Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 24. Januar 2011
Aktenzeichen: 2 Wx 18/11
(OLG Köln: Beschluss v. 24.01.2011, Az.: 2 Wx 18/11)
Ergehen in einem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sowohl eine einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG als auch eine spätere Entscheidung des Landgerichts zur Hauptsache, so muß die anschließend erstellte Gerichtskostenrechnung erkennen lassen, ob die darin angeführten Gerichtsgebühren für die einstweilige Anordnung, für die Entscheidung in der Hauptsache oder für beide Verfahren in Ansatz gebracht worden sind.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 03.01.2011 wird der Beschluss des Einzelrichters der 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.12.2010 - 237 O 145/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 18.11.2010 wird der Kostenansatz der Kostenbeamtin des Landgerichts Köln vom 27.10.2010, der Beteiligten zu 1) von der Gerichtskasse Köln mit dem Kassenzeichen 70060259 510 4 übermittelt als Kostenrechnung ("2. Rechnung") vom 28.10.2010 über einen Betrag von 2.200,- €, aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenansatz an den zuständigen Kostenbeamten des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
Gründe
Die Beteiligte zu 1) beantragte unter dem 07.06.2010 bei dem Landgericht Köln eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Beide Verfahren wurden von dem Landgericht in einer Akte und unter einem Aktenzeichen bearbeitet. Mit Beschluss vom 08.06.2010 - 237 O 145/10 - gab das Landgericht der E. U. AG im Wege der einstweiligen Anordnung auf, diejenigen IP-Adressen und Verbindungszeitpunkte (Verkehrsdaten), die auf einer als Ausdruck beigefügten Anlage enthalten waren, zu sichern. Durch Beschluss des Landgerichts vom 23.06.2010 - 237 O 145/10 - wurde der E. U. AG gestattet, der Kostenschuldnerin unter Verwendung der Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der vorgenannten Anlage zum Beschluss vom 08.06.2010 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.
Mit Kostenrechnung vom 17.08.2010, die der Beteiligten zu 1) von der Gerichtskasse mit Datum vom 18.08.2010 übermittelt worden war, war unter Bezugnahme auf § 128 e Abs. 1 KostO für die "Entscheidung über Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 IX UrheberrechtsG" eine Gebühr von 3.000,- € in Rechnung gestellt worden.
Gegen diesen Kostenansatz hatte die Beteiligte zu 1) mit am 22.09.2010 beim Landgericht eingegangenem Telefaxschreiben Erinnerung eingelegt. Mit Kostenrechnung vom 27.10.2010, die der Beteiligten zu 1) von der Gerichtskasse mit Datum vom 28.10.2010 übermittelt worden ist, ist unter Bezugnahme auf § 128 e Abs. 1 KostO für die "Entscheidung über Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 IX UrheberrechtsG" eine Gebühr von 2.200,- € mit der Bemerkung in Rechnung gestellt worden, die Rechnung sei korrigiert worden, weil die Kammer die Anzahl der Werke auf 11 reduziert habe.
Die gegen den Kostenansatz dieser - zweiten - Kostenrechnung gerichtete Erinnerung der Beteiligten zu 1) vom 18.11.2010 hat der Einzelrichter des Landgerichts mit Beschluss vom 27.12.2010 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss des Landgerichts vom 27.12.2010 wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der Beschwerde vom 03.01.2011, der die Kammer des Landgerichts durch Beschluss vom 10.01.2011 nicht abgeholfen hat.
2. Die Beschwerde ist gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 KostO statthaft. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist das Oberlandesgericht berufen (§ 14 Abs. 4 Satz 2 KostO in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG; Art. 111 Abs. 1 FGG-RG). Das Ausgangsverfahren vor dem Landgericht ist mit der Antragsschrift vom 07.06.2010 und damit nach dem für die Anwendung neuen Verfahrensrechts gemäß den Art. 111 Abs. 1, 112 Abs. 1 FGG-RG maßgeblichen Stichtag eingeleitet worden. Die Entscheidung über die Beschwerde trifft der Senat durch den Einzelrichter (§ 14 Abs. 7 Satz 1KostO), weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, nämlich der Beschluss vom 27.12.2010 - im Einklang mit § 14 Abs. 7 Satz 1 KostO - vom Einzelrichter, nämlich in dieser Sache von dem Vorsitzenden der Kammer, getroffen worden ist.
Der Umstand, dass die Nichtabhilfeentscheidung vom 10.01.2011 von der Kammer in ihrer vollen Besetzung getroffen worden ist, obwohl - mangels Übertragung auf die Kammer unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO - der Einzelrichter auch hierfür zuständig gewesen wäre, begründet nicht die Zuständigkeit des Senats in seiner vollen Besetzung, weil sich die Zuständigkeit des Spruchkörpers des Beschwerdegerichts allein danach richtet, in welcher Besetzung die angefochtene Entscheidung getroffen worden ist.
Dieser Umstand nötigt in dieser Sache auch nicht zur Rückgabe der Sache an das Landgericht zur Nachholung einer Entscheidung über die Abhilfe durch den Einzelrichter, weil eine solche Entscheidung keine Voraussetzung für eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ist und ein fehlerhaftes Abhilfeverfahren das Beschwerdegericht nicht zu einer Rückgabe zwingt.
In der Sache führt die Beschwerde zur Abänderung der Erinnerungsentscheidung des Landgerichts dahingehend, dass der Kostenansatz aufgehoben wird.
Der Kostenansatz ist aufzuheben, weil er den Abgeltungsbereich der angesetzten Gebühren nicht hinreichend bestimmt angibt. Ihm wie auch den ihn bestätigenden Entscheidungen des Landgerichts kann nicht mit der gebotenen Bestimmtheit entnommen werden, ob die Gebühren für das Hauptsacheverfahren, für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung oder für beide Verfahren in Ansatz gebracht worden sind. Die im Kostenansatz des Landgerichts gebrauchte Formulierung "Entscheidung über Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 IX UrheberrechtsG …" ist nicht eindeutig, weil es sich auch bei der - vom Landgericht hier am 08.06.2010 getroffenen - einstweiligen Anordnung um eine solche Anordnung im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG handelt. Zwar hat der Senat in einem Beschluss vom 1. April 2009 (Senat, FGPrax 2009, 134 [135]) für das bis zum 31. August 2009 geltende Recht ausgesprochen, dass im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG Gerichtsgebühren für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu erheben sind. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 1. September 2009 (Art. 112 Abs. 1 FGG-RG) hat sich indes auch das Verfahren der einstweiligen Anordnung in den Angelegenheiten gemäß § 101 Abs. 9 UrhG grundlegend geändert. Nach § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG gelten hier seither für das Verfahren die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) entsprechend. Deshalb bestimmt sich hier jetzt das Verfahren zur Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den §§ 49 ff. FamFG (vgl. OLG Nürnberg, OLG-Report 2009, 833; Backhaus in Schulze/Mestmäcker, UrhKomm, Stand August 2010, § 101, Rdn. 73). Während in den noch nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandelnden Fällen das Verfahren der einstweiligen Anordnung, soweit die Rechtsprechung diese Möglichkeit anerkannte, Teil des Hauptsacheverfahrens war (vgl. nur Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 19, Rdn. 30), hat der Gesetzgeber nunmehr eine verfahrensmäßige Trennung von Hauptsache und einstweiliger Anordnung vorgenommen (BT-Drucks. 16/6308, S. 199). Im Anwendungsbereich des FamFG ergeht eine Entscheidung über eine (zusätzlich) beantragte einstweilige Anordnung nicht mehr in dem Hauptsacheverfahren. Vielmehr handelt es sich - entsprechend der Situation im Fall einer neben der Entscheidung in der Hauptsache erstrebten einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/6308, S. 199) - um ein gesondertes Verfahren. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung nach den §§ 49 ff. FamFG ist als eigenständiges - von der Hauptsache losgelöstes - Verfahren ausgestaltet, dessen Entscheidung auch gesonderter Anfechtung unterliegt (vgl. Bahrenfuss/ Socha, FamFG, 2009, § 49, Rdn. 5 und § 51, Rdn. 21; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 49, Rdn. 4, 5). Daher muss über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch gesonderten, mit einer Begründung, einer Rechtsbehelfsbelehrung und einer Kostengrundentscheidung zu versehenden Beschluss entschieden werden (vgl. Bahrenfuss/Socha, a.a.O., § 51, Rdn. 22; Keidel/Giers, a.a.O., § 51, Rdn. 26). Entsprechend können auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht Gebühren nach der Kostenordnung anfallen (vgl. Keidel/ Giers, a.a.O., § 51, Rdn. 26). Dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KostO in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, Kosten (Gebühren und Auslagen) nur "nach diesem Gesetz", also der Kostenordnung erhoben werden (vgl. dazu Senat, FGPrax 2009, 134 [135]), steht dem nicht entgegen. Denn § 51 Abs. 1 FamFG verweist für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auf die allgemeinen Vorschriften. Damit sind die Vorschriften, die für die entsprechende Hauptsache gelten, in Bezug genommen (vgl. Bahrenfuss/Socha, a.a.O., § 51, Rdn. 22; Keidel/Giers, a.a.O., § 51, Rd. 26), im Fall einer einstweiligen Anordnung zu einem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG mithin die Bestimmung des § 128 e KostO (Senat 2 Wx 145/10; 2 Wx 146/10; 2 Wx 157/10; 2 Wx 157/10). Für dieses Verständnis des Verhältnisses von einstweiliger Anordnung und Hauptsache in kostenrechtlicher Hinsicht spricht auch die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf; zu § 51 Abs. 4 FamFG heißt es darin (BT-Drucksache 16/6308, S. 201): "Die Selbständigkeit des einstweiligen Anordnungsverfahrens steht unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten in Übereinstimmung mit der Wertung des § 18 Nr. 1, 2 RVG, wonach einstweilige Anordnungsverfahren als besondere Angelegenheiten anzusehen sind. Eine von der Hauptsache getrennte kostenrechtliche Behandlung hat zudem den Vorteil, dass die diesbezüglichen Kosten sogleich abgerechnet werden können." Eine Sondervorschrift, in welcher der Gesetzgeber besonders geregelt hat, dass für eine einstweilige Anordnung keine Gebühren erhoben werden, findet sich etwa in § 91 Satz 2 KostO (Betreuungssachen); eine vergleichbare Regelung ist in § 129 e KostO nicht vorgesehen.
Die erneute Entscheidung über den Kostenansatz war dem Kostenbeamten des Landgerichts zu übertragen. Ein Kostenansatz durch das Beschwerdegericht scheidet hier aus, weil - wie ausgeführt - hier bereits nicht feststeht, auf welche Tätigkeit des Landgerichts der Kostenansatz sich beziehen soll. Daher bedarf es an dieser Stelle auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Gebühren in einem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG zu berechnen sind.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Fassung des Rubrums des Nichtabhilfebeschlusses - der angefochtene Beschluss enthält kein Rubrum mit Angabe der Beteiligten - Bedenken begegnet. Die dort als Beteiligte aufgeführte E. U. AG war zwar am Ausgangsverfahren beteiligt. Beteiligte am Verfahren der Kostenerinnerung und -beschwerde ist sie indes nicht. Beteiligte einer solchen Kostensache sind nur der Kostengläubiger und der Kostenschuldner sowie gegebenenfalls derjenige, der als weiterer Haftender in Betracht kommt. Die E. U. AG gehört in der vorliegenden Sache diesem Kreis nicht an. Kostenschuldner der Gerichtskosten ist hier allein die Beteiligte zu 1), und zwar sowohl als Antragsschuldner (§ 2 Nr. 1 KostO) als auch als Entscheidungsschuldner (§ 3 Nr. 1 KostO), nachdem ihr gemäß § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen waren und in der Kostengrundentscheidung des Beschlusses des Landgerichts vom 23.06.2010 auch auferlegt worden sind. Zwar enthält die einstweilige Anordnung des Landgerichts vom 08.06.2010 - entgegen der Regelung der §§ 101 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UrhG, 51 Abs. 4 FamFG - keine Kostenentscheidung. Auch insoweit ist die E. U. AG indes weder Antrags- noch Entscheidungsschuldner. Da sie gleichwohl im Rubrum des Nichtabhilfeeschlusses des Landgerichts vom 10.01.2011 als Beteiligte aufgeführt und damit insoweit von dem Landgericht am Verfahren beteiligt worden ist, ist ihr auch die vorliegende Beschwerdeentscheidung zur Kenntnis zu bringen, weshalb sie der Senat auch im Rubrum des vorliegenden Beschlusses aufführt.
Dagegen hätte der Vertreter des Kostengläubigers, der Bezirksrevisor, als solcher in den im Kostenverfahren ergangenen Entscheidungen aufgeführt werden sollen.
Im Hinblick auf die Aufhebung des Kostenansatzes durch diesen Beschluss bedarf es keiner Entscheidung mehr über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
5. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Regelung des § 14 Abs. 9 KostO nicht veranlasst.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die vorliegende Entscheidung kommt nicht in Betracht, da das Gesetz eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts im Verfahren nach § 14 KostO ausdrücklich ausschließt, § 14 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 KostO.
OLG Köln:
Beschluss v. 24.01.2011
Az: 2 Wx 18/11
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