Landgericht Kiel:
Urteil vom 14. Januar 2013
Aktenzeichen: 2 O 292/10

(LG Kiel: Urteil v. 14.01.2013, Az.: 2 O 292/10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Zahlungsansprüche aus IT-Dienstleistungen in den Jahren 2007 und 2008 geltend.

Der Kläger ist Inhaber der Rechte des €SmartPanel€. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, eine Vorrichtung sowie ein Computerprogramm zum Erstellen, Verwalten, Übertragen und Empfangen von digitalen Inhalten über Fernkommunikationsmittel und zur Wiedergabe von digitalen Inhalten als Bilder oder akustische Signale.

Die Beklagte zu 1) wurde im Jahr 2005 gegründet. Sie firmierte zunächst als XXX GmbH & Co. KG. Ihre Umfirmierung in XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG und die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft von XXX nach XXX wurde am 29.06.2006 eingetragen. Komplementärin ist seither die XXX Beteiligungsgesellschaft mbH, XXX. Deren Geschäftsführerin war und ist Frau Dr. XXX. Am 03.11.2008 wurde eine erneute Umfirmierung der Beklagten zu 1) eingetragen. Die Firma lautet seither wie aus dem Passivrubrum ersichtlich, nämlich XXX GmbH & Co KG.

Ebenfalls im Jahr 2005, nämlich wurde die XXX GmbH & Co. KG gegründet. Komplementärin war die XXX Verwaltungs GmbH. Geschäftsführer der Komplementärin war zunächst Herr XXX. Ab 1. Februar 2007 wurde der Beklagte zu 2) weiterer Geschäftsführer. Die XXX GmbH & Co. KG ist nach Austritt ihrer Komplementärin im Dezember 2008 erloschen. Gesamtrechtsnachfolgerin wurde die XXX Handel und Service GmbH. Wegen weiterer Einzelheiten der Gesellschaftsverhältnisse wird auf den Gesellschaftsvertrag (Anlage B 2, Bl. 98 ff d. A.) und auf die Handelsregisterauszüge (Anlagen B 1, Bl. 95 ff d. A. und B 3, Bl. 106 ff d. A.) verwiesen.

Die mittlerweile erloschene XXX GmbH & Co. KG war als Full-Service-Provider für digitale Werbeflächen tätig. Sie bot ihren Kunden die Möglichkeit, digitale Plakate zu betreiben. Die Besonderheit bestand darin, dass der Kunde die Inhalte der digitalen Werbeplakate selbst am eigenen Rechner festlegen konnte. Die XXX GmbH & Co. KG stellte dem Kunden eine Design-Vorlage (Template) zur Verfügung, die der Kunde in Verbindung mit Bildern und Texten zu eigenen Werbeauftritten zusammenstellen konnte. Die Übertragung der Daten des Kunden erfolgte über Mobilfunk. Der Kunde schloss einen Nutzungsvertrag mit der XXX GmbH & Co. KG. Diese nutzte für ihre Dienstleistung gegenüber ihren Kunden die vom Kläger entwickelte Software. Es ist das Anwendungsprogramm, das die Erstellung und Bearbeitung der Werbetexte durch den Kunden und die Übertragung der Inhalte mittels Mobilfunkverbindung vom Server an das jeweilige Ausgabegerät (das Panel) ermöglicht. Die erforderliche Verbindung zwischen Server und Ausgabegerät wird dabei über sogenannte CF-Karten hergestellt. Jedes Ausgabegerät ist auf dem Server über eine Identifikationsnummer (ID) gekennzeichnet. Hinsichtlich weiterer Details des Geschäftsmodells wird auf die Darstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 12. Mai 2011, dort Seite 3 (Bl. 80 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat das €SmartPanel€ entwickelt, an den Entwicklungskosten hat sich die XXX GmbH & Co. KG beteiligt, wobei der Anteil zwischen den Parteien streitig ist.

Im November 2006 war die XXX GmbH & Co. KG im Begriff, einen Großkunden, die Firma XXX zu akquirieren. In diesem Zusammenhang schickte zunächst Herr XXX, Kundenbetreuer bei der XXX GmbH & Co. KG, eine mail an den Kläger (Anlage K 8, Bl. 98 d. A.), die der Kläger am 30. November beantwortete. Er formuliert darin unter anderem Folgendes:

€ 1. Der Dienstleistungsvertrag mit XXX wird seitens der XXX GmbH & Co. KG geschlossen.2. Dieser Vertrag wird mit der €neuen€ XXX Beteiligungsgesellschaft geschlossen. Ein Lizenzvertrag bezüglich der anderen Punkte in der laufenden Verhandlung (aus der XXX ausgeklammert ist) würde ebenfalls mit der €neuen€ XXX Beteiligungsgesellschaft geschlossen.€

Weiter ist in der E-Mail eine Vergütungsregelung enthalten (Einmalzahlung und 10,00 € monatlich pro ID. Dann heißt es:

€Diese Vereinbarung kann gekündigt werden, wenn das Vertragsverhältnis zwischen XXX und der XXX Beteiligungsgesellschaft beendet wird.€

Und schließlich:

€Eine Abrede zum sogenannten €Treuhandserver€ bezüglich Installation, Test, Bezahlung und Zugriff bzw. Prozedere zu Änderungen und Software updates wird gesondert getroffen.€

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Anlage K 4 (Bl. 9 d. A.) Bezug genommen. Die E-Mail trägt die volle Unterschrift des Beklagten zu 2), das Datum 30. November 06 und den handschriftlichen Zusatz €Für die XXX Beteiligungsgesellschaft€. Der Beklagte zu 2) hat außerdem im Mai 2007 einen Vertrag für die XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG unterzeichnet, der Regelungen zum Treuhandserver enthält. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 5 (Bl. 10 d. A.) Bezug genommen. Die operative Abwicklung der Vereinbarung gemäß Anlage K 4 erfolgte durch die XXX GmbH & Co. KG. Der Kläger richtete auch seine Rechnungen an die XXX GmbH & Co. KG, die von dieser (teilweise) beglichen wurden.

Bereits vor November 2006 hatten der Kläger und die XXX GmbH & Co. KG über einen Lizenzvertrag über die Nutzung des €SmartPanel€ verhandelt. Ein Von dem Bevollmächtigten des Klägers erstellter Entwurf dazu datiert vom 05.09.2006 (Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage B 20, Bl. 129 ff d. A.). Im November 2007 verhandelten der Kläger und die XXX GmbH & Co. KG wiederum, ohne allerdings eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Mit Schreiben vom 26. Januar 2010, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Anlage B 24, Bl. 147 d. A.), kündigte die XXX Handel und Service GmbH gegenüber dem Kläger €vorbehaltlich der Tatsache, dass zwischen uns überhaupt ein Dauerschuldverhältnis bestehen würde € sämtliche zwischen uns bestehende Vertragsverhältnisse außerordentlich mit sofortiger Wirkung.€

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2) sei als Investor der eigentliche Motor und der bestimmende Faktor bei der gesamten geschäftlichen Entwicklung gewesen. Der Kläger meint, die Anlage K 4 sei ein Lizenzvertrag. Er behauptet, dieser Vertrag sei geschlossen worden, um nicht im Falle einer Insolvenz der XXX GmbH & Co. KG in Schwierigkeiten zu geraten. Die Beklagte zu 1) habe es billigend in Kauf genommen, dass der Beklagte zu 2) für sie rechtsgeschäftlich in Erscheinung getreten sei und Verträge für die XXX Beteiligungsgesellschaft unterzeichnet habe. Die Beklagte zu 1) habe gewusst, was vor sich gegangen sei. Frau Dr. XXX als gewissenhafte Geschäftsführerin müsse das Geschäftsgebaren des Beklagten zu 2) bekannt gewesen sein. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Ehemann der Geschäftsführerin gleichzeitig Gesellschafter und Bevollmächtigter gewesen sei. Herr Rechtsanwalt XXX sei über die geschäftliche Entwicklung als ständiger Rechtsberater der Firmengruppe XXX über die geschäftlichen Aktivitäten voll informiert gewesen. Dessen Informationsstand sei dann auch bei seiner Ehefrau, Frau Dr. XXX, vorhanden gewesen. Außerdem treffe Frau Dr. XXX eine gesteigerte Verantwortung deshalb, weil sie an mehreren Gesellschaften ihres Ehemannes als Geschäftsführerin eingesetzt gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags in soweit wird auf den Schriftsatz vom 9. Juni 2011, dort unter II. (Bl. 160 ff d. A.) und auf den Schriftsatz vom 8. September 2011, dort unter 1. (Bl. 287 f d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat mit der Klage, die er zunächst nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtet hat, und die dieser am 14.01.2011 zugestellt worden ist, zunächst € 10.075,54 geltend gemacht. Er hat dazu die Rechnung vom 18. Dezember 2007 (Anlage K 6, Bl. 12 d. A.) über brutto € 8.163,40, auf die die XXX GmbH & Co. KG unstreitig € 6.453,56 gezahlt hat, so dass € 1.709,84 offenstehen und die Rechnung vom 11. Januar 2008 über € 8.365,70 (Anlage K 7, Bl. 13 d. A.), auf die unstreitig keine Zahlung erfolgt ist, vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 20.04.2011 (Bl. 62 ff d. A.), dem Beklagten zu 2) am 30.04.2011 zugestellt, richtet er seine Klage auch gegen den Beklagten zu 2). Aus weiteren Rechnungen, die vom 5. März 2008, 2. April 2008, 4. Juli 2008, 5. August 2008, 3. November 2008 und vom 31. Dezember 2008 datieren, macht der Kläger Teilforderungen geltend. Die genauen Beträge ergeben sich aus der Zusammenstellung im Schriftsatz vom 24. Oktober 2011, dort Seite 7 f (Bl. 307 ff d. A.). Die Zustellung der Klagerhöhung ist am 14.11.2011 erfolgt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger € 23.381,75 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz auf € 10.075,54 ab Klagerhebung zu zahlen und auf weitere € 13.306,21 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz ab Klagerhöhung zu zahlen,den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an den Kläger € 23.381,75 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz auf € 10.075,54 ab Klagerhebung zu zahlen und auf weitere € 13.306,21 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz ab Klagerhöhung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die in Rede stehende Software sei erst durch die Mitwirkung und finanzielle Unterstützung der mittlerweile erloschenen XXX GmbH & Co. KG zur Marktreife geführt worden. Der Kläger habe sich jeden einzelnen Entwicklungsschritt von der genannten Gesellschaft bezahlen lassen. Wegen nicht zu überwindender Differenzen sei es allerdings nicht zu einer schriftlichen Fixierung des Entwicklungsvertrages gekommen. Bei der Vereinbarung gemäß Anlage K 4 handele es sich um eine Notvereinbarung, zu deren Abschluss die XXX GmbH & Co. KG faktisch durch den Kläger gezwungen worden sei. Zu jenem Zeitpunkt habe nämlich der Kläger alleinigen Zugriff auf den Server mit den Kundeninhalten gehabt. Gelegentlich habe der Kläger zur Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Belange den Server einfach abgeschaltet. Dadurch habe die XXX GmbH & Co. KG ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden teilweise nicht erfüllen können. Um Derartiges bei dem neu gewonnenen Großkunden XXX zu verhindern, sei die Einrichtung eines Treuhandservers beschlossen worden. Diese €Notvereinbarung€ sei zwischen dem Kläger und der XXX GmbH & Co. KG zustande gekommen, denn nur diese habe Geschäftsbeziehungen zum Kläger unterhalten. Die Benennung der XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG in der E-Mail sei eine offensichtliche Falschbezeichnung.

Die Beklagten machen außerdem geltend, dass die Software fehlerhaft gewesen sei, weil sie ein Datenmehrvolumen erzeugt habe. Dadurch seien der XXX GmbH & Co. KG Mehrkosten gegenüber dem Mobilfunkanbieter in Höhe von 10.075,54 € entstanden. Mit dieser Forderung habe die XXX GmbH & Co. KG wirksam die Aufrechnung erklärt (Anlage B 25, Bl. 151 d. A.). Daneben bestünden Minderungsrechte, weil die Software weitere Mängel aufgewiesen habe. Der Kläger habe kein Benutzerhandbuch zur richtigen Verwendung der angepassten Software übergeben. Ebenso sei keine Übergabe der Quellcodes an die XXX GmbH & Co. KG erfolgt.

Der Beklagte zu 2) erhebt die Einrede der Verjährung.

Am 17.12.2012 ist ein Schriftsatz des Klägers vom selben Tag bei Gericht eingegangen. Darin stellt der Kläger €kurzgefaßt- um rund € 38.000,00 erhöhte Anträge gegenüber der Beklagten zu 1 und ebenso gegenüber dem Beklagten zu 2. Gleichzeitig ist in dem Schriftsatz eine Erweiterung der Klage auf die XXX Handel und Service GmbH enthalten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber gegenüber beiden Beklagten nicht begründet.

Als rechtliche Grundlage für einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) kommt nur die Vereinbarung in Anlage K 4 in Betracht. Anlage K 4 stellt zwar einen Dienstleistungsvertrag dar für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen, nämlich die Bereitstellung von EOS-Image und SSH-Key-Dateien (IDs) und die Möglichkeit der Softwarenutzung gegen ein in der E-Mail genau bezeichnetes Entgelt. Ob es sich dabei um einen Lizenzvertrag handelt, wie der Kläger meint, kann offen bleiben.

Denn der Vertrag ist nicht wirksam zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Die Beklagte zu 1) firmierte im November 2006 als XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG. Sie wurde durch ihre Komplementärin, die XXX Beteiligungsgesellschaft mbH, diese durch ihre Geschäftsführerin Frau Dr. XXX, vertreten. Anlage K 4 ist indessen nicht von ihr, sondern von dem Beklagten zu 2) unterzeichnet. Der Beklagte zu 2) war im November 2006 jedoch nicht zur Vertretung der Beklagte zu 1) befugt. Er war weder gesetzlicher Vertreter, noch bestand eine rechtsgeschäftliche Vollmacht.

Der Beklagte zu 2) hat die Beklagte zu 1) auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Duldungsvollmacht wirksam verpflichtet. Eine Duldungsvollmacht ist nur gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt (Palandt, BGB, 72. Auflg., § 172 Rn 8). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, aufgrund welcher Umstände Frau Dr. XXX gewusst habe, dass der Beklagte zu 2) als Vertreter für die XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG auftrete. Mit der Behauptung, die Beklagte zu 1) habe es billigend in Kauf genommen, dass der Beklagte zu 2) für sie rechtsgeschäftlich handele, ist nicht vorgetragen, dass die Geschäftsführerin der Komplementärin, auf die es in diesem Zusammenhang ankommt, positiv wusste, dass der Beklagte zu 2) für die Beklagte zu 1) als Vertreter auftrat. Ebenso wenig kann aus der Behauptung, Frau Dr. XXX müsse das Geschäftsgebaren des Beklagten zu 2) bekannt gewesen sein, auf ein positives Wissen bei Frau Dr. XXX geschlossen werden. Konkrete Umstände, woher dieses Wissen rühren könnte, hat der Kläger nämlich nicht vorgetragen.

Eine rechtliche Bindung der Beklagten zu 1) folgt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anscheinsvollmacht. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Erforderlich für die Zurechnung des Handelns des Scheinvertreters ist damit ein schuldhaft verursachter Rechtsschein (Palandt, § 172 Rn 11). Auch insoweit liegt indessen kein ausreichend substantiierter Vortrag des Klägers vor. Der Kläger hat lediglich sehr pauschal die Verletzung von Informations- und Kontrollpflichten durch die Geschäftsführerin Frau Dr. XXX behauptet. Auch der Vortrag, über ihren Ehemann sei Frau Dr. XXX über die geschäftlichen Aktivitäten voll informiert gewesen, ist zu allgemein und deshalb nicht ausreichend.

Unabhängig davon ist die Annahme einer Anscheinsvollmacht dann ausgeschlossen, wenn der andere Teil, hier also der Kläger, den Mangel der Vollmacht kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte (Palandt, § 172 Rn 15). So liegt es hier. Denn der Kläger wusste, dass der Beklagte zu 2) für die XXX GmbH & Co. KG nicht vertretungsberechtigt war. Er musste deshalb mindestens Zweifel haben, ob der Beklagte zu 2) für die XXX Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG vertretungsberechtigt war. Dass er diese Zweifel vor Vertragsschluss nicht ausgeräumt hat, geht zu seinen Lasten.

Ebenso wenig haftet die Beklagte zu 1) auf gesetzlicher Grundlage. Unabhängig von allem anderen scheitern Ansprüche auf Schadensersatz wegen widerrechtlicher Nutzung von Software oder der widerrechtlichen Inanspruchnahme von IT-Dienstleistungen (§ 97 UrhG) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) jedenfalls daran, dass die Beklagte zu 1) unstreitig in dem hier in Rede stehenden Zeitraum keine geschützten Rechte oder fremde Dienstleistungen in Anspruch genommen hat. Vielmehr war es die XXX GmbH & Co. KG, die die Software und Dienstleistungen nutzte und gegenüber der der Kläger konsequenterweise auch abgerechnet hat.

Die Klage ist auch gegenüber dem Beklagten zu 2) unbegründet. Obwohl der Beklagte zu 2) nach dem oben Gesagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist, als er die Anlage K 4 unterzeichnete, haftet er dem Kläger nicht aus § 179 BGB. Zwar ist der von dem Beklagten zu 2) unterzeichnete Vertrag gem. Anlage K 4 nicht zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Es ist aber zeitgleich durch schlüssiges Verhalten ein inhaltsgleicher Vertrag zwischen dem Kläger und einem anderen Rechtssubjekt, nämlich der XXX GmbH & Co. KG zustande gekommen. Denn die letztgenannte Firma hat die Software und die Dienstleistungen des Klägers in Anspruch genommen und im Verhältnis zu ihren eigenen Kunden, insbesondere eben dem Großkunden XXX eingesetzt und für ihre eigenen geschäftlichen Tätigkeiten verwandt. Auch die Abrechnung erfolgte zwischen dem Kläger und der XXX GmbH & Co. KG. Der Kläger hat sämtliche Rechnungen an die genannte Gesellschaft adressiert und dabei die inhaltlichen Regelungen aus Anlage K 4 zugrunde gelegt. Die XXX GmbH & Co. KG hat ihrerseits Gegenrechte aus dem Vertrag gemäß Anlage K 4 gegenüber dem Kläger geltend gemacht, wie sich aus Anlage B 25 ergibt.

Neben diesem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der XXX GmbH & Co. KG kann nicht gleichzeitig eine Haftung des Beklagten zu 2) aus § 179 BGB stehen. Es käme dann nämlich zu einer Verdoppelung der Vertragspartner des Klägers und damit zu unauflösbaren Widersprüchen bzw. Kokurrenzen. Denn der vollmachtlose Vertreter wird zwar nicht zum Vertragspartner, tatsächlich führt § 179 BGB aber dazu, dass er die Stellung eines Vertragspartners erlangt und einen gesetzlichen Erfüllungsanspruch hat und insbesondere auch die Einreden und Rechte aus §§ 320 und 323 ff BGB erlangt. Gleichzeitig richten sich alle Rechte aus dem Schuldverhältnis gegen ihn (Palandt, § 179 Rn 5). Wollte man hier eine Haftung des Beklagten zu 2) aus § 179 BGB annehmen, stünde diese Haftung konkurrierend neben der Haftung der XXX GmbH & Co. KG. Weder kann der Kläger aber seine Verpflichtungen sowohl gegenüber dem Beklagten zu 2) als auch gegenüber der XXX GmbH & Co. KG erbringen noch ist es sachgerecht, dass der Kläger seine vertraglichen Ansprüche wahlweise gegenüber dem Beklagten zu 2) oder der XXX GmbH & Co.KG geltend machen könnte (und der jeweils andere hätte die Einrede des nicht erfüllten Vertrages). Außerdem besteht auch überhaupt kein Bedürfnis für die Anwendung des § 179 BGB, denn die Vorschrift ist keine Norm zur Bestrafung des vollmachtlosen Vertreters, sondern eine Vorschrift, die dem Schutz des Vertragspartners dient, der sich auf den Bestand einer Vollmacht verlässt (sofern er nicht fahrlässig ist, wie sich aus Abs. 3 der Vorschrift ergibt, nach der die Haftung ausgeschlossen ist, wenn der Vertragspartner den Mangel der Vollmacht kannte oder kennen musste). Dementsprechend ist für eine Haftung des vollmachtlosen Vertreters jedenfalls dann kein Raum, wenn der Vertragspartner € wie hier - genau diesen Vertrag mit einem Dritten wirksam geschlossen und auch ausgeführt hat.

Auf etwaige Gegenrechte der Beklagten kommt es somit nicht an.

Schließlich ist festzuhalten, dass weder eine wirksame Erweiterung der Klage auf die XXX Handel und Service GmbH vorliegt, noch eine Erhöhung der Klage gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 2) auf rund € 72.000,00 wie im Schriftsatz vom 17.12.2012 formuliert. Der XXX Handel und Service GmbH ist kein Schriftsatz zugestellt worden. Ein Prozessverhältnis zu ihr ist nicht begründet worden. Auch die Beklagten zu 1) und zu 2) haben den Schriftsatz vom 17.12.2012 nur formlos zu Kenntnis erhalten. Eine Zustellung des Schriftsatzes vom 17.12.2012 im Rahmen dieses Rechtsstreits war auch nicht geboten. Die mündliche Verhandlung war geschlossen. Ein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) lag nicht vor. Es ist insbesondere kein erforderlicher Hinweis des Gerichts unterblieben. Erforderlich ist ein Hinweis nur dann, wenn eine Partei einen Gesichtspunkt erkennbar übersehen hat (§ 139 Abs. 2 ZPO). Das war hier nicht der Fall. Die Parteien haben sich alle in ihren zahlreichen Schriftsätzen mit der Frage auseinandergesetzt, wer aus der Anlage K 4 verpflichtet ist. Zwar hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2011 einen Anspruch des Klägers aus § 179 BGB in Betracht gezogen. Es war aber nicht erforderlich, dass das Gericht vor der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2012 daraufhin weist, dass dieser Anspruch im Ergebnis nicht durchgreife. Denn die Beklagten haben in ihren nachfolgenden Schriftsätzen sehr deutlich gemacht, dass die Anwendung des § 179 BGB aus Rechtsgründen auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts ausgeschlossen ist. Den maßgebliche Grund, dass nämlich die Geschäftsbeziehung einschließlich der Vereinbarung gemäß Anlage K 4 zwischen dem Kläger und der XXX GmbH & Co. KG bestand und von diesen beiden €gelebt€ wurde, hat der Kläger nie in Abrede gestellt. Dass er aber nicht zwei Vertragspartner haben kann, muss ihm klar gewesen sein. Außerdem haben die Beklagten dem Kläger sogar einen €Ausweg€ gewiesen, indem sie anheimstellten, dass der Kläger sich doch an die Rechtsnachfolgerin der XXX GmbH & Co. KG halten könnte (Schriftsatz vom 07.09.2011 unter 2., Bl. 226 d. A.). Dass der Kläger daraus nicht die gebotenen Konsequenzen gezogen hat, namentlich die XXX verklagt oder ihr zumindest den Streit verkündet hat, fällt in seinen Entscheidungs- und damit Verantwortungsbereich. Die Neutralitätspflicht des Gerichts stand einem Hinweis auf Klagerweiterung bzw. Streitverkündung entgegen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Kiel:
Urteil v. 14.01.2013
Az: 2 O 292/10


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