Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. August 1992
Aktenzeichen: 6 U 107/92
(OLG Köln: Urteil v. 21.08.1992, Az.: 6 U 107/92)
1. Die Vermutung der Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) ist widerlegt, wenn die bereits werbend in Erscheinung getretene Vor-GmbH der das Verfahren betreibenden GmbH eine beanstandete Anzeige ca. 6 Wochen vor der Abmahnung gekannt hat und es weiterer Ermittlungen oder sonstiger Maßnahmen zur Vorbereitung der Abmahnung des des 2 Wochen später folgenden Verfügungsantrages nicht bedurfte.
2. Der nach § 6 Abs. 2 WohnungsvermittlungsG beim Angebot oder bei der Suche nach Wohnraum erforderlichen Mitteilung des Namens des Wohnungsvermittlers und der Bezeichnung als Wohnungsvermittler - insbesondere in Zeitungsanzeigen - genügen Formulierungen wie "Immoblitz Immobilien" oder "Immo Blitz Immobilien" nicht. § 6 Abs. 2 WohnungsvermittlungsG ist eine Vorschrift, die unmittelbar den Wettbewerb regelt und deren Verletzung für sich und ohne zusätzliche Voraussetzungen einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt.
3. Legt der Antragsgegner erstmals in der Berufungsinstanz die Belege (Zeitungsausschnitte) vor, aus denen sich die mangelnde Eilbedürftigkeit für den Erlaß der nachgesuchten einstweiligen Verfügung ergibt, obwohl er hierzu bereits im 1. Rechtszug imstande war, fallen ihm die Kosten des 2. Rechtszuges zur Last, wenn sein Obsiegen allein auf den die fehlende Eilbedürftigkeit begründenden Umständen beruht.
Tenor
Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 28.04.1992 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 47/92 - abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bonn vom 19.03.1992 wird aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückgewiesen, soweit er zum Inhalt hat, der Antragsgegnerin zu untersagen, mit den Bezeichnungen "I. Immobilien", "I. B. Immobilien" in Tageszeitungen zu werben. Die Kosten des Verfahrens I. Instanz trägt die Antragstellerin zu 4/5, der Antragsgeg-ner zu 1/5; die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung ist zulässig, sie hat auch
- aufgrund des Vorbringens des Antragsgegners im
Berufungsrechtszug - in der Sache Erfolg.
Der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ist, soweit der Antragsgegner mit dem
Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen die Beschlußverfügung des
Landgerichts vom 19.03.1992 vorgegangen ist, nicht gerechtfertigt,
da es an dem hierfür erforderlichen Verfügungsgrund fehlt. Soweit
die Antragstellerin ihr Begehren auf die Bestimmungen der §§ 1 und
3 UWG stützt, ist die Vermutung der Dringlichkeit, die sich aus §
25 UWG ergibt, widerlegt. Im Hinblick auf einen Anspruch aus § 37
Abs. 2 HGB fehlt es an der gebotenen Glaubhaftmachung der
Dringlichkeit.
Ob ein Verfügungsgrund in der Person
des Antragstellers gegeben ist, muß aufgrund der glaubhaft
gemachten bzw. unwiderlegt vermuteten objektiven Umstände
festgestellt werden. Unter diesen spielt das jeweilige Verhalten
des Antragstellers eine ganz wesentliche Rolle, wenn und soweit es
Rückschlüsse auf die Eilbedürftigkeit der Rechtsverfolgung
erlaubt. Ein Antragsteller, der mit der Verfahrenseinleitung
unangemessen lange zuwartet oder in anderer Weise erkennen läßt,
daß es ihm (subjektiv) nicht eilt, vermag nicht die Óberzeugung zu
vermitteln, daß die rasche, summarische Rechtsverfolgung für ihn
objektiv dringend ist (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche, 5. Auflage, Kapitel 54, Rdn. 17).
Im Streitfall ist dem vorprozessualen
Verhalten der Antragstellerin zu entnehmen, daß ihr die Verfolgung
des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nicht dringlich
erschien. Dies ergibt sich aus den konkreten Umständen vor
Einreichen des Verfügungsantrags.
Wie die Antragstellerin selbst
vorträgt, ist sie durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag
vom 21.01.1992 gegründet worden. Seit diesem Zeitpunkt bestand
eine Vorgesellschaft, die mit der durch Eintragung im
Handelsregister am 24.02.1992 entstandenen Antragstellerin
identisch ist (vgl. insoweit Scholz, GmbH-Gesetz, 7. Auflage, Rdn.
35 und 36 zu § 11 GmbHG). Bereits diese Vor-GmbH ist, wie den vom
Antragsgegner vorgelegten Ablichtungen von Zeitungsinseraten vom
22. und 25.01.1992 zu entnehmen ist, werbend tätig geworden und
dabei unter der Bezeichnung "D. (i. G.)" in Erscheinung
getreten.
Der Senat geht davon aus, daß auf
seiten der Vor-GmbH spätestens seit dem 22.01.1992 bekannt war, daß
der Antragsgegnerin der später beanstandeten Form warb. Ausweislich
der in Fotokopie vorgelegten beiden Exemplare des Anzeigenteils
aus dem B. "G. -A. " hat der Antragsgegner am 22.01.1992 unter der
Bezeichnung "I. Immobilien" mehrere Wohnungen zur Vermietung
angeboten, ebenso am 25.01.1992. Die betreffenden Inserate des
Antragsgegners befanden sich überwiegend in denselben Spalten wie
die der Antragstellerin, teilweise waren sie sogar unmittelbar
darüber oder darunter abgedruckt. Ein Inserent pflegt,
insbesondere im gewerblichen Bereich, üblicherweise zu
kontrollieren, ob die in Auftrag gegebenen Anzeigen wunschgemäß
und inhaltlich richtig abgedruckt sind. Zudem verschaffen sich
Makler in aller Regel durch Lektüre der ihren Tätigkeitsbereich
betreffenden örtlichen Anzeigen einen Óberblick über den Markt.
Daß auch die Antragstellerin bereits als GmbH in Gründung in dieser
Weise den Markt beobachtet hat, ergibt sich aus ihrem eigenen
Vorbringen in der Berufungsbegründung. Unter diesen Umständen muß
davon ausgegangen werden, daß der Antragstellerin die Bezeichnung,
die der Antragsgegner in seinen Inseraten angab, mindestens seit
dem 22. bzw. 25.01.1992 bekannt war.
Trotz Kenntnis seit dem vorbenannten
Zeitpunkt hat die Antragstellerin den Antragsgegner erstmals mit
Anwaltsschreiben vom 04.03.1992 abmahnen und dann am 19.03.1992 den
Verfügungsantrag einreichen lassen. Sie hat mithin circa 6 Wochen
verstreichen lassen, bis sie den ersten Schritt gegen das
beanstandete Wettbewerbsverhalten unternommen hat. Damit hat sie -
vor dem Hintergrund des konkret beanstandeten Wettbewerbsverstoßes
- zu lange zugewartet und so gezeigt, daß ihr die sofortige
Rechtsverfolgung nicht unbedingt geboten erschien.
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats gibt es keine feste zeitliche Grenze, innerhalb deren der
Verletzte seine Rechte verfolgen muß. Es kommt vielmehr auf die
Umstände des einzelnen Falles an, insbesondere auf die Gründe für
ein Zuwarten des Verletzten (vgl. z. B. Senat in WRP 1983, 355
m.w.N.). Derartige Gründe sind im Streitfall nicht ersichtlich. Auf
der Grundlage der Rechtsauffassung der Antragstellerin stand der
Wettbewerbsverstoß, der dem Antragsgegner vorzuwerfen war, außer
Zweifel. Irgendwelche Ermittlungen oder sonstiger Maßnahmen zur
Vorbereitung von Abmahnung und Verfügungsantrag bedurfte es
jedenfalls nicht. Die Antragstellerin durfte deswegen nach
Erscheinen der Inserate vom 22. bzw. 25.01.1992 nicht sechs Wochen
zuwarten, bis sie sich mit einer Abmahnung an den Antragsgegner
wandte, ohne durchgreifende Zweifel an der Dringlichkeit der
begehrten einstweiligen Verfügung zu begründen.
Bei der Kostenentscheidung war
hinsichtlich der im ersten Rechtszug angefallenen Kosten zu
berücksichtigen, daß der Antragsgegner nur teilweise Widerspruch
gegen die Beschlußverfügung des Landgerichts eingelegt hat. Soweit
die einstweilige Verfügung rechtskräftig geworden ist, war deswegen
der Antragsgegner mit den Kosten zu belasten.
Die Kostenentscheidung für den
Berufungsrechtszug beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Danach sind die
Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder
teilweise aufzuerlegen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens
obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen
imstande war. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind hier, wie
der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat,
erfüllt. Der Antragsgegner hat erstmals in der Berufungsinstanz
die Zeitungsausschnitte vorgelegt, aus denen sich die mangelnde
Dringlichkeit für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung im
Streitfall ergibt. Daß der Antragsgegner bereits im ersten
Rechtszug imstande gewesen wäre, die am 22. und 25.01.1992
geschalteten Anzeigen vorzulegen, bedarf keiner näheren
Ausführungen. Sein Obsiegen beruht auch allein auf den die fehlende
Dringlichkeit begründenden Umständen, insbesondere hat es nicht an
einem Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gefehlt. Die
gerügten Werbeanzeigen in ihrer nunmehr zum Antragsinhalt gemachten
konkreten Form verstießen nämlich gegen §§ 1 UWG, 6 Abs. 2
Wohnungsvermittlungsgesetz. Nach der letztgenannten Vorschrift
darf der Wohnungsvermittler öffentlich, insbesondere in
Zeitungsanzeigen, nur unter Angabe seines Namens und der Bezeichung
als Wohnungsvermittler Wohnräume anbieten oder suchen. Der
Antragsgegner hat hier jedoch nicht unter seinem Namen für die
Vermietung von Wohnräumen inseriert, sondern lediglich die
Bezeichung "I. I. " bzw. "I. B. Immobilien" verwandt. Damit hat er
zugleich § 1 UWG verletzt. Das Wohnungsvermittlungsgesetz bezweckt
unter anderem, unlautere Geschäftsmethoden bei der
Wohnungsvermittlung zu verhindern (vgl. Palandt-Thomas, 51.
Auflage, Einführung vor § 652 BGB, Rdn. 15). Hieraus ergibt sich,
daß es sich bei § 6 Abs. 2 Wohnungsvermittlungsgesetz um eine
Vorschrift handelt, die unmittelbar den Wettbewerb regelt und
deren Verletzung für sich und ohne zusätzliche tatbestandliche
Voraussetzungen einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO
mit der Verkündung rechtskräftig.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze
des Antrags- gegners vom 29. und 31. Juli 1992 sowie vom 5. August
1992 haben vorgelegen. Der Senat hat den vorstehenden
Entscheidungsgründen sowie den eingehenden Ausführungen in der
mündlichen Verhandlung nichts hinzuzufügen.
OLG Köln:
Urteil v. 21.08.1992
Az: 6 U 107/92
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