Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Oktober 2010
Aktenzeichen: 14 W (pat) 29/07
(BPatG: Beschluss v. 12.10.2010, Az.: 14 W (pat) 29/07)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Patent 10 2004 049 269 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010, Beschreibung Seiten 3 und 4, übereicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010, im Übrigen gemäß Patentschrift, 5 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrift.
Gründe
I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. September 2007 hat die Patentabteilung 23 des Deutschen Patentund Markenamts das Patent 10 2004 049 269 mit der Bezeichnung
"Verfahren und Vorrichtung zur gleichzeitigen Herstellung von Süßwaren in mehreren Produktsorten"
widerrufen.
Der Widerruf des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Verfahren nach dem seinerzeit unverändert geltenden erteilten Anspruch 1 gegenüber D1 DE2142158A unter Berücksichtigung des Fachwissens und Fachkönnens des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestünden keine Bedenken, da die Einsprechende sich in ihrem Einspruchsschriftsatz eingehend mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 auseinandersetze. Auf die weiteren im Einspruchverfahren genannten Dokumente D2 "Neues für die Süßwarenindustrie" in: Interpack, 2002, 1 Seite D3 KLÖCKNER HÄNSEL PROCESSING, "Jelly Blend Metering devices", 1 Seite B1 Eidesstattliche Erklärung von Herrn Gernot Müller vom 31. August 2006 D4 INTEC: "Dokumentation Project Efruti Jelly Blend", Version: V 1.2, 28. 5. 2002, S. 1 bis 34, S1 "Leerfahrten der Jelly Blend"
wurde im angefochtenen Beschluss nicht eingegangen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010 übereichten Ansprüchen 1 bis 10 weiterverfolgt. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 8 lauten wie folgt:
1. Verfahren zum Steuern einer Anlage zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien, bei dem eine für alle Produktlinien und Produktsorten bestimmte gemeinsame Basismasse in Teilmengen aufgeteilt wird, die einzelnen aufgeteilten Teilmengen jeweils mit den unterschiedlichen Produktsorten der Produktlinien zugeordneten Zuschlagsstoffen satzweise in je einem Produktbehälter vermischt werden, so dass in den Produktlinien satzweise unterschiedliche und mengenmäßig gleiche Produktmassen entstehen, die als Vorratsmassen in den Produktlinien parallel weiterverarbeitet werden, wobei der Verbrauch der Mengen der Vorratsmassen während der Weiterverarbeitung überwacht wird und in Abhängigkeit davon die Vorratsmassen der Produktlinien satzweise mit je einer mengenmäßig gleichen Produktmasse zeitversetzt nachgespeist werden, dadurch gekennzeichnet, dass nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel die nachfolgenden Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen relativ zu einer konstanten Produktmasse mit konstanter Satzzeit so verändert werden, dass sich zu einem nachfolgenden Zeitpunkt die Mengen an Vorratsmassen in allen Produktlinien gleichzeitig erschöpfen, wobei die Veränderung durch Satzverkleinerung oder Satzvergrößerung der Restsätze in den anderen Produktlinien relativ zu der einen Produktlinie geschieht.
8. Vorrichtung zum Steuern einer Anlage zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien, mit einem Basisbehälter für eine allen Produktmassen und Produktlinien gemeinsame Basismasse, den unterschiedlichen Produktsorten zugeordneten Produktbehältern für die satzweise Erstellung von Produktmassen in den einzelnen Produktlinien, Zuschlagsbehältern für Zuschlagsstoffe für jede Produktmasse jeder Produktlinie, je einem Vorratsbehälter für eine Vorratsmasse in jeder Produktlinie, aus dem heraus die Weiterverarbeitung der betreffenden Vorratsmasse zu der Produktsorte der betreffenden Produktlinie erfolgt, und die Behälter verbindenden Leitungen, in denen entsprechende Ventile vorgesehen sind, insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass eine gemeinsame Steuereinrichtung (31) für die den Behältern (14, 22, 18, 29) zugeordneten Ventile (21, 25, 28) und Wiegezellen (36) vorgesehen ist, jeder Vorratsbehälter (29) in jeder Produktlinie (16, 17 usw.) einen Sensor (35) zur Abgabe eines der Veränderung der Menge jeder Vorratsmasse (30) proportionalen Signals an die gemeinsame Steuereinrichtung (31) aufweist, und die Steuereinrichtung (31) eine Recheneinheit (32) zur Aufnahme der Signale der Sensoren (35), zur Berechnung veränderter Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen in den anderen Produktlinien relativ zu einer ersten Produktmasse in einer ersten Produktlinie und zur Ansteuerung der Ventile (21, 25, 28) und Wiegezellen (36) des Basisbehälters (14), der Produktbehälter (18) und der Zuschlagsbehälter (22) aufweist, wobei nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel die nachfolgenden Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen in den anderen Produktlinien relativ zu der ersten Produktmasse in der ersten Produktlinie mit konstanter Satzzeit so verändert werden, dass sich zu einem nachfolgenden Zeitpunkt die Mengen an Vorratsmassen in allen Produktlinien gleichzeitig erschöpfen, wobei die Veränderung durch Satzverkleinerung oder Satzvergrößerung der Restsätze in den anderen Produktlinien relativ zu einer ersten Produktlinie geschieht.
Die Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 10 betreffen Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Anspruch 8.
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Patentinhaberin im Wesentlichen vor, dass der Einspruch nicht zulässig sei, da im Einspruchsschriftsatz für die geltend gemachten Einspruchsgründe mangelnde Ausführbarkeit und mangelnde Patentfähigkeit keine Gründe angegeben seien. Denn nicht der Gegenstand des Patentanspruchs, wie angegriffen, müsse nicht ausführbar sein, sondern das Patent. Bezüglich der Patentfähigkeit genüge kein allgemeiner Hinweis, dass Merkmale irgendwie bekannt seien. Die nunmehr beanspruchten Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 seien gegenüber D1 und den Dokumenten D2 bis D4 und B1, als Stand der Technik unterstellt, patentfähig, wobei weiterhin die Offenkundigkeit des Angebots D4 bestritten werde und es der eidesstattlichen Erklärung B1 an der Glaubhaftmachungswirkung fehle.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende ist, wie angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Schriftsätzlich macht sie geltend, dass der Einspruch zulässig sei. Er setze sich insbesondere ausführlich mit dem Kennzeichen des Streitpatents auseinander. Die Argumentation der Beschwerdeschrift, dass D1 keinen Anlass gebe, in einzelnen Abteilungen verbleibende Gießmasse zu vermeiden, wenn andere Abteilungen bereits leer gelaufen sein, sei unzutreffend. Denn die Anpassung von Satzgrößen und Satzzeiten für die Nachfüllung der Abteilungen stelle neben dem Verwerfen verbleibender Gießmasse die einzige Möglichkeit dar, die Abteilungen der Gießvorrichtung gleichzeitig leer laufen zu lassen. Die aufgabenhaften Merkmale im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 seien, wie im angegriffenen Beschluss ausgeführt, folglich nahegelegt. D2, D3, B1 und D4 nähmen ebenfalls die anspruchsgemäße Merkmalskombination vorweg.
Der Anspruch 1 des seinerzeit geltenden Hilfsantrags sei auch nicht erfinderisch gegenüber dem zitierten Stand der Technik. Die Nachfüllung einer ersten Produktmasse in unveränderter Satzgröße und die Anpassung nur der anderen Produktmassen an die Restlaufzeit stelle eine naheliegende Variante zur Aufteilung der restlichen Grundmasse anhand der ermittelten spezifischen Durchschnittsverbräuche gemäß B1 dar. Auch D4 beschreibe mit der Leerfahrt dieses Merkmal.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere den Wortlaut der geltenden Ansprüche 2 bis 7, 9 und 10, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.
1.
Der Einspruch ist zulässig, insbesondere ist er auch in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass die Patentinhaberin, das DPMA unddas BPatG daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH GRUR 1972, 592 -Sortiergerät, 1987, 513 -Streichgarn, 1993, 651 -Tetraploide Kamille). Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht ist die Einsprechende nachgekommen. Im Einspruchsschriftsatz sind die Widerrufsgründe mangelnde Patentfähigkeit und Ausführbarkeit behauptet. Zumindest für den Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit sind die Tatsachen im Einzelnen angegeben, aus denen sich ergibt, dass der Einspruch gerechtfertigt ist. In Bezug auf die eidesstattliche Erklärung B1 in Verbindung mit D3 sind jedenfalls die für den behaupteten Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit maßgeblichen Umstände im Einzelnen so vollständig im Hinblick auf alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 dargelegt, dass die Patentinhaberin und das BPatG daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes des mangelnden Patenfähigkeit ziehen können. Denn die Einsprechende hat im Detail erläutert, inwiefern durch die Betriebsweise der anlässlich der Interpack 2002 vorgestellten Anlage D3 nach den Ausführungen der eidesstattlichen Erklärung B1 neben dem Verfahren gemäß Oberbegriff auch die im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 angegebene Verfahrensweise nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel vorweggenommen sei (Einspruchsschriftsatz vom 1. September 2006, S. 6 Abs. 3 bis S. 8 le. Abs.).
2.
Der geltende Anspruch 1 basiert auf den erteilten Ansprüchen 1 und 2 i.
V. m. Abs. [0010] und Abs. [0028] der Patentschrift und geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 sowie S. 5 Z. 2 bis 23 und S. 10 Z. 15, 16 und 32 der Erstunterlagen zurück. Die Ansprüche 2 bis 7 sowie 9 und 10 entsprechen den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 8, 10 und 11. Der geltende Anspruch 8 leitet sich aus den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 9 und 2 i.
V. m. Abs. [0010] der Patentschrift bzw. S. 5 Z. 2 bis 23 der Erstunterlagen ab.
3. Das Verfahren und die Vorrichtung zum Steuern einer Anlage zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien nach den geltenden Ansprüchen 1 und 8 sind neu.
D1 betrifft zwar ein gattungsgemäßes Verfahren und eine gattungsgemäße Anlage zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien. Auf das Produktionsende bzw. einen Produktwechsel wird in D1 aber nicht eingegangen. D2 weist lediglich auf spezielle Programme für die Verarbeitung von Restmengen bei JellyBlend SM Anlagen hin, die zur Herstellung von Geleemassen dienen (vgl. zweite Sp. von rechts 3. Abs. bis re. Sp. Abs. 1). D3 betrifft gleichfalls JellyBlend SM Anlagen. Bezüglich des Produktionsendes bzw. einen Produktwechsel findet sich in aber D3 keine Angabe.
In Bezug auf die anlässlich der Interpack 2002 vorgestellte Anlage, zu der D3 nach dem schriftsätzlichen Vortrag der Einsprechenden ausgegeben worden sein soll, sollen die in der eidesstattlichen Erklärung B1 beschriebenen Details zur Betriebsweise der JellyBlend SM Anlage, die Teil einer sogenannten Mogul-Anlage zum gleichzeitigen Vergießen von 1 bis 8 jeweils automatisch aus den Inhaltsstoffen dosierten und gemischten Gelee-Gießmassen sein soll, jedem Interessenten ohne Vorbehalt erläutert worden sein (S. 1 Punkt 2, Abs. 1 und 2). B1, als Stand der Technik unterstellt, befasst sich insbesondere mit der Verfahrensweise einer Restmengensteuerung beim Produktionsende bzw. einem Produktwechsel. Dabei sollen alle Gießtrichter, die den Vorratsbehältern für eine Vorratsmasse in jeder Produktlinie gemäß Anspruch 8 des Streitpatents entsprechen, gleichzeitig entleert sein. Dies geschieht auf Basis der protokollierten Daten zur satzweisen Nachfüllung der einzelnen Gießtrichter, d. h. auf Grund der Anzahl der bereits erfolgten Nachfüllungen mit jeweils gleichen Chargengrößen und abhängig von den Zeiten, innerhalb derer eine nachgefüllte Charge von einem Gießtrichter vergossen wurde. Dabei werden zwei Varianten in Betracht gezogen, nämlich die Leerfahrt des Pufferbehälters für die Geleegrundmasse, der dem Basisbehälter nach Anspruch 8 des Streitpatents entspricht, und die für die Praxis relevantere Nachfüllung der einzelnen Gießtrichter in der Weise, dass sie gemeinsam leer laufen (B1 S. 3 Abs. 1 bis 3). Diese Variante besteht darin, gleich der Verfahrensweise gemäß den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents, die einzelnen Gießtrichter aller Produktlinien so nachzufüllen, dass sie gemeinsam leerlaufen. Hierzu wird aus der aufgezeichneten Statistik der Gießtrichter ermittelt, mit dessen Restbefüllung die meisten Formenkästen vergossen können (B1, S. 4 Abs. 4 bis 5). Ausgehend von diesem Gießtrichter wird dann die Anzahl der Durchläufe und Teildurchläufe für die restlichen Befüllungen der anderen Gießtrichter anhand dieser Verbrauchsstatistik so berechnet, dass alle Gießtrichter gleichzeitig entleert sind, d. h. die Durchläufe bzw. Teildurchläufe für die anderen Gießtrichter entsprechen dann vollständigen bzw. anteiligen chargenweise Nachfüllungen (B1, S. 4 Abs. 5). Gemäß den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents wird hingegen auf diese Verbrauchsstatistik verzichtet, um den Gießtrichter zu ermitteln, mit dessen Restbefüllung die meisten Formkästen vergossen werden können. Denn gemäß diesen Ansprüchen wird nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel eine Produktmasse mit konstanter Satzgröße und Satzzeit unverändert weitergefahren und die nachfolgenden Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen an diese eine konstante Produktmasse so angepasst, dass sich zu einem nachfolgenden Zeitpunkt die Mengen an Vorratsmassen in allen Produktlinien gleichzeitig erschöpfen, wobei die Veränderung durch Satzverkleinerung oder Satzvergrößerung der Restsätze in den anderen Produktlinien relativ zu der einen Produktlinie geschieht.
Die erste Variante, nämlich die Leerfahrt des Pufferbehälters bzw. Basisbehälters anhand der Verbrauchsstatistik, spielt beim Verfahren und der Vorrichtung gemäß den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatent keine Rolle. Das Angebot D4, als Stand der Technik unterstellt, geht nicht über B1 hinaus. Auch hier wird entsprechend B1 die Restmengen-Dosierung der Gießtrichter der JellyBlend Anlage erläutert, wobei der Gießtrichter mit dem höchsten Füllstand ermittelt wird und aus dem Rezept der Verbrauchsstatistik und dem Füllstand die restlichen Befüllungen der anderen Gießtrichter so berechnet werden, dass alle Gießtrichter gleichzeitig entleert sind
(S. 27 d)).
4. Das Verfahren und die Vorrichtung zum Steuern einer Anlage zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien nach den geltenden Ansprüchen 1 und 8 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Erfindung liegt nach den Angaben im Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Produktsorten von Süßwaren in mehreren Produktlinien so weiterzubilden, dass bei paralleler Herstellung mehrerer Produktsorten am Produktionsende einerseits sowie bei Artikelumstellung oder Rezeptänderung konstante Mischungsverhältnisse der Produkte eingehalten werden können, ohne dass nennenswerter Abfall entsteht (Streitpatent Abs. [0008]).
Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 8 gelöst, bei denen nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel die nachfolgenden Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen relativ zu einer konstanten Produktmasse mit konstanter Satzzeit so verändert werden, dass sich zu einem nachfolgenden Zeitpunkt die Mengen an Vorratsmassen in allen Produktlinien gleichzeitig erschöpfen, wobei die Veränderung durch Satzverkleinerung oder Satzvergrößerung der Restsätze in den anderen Produktlinien relativ zu der einen Produktlinie geschieht.
Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann, ein Ingenieur mit besonderen Kenntnissen in der Verfahrenstechnik und dem Bau von Anlagen für die Lebensmittelindustrie, insbesondere Süßwarenindustrie, von gattungsgemäßen Verfahren und Vorrichtungen ausgehen, bei denen das zu lösende Problem angesprochen wird und Lösungen für eine Betriebsweise nachfolgend an ein eingeleitetes Produktionsende und/oder einen Produktwechsel vorgeschlagen werden. Aus der dem Streitpatent am nächsten kommenden B1, als Stand der Technik unterstellt, erhält er den Hinweis, das Problem durch Anwendung einer Verbrauchsstatistik zu lösen, anhand derer der Gießtrichter, in der Terminologie des Streitpatents der Vorratsbehälter, ermittelt wird, mit dessen Restbefüllung die meisten Formenkästen vergossen werden können, und ausgehend von diesem Gießtrichter dann die Anzahl der Durchläufe und Teildurchläufe für die restlichen Gießtrichter zu errechnen. Eine Anregung auf die Ermittlung des Vorratsbehälters mit dessen Restbefüllung die meisten Formkästen bzw. Formen vergossen werden können mittels einer Verbrauchsstatistik zu verzichten, sondern gemäß den Ansprüchen 1 und 8 eine Produktlinie mit konstanter Produktmasse mit konstanter Satzzeit herausgreifen und diese unverändert weiter zu betreiben und daran die Satzgrößen und Satzzeiten der anderen Produktmassen derart anzupassen, dass sich zu einem nachfolgenden Zeitpunkt die Mengen an Vorratsmassen in allen Produktlinien gleichzeitig erschöpfen, ist B1 nicht zu entnehmen. Auch die weiteren entgegengehaltenen Dokumente, als Stand der Technik unterstellt, enthalten keinen dementsprechenden Hinweis. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 sind daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
5. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 und die Vorrichtung nach dem geltenden Anspruch 8 erfüllen somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Diese Ansprüche haben somit Bestand. Die geltenden Ansprüche 2 bis 7, 9 und 10 betreffen besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 8 und sind mit diesen rechtsbeständig.
Schröder Harrer Gerster Schuster Fa
BPatG:
Beschluss v. 12.10.2010
Az: 14 W (pat) 29/07
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