Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 7. April 2011
Aktenzeichen: 2 U 170/10
(OLG Stuttgart: Urteil v. 07.04.2011, Az.: 2 U 170/10)
Tenor
1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 20 Kammer für Handelssachen des Landgerichts Tübingen vom 29. November 2010 (Az.: 20 O 86/10 KfH) wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.000,- EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung aus Wettbewerbsverstoß in Anspruch.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der Vorsitzenden der 20 Kammer für Handelssachen des Landgerichts Tübingen vom 29. November 2010 (Az.: 20 O 86/10 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat seine Beschlussverfügung durch Urteil bestätigt und hierzu ausgeführt:
Der Antrag sei hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Die Formulierung in deutlich lesbarer Druckgröße" sei auslegungsbedürftig, lasse sich aber an Hand der in Bezug genommenen Werbung eindeutig ermitteln.
Die Werbung sei unlauter gem. § 3 Abs. 2 UWG. Die bloße Testhinweiswerbung falle zwar nicht unter § 6 UWG. Die Werbung verstoße aber unmittelbar gegen § 3 UWG, weil der Verbraucher nicht leicht, eindeutig und in deutlicher Schrift darauf hingewiesen werde, wo er nähere Angaben zu dem jeweiligen Test erhalten könne.
Es sei ein Gebot der fachlichen Sorgfalt, mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet werde, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehle es daran, werde die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt.
Die allgemeinen Grundsätze ließen sich auf Testergebnisse in Fachzeitschriften übertragen. Zwar bestünden, anders als zur Werbung mit Testergebnissen der Stiftung Warentest, keine gesonderten Empfehlungen der Zeitschrift Öko Test zur Angabe der Fundstelle bei einer werblichen Verwendung ihrer Testergebnisse. Die für die Empfehlung der Stiftung Warentest maßgebenden Gründe gälten jedoch auch hier, da die von der Stiftung Warentest ausdrücklich verlangte Fundstellenangabe sich auch im Hinblick auf die Werbung mit Testergebnissen von Fachzeitschriften zur Gewährleistung der Nachprüfbarkeit des Testaufbaus, seiner Durchführung und der Testergebnisse als erforderlich erweise, um die notwendige Transparenz herzustellen. Der fehlenden Fundstellenangabe sei die nicht ausreichend deutlich lesbare gleichzusetzen.
Auf die Anforderungen an die Lesbarkeit ließen sich die Grundsätze übertragen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der früheren Fassung des § 4 Abs. 4 HWG aufgestellt worden seien. Lesbarkeit für den normalsichtigen Betrachter ohne besondere Konzentration und Anstrengung sei geboten. Dem genüge der winzige Schriftgrad der angegriffenen Werbungen nicht. Es lägen auch keine Besonderheiten der grafischen Gestaltung vor, die die in der geringen Schriftgröße begründete Lesbarkeitserschwerung ausglichen.
Die Möglichkeit des Verbrauchers, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen, sei dadurch beeinträchtigt, was eine informierte Entscheidung des Verbrauchers behindere.
Die Verfügungsbeklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Sie bringt vor:
Der Verfügungsantrag sei zu unbestimmt. Im Laufe des Rechtsstreits habe die Klägerin zwar klargestellt, dass sich ihr Unterlassungsantrag gegen alle drei Fundstellenangaben in der beanstandeten Werbung richte, aber es bestehe weiterhin ein Bestimmtheitsmangel hinsichtlich der geforderten Mindestgröße einer Fundstellenangabe in Zukunft. Die Lesbarkeit hänge auch nicht nur von der Schriftgröße ab, sondern beispielsweise auch vom Kontrast.
Die daraus resultierenden Unsicherheiten dürften nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dies geschehe aber durch den Verfügungsantrag.
Die Verfügungsklägerin habe ihren Unterlassungsanspruch auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG gestützt. Diesen Anspruch habe das Landgericht Tübingen zu Recht verneint. aber zu Unrecht - und wohl auch zur Überraschung der Klägerin - den Tatbestand des § 3 Abs. 2 UWG erfüllt gesehen.
Nach der UWG-Reform 2008 müssten im konkreten Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 UWG vom Gericht geprüft werden, was das Landgericht schlichtweg unterlassen habe.
Zur Schriftgröße von Fundstellenangaben bzw. Testwerbungen gebe es keine gesetzlichen Vorgaben. Weder die Zeitschrift ÖKOTEST noch die Stiftung Warentest sähen in ihren Regelwerken Vorgaben zur Schriftgröße vor. Der Bundesgerichtshof habe nur zur gänzlich fehlenden Fundstellenangabe entschieden und zu nicht in unmittelbarer Nähe zum zitierten Testergebnis stehenden.
Eine deutliche bzw. gute Lesbarkeit wie z.B. bei Pflichtangaben im Heilmittelwerbegesetz sei nicht von der Verfügungsbeklagten geschuldet. Eine Erschwerung für den Leser, sich den Test zu beschaffen, sei im vorliegenden Fall aufgrund der Schriftgröße allenfalls unerheblich.
Das gegenläufige Ergebnis des Landgerichts sei nicht nachvollziehbar, insbesondere bei der größeren Fundstellenangabe zur "Reinigungsmilch". Zudem sei nicht allein auf die Schriftgröße abzustellen. Die Fundstellen seien zumindest bei gewisser Konzentration durchaus lesbar.
Ausweislich der Ausführungen der Beklagten-Mitarbeiterin N. G., denen in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin auch nicht widersprochen worden sei, seien die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahre (Protokoll vom 11.11.2010, S. 2), also Adressaten, die ihrer Sehkraft noch üblicherweise in überwiegendem Maße mächtig seien oder notfalls dies durch Kontaktlinsen oder Brillen korrigierten. Es gebe also keine besonderen Anforderungen an die Schriftgröße bezüglich der Lesbarkeit.
In der streitgegenständlichen Zeitschrift ÖKOTEST, Ausgabe September 2010, fänden sich auf den Seiten 19, 39, 45 und 67 bspw. weitere Testwerbungen, in denen die Fundstellenangaben eine vergleichbare oder noch kleinere Schriftgröße aufwiesen. Es handele sich also bei den gerügten Fundstellenangaben durchaus um übliche Gepflogenheiten. Ob diese Marktgepflogenheiten anständig bzw. unanständig im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG seien, habe das Landgericht Tübingen nicht geprüft. Das zitierte Urteil KG, Urteil vom 14.09.1993, 5 U 5035/93, reiche nicht aus, um den üblichen bzw. gebotenen derzeitigen Standard zu ermitteln.
Eine Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit reiche für die geschäftliche Relevanz im Sinne von § 3 Abs. 2 S.1 UWG nicht aus. Es müsse noch die Eignung hinzukommen, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Im vorliegenden Fall sei die Testwerbung inhaltlich korrekt. Auch fehle die Fundstellenangabe nicht, sie sei lediglich für manche Betrachter eventuell schwer lesbar, so dass es einer gewissen Konzentration bei der Entzifferung bedürfe. Dieses vorwerfbare Versäumnis sei jedoch keinesfalls geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht gemacht hätte. Ein Kunde werde eher darüber verärgert sein, wenn er eine Fundstellenangabe nicht lesen könne, was sich eher negativ auf seine spätere potentielle Kaufentscheidung auswirken könne.
Einem interessierten Leser könne zugemutet werden, notfalls die erforderliche Konzentration und Zeit für das Entziffern der Fundstellenangabe aufzubringen.
Die Beklagte verweist auf LG Hannover, Urteil vom 12.10.2010 - 24 0 58/10, S. 4.
Die Berufungsklägerin beantragt,
die Beschlussverfügung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und ergänzt:
Das OLG Celle habe in dem Berufungsverfahren zu dem von der Beklagten erwähnten Urteil des Landgerichts Hannover angeregt, den Anspruch anzuerkennen (Hinweis vom 21. Dezember 2010 - 13 U 172/10, BE 2).
Der Verfügungsantrag sei eindeutig, da er sich auf die konkrete Verletzung beziehe. Es liege in der Verantwortung der Verfügungsbeklagten, den Kern des Unterlassungsversprechens zu beachten. Wähle sie eine 6-Punkt-Schrift, so habe sie nach der Rechtsprechung den Kern des Unterlassungsgebots eindeutig hinter sich gelassen.
Dass eine ausdrückliche gesetzliche Vorgabe fehle, sei unerheblich. Gut lesbar werde die Werbung erst, wenn man sie auf das Doppelte vergrößere (vgl. A 6).
Die Werbung richte sich an alle Leser der Zeitschrift ÖKOTEST. Es sei verfehlt, sie auf die Lesergruppe Frauen zwischen 30 und 40 Jahren zu beschränken. Selbst für diese Gruppe treffe der Unlauterkeitsvorwurf aber zu.
Andere Anzeigen rechtfertigten den Verstoß nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 24. März 2011 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.A
Der Verfügungsantrag ist hinreichend bestimmt. Zwar wäre die Antragsformulierung unzureichend, wenn das Wort deutlich den Streit über die Grenzen des Verbotes in das Vollstreckungsverfahren verschöbe. Aber schon der Wortlaut des Antrages stellt klar, dass es dem Verfügungskläger um die Druckgröße zu tun ist. Hinzu kommt, dass der Verfügungskläger auch in seinem Sachvortrag ausdrücklich auf die Schriftgröße abstellt, wohingegen andere Parameter wie der Kontrast, die die Verfügungsbeklagte heranzieht, in den in Bezug genommenen Anzeigen keine Rolle spielen und vom Kläger auch nicht herangezogen werden (strenger KG, Beschluss vom 11. Februar 2011 - 5 W 17/11, bei juris Rz. 14 m.w.N.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 04. Oktober 2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 - Versandkosten, bei juris Rz. 14, m.w.N.).
Außerdem nimmt der Antrag die konkrete Verletzungshandlung in Bezug, so dass schon dadurch der Kern des Verbots genau umschrieben ist (vgl. auch Senatsurteil vom 17. Februar 2011 - 2 U 65/10 - Vitalsana; OLG Köln, MD 2010, 738, bei juris Rz. 28) und also auch der lauterkeitsrechtliche Kern des Verstoßes (vgl. zur Bestimmung des Unlauterkeitskerns Senatsurteil vom 30. September 2010 - 2 U 45/10 - Christophorus).B
Das Landgericht hat die angegriffenen Werbung zurecht und mit zutreffender Begründung als unlauter im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG angesehen. Die Angriffe der Berufung vermögen das nicht an von Amts wegen zu berücksichtigenden Fehlern leidende Urteil nicht zu erschüttern. Vorab kann auf die Begründung des Landgerichts billigend Bezug genommen werden; ergänzend ist in rechtlicher Hinsicht noch auf § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UWG hinzuweisen.1.
Das Landgericht hat die maßgebende Rechtslage richtig erkannt.a)
In eine Werbung aufgenommene Angaben über Testurteile müssen leicht und eindeutig nachprüfbar sein. Das setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Fundstelle für den Test angegeben wurde, sondern auch, dass diese Angabe für den Verbraucher aufgrund der Gestaltung der Werbung leicht auffindbar ist. An dieser bereits zum alten UWG durch den Bundesgerichtshof bestätigten Rechtslage hat sich durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht nichts geändert (BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - I ZR 50/07, GRUR 2010, 248, 251, Tz. 31 ff - Kamerakauf im Internet; KG, Beschluss vom 11. Februar 2011 - 5 W 17/11, bei juris Rz. 5 ff.). Nach § 5a Abs. 2 UWG 2008 handelt unlauter, wer die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG 2008 dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Nach § 3 Abs. 2 UWG 2008 sind geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es ist ein Gebot der fachlichen Sorgfalt, mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet wird, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehlt es daran, beeinträchtigt dies die Möglichkeit des Verbrauchers, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen. Dadurch wird die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG zu treffen, spürbar beeinträchtigt (BGH, a.a.O., Kamerakauf im Internet; KG, a.a.O., bei juris Rn 6 u.H. auf sein Urteil vom 08. Juni 2010 - 5 U 30/09, Umdruck S. 6; OLG Hamburg, WRP 2007, 557).b)
Die Berufung kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Bundesgerichtshof habe nur zur gänzlich fehlenden Fundstellenangabe entschieden und zur nicht in unmittelbarer Nähe zum zitierten Testergebnis stehenden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - I ZR 50/07, GRUR 2010, 248, 251 - Kamerakauf im Internet). Dabei verkennt sie nämlich den vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Zweck der in jenen Fällen statuierten Vorgaben, dem Verbraucher eine weitergehende Information zu ermöglichen. Zwar steht es dem Werbenden frei, auch ihm bekannte Testergebnisse überhaupt nicht zu erwähnen. Nutzt er sie aber werblich, so hat er auch die Obliegenheit, die Fundstelle offen zu legen. Der unzureichend gestaltete Hinweis erfüllt nicht den verfolgten Zweck, eine leichte und eindeutige Nachprüfbarkeit der Angaben über Testurteile zu gewährleisten (KG, a.a.O., bei juris Rz. 8, m.w.N.).c)
Der Umstand, dass es zur Schriftgröße von Fundstellenangaben bzw. Testwerbungen keine allgemeinen, gesetzlichen Vorgaben gibt, bedeutet nicht, dass es dem Werbenden frei steht, wie er einen solchen Fundstellennachweis behandelt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu mehrfach Stellung bezogen; auch mehrere Oberlandesgerichte haben sich damit befasst. Das Landgericht hat diese Rechtsprechung zutreffend und den Zweck eines solchen Hinweises würdigend erwogen.d)
Auf die Anforderungen an die Lesbarkeit lassen sich die Grundsätze übertragen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Lesbarkeit der Pflichtangaben im Rahmen der Heilmittelwerbung aufgestellt hat, wonach Pflichtangaben "erkennbar" sein müssen. Dies bedeutet in der Auslegung des Bundesgerichtshofs Lesbarkeit für den normalsichtigen Betrachter ohne besondere Konzentration und Anstrengung. Diese Voraussetzung ist im Regelfall nur bei Verwendung einer Schrift erfüllt, deren Größe 6-Punkt nicht unterschreitet, wenn nicht besondere, die Deutlichkeit des Schriftbildes in seiner Gesamtheit fördernde Umstände die tatrichterliche Würdigung rechtfertigen, dass auch eine jene Grenze unterschreitende Schrift ausnahmsweise noch ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar ist (KG, a.a.O., bei juris Rz. 9, m.w.N. auch zu ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes).e)
Nicht mehr hinreichend erkennbare notwendige Werbeangaben sind geeignet, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Auf eine besondere Schutzbedürftigkeit im Zusammenhang mit Werbeaussagen, wie etwa für Heilmittel, kommt es dabei nicht an. Darauf stellen die vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidungen zur Lesbarkeit nicht maßgeblich ab. Ebenso wenig kommt es in diesem Zusammenhang auf das zwischenzeitlich geänderte Verbraucherleitbild (nunmehr nicht der flüchtige, sondern der verständige Durchschnittsverbraucher) an. Tatsächlicher Anknüpfungspunkt ist die Normalsichtigkeit, d.h. eine durchschnittlich normale Sehfähigkeit, also eine Sehfähigkeit mit einer gewissen Schwankungsbreite um 100 % herum. Der Bundesgerichtshof stellt dabei auf den breiten Leserkreis der Werbung und auf die Erfahrung ab, dass die Sehfähigkeit insbesondere älterer Menschen nicht selten durch unbemerkte und unkorrigierte, aber auch durch - namentlich im Alter - nicht voll durch Sehhilfen korrigierbare Abweichungen vom 100 %-Wert beeinträchtigt sein kann, ohne dass dadurch die Fähigkeit verloren geht, die in Publikumszeitschriften an sich übliche Schriftgröße noch lesen zu können (BGH, Urteil vom 13. Mai 1987 - I ZR 68/85, GRUR 1988, 68, Lesbarkeit I, bei juris Rn. 16; KG, a.a.O., bei juris Rz. 9).f)
Diese Bezugsgruppe ist auch für die vom Senat zu treffende Entscheidung maßgebend. Eine Beschränkung auf die Zielgruppe Frauen zwischen 30 und 40 kann - ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieses Einwandes im Berufungsverfahren - nicht durchgreifen. Die Werbung richtet sich an alle Verbraucher, weil unstreitig in einer Zeitschrift erschienen, die nicht nur von dieser Zielgruppe gelesen wird, sondern auch von älteren Menschen. Außerdem kommt es nicht auf die betriebsintern von der Beklagten ins Visier genommene Zielgruppe an, da die beworbene Ware nicht nur für diese Zielgruppe geeignet ist und da auch ein Erwerb durch ältere Menschen, beispielsweise als Geschenk, ernstlich in Betracht kommt.g)
Die Heranziehung des Regelwertes der 6-Punkt-Schrift erlaubt nach wie vor den besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Ergebnisse und vermeidet willkürliche Entscheidungen, in denen auf die zufällige jeweilige (mehr oder weniger große, mehr oder weniger korrigierbare oder korrigierte) Sehkraft der jeweils entscheidenden Mitglieder der Gerichte abgestellt wird. Der Bundesgerichtshof stellt auch in seiner neueren Rechtsprechung darauf ab, dass die Angaben zu den Fundstellen der Testergebnisse "leicht und eindeutig nachprüfbar" bzw. "deutlich" erkennbar sein müssen (BGH, a.a.O., Kamerakauf im Internet, TZ. 30, 32; KG, a.a.O., bei juris Rz. 11).2.
Diesen Vorgaben genügt die angegriffene Werbung, wie vom Landgericht unangegriffen festgestellt, nicht.
Die Berufung räumt selbst ein, dass der Fundstellennachweis für Leser schwer zu entziffern sein könne. Sie meint jedoch zu unrecht, dem Verbraucher sei, wenn es ihn interessiere, der Aufwand zuzumuten, sich den Nachweis lesbar zu machen. Diese Argumentation führt offensichtlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei.3.
Dadurch tritt auch eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung der geschützten Belange ein. Denn der Hinweis auf das Testergebnis zeigt schon für sich genommen, dass die Verfügungsbeklagte dieses für marktrelevant erachtet. Damit geht aber unlösbar einher, dass auch die Fundstellenangabe an dieser Relevanz teilnimmt. Der Hinweis, dass der Kunde, der auf weitere Informationen Wert lege, das Produkt nicht kaufen werde, wenn er die Fundstelle nicht entziffern könne, verfängt nicht. Er ist schon durch den Ansatzpunkt der höchstrichterliche Rechtsprechung zum Fundstellennachweis bei Testergebnissen verworfen.4.
Der Umstand, dass andere Unternehmen in gleicher oder vergleichbarer Weise unlauter werben, nimmt der angegriffenen Werbung nicht die Unlauterkeit. In Bezug auf die Anständigkeit des Verhaltens kommt es zumindest mitentscheidend auf den von einer Vorgabe verfolgten Schutzzweck an. Für den Verbraucher spielt es keine Rolle, ob auch andere Anbieter den Fundstellennachweis nicht wie geboten geben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung ist per se vollstreckbar. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Eine Revisionszulassung kommt nicht in Betracht (§ 542 Abs. 2 ZPO).
OLG Stuttgart:
Urteil v. 07.04.2011
Az: 2 U 170/10
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