Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2000
Aktenzeichen: 19 W (pat) 21/98
(BPatG: Beschluss v. 21.06.2000, Az.: 19 W (pat) 21/98)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Deutsche Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse H 02 P - hat die unter dem Aktenzeichen PCT/JP90/01564 eingereichte PCT-Anmeldung (internationales Anmeldedatum: 30.11.1990, in Anspruch genommene Prioritäten JP 30 89 87 und JP 30 89 88, jeweils vom 30.11.1989), deren nationale Phase mit der am 30.07.1991 beim Deutschen Patentamt eingegangenen deutschen Übersetzung (Aktenzeichen P 40 92 175.1-32, fortan als Anmeldeunterlagen bezeichnet) eingeleitet wurde, durch Beschluß vom 4. Dezember 1997 mit der Begründung zurückgewiesen, der Patentanspruch 1 vom 9. Oktober 1995 vermittle dem Fachmann keine klare Lehre.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentanmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag und Patentansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag vorgelegt.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Vorrichtung zur Regelung der Leerlaufdrehzahl eines Verbrennungsmotors (31) bei sich ändernder elektrischer Last an einer von dem Motor angetriebenen, mit einer Batterie (42) zusammenarbeitenden Wechselstrom-Lichtmaschine (40), miteinem Spannungsregler (40-3), der den Feldstrom der Lichtmaschine (40) als Funktion der elektrischen Last so steuert, daß die Ausgangsspannung der Lichtmaschine (40) konstant bleibt, einer Einrichtung (36...39) zur Steuerung der dem Motor (31) im Leerlauf zur Verfügung gestellten Ansaugluft, undeiner Steuereinheit (14, 45), die die Ansaugluft-Steuereinrichtung (36...39) als Funktion der elektrischen Last so steuert, daß die Motordrehzahl konstant gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuereinheit (14, 45) den Laststrom (Ig) oder das Lichtmaschinendrehmoment (Ig') aufgrund des Feldstrom-Tastverhältnisses (DFRi) und der Drehzahl (Ne) ermittelt bei Änderung der elektrischen Last den Feldstrom in mit der Motordrehung synchronen Schritten ändert und die Schritthöhe (ÆG) begrenzt."
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:
"Vorrichtung zur Regelung der Leerlaufdrehzahl eines Verbrennungsmotors (31) bei sich ändernder elektrischer Last an einer von dem Motor angetriebenen, mit einer Batterie (42) zusammenarbeitenden Wechselstrom-Lichtmaschine (40), miteinem Spannungsregler (40-3), der den Feldstrom der Lichtmaschine (40) als Funktion der elektrischen Last so steuert, daß die Ausgangsspannung der Lichtmaschine (40) konstant bleibt, einer Einrichtung (36...39) zur Steuerung der dem Motor (31) im Leerlauf zur Verfügung gestellten Ansaugluft, undeiner Steuereinheit (14, 45), die die Ansaugluft-Steuereinrichtung (36...39) als Funktion der elektrischen Last so steuert, daß die Motordrehzahl konstant gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuereinheit (14, 45) den Laststrom (Ig) oder das Lichtmaschinendrehmoment (Ig') aufgrund des Feldstrom-Tastverhältnisses (DFRi) und der Drehzahl (Ne) ermittelt bei Änderung der elektrischen Last den Feldstrom in mit der Motordrehung synchronen Schritten ändert und die Schritthöhe (ÆG) begrenzt, und daß die Regeleinheit (14, 45) ein Zeitglied enthält, bei jeder Erhöhung der elektrischen Last das Zeitglied setzt und eine nachfolgende Feldstromerhöhung erst nach Ablauf des Zeitglieds durchführt."
Mit diesen Patentansprüchen soll gemäß der den Anmeldeunterlagen (S 3 Z 19 bis 24) entnehmbaren Aufgabe jeweils eine Vorrichtung zum Steuern der Änderung beim Leerlauf angegeben werden, die den Abfall der Drehzahl bei einem Verbrennungsmotor selbst dann begrenzen kann, wenn beim Leerlauf die elektrische Last plötzlich zunimmt.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 3, hilfsweise Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2000, sowie jeweils mit den übrigen ursprünglichen Unterlagen.
Die Patentinhaberin führt zu den Patentansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsantrag aus, der tatsächliche Lichtmaschinenstrom Ig werde jeweils nicht gemessen, sondern im Schritt S 7 des Ablaufdiagramms gemäß Fig 4 unter Einbeziehung der Motordrehzahl berechnet. Damit sei festgelegt, wie das Ablaufdiagramm gemäß den offengelegten Figuren 4 bis 6 in den dann folgenden Schritten durchlaufen werde. Eine Vorrichtung, die nach einem derartigen Verfahren arbeite, sei aus dem Stand der Technik nicht bekannt und könne vom Fachmann auch bei einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen DE 38 30 603 A1 und EP 0 106 539 A2 aufgrund der nunmehr in die jeweiligen Hauptansprüche zusätzlich aufgenommenen Merkmale nur in Kenntnis der Erfindung angegeben werden.
Das Vorhandensein eines Zeitgliedes führe zu keinem inneren Widerspruch im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag; denn wenn eine Feldstromänderung "in mit der Motordrehung synchronen Schritten" erfolge, bedeute dies nicht, daß sie bei jeder Kurbelwellenumdrehung vorzunehmen sei; die Motordrehung sei vielmehr lediglich das jeweils auslösende Moment.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig, sie hat jedoch mit dem geänderten Patentbegehren keinen Erfolg, weil die nunmehr geltenden Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag jeweils Änderungen enthalten, die - mangels Offenbarung in den Anmeldeunterlagen - den Gegenstand der Anmeldung erweitern.
Als zuständiger Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung "Verbrennungskraftmaschinen" anzusehen, der hinsichtlich der möglichen Rückwirkungen einer Lichtmaschine auf die Leerlaufdrehzahl der diese antreibenden Verbrennungskraftmaschine einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung "Elektrische Maschinen" mit langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bordnetze von Kraftfahrzeugen zu Rate zieht.
1. Hauptantrag Durch den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag soll eine Vorrichtung unter Schutz gestellt werden, deren Steuereinheit gemäß dem ersten kennzeichnenden Merkmal bei einer Änderung der elektrischen Last den Feldstrom in mit der Motordrehung synchronen Schritten ändert und die Schritthöhe begrenzt. Es ist in diesem Zusammenhang für den Fachmann selbstverständlich - und braucht deshalb im Patentanspruch 1 nicht angegeben zu sein -, daß bei Leerlaufdrehzahl und gleichbleibender elektrischer Last der Feldstrom nicht in mit der Motordrehung synchronen Schritten geändert wird; denn dies hätte eine Überladung oder Überentladung der Batterie zur Folge, die auch anmeldungsgemäß vermieden werden soll (S 2 Z 14 bis 17).
In den Anmeldeunterlagen, insbesondere den Figuren 3 bis 6 mit der zugehörigen Beschreibung, aus denen die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag im wesentlichen entnommen sein sollen, ist aber lediglich eine Vorrichtung offenbart, die auch bei gleichbleibender elektrischer Last, insbesondere bei der Leerlaufdrehzahl, den Feldstrom in mit der Motordrehzahl synchronen Schritten ÆG ändert, wie im Folgenden - ausgehend von den in der mündlichen Verhandlung ausführlich diskutierten Figuren 3 bis 6 - dargelegt wird.
Nach Angaben der Anmelderin wird im Schritt S 8 bei Vorliegen eines Wertes IG=0 festgestellt, daß keine Laständerung erfolgt ist (S 11 Z 34 bis 36 und handschriftliche Eintragung "Last war vorher aus" in der von der Anmelderin überreichten Kopie der Figuren 3 bis 6). Daraufhin wird im nächsten Schritt S 12 geprüft, ob der errechnete Strom Ig größer bzw. kleiner/gleich einem Stromgrenzwert IL1 ist.
Solange der Erzeugungsstrom die Bedingung Ig ² IL1 erfüllt und sich also nicht oder nicht wesentlich geändert hat, was bei der Leerlaufdrehzahl der Fall ist, ist deshalb bei jedem Durchlauf die Verzweigung in den linken Teil des Ablaufdiagramms maßgebend. Der dort nun folgende Schritt S 11 beinhaltet zwar keine stromabhängige neue Festsetzung der Zielposition des Beipasses; jedoch wird im später folgenden Schritt S 23 - wie auch die handschriftliche Eintragung der Anmelderin zutreffend angibt - eine "Feldstrom-Sollwertänderung in begrenzten Schritten ÆG" vorgenommen.
Für Stromstärken Ig > IL1 erfolgt der Durchlauf nach Schritt S 12 bei gleichbleibendem Strom zunächst im rechten Teil des Ablaufdiagramms. Im Schritt S 19 wird ein Zeitglied eingestellt und die Vorrichtung mit unverändertem Feldstrom-Sollwert betrieben (Schritt S 26), bis nach Ablauf des Zeitgliedes (Zeitglied=0 in Schritt S 20) auch ohne zwischenzeitliche Änderung der elektrischen Last im Schritt S 23 eine Feldstrom-Sollwertänderung in Schritten ÆG erfolgt.
Es kann dahingestellt bleiben, daß die handschriftlichen Eintragungen der Anmelderin "Last jetzt ein" bzw. "jetzt Lasteinschaltung" bei Schritt S 12 bzw. S 14 schon dann keinen Sinn ergeben, wenn in Wirklichkeit keine Laständerung erfolgt ist; denn es wird - wie dargelegt - im Schritt S 12 auch lediglich anhand der absoluten Stromgröße Ig, nicht aber anhand einer Stromänderung entschieden, welcher Teil des Ablaufdiagramms maßgebend ist.
Ein "Aussetzen" der schrittweisen Feldstromänderung bei gleichbleibender elektrischer Last z.B. bei der Leerlaufdrehzahl ist - wie auch die Anmelderin eingeräumt hat - nicht vorgesehen.
Das zweite Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 10 und 11 beschreibt lediglich eine Ansaugluftsteuerung (S 16 Z 3 bis 6) und offenbart insoweit keine Merkmale, mit denen der Fachmann die Figuren 3 bis 6 hinsichtlich der Steuerung des Feldstromes der Lichtmaschine möglicherweise hätte derart berichtigen können, daß bei unveränderter elektrische Last keine Feldstromänderung vorgenommen wird.
In der Figur 9 sind lediglich die Änderungen der mittleren Schaltdauer Fr (3. Kurve) und des errechneten Laststromes Ig (4. Kurve, in der auch die beiden in den Schritten S 9, S 12 benötigten Grenzwerte IL1, IL2 eingetragen sind, und die deshalb offensichtlich unzutreffend mit "Tg" bezeichnet ist) bei einer Änderung der elektrischen Last zwischen dem ersten und zweiten Kurbelimpuls (1. Kurve) eingetragen.
Schließlich offenbaren auch die in den Figuren 1 und 2 der Anmeldungsunterlagen beschriebenen Anordnungen dem Fachmann keine Vorrichtung zur Regelung der Leerlaufdrehzahl, bei der eine Feldstrom-SollwertÄnderung nur dann vorgenommen wird, wenn sich die elektrische Last ändert. Denn um dies zu ermöglichen, müßte der Steuereinheit 14 jeweils "mitgeteilt" werden, daß eine Laständerung vorliegt und welcher neue Endwert des Feldstromes als "Ziel" angestrebt werden muß, der dann durch Erden des Transistors 64 in mit der Motorumdrehung synchronen Schritten angesteuert wird (S 8 Z 32 bis S 9 Z 6). Demgegenüber wird der Steuerschaltung 14 als einziges "elektrisches" Signal das derzeitige Schaltverhältnis Fr vom FR-Ausgang der Lichtmaschine zugeführt (S 9 Z 6 bis 15).
Entsprechendes gilt für die in den Figuren 14 bis 16 dargestellten Vorrichtungen.
In den gesamten Anmeldeunterlagen - insbesondere den Ausführungsbeispielen - ist demnach keine Vorrichtung beschrieben, die bei fehlender Laständerung den Feldstrom nicht in mit der Motordrehung synchronen Schritten ändert.
Zwar ist hier für den Fachmann das Vorliegen eines Fehlers in den Anmeldeunterlagen erkennbar, für den eine Berichtigung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. Schulte, PatG, 5. Auflage, § 38 Rn 9 bis 14). Denn aus praktischen Gründen (zB Überladung/-entladung der Batterie) und aus physikalischen Gründen (zB begrenzte Leistungsfähigkeit der Lichtmaschine) darf der Feldstrom einer Lichtmaschine ohne Änderung der elektrischen Last nicht in mit der Motordrehung synchronen Schritten bei jedem Durchlauf der Regelschleife geändert werden.
Es ist aber für den Fachmann auch unter Zuhilfenahme seines Fachwissens weder aus den Anmeldeunterlagen ersichtlich und auch von der Anmelderin nicht vorgetragen worden, wie der Fehler im Ablaufdiagramm Figuren 3 bis 6 in Verbindung mit der Beschreibung Seite 9 Zeile 17 bis Seite 15 Zeile 3 zu berichtigen wäre.
Wenn die Anmelderin nun eine Vorrichtung beansprucht, die zwar für den Fall einer Änderung der elektrischen Last in den Figuren 3 bis 6 offenbart sein mag, die aber hinsichtlich einer weiteren und hier für den Fachmann als selbstverständlich vorauszusetzenden Eigenschaft (keine Feldstrom-Sollwert-Erhöhung bei gleichbleibender elektrischer Last) ursprünglich nicht offenbart ist, so ist durch den zugehörigen Patentanspruch 1 der Gegenstand der Anmeldung erweitert.
2. Hilfsantrag Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch ein zusätzlich vorgesehenes Zeitglied in der Regeleinheit, das bei jeder Erhöhung der elektrischen Last gesetzt wird, und durch eine Feldstromerhöhung nach Ablauf des Zeitglieds.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann den Figuren 3 bis 6 ein Setzen des Zeitgliedes "bei jeder Erhöhung der elektrischen Last" als offenbart entnehmen kann, nachdem es - wie dargelegt - bei fehlender Lasterhöhung (entsprechend IG=0 in Schritt S 8) allein auf die Größe des Stromes Ig ankommt, ob im Schritt S 14 der Merker IGI=1 gesetzt wird.
Denn schon im Hinblick auf die auch für die Vorrichtung mit den Merkmalen dieses Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag selbstverständlich vorauszusetzende Eigenschaft, daß nur nach einer Änderung der elektrischen Last eine Feldstromänderung erfolgen darf, beinhaltet dieser Patentanspruch die im Zusammenhang mit dem Hauptantrag aufgezeigte unzulässige Änderung der in der Anmeldung enthaltenen Angaben.
Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr. Kaminski Ko
BPatG:
Beschluss v. 21.06.2000
Az: 19 W (pat) 21/98
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