 € beantragt hat.
Mit Beschluss vom 10.12.2012 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, gemäß Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG falle für die Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 1,3 an. Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG finde als Auffangvorschrift Anwendung, da in den folgenden Abschnitten des Teils 3 besondere Gebühren nicht vorgesehen seien. Eine erhöhte Gebühr nach Nr. 3206 i.V.m. Nr. 3208 VV RVG entstehe nicht, da es sich um keinen gerichtlichen ausländischen Titel, sondern um einen ausländischen Schiedsspruch handle.
Gegen diese am 12.12.2012 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin am 27.12.2012 Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Kosten in der geltend gemachten Höhe festzusetzen und hilfsweise die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
Die Erinnerung wird damit begründet, dass Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 zutreffend anzuwenden sei. Dort heiße es in der Vorbemerkung, dass dieser Unterabschnitt auch anzuwenden sei
1. im Verfahren über Rechtsbeschwerden
a) in Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel oder auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu ausländischen Titeln sowie Anträge auf Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung oder der Vollstreckungsklausel,
...
Der Unterabschnitt sei durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008 (BGBl I 2586) neu gefasst worden. Die dort aufgeführten Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof würden als rechtlich anspruchsvoll gelten, daher die 2,3-Gebühr rechtfertigen. Die Bezeichnung "Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel" beziehe bei objektiver Auslegung Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche mit ein. Dies folge aus den §§ 722, 794, 1061 ZPO. Werde die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Gerichtsurteils erfasst, könne für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nichts anderes gelten. Denn die Rechtsbeschwerde sei in diesem Fall nicht weniger aufwändig oder anspruchsvoll. Die Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG sei teleologisch zu reduzieren. Denn es bestehe eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Das Rechtsbeschwerdeverfahren im Zusammenhang mit einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nach § 1061 ZPO entspreche in Schwierigkeitsgrad und Anforderungen sämtlichen Verfahren, die in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 aufgeführt seien. Die teleologische Reduktion sei daher eine notwendige Folge des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots. Nr. 3100 VV RVG beziehe sich daher nicht auf Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO, die die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs beträfen.
Die Antragsgegnerin ist der Meinung, bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung in Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG ergebe sich, dass die erstinstanzliche 1,3-Verfahrensgebühr auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelte. Schiedssprüche seien gerade keine Titel, anders als ausländische Gerichtsentscheidungen auch nicht im Ursprungsland. Damit komme allenfalls eine analoge Anwendung der Vorbem. 3.2.2 Abs. 1 Buchst. a VV RVG in Betracht. Die für eine analoge Anwendung erforderliche Regelungslücke liege aber nicht vor. Wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers sei für eine teleologische Reduktion kein Raum. Die derzeitige Höhe der Vergütung sei bereits in § 46 Abs. 2 BRAGO so geregelt gewesen. Bei Einführung des RVG sei die Regelung in die Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG übernommen worden. Im Übrigen fehle es an einer für eine analoge Anwendung vergleichbaren Interessenlage. Die Reduzierung des Streitstoffes durch vereinfachte Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche nach § 1061 ZPO bewirke vielmehr auch eine Vereinfachung des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Erinnerung hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde findet gemäß § 567 Abs. 1 ZPO nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, nicht gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts (vgl. Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. § 567 Rn. 38). Da gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, findet die befristete Erinnerung statt, über die der Einzelrichter (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RPflG i.V.m. § 568 Satz 1 ZPO) und nach Übertragung des Verfahrens gemäß § 568 Satz 2 ZPO der Senat entscheidet.
2. Die form- und fristgerecht (§ 11 Abs. 2 RPflG, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO) eingelegte Erinnerung ist unbegründet.
a) Gemäß Teil 3 Abschnitt 1 Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG ist dieser Abschnitt - ohne dass insoweit eine Einschränkung ersichtlich wäre - auf Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO anzuwenden. Damit fällt dort gemäß Nr. 3100 VV RVG eine Verfahrensgebühr von 1,3 an.
Zwar bildet der vorgenannte Abschnitt eine Auffangregelung (vgl. etwa Hartung/Römermann RVG VV Teil 3 Rn. 22) für die gerichtlichen Verfahren, für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind. Allerdings ist in Absatz 2 das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO ausdrücklich als diesem Abschnitt unterfallend genannt, so dass schon zweifelhaft erscheint, ob insoweit Absatz 1 überhaupt noch zum Zug kommt.
b) Zieht man Absatz 1 heran, stellt sich die Frage, ob Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 vorgeht mit der Folge, dass grundsätzlich ein Gebührensatz von 1,6 bzw., weil sich wegen § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO die Parteien nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, ein solcher von 2,3 zur Anwendung kommt. Gemäß Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a VV RVG ist dieser Unterabschnitt anzuwenden in Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel. Unter Titel wird aber im Bereich der ZPO ein zur Vollstreckung geeigneter Titel verstanden, das Gesetz selbst spricht nur von Vollstreckungstiteln (vgl. etwa § 794 ZPO und dort die Sonderregel zu Schiedssprüchen in Abs. 1 Nr. 4a). Auch im juristischen Sprachgebrauch ist Titel die abgekürzte Bezeichnung für Vollstreckungstitel (vgl. etwa Creifelds Rechtswörterbuch 19. Aufl. "Titel [vollstreckbarer]"; "Vollstreckungstitel"), der die Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung bildet. Ein Schiedsspruch fällt somit nicht darunter (siehe § 1060 Abs. 1, § 1061 ZPO und Art. III UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958; BGBl 1961 II S. 122). Solche bedürfen erst der Vollstreckbarerklärung. So wird ganz allgemein für das Vollstreckbarerklärungsverfahren - ohne Differenzierung danach, ob es sich um einen inländischen oder ausländischen Schiedsspruch handelt - von der Anwendbarkeit der Nr. 3100 VV RVG ausgegangen (vgl. etwa Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1065 Rn. 7; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1065 Rn. 7; Mayer in Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. § 36 Rn. 9 für die 1. Instanz; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt VV Vorbem. 3.1 Rn. 3 und 4 für die Rechtsbeschwerde). Soweit auch ausländische Schiedssprüche Abschnitt 2 unterstellt werden (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt VV Vorbem. 3.2.1 Rn. 12), wird dies nicht begründet.
c) Eine Regelungslücke, die durch teleologische Reduktion auszufüllen wäre, liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes sind nicht ersichtlich.
Die Gebühren für das Verfahren der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind geregelt in Teil 3 Abschnitt 5 VV RVG. Nr. 3502 VV RVG sieht eine 1,0-Gebühr vor. Hiervon bestehen mehrere Ausnahmen, etwa nach Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV RVG für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO und gemäß Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a VV RVG (u. a.) für das Verfahren über die Rechtsbeschwerde im Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel (Nr. 3206 i.V.m. Nr. 3208 VV RVG: 2,3-Gebühr). Gerade für die Rechtsbeschwerde im Vollstreckbarerklärungsverfahren hat der Gesetzgeber eine höhere Verfahrensgebühr (1,3) vorgesehen, ohne dass er noch zwischen in- und ausländischen Schiedssprüchen unterscheidet. Dass dies nicht geschehen ist, beruht offensichtlich nicht auf einer planwidrigen Regelungslücke, sondern darauf, dass der Gesetzgeber den Arbeitsaufwand für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche nicht typischerweise und wesentlich höher veranschlagt als denjenigen für die Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche. Dies entspricht dem weitgehenden Gleichlauf der Vorschriften des § 1059 ZPO mit Art. V des UN-Übereinkommens. Die Fassung des 10. Buchs der ZPO durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224) geht auf einen Entwurf der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts zurück, der gerade unter weitgehender Übernahme des UNCITRAL-Modellgesetzes zum Ziel hatte, das veraltete inländische Recht dem internationalen Standard anzupassen (vgl. Kommissionsbericht S. 9). Das aktuelle Schiedsverfahrensrecht stellt also einen Schritt auf dem Weg zur globalen Rechtsvereinheitlichung dar (vgl. Zöller/Geimer vor § 1025 Rn. 9). Damit sind die Unterschiede im Vollstreckbarerklärungsverfahren inländischer und ausländischer Schiedssprüche weitgehend minimiert. Umso weniger logisch wäre es, für die Rechtsbeschwerde unterschiedliche Gebührensätze zu schaffen. Für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel gilt dies hingegen mangels fortgeschrittener Rechtsvereinheitlichung ersichtlich nicht in gleichem Maße, so dass sich deswegen auch andere Gebührensätze rechtfertigen.
Darüber hinaus ist nach § 1065 ZPO die Rechtsbeschwerde nur gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ZPO genannten Entscheidungen möglich, also im Wesentlichen die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens sowie die Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke würde voraussetzen, dass ein ganz erheblicher Teil der in § 1065 ZPO genannten Verfahren planwidrig unvollständig geregelt wäre.
Es hat somit bei der 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zu verbleiben.
3. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die im Verfahren über die Erinnerung entstandenen Kosten zu erstatten (siehe § 91 ZPO; Zöller/Herget § 104 Rn. 21 "Kostentragung"; Bork in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 104 Rn. 61).
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Frage, inwieweit die Gebührenvorschrift zur Rechtsbeschwerde im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile entsprechend auch auf ausländische Schiedssprüche anwendbar ist, ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt.
OLG München:
Beschluss v. 08.08.2013
Az: 34 Sch 10/11
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